Chronologische Entwicklung der Flüchtlingskrise in Südösterreich im Oktober 2015

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Die Chronologische Entwicklung der Flüchtlingskrise in Südösterreich im Oktober 2015 ist eine tagesgenaue Beschreibung der Vorkommnisse, die sich im Rahmen der Flüchtlingskrise in Europa im Oktober 2015 in der Steiermark und in Kärnten ereigneten bzw. eine Beschreibung von überregionalen Ereignissen, welche einen Einfluss auf die Situation in Südösterreich hatten.

Hintergrund

Die Steiermark und Kärnten waren von der Anfang September im Burgenland einsetzenden Flüchtlingskrise zuerst nur am Rande betroffen. Mitte September 2015, als Ungarn mit der Schließung der Grenze Serbien auch seine Lager räumte, stiegen die Flüchtlingszahlen an den burgenländischen Grenzübergängen Nickelsdorf und Heiligenkreuz im Lafnitztal sprunghaft an. Graz war besonders von den am 13. und 14. September in Heiligenkreuz aufgetretenen Flüchtlingsstrom betroffen, weil der Grazer Hauptbahnhof für den Weitertransport der Migranten nach Deutschland benutzt werden musste.[1]

Die Landeshauptstadt entwickelte sich aber auch deswegen zum ersten steirischen Brennpunkt in der Flüchtlingskrise, weil in der Stadt Notquartiere geschafft werden mussten, um die im Burgenland massenhaft über die Grenze kommenden Flüchtlinge unterzubringen. So adaptierte das Österreichische Rote Kreuz am 13. September kurzfristig die ehemalige Halle der Baumarktkette Praktiker in Graz-Straßgang zu einem Notquartier für wenige Tage. Langfristig wurde eine Halle am Schwarzlsee als Notquartier für mehr als 1000 Menschen eingerichtet, deren Betreuung der Arbeiter-Samariter-Bund übernahm.[2]

Nach der Schließung des ungarischen Grenzzaunes zu Serbien rechnete man eigentlich damit, dass es zu einer Westverlagerung der Flüchtlingsroute kommen würde, und die Menschen somit nicht mehr über Ungarn sondern über Slowenien nach Österreich gelangen würden. Stattdessen brachte die kroatische Regierung die Flüchtlinge an die ungarische Grenze, von wo sie von den ungarischen Behörden wiederum hauptsächlich zum österreichischen Grenzübergang Nickelsdorf transportiert wurden.[3]

Steiermark und Kärnten hatten durch diese Maßnahme eine weitere Atempause gewonnen, die am 16. Oktober mit der Schließung des Zaunes an der ungarisch-kroatischen Grenze zu Ende ging. Von nun an war für die Flüchtlinge der Weg durch Ungarn endgültig versperrt und daher lösten die Steiermark und Kärnten das Burgenland in der Rolle des österreichischen Epizentrums in der Flüchtlingskrise ab.[4]

Chronologische Entwicklung der Flüchtlingskrise im Oktober 2015

17. Oktober: Ungarischer Grenzzaun zu Kroatien geschlossen, erste Flüchtlinge in Spielfeld

Nachdem Ungarn in der Nacht von 16. auf 17. Oktober den Grenzzaun zu Kroatien geschlossen hatte, verlegte das Bundesheer KPE-Personal (Kaderpräsenzeinheiten)[5] aus den Standorten Amstetten, Bludesch und Landeck in die Steiermark. 40 Mann wurden dem Jägerbataillon 17 in Straß zugeteilt, die restlichen 120 brachte man in der Grazer Kirchner-Kaserne unter. An diesem Tag standen somit 460 Soldaten in der Steiermark im sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz, österreichweit waren es 1450.[6] [4]

Am Grenzübergang Spielfeld kamen an diesem Tag die ersten Menschen, mit 1000[7] um einiges weniger als in den Tagen und Wochen zuvor in Nickelsdorf, an. Am Grenzübergang von Bad Radkersburg und auch in Kärnten gab es an diesem Samstag noch keine Ankünfte, sodass in den Transitquartieren im Hinterland genügend Platz für die Aufnahme neuer Flüchtlinge zur Verfügung stand.[8]

