Bedeutung von Heimat und Familie im Ersten Weltkrieg
Heimatfront und Familie
Die Diskrepanz zwischen dem Krieg, wie ihn die Soldaten erlebten, und dem Bild vom Krieg, das die Propaganda vermittelte, konnte größer nicht sein. Während den Soldaten an der Front Elend, Verstümmelung und Tod begegneten und viele von ihnen keinerlei Sinn mehr in ihrem Tun erkannte, wurde in der Heimat durch eine geschönte Darstellung des Krieges weiterhin ein Bild vermittelt, das vor allem einen Zweck hatte: die Menschen an der Heimatfront nicht zu beunruhigen.[1]
Heimatfront
Die Soldaten waren an den Kriegsschauplätzen stationiert. Zurück in der Heimat blieben jene, die wegen Untauglichkeit oder aufgrund ihres Alters nicht eingezogen wurden, also Alte, Frauen und Kinder. [2]
Frauen
Trotz zunehmender Industrialisierung und Landflucht lebten um 1910 noch 62 Prozent der rund 26 Millionen Bewohnern Cisleithanien auf dem Land in Siedlungen mit bis zu 2.000 Einwohnern und 15 Prozent in kleinen Landstädten mit bis zu 5.000 Einwohnern. Die Mehrheit der Frauen erlebte die Kriegszeit also nicht im urbanen Raum. Auf dem Land mussten Frauen nach der Einberufung der Männer die Tätigkeiten im Stall, hinter dem Pflug, auf den Feldern und im Wald zusätzlich übernehmen, die sie bis dahin aufgrund der traditionellen Arbeitsaufteilung zwischen den Geschlechtern nicht ausgeführt hatten. [3]Die Hauptsorge, die Familie zu versorgen, lag somit bei den Frauen. Diese waren nun für Haus, Hof und Kind verantwortlich. Zusätzlich wurden Frauen als „Soldaten des Hinterlandes“ umworben. Dadurch, dass Millionen von Soldaten einberufen wurden, konnten die Stellen nur schwer nachbesetzt werden. Unter großem Propagandagetöse wurde in Deutschland die „Heimatfront“ aus der Taufe gehoben, die als ebenso kriegsentscheidend galt wie die Kampfplätze in den Schützengräben. [4] Am 8. August 1914 und damit nur eine Woche nach dem Beginn des Ersten Weltkriegs wurde der [[w:Nationaler Frauendienst|"Nationale Frauendienst"] durch die Bürgerliche Frauenbewegung ins Leben gerufen. Er diente der Koordination der weiblichen Aktivitäten an der "Heimatfront" und legte bereits am Tage der militärischen Mobilmachung ein Konzept für die Fürsorgearbeit während des Krieges vor.[5] Da die Löhne mit den Preisen nicht Schritt hielten und auf die staatliche Unterstützung für Angehörige von Soldaten bis 1917 nicht angehoben wurde, stellte die Bewältigung des Alltags die Bezieherinnen kleiner Löhne("Fabriklerinnen")und Gehälter (Lehrerinnen, "Ladenfräulein") oder unregelmäßiger Einkommen (Sprach- und Instrumentallehrerinnen) vor immer schwerwiegenden Probleme, zumal wenn sie kleine Kinder oder ältere Angehörige zu versorgen hatten. Infolge des Mangels wurden bereits ab 1915 Bezugsscheine für Lebensmittel (zuerst Brot, Mehl und Milch) und wichtige Güter wie Fette oder Seifen eingeführt.[6]
Kinder
