Fährunglück auf der Mur 1875
Das Fährunglück auf der Mur war ein Schiffsunglück im Jahr 1875 bei Gratkorn, das 96 Menschenleben forderte.
Hergang
Am 18. Mai, dem Pfingstdienstag, wurde eine Wallfahrt von Bewohnern von Sankt Stefan am Gratkorn und den umliegenden Orten nach Maria Straßengel am anderen Ufer der Mur durchgeführt. Etwa 500 Personen nahmen unter der Leitung ihres Seelsorgers Pater Kolumban List, einem Pater vom Stift Rein, an der Wallfahrt teil.
Um den Weg abzukürzen, wollte man die Mur mit der Fähre bei Judendorf, die vom Stift Rein betrieben wurde, benützen. Die beiden Plätte waren mit Bohlen belegt. Auf diesen Brettern durften sich maxiimal 100 Personen befinden. Bei dieser hohen Personenanzahl musste die Fähre deshalb mehrmals den Fluss queren. Zweimal wurden jeweils Personen über die Mur befördert, wobei die Fähre schon bei der zweiten Fahrt bedenklich viel Wasser schöpfte.
Trotzdem der Fährmann durch einen Kaplan auf diesen Umstand aufmerksam gemacht wurde, ließ er 159 Personen, meistens Frauen und Kinder, die Fähre besteigen. Als die überlastete Fähre zur Fahrt von der Verankerung am Ufer gelöst wurde, brach sofort die Stange am linken Flussufer, über die das Führungsseil gespannt war, und die Fähre trieb manövrierunfähig die Mur, die wegen starken Regenfällen in der Nacht einen deutlich erhöhten Wasserstand aufwies, talwärts.
Die Bohlen, die die beiden Boote zusammenhielten, lösten sich in der Folge und wurden vom Wasser abgetrieben. Auf dem Fährschiff wurde dabei die Panik immer größer und zahlreiche Personen fielen in die Mur. Erst bei der Weinzierlbrücke blieb das Schiff hängen, wodurch in der Folge zahlreiche Personen gerettet werden konnten. Ein großer Teil wurde jedoch vom Wasser abgetrieben, sodass man erst Tage danach eine endgültige Bilanz ziehen konnte. So konnten 96 Menschen nur mehr tot geborgen werden.
Schon im darauffolgenden August kam es zum Prozess um die Schuldigen zu finden. Angeklagt wurde sowohl ein überlebender Fährmann, als auch der Pfarrer, der die Pilgerprozession leitete.
Erinnerungsorte
Heute erinnert eine Schautafel in Gratkorn an die alte Überfuhr, die bis 1962 in Berieb war, und an das Unglück.
Die Faiblkapelle in Jasen im Forstviertel wurde durch einen überlebenden Baumeister, der seine Frau verlor, 1888 renoviert und ausgebaut.▼[1]
An der Außenmauer der Pfarrkirche Gratkorn erinnert ein Grabstein des Gastwirtes Martin Rinner an seinen Tod bei der Überfahrt über die Mur.[2]
Einzelnachweise
- ↑ Faibl-Kapelle bei der Pfarre Gratkorn abgerufen am 5. Jänner 2023
- ↑ Grabstein von Martin Rinner bei der Pfarre Gratkorn abgerufen am 5. Jänner 2023
Weblinks
- Geschichte der Pfarre Gratkorn
- Das entsetzliche Unglück. In: Grazer Volksblatt, 21. Mai 1875, S. 2 (online bei ANNO).
- Aus dem Gerichtssaale. In: Grazer Volksblatt, 25. August 1875, S. 6 (online bei ANNO).
47.12620615.343796Koordinaten: 47° 7′ 34″ N, 15° 20′ 38″ O