Paul Schilder

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Paul Schilder, Bürgermeister von Deutsch-Wagram 1924–1928

Paul Schilder (* 20. Dezember 1871 in Alt-Kammer (Stará Komora tschechisch) in Tschechien; † 2. August 1933 in Deutsch-Wagram) war Lehrer, Schuldirektor, Kommunalpolitiker und Bürgermeister in Deutsch-Wagram.

Leben und Wirken

Paul Schilder, geboren als Sohn des Webermeisters und Leinenfabrikanten Vinzenz Schilder sowie Pauline Öhler,[1] verbrachte seine Kindheit in Österreichisch-Schlesien. Er absolvierte seine Ausbildung an der Lehrerbildungsanstalt in Troppau. Im Alter von etwa 18 Jahren zog Schilder nach Großengersdorf, wo er von 1890 bis 1908 als Lehrer tätig war. Im Jahr 1905 heiratete er Theresia Kraus (1878-1956),[2] die aus einer etablierten Lehrerfamilie stammte. Während seiner Zeit in Großengersdorf legte er die Prüfung für Bürgerschullehrer in den Fächern Deutsch, Geografie und Geschichte ab. Er stand damals im engen Kontakt mit der Großengersdorfer Bevölkerung. Einmal in der Woche musizierte er mit der Feuerwehrkapelle und konnte sich einige Jahre als Dirigent bewähren.[3]

Im Jahr 1908 bewarb sich Paul Schilder um eine Oberlehrerstelle in Großengersdorf, jedoch wurde diese Position unerwartet dem Lehrer Karl Suchy zugeteilt. Daraufhin wechselte Schilder zunächst von 1908 bis 1910 nach Loosdorf, wo er als Oberlehrer tätig war.[4] Im Jahr 1910 übernahm er die Rolle des Schulleiters und ersten Direktors der unter Bürgermeister Ferdinand Leeb neu erbauten Bürgerschule in Deutsch-Wagram. Unter seiner Führung erlangte die Schule einen überregionalen Ruf für ihre Bildungsqualität. Schilder leitete die Einrichtung bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1923 und wurde in Anerkennung seiner Verdienste zum Schulrat ernannt.

Neben seiner beruflichen Laufbahn engagierte sich Paul Schilder auch politisch. Er trat 1912 in den Gemeinderat von Deutsch-Wagram ein.[5] Während des Ersten Weltkrieges übernahm er die Leitung der Lebensmittelkommission und einer Schulküche, um die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Bei den Gemeindewahlen 1924 erzielten sowohl die bürgerlichen Parteien, zu denen die Christlichdeutsche Wirtschaftspartei, die Christlichsoziale Partei und der Gewerbebund gehörten, als auch die Sozialdemokraten jeweils zehn Sitze. Aufgrund der Pattsituation wurde der Bürgermeister durch das Los bestimmt, wodurch Paul Schilder von der Christlichsozialen Partei zum Bürgermeister von Deutsch-Wagram gewählt wurde und dieses Amt von 1924 bis 1928 innehatte.[6]

Während seiner Amtszeit als Bürgermeister durchlebte Paul Schilder eine politisch herausfordernde Phase. Seine Führung war durch eine bürgerlich geprägte Agenda gekennzeichnet, die erhebliche Kritik von den zehn Arbeitervertretern im Gemeinderat nach sich zog. Die Spannungen erreichten im Dezember 1927 einen Höhepunkt mit der Gründung dreier Heimwehrorganisationen,[7] bei denen Paul Schilder als Initiator fungierte. Diese Entwicklung zog einen Misstrauensantrag nach sich. Als Reaktion darauf traten die sozialdemokratischen Gemeinderäte im Januar 1928 zurück,[8] was die Notwendigkeit einer Neuwahl des Gemeinderates herbeiführte.

In der politisch angespannten Atmosphäre bildete Paul Schilder eine "Einheitsliste",[9] die aus Mitgliedern des Gewerbebundes, der Großdeutschen Partei und der Christlichsozialen Partei bestand, um eine breite bürgerliche Unterstützung zu sichern. Um die Chancen bei den bevorstehenden Wahlen zu verbessern, schloss er auch vier tschechischnationale Kandidaten in die Liste ein, was strategisch darauf abzielte, zusätzliche Stimmen zu gewinnen und somit eine Mehrheit im Gemeinderat zu erreichen.

Trotz dieser Anstrengungen erreichten die Sozialdemokraten und die Kommunisten zusammen eine knappe Mehrheit. Als die Zeit kam, einen Bürgermeister zu wählen, konnte erneut keine Einigung unter den Gemeinderäten erzielt werden. Die Entscheidung wurde wiederum durch das Los getroffen, diesmal zugunsten von Heinrich Widmayer,[10] einem Sozialdemokraten, der später auch als niederösterreichischer Landtagsabgeordneter und als Abgeordneter im Nationalrat diente. Die Formierung des neuen Gemeinderates erstreckte sich über mehrere Wochen, während derer Paul Schilder es strategisch anstrebte, viele Schlüsselpositionen für Mitglieder seiner Einheitsliste zu sichern.[11] In der daraus resultierenden Konstellation wurde er zum Vizebürgermeister ernannt. Am 13. März 1931 legte er diese Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nieder.[12]