Auf dem Balkan zeichnete sich indes ein neues Problem ab, weil Slowenien erklärte, nur 2500 Flüchtlingen pro Tag die Einreise zu erlauben, weil für diese Anzahl an Menschen eine Betreuung möglich wäre. Dies verursachte aber einen massiven Rückstau im Flüchtlingsstrom an der slowenisch-kroatischen sowie kroatisch-serbischen Grenze, den allein an diesem Tag überquerten 6400 Personen die kroatische Grenze von Serbien her kommend.[8]

18. Oktober: Slowenien in der Zwickmühle

An der Grenze zwischen Slowenien und Kroatien schien die Lage in der Zwischenzeit zu eskalieren. Da nach wie vor viele Menschen aus Serbien nach Kroatien einreisten, transportierten die Kroaten zahlreiche Flüchtlinge an die kroatisch-slowenische Grenze. Die Slowenen befanden sich in einer Zwickmühle wie ein Regierungssprecher erklärte, denn während Österreich den Wunsch geäußert hätte, pro Tag nur 1500 Menschen aufnehmen zu können, wünschten sich die Kroaten täglich 5000 Migranten nach Slowenien weiterzuleiten. Zum Teil nahmen die Flüchtlinge an der slowenisch-kroatischen Grenze ihr Schicksal selbst in die Hand und versuchten über kleinere Grenzübergängen ins Land zu kommen.[9]

In Bad Radkersburg wurde der Grenzübergang wegen des Übertritts von 360 Flüchtlingen für kurze Zeit gesperrt. Insgesamt kamen an diesem Tag über Spielfeld und Bad Radkersburg 1600 Menschen nach Österreich. In Kärnten gab es wie am Tag zuvor keine Übertritte.[10]

19. Oktober: Sperre der Zugverbindung zwischen Steiermark und Slowenien

Am Nachmittag musste die Zugverbindung zwischen der Steiermark und Slowenien gesperrt werden, weil Flüchtlinge auf den Gleisen in Richtung Norden marschierten.[11] Bis Abend gelangten 2000 Menschen über Bad Radkersburg und Spielfeld nach Österreich, wobei sie in Bad Radkersburg teilweise über die grüne Grenze kamen.[12]

In Slowenien spitzte sich indes die Flüchtlingskrise weiter zu, weil allein an diesem Tag 8.000 Menschen über die kroatische Grenze ins Land kamen. Die Regierung bat daher andere EU-Staaten um Unterstützung, da es das kleinste Land entlang der Balkanroute war und so nur eingeschränkte Mitteln zur Verfügung hatte.[13]

20. Oktober - UNO: "Neuer Höhepunkt erreicht", 4500 Flüchtlinge standen plötzlich vor dem Grenzübergang Spielfeld

Laut Aussagen der UNO hatte die Flüchtlingswelle in diesen Tagen einen neuen Höhepunkt erreicht. Griechische Medien sprachen von 29.000 Migranten auf den der Türkei vorgelagerten griechischen Inseln. Die griechische Polizei und die Küstenwache vermuteten, dass die Türkei die Flüchtlinge ziehen lasse, um Druck auf die EU auszuüben, in der Absicht neue Hilfsgelder und anderwärtige Zugeständnisse zu erhalten.[14]

Während Slowenien schon wenige Tage nach der ungarischen Grenzschließung an den Rande seiner Kapazitäten kam, wurde aus Mazedonien ein neuer Tagesrekord 19.000 Ankünften gemeldet. Die Schwierigkeiten der slowenischen Regierung entstanden vor allem durch die Tatsache, dass sich Kroatien an keine Vereinbarungen hielt und diese Flüchtlinge ohne Vorwarnung und "unkontrolliert, sogar absichtlich zerstreut an die Grenze schickte".[15]

Das Rote Kreuz Steiermark meldete, dass es ihm immer schwerer fiel, freiwillige Helfer für den Hilfseinsatz zu finden. Vor allem viele Studenten konnten, nachdem die Universitäten ihren Betrieb aufgenommen hatten, nicht mehr bei der Versorgung der Flüchtlinge mithelfen. Die Landesorganisation stand in diesen Tagen mit 116 Helfern, wobei 43 von ihnen Freiwillige des Teams Österreich waren, in der Flüchtlingshilfe im Einsatz.[16]