Gleich zu Beginn des Krieges wurde das Kind als wichtigstes Propagandamittel erkannt. Die Kinder symbolisierten eine hoffnungsvolle Zukunft. Doch auch die Kinder hungerten in den Großstädten und die Kriminalität begann zu steigen. Es bildeten sich oft Kinderbanden und es wird vom sogenannten „Abwesender Vater – schwache Mutter“ – Syndrom gesprochen. Auch die Bildung der Kinder litt massiv unter dem Ersten Weltkrieg. 30 bis 40 Prozent aller männlichen Mittelschullehrer Österreichs waren an der Front. Die Schulen wurden umfunktioniert zu Militäradministrationen und Spitälern.[7] Mithilfe einer aggressiven Propaganda wurden die Kinder gezielt mobilisiert. Die katholische Kirche spielte dabei eine wichtige Rolle: 1915 initiierte sie den „Kinderkreuzzug“ mit dem Ziel, eine „Armee des Gebets“ aufzubauen. Die Kinder sollten in diesem Rahmen zum Beispiel Frontabschnitte betreuen und die Soldaten in der Stunde des Kampfes mit Gebeten begleiten. [8]
Medizinische Versorgung
Schon am 15. August 1914 erklärte das Rote Kreuz in zwei Zirkularen an die nationalen Rotkreuzgesellschaften seine Bereitschaft zur Vermittlung zwischen den Kriegsparteien und kündigte die Schaffung einer internationalen Auskunftsstelle für Kriegsgefangen an. Es ersuchte die Staten daher um Informationen über die in ihrem Gewahrsam befindlichen Kriegsgefangenen. So könnten der Kontakt zwischen diesen und ihren Familien ermöglicht werden und gegebenenfalls auch Hilfssendungen organisiert werden. [9]
Heimkehrer
Bis Jahresende 1918 kehrten rund 700 000 ehemaligen k. u. k. Soldaten heim. Davon fuhren nur 200 000 mit offiziellen Transporten zurück, der Großteil schlug sich selbst nach Hause durch. Innerhalb der Familien war vieles nicht mehr so wie vor dem Krieg. Die meisten heimkehrenden Soldaten hatten ihre Kinder jahrelang nicht gesehen. Manche hatten ihre Kinder, die kurz nach ihrer Einberufung geboren wurden, noch gar nicht kennen gelernt. Die Heimkehrer fanden auch eine veränderte Rolle der Frau vor. Die Frauen waren massiv in der Kriegswirtschaft eingesetzt worden und hatten die Positionen der Männer eingenommen. Der Krieg hatte die Position der Frauen gestärkt, sie arbeiteten nun in Männerberufen und versuchten, nach dem Krieg ihre beruflichen Positionen zu halten. Die Soldaten wurden wieder in das Wirtschaftsleben eingegliedert – bei extrem schlechten Bedingungen. Die Löhne waren durch den Krieg auf ein Drittel der Vorkriegszeit gesunken, sie verdienten nur mehr zehn bis 20 Prozent ihres Vorkriegseinkommens.[10]
Weblinks
Literatur
Antonia Meiners: Die Stunde der Frauen - zwischen Monarchie, Weltkrieg und Wahlrecht 1913-1919 Elisabeth Sandmann Verlag GmbH, München 2013, ISBN 978-3938045817.
Einzelnachweise
- ↑ Martina Winkelhofer: So erlebten wir den den Ersten Weltkrieg, Amalthea Signum Verlag, Wien 2013. S. 104-105
- ↑ Martina Winkelhofer: So erlebten wir den den Ersten Weltkrieg, Amalthea Signum Verlag, Wien 2013. S. 105
- ↑ Gunda Barth-Scalmani:Jubel und Elend, Schallaburg Kulturbetriebsges.m.b.H, Schallaburg 2014. S. 283
- ↑ Guido Knopp:Der Erste Weltkrieg - Eine Bilanz in Bildern, Edel Books, Hamburg 2013. S. 88-89
- ↑ Leonie Wagner, Cornelia Wenzel:Frauenbewegung und Soziale Arbeit, Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2009. S. 28
- ↑ Jubel und Elend, Schallaburg Kulturbetriebsges.m.b.H, Schallaburg 2014. S. 285
- ↑ Martina Winkelhofer: So erlebten wir den den Ersten Weltkrieg, Amalthea Signum Verlag, Wien 2013. S. 124-128
- ↑ Guido Knopp: Der Erste Weltkrieg. Die Bilanz in Bildern, Edel Germany GmbH, Hamburg 2013. Seite 138
- ↑ Daniel Marc Segesser:Jubel und Elend, Schallaburg Kulturbetriebsges.m.b.H, Schallaburg 2014. S. 329
- ↑ Martina Winkelhofer: So erlebten wir den den Ersten Weltkrieg, Amalthea Signum Verlag, Wien 2013. 214-216}}