Nachdem bis zu Mittag etwa 1000 Flüchtlinge in die Steiermark eingereist waren, eskalierte am späten Nachmittag die Situation vor dem Grenzübergang Spielfeld. Während am Vortag aus Slowenien die Flüchtlinge immer in Gruppen von 100 bis 200 Personen die Grenze überschritten hatten und so von den Einsatzkräften registriert werden konnten, dürften nach Vermutung der Polizei die Menschen in Slowenien eine Absperrung durchbrochen und sich selbständig in Richtung Österreich in Bewegung gesetzt haben. Dies führte unter den durchgefrorenen und hungrigen Flüchtlingen kurzfristig zu Tumulten bei der Essensausgabe.[17]

21. Oktober: Mehr als 1000 Flüchtlinge durchbrechen Grenzsperre, 350.000 neue Flüchtlinge in Syrien?

Am Vormittag kamen etwa 2000 Personen bei Spielfeld über die Grenze, wovon um die Mittagszeit etwa 1500 (nach anderen Quellen bis zu 3000) die Absperrungen am Grenzübergang durchbrachen. Die Polizei vermutete, dass unter den Flüchtlinge die falsche Information kursierte, dass es bis Deutschland nur noch wenige Kilometer wären. Teilweise gelang es den Sicherheitskräften die Menschen zur Umkehr zu bewegen und sie zu überzeugen, dass Busse nur direkt vom Grenzübergang weggingen. Trotzdem setzten etwa 1000 zu Fuß ihre Marsch auf der Grazer Straße (B67) in Richtung Norden weiter fort. Gegen 14 Uhr passierten sie bei Straß und Vogau entlang der Straße aufgereihte Radpanzer des Jägerbataillons 17, das gerade eine Übung durchführte, die aber nicht im Zusammenhang mit dem Assistenzeinsatz stand.[18] Ein großes Problem stellt aktuell sowohl das schlechte Wetter der letzten Tage dar. Dadurch sind zahlreiche Flüchtlinge erkrankt.[19]

Angesichts dieser Entwicklung meinte der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhofer in einem Interview:

„Das Sichern der Grenzen ist Kernaufgabe des Staates. Als Landeshauptmann der Steiermark kann ich nicht zusehen, dass Tausende Menschen unsere Bemühungen um Ordnung missachten und Absperrungen durchbrechen. Wir haben in den vergangen Wochen und Monaten alles getan, um den auf der Flucht befindlichen Personen die bestmögliche Hilfe zu leisten. Wir sehen jetzt aber, dass die Angelegenheit ein Ausmaß angenommen hat, dem wir nicht mehr Herr sind.“

– Landeshauptmann Hermann Schützenhofer

Von slowenischer Seite wurde berichtet, dass seit Schließung des ungarischen Grenzzaunes nach Kroatien bereits 21.000 Migraten in das Land geströmt waren. Allein am 20. Oktober kamen 8000 neue Flüchtlinge ins Land, 11.000 befanden sich aktuell auf slowenischem Staatsgebiet. Weiter südlich auf der Westbalkanroute ließ Kroatien um die Mittagszeit 3500 Flüchtlinge schlagartig ins Land, die zuerst stundenlang vor der kroatischen Grenze in Serbien warten mussten. Weitere 6000 Menschen überschritten noch weiter südlich die griechische Grenze zu Mazedonien.[20]

Die Flüchtlingskrise drohte aber noch weiter zu eskalieren, denn durch das Eingreifen der russischen Armee in Syrien auf Seiten von Baschar al-Assad rechneten türkische Zeitungen damit, dass sich relativ bald etwa 350.000 Menschen aus der schwer umkämpften Stadt Aleppo in Richtung türkische Grenze in Bewegung setzen würden, die nur 50 Kilometer vom Kampfgebiet entfernt war.[20]

22. Oktober: Innenministerin und Verteidigungsminister in Spielfeld, 12.600 neue Ankünfte in Slowenien binnen 24 Stunden

2000 Menschen übernachteten in den Notschlafstellen am Grenzübergang in Spielfeld, die sich in geheizten Zelten befanden. Weitere 500 mussten die Nacht im Freien verbringen. Als am Morgen wieder der Zustrom aus Slowenien einsetzte, waren die Behörden neuerlich gezwungen, die Schleusen zu öffnen, weil der Druck zu groß geworden war. Wieder traten hunderte Flüchtlinge den Weg zu Fuß in das vermeintlich nahe gelegene Deutschland an. Die Polizei beruhigte die Bevölkerung, dass es sich bei diesen Menschen um keine Schwerverbrecher handelte. Am Vortag waren viele wieder zurückgekehrt, als sie sahen, dass sie einem Irrtum bezüglich der Entfernung zur deutschen Grenze erlegen waren. Andere kehrten in Lokale ein oder kauften in Geschäften ein und ließen sich mit Taxis oder öffentlichen Verkehrsmittel in Richtung Deutschland bringen. Wie in Nickelsdorf so entwickelte sich auch die Situation am Grenzübergang Spielfeld zu einem guten Geschäft für die Taxiunternehmen. Das Bundesheer versuchte mit Lautsprecherwagen einzelne Flüchtlingsgruppen auf der B67 dazu zu bewegen, dass sie wieder in Richtung Grenzübergang zurückgehen.[21]

Das Verteidigungsministerium gab im Laufe des Tages bekannt, dass es eine weitere Kompanie in die Steiermark zum Assistenzeinsatz verlegen werde, und so die in diesem Bundesland eingesetzten Kräfte auf 600 erhöhen werden. Auch die Polizei schickte weitere Kräfte zum Grenzübergang nach Spielfeld, den Innenministerin Johanna Mikl-Leitner zusammen mit Verteidigungsminister Gerald Klug gegen 15.00 Uhr besuchte und folgende Aussage gegenüber den Medien äußerte:

„Wir müssen an einer Festung Europa bauen mit Hotspots zur Registrierung an den Außengrenzen und einer Aufteilung der Menschan auch an nicht attraktive EU-Länder.“

– Johanna Mikl-Leitner[21]

Gegen 21.00 Uhr kam es zu einem ersten größeren Übertritt von 600 Flüchtlingen in Kärnten, die von einem slowenischen Zug nach Rosenbach (Gemeinde Sankt Jakob im Rosental) gebracht wurden. Auch in Kärnten standen etwa 300 Mann des Bundesheeres im Assistenzeinsatz.[22] In Spielfeld rechnete man am Abend mit der Ankunft von weiteren 6000 bis 10000 Menschen[23], tatsächlich waren es dann für den Zeitraum von Donnerstag 7 Uhr früh bis Freitag 7 Uhr früh 6000.[24]

In den Medien wurde spekuliert, warum es in der Steiermark im Vergleich zu Nickelsdorf zu diesen Schwierigkeiten kam, obwohl die Voraussetzungen dort günstiger waren als im Burgenland, denn anders als mit Slowenien gab es mit Ungarn zuletzt keinerlei Zusammenarbeit mehr. Im Unterschied zur steirischen Polizei argumentierten ihre burgenländische Kollegen am Höhepunkt der Krise, dass das stundenlange Warten wegen der Registrierung bei diesen Menschenmassen Tumulte auslösen würde und daher wurde bewusst auf diese Maßnahme verzichtet. In der Steiermark hingegen sollten alle Einreisenden registriert werden, doch dies verursachte in Slowenien einen Rückstau von über 30.000 Menschen binnen weniger Tage. Der Hauptgrund dafür war, dass Kroatien alle Flüchtlinge rasch durchwinkte, und diese dann oft über die grüne Grenze ist das österreichische Nachbarland kamen. So erreichte Slowenien binnen weniger Tage seine Kapazitätsgrenzen und konnte diese Krise nur durch ein schnelleres Weiterreichen der Flüchtlinge nach Österreich mildern.[25]

23. Oktober: Außenministertreffen in Wien

Etwa 1500 Menschen verbrachten die sternenklare, und somit recht kalte, Nacht rund um den Grenzübergang Spielfeld, 600 von ihnen wurden kurzfristig in einem Turnsaal in Wagna einquartiert. Aufgrund der angespannten Lage kam es dabei in dieser Unterkunft zu einer Rauferei zwischen den Flüchtlingen.[24]

Das Rote Kreuz gab bekannt, dass nun die steirische Landesorganisation die Leitung übernahm, da die Bezirksorganisation Leibnitz am Ende ihrer Kapazitäten angelangt war. Die Caritas schickte ein Team von Dolmetschern nach Spielberg, das nun ständig am Grenzübergang stationiert wurde. Weiters waren an diesem Tag 75 Polizisten, 110 Soldaten sowie 20 Reservisten im Einsatz. Da sich wieder viele Flüchtlinge selbständig auf den Weg machten, wurden außerdem die Freiwilligen Feuerwehren von Straß und Spielfeld alarmiert, deren Aufgabe es war, die Ortseinfahrten der Ortschaften zu sperren. Im Laufe des Tages verlegten die drei Kompanien des Jägerbataillons 25 von Eisenstadt in die Steiermark und vereinigten sich dort mit der vierten Kompanie, die nicht im Burgenland eingesetzt gewesen war. Die Kärntner Eliteeinheit hatte die Exekutive seit 18. September bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise unterstützt und wurde nun an den neuen Brennpunkt verlegt.[24] Kritisiert wurde die Verlegung einer Einheit des Jägerbataillons 17 just in dem Moment, in dem sich vor seiner Haustüre die größte Krise seit Jahrzehnten abspielte. Die Teile des Bataillons wurden für die EURAD-15-Übung auf dem Truppenübungsplatz Allentsteig benötigt, an der auch eine deutsche Panzereinheit und tschechische Panzergrenadiere teilnahmen.[26]

Am Vormittag kam es zu einer brenzligen Situation als Flüchtlinge, die auf dem Bahndamm in Richtung Norden unterwegs waren, von den Gleisen springen mussten, weil ein Zug diesen Streckenteil passierte. Die ÖBB sperrten daraufhin die seit Donnerstagnachmittag offene Bahnstrecke wieder. Neuerlich durchbrach auch an diesem Tag eine etwa 1500 Personen zählende Gruppe die Absperrungen am Grenzübergang. Sie folgten dem Verlauf der B67 nach Norden in Richtung Leibnitz. Im Laufe des Tages entstanden Gerüchte, dass von Leibnitz aus Sonderzüge fahren würden, aber diese wurden von der ÖBB wieder dementiert. Stattdessen kam eine Vielzahl von Taxis an den Grenzübergang, darunter sogar welche aus Wien. Anders als in Nickelsdorf galten hier fixe Preise, wie zum Beispiel 420 Euro für eine Fahrt nach Wien und 650 Euro für den Transport nach Salzburg. Die Spitze der auf der B67 marschierenden Flüchtlingskolonne erreichte am Abend Wildon, wo kurzfristig für sie die Sporthalle als Übernachtungsmöglichkeit geöffnet wurde.[24]

Auf der Facebook-Seite des Grenzüberganges Spielfeldes postete ein junger Kurde aus der im Nordirak gelegenen Stadt Erbil eine Statusmeldung. Auf seiner eigenen Seite konnte man aufgrund weiterer Statusmeldungen den Weg seiner Flucht nachvollziehen. Demnach verließ er Erbil am 11. Oktober, den Nachmittag des 17. Oktobers verbrachte er in Athen. Am Morgen des 19. Oktobers hatte er bereits Mazedonien hinter sich gebracht und den südserbischen Grenzort Preševo erreicht. Gegen Mittag des 22. Oktobers erfolgte schließlich das Posting vom österreichischen Grenzübergang Spielfeld.[27]

24. Oktober: Beruhigung des Chaos, Kampf der Taxler

In manchen Medien wurde über die Gründe spekuliert, warum 4000 Flüchtlinge in Spielfeld ein derartiges Chaos verursachen konnten, wo es doch in Nickelsdorf oft bis 10.000 Ankünfte pro Tag gab. Als Hauptgrund wurde das Registrierungsverfahren ausgemacht, auf das die burgenländische Polizei bewusst verzichtet hatte, um keinen Rückstau zu verursachen und somit die Gefahr von Tumulten zu erhöhen. Aber auch das Verhalten der Flüchtlinge war in Spielfeld anders als in Nickelsdorf. Im Burgenland stellten sie sich noch geduldig an, weil sie unter besseren Wetterbedingungen ihre Flucht antreten hatten können. Die in Spielfeld ankommenden Migranten hatten hingegen oft in eiskalten Nächten im Freien übernachten müssen, manche waren auch krank, und so lagen bei jeder auftretenden Behinderung die Nerven eher blank als noch Wochen zuvor in Nickelsdorf. Ein weiteres Problem stellte die verkehrstechnisch ungünstige Lage von Spielfeld dar. In Nickelsdorf lag mit Wien eine Großstadt in unmittelbarer Nähe, die viele Flüchtlinge aufnehmen konnte, und von wo aus mit der Westbahn eine sehr leistungsfähige Eisenbahnstrecke direkt nach Deutschland führte. Ende Oktober wurden aufgrund der schon so lange andauernden Flüchtlingskrise auch die Transitquartiere immer knapper, weil viele mit Asylwerbern belegt worden waren, für die der Staat keine anderen Unterkunftsmöglichkeiten finden konnte. Und zu guter Letzt gab es in Deutschland immer mehr Anzeichen dafür, dass die großzügige Aufnahmepolitik bald ein Ende finden würde-[28]

Je nach Informationsquelle wurde die Situation am Grenzübergang Spielfeld unterschiedlich beschrieben. Während eine Quelle die Verhältnisse als Die Schande von Spielfeld[29] bezeichnete, sahen andere Berichterstatter an diesem Samstag hoffnungsvolle Anzeichen, dass sich die Organisation eingespielt hatte, wodurch auch ein neuerlicher Durchbruch der Flüchtlinge durch die Sperren ausblieb. Die Einsatzkräfte waren weiter aufgestockt worden. Es machten nun 200 steirische Polizisten an beiden Grenzübergängen Dienst, 145 Kollegen kamen außerdem noch aus Niederösterreich, Wien und dem Burgenland dazu. Das Bundesheer hatte sein Kontingent auf fünf KPE-Kompanien aufgestockt, 700 Mann machten direkt an den beiden Grenzübergängen bzw. im Bezirk Leibnitz Dienst, 100 weitere Soldaten im Hinterland.[30]

Der Dienst der Beamten wurde noch durch falsche Gerüchte erschwert, die unverantwortliche Österreicher absichtlich in den sozialen Medien streuten, in denen sie den Flüchtlingen allerhand falsche Dinge unterstellten. Die Polizei sah sich genötigt eine Erklärung abzugeben, dass von diesen Leuten keine Gefahr ausgehe und diese ganzen Meldungen ein Blödsinn sind und nur der Verunsicherung der Bevölkerung dienen.[31]

Wie in Nickelsdorf so witterten auch viele Taxifahrer ein gutes Geschäft. Laut einer Quelle hätten sich am Morgen bis zu 800 Taxis vor dem Grenzübergang versammelt, und dadurch ein Versagen des staatlichen Transportsystems abgefedert.[29] Zum Unmut der Wirtschaftskammer Steiermark kamen sogar viele Taxis aus Wien in den äußersten Süden Österreichs und boten ihre Dienste an, obwohl sie dazu gar nicht berechtigt waren. Die WKO ließ daraufhin die Kennzeichen der nicht berechtigten Fahrzeuge fotographieren und behielt sich weitere Schritte vor. Als Mindestpreis für eine Fahrt nach Wien galten 420 Euro, für den Transport nach Salzburg 630 Euro, aber auch hier gab es noch höhere Wucherpreise wie zu Nickelsdorfer Spitzenzeiten.[30]

25. Oktober: Sondergipfel in Brüssel brachte 17-Punkteplan

Bei einem Sondergipfel in Brüssel vereinbarten an diesem Sonntag die Staats- und Regierungschefs der von der Flüchtlingskrise besonders betroffenen Länder Albanien, Bulgarien, Deutschland, Griechenland, Kroatien, Mazedonien, Österreich, Rumänien, Serbien, Slowenien und Ungarn einen 17-Punkteplan, dessen Ziele es waren, für die Flüchtlinge adäquate Unterkünfte bereitzustellen, die Bewegungen der Flüchtlingsgruppen gemeinsam zu koordinieren und die EU-Außengrenzen zu sichern. Unter anderem sollten 100.000 Unterkünfte entlang der Westbalkanroute geschaffen werden.[32]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Flüchtlinge: Steirische Notquartiere in Betrieb, Webseite steiermark.orf.at, abgerufen am 19. Oktober 2015
  2. Flüchtlinge: Erste Notquartiere einsatzbereit, Webseite steiermark.orf.at, abgerufen am 19. Oktober 2015
  3. 3500 Menschen unterwegs: Ungarn soll Flüchtlinge aus Kroatien nach Österreich transportieren, Webseite m.focus.de, abgerufen am 18. September 2015
  4. 4,0 4,1 Neue Flüchtlingsroute: 160 Soldaten für die Steiermark, Webseite diepresse.com, abgerufen am 17. Oktober 2015
  5. Kräfte für internationale Operationen – Kaderpräsenzeinheiten (KIOP-KPE), Webseite berufssoldat.bundesheer.at, abgerufen am 19. Oktober 2015
  6. Neue Flüchtlingsroute: 160 Soldaten für die Steiermark, Webseite diepresse.com, abgerufen am 17. Oktober 2015
  7. Flüchtlingsankünfte verlagern sich in die Steiermark, Webseite derstandard.at, abgerufen am 19. Oktober 2015
  8. 8,0 8,1 Nickelsdorf leer - Route verlagert sich nach Süden, Webseite diepresse.com, abgerufen am 19. Oktober 2015
  9. Flüchtlinge: Verwirrung zwischen Österreich und Slowenien, Webseite diepresse.com, abgerufen am 19. Oktober 2015
  10. Rund 2.600 Menschen kamen aus Slowenien über Grenze, Webseite www.kleinezeitung.at, abgerufen am 19. Oktober 2015
  11. Zugverkehr zwischen Spielfeld und Maribor bis Dienstag gesperrt, Webseite www.kleinezeitung.at, abgerufen am 19. Oktober 2015
  12. 2000 Flüchtlinge erreichten bis Montagabend die Steiermark, Webseite www.kleinezeitung.at, abgerufen am 20. Oktober 2015
  13. Slowenien plant Militäreinsatz an Grenze, Webseite diepresse.com, abgerufen am 20. Oktober 2015
  14. UNO: "Neuer Höhepunkt erreicht", Webseite www.kleinezeitung.at, abgerufen am 19. Oktober 2015
  15. Slowenien setzt die Armee ein, Webseite www.kleinezeitung.at, abgerufen am 19. Oktober 2015
  16. Einige hundert neue Flüchtlinge in Bad Radkersburg, Webseite www.kleinezeitung.at, abgerufen am 19. Oktober 2015
  17. Steiermark: Überraschender Flüchtlings-Andrang in Spielfeld, Webseite diepresse.com, abgerufen am 20. Oktober 2015
  18. Spielfeld: Flüchtlinge durchbrechen Absperrung, Webseite diepresse.com, abgerufen am 21. Oktober 2015
  19. Flüchtlingsnot: Die Kälte ist jetzt das Hauptproblem in der Kleinen Zeitung vom 21. Oktober 2015 abgerufen am 21. Oktober 2015
  20. 20,0 20,1 Rund 1.500 Flüchtlinge in Spielfeld auf eigene Faust losgegangen, Webseite derstandard.at, abgerufen am 21. Oktober 2015
  21. 21,0 21,1 Live-Ticker zu Flüchtlingskrise in der Steiermark 22. Oktober 2015, Webseite www.kleinezeitung.at, abgerufen am 22. Oktober 2015
  22. Slowenischer Zug bringt 600 Flüchtlinge nach Kärnten, Webseite diepresse.com, abgerufen am 22. Oktober 2015
  23. Innenministerin Mikl-Leitner: "Müssen an einer Festung Europa bauen", Webseite derstandard.at, abgerufen am 22. Oktober 2015
  24. 24,0 24,1 24,2 24,3 Flüchtlinge am Bahngleis von Zug überrascht, Webseite www.kleinezeitung.at, abgerufen am 22. Oktober 2015
  25. Spielfeld: Überrannt und überfordert, Webseite diepresse.com, abgerufen am 22. Oktober 2015
  26. Dynamic Response 2015, Webseite www.bundesheer.at, abgerufen am 23. Oktober 2015
  27. Facebook - Grenzübergang Spielberg, Webseite facebook.com, abgerufen am 23. Oktober 2015
  28. Kleine Zeitung - Berichterstattung Flüchtlingskrise, Printausgabe vom 24. Oktober 2015
  29. 29,0 29,1 Flüchtlingskrise: Die Schande von Spielfeld, Webseite www.kurier.at, abgerufen am 25. Oktober 2015
  30. 30,0 30,1 Kleine Zeitung - Berichterstattung Flüchtlingskrise, Printausgabe vom 25. Oktober 2015, Seite 6 und 7
  31. Polizei dementiert Gerüchte zu Plünderungen, Webseite derstandard.at, abgerufen am 25. Oktober 2015
  32. Ein Aktionsplan mit 17 Punkten soll die Flüchtlingskrise lösen, Webseite derstandard.at, abgerufen am 26. Oktober 2015