Grab am Friedhof Deutsch-Wagram

Der Vater von drei Söhnen, Rudolf, Otto und Erwin, die ebenfalls den Lehrerberuf ergriffen, starb 1933 in Deutsch-Wagram,[13] wo er am 4. August 1933 in einem von der Gemeinde gewidmeten Ehrengrab unter großer Anteilnahme der Öffentlichkeit beigesetzt wurde.[14][15][16]

Ehrenamtliche Tätigkeiten

  • Gemeinderat, Vizebürgermeister und Bürgermeister von Deutsch-Wagram (1924–1928).
  • Mitglied der Feuerwehrkapelle Großengersdorf.[3]
  • Mitglied des Orts- und Bezirksschulrates.
  • Mitglied des Approvisionierungs-Ausschusses.
  • Leiter der amerikanischen Kinderausspeisung.
  • Mitglied der Christlichsozialen Partei und Mitbegründer der bürgerlichen "Einheitsliste".[6]
  • Direktor-Stellvertreter der Spar- und Vorschußkasse "Merkur" in Deutsch-Wagram.
  • Präsident der "Ersten Marchfelder Ausstellung", 1926.[17]
  • Mitarbeiter und Hauptkassier des Allgemeinen Pensionistenvereins der öffentlichen Angestellten (1924–1933).

Tätigkeiten als Bürgermeister

  • Auflassung des Elektrizitätswerkes in Deutsch-Wagram und Anbindung an die NEWAG (Niederösterreichische Elektrizitätswirtschafts AG), heute EVN - im Jahre 1925–1926. [9]
  • Ausbau des schulärztlichen Dienstes, der Mutterberatung und der Jugendfürsorge.[9]
  • Errichtung einer modern ausgestatteten Schulküche, eines Lehrzimmers mit Zeichentischen sowie eines zweckentsprechenden Schulgartens.[9]
  • Pflasterung der Hauptstraße auf ihrer gesamten Länge sowie eines Teils der Gänserndorferstraße (1927).[9]
  • Regulierung des Straßenzuges "Am Wagram" und die daran anschließende Kanalisierungsanlage der unteren Hauptstraße.[9]
  • Umgestaltung der Friedhofstraße.[9]
  • Errichtung von Markthütten auf dem Marktplatz.[18]

Auszeichnungen

Einzelnachweise

  1. Eintrag zu Paul Schilder im Taufbuch der Pfarre Alt-Kammer (Stará Komora) im digitalem Archiv des Landesarchives in Opava
  2. Eintrag zu Paul Schilder und Theresia Kraus im Trauungsbuch der Pfarre Großengersdorf auf Matricula
  3. 3,0 3,1 Gehörtes und Erlebtes, Beiträge zur Familien-Chronik, unveröffentlichtes Manuskript von Erwin Schilder im Jänner 1989
  4. Lehrerernennungen in Niederösterreich. In: Die Zeit, 5. Februar 1909, S. 8 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/zei
  5. Vermischte Nachrichten. In: Niederösterreichische Volks- und Vereinszeitung, 21. März 1914, S. 6 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/nvz
  6. 6,0 6,1 Heißer Kampf in Deutsch-Wagram. In: Arbeiter-Zeitung, 25. April 1928, S. 4 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/aze
  7. Misstrauensantrag gegen Paul Schilder: Ein Bürgermeister als Heimwehrorganisator.. In: Arbeiter-Zeitung, 27. Dezember 1927, S. 3 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/aze
  8. Rücktritt der sozialdemokratischen Gemeinderäte in Deutsch-Wagram. In: Arbeiter-Zeitung, 6. Jänner 1928, S. 8 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/aze
  9. 9,0 9,1 9,2 9,3 9,4 9,5 9,6 Gemeinderatswahl 1929. Digitalisat in der Topothek der Gemeinde Deutsch-Wagram (Urheberrechte beachten)
  10. Ein Sozialdemokrat Bürgermeister von Deutsch-Wagram.. In: Arbeiter-Zeitung, 10. Mai 1928, S. 4 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/aze
  11. Wird der neugewählte Deutsch-Wagramer Gemeinderat doch amtsfähig?. In: Volksbote. Sozialdemokratisches Organ für die Interessen der arbeitenden Bevölkerung im Viertel unter dem Manhartsberge / Volksbote. Sozialdemokratisches Wochenblatt für das Viertel unter dem Manhartsberg / Volksbote. Sozialdemokratische Wochenzeitung für den Wahlkreis Marchfeld, 2. Juni 1928, S. 8 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/vbt
  12. Eine Dauersitzung des Deutsch-Wagramer Gemeinderates. In: Volksbote. Sozialdemokratisches Organ für die Interessen der arbeitenden Bevölkerung im Viertel unter dem Manhartsberge / Volksbote. Sozialdemokratisches Wochenblatt für das Viertel unter dem Manhartsberg / Volksbote. Sozialdemokratische Wochenzeitung für den Wahlkreis Marchfeld, 4. April 1931, S. 8 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/vbt
  13. Eintrag zu Paul Schilder im Sterbebuch der Pfarre Deutsch-Wagram auf Matricula
  14. Vereinsnachrichten. In: Oesterreichische Kronen-Zeitung. Illustrirtes Tagblatt / Illustrierte Kronen-Zeitung / Wiener Kronen-Zeitung, 3. August 1933, S. 9 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/krz
  15. In Memoriam SR Paul Schilder In: Neues Wochenblatt. Digitalisat in der Topothek der Gemeinde Deutsch-Wagram (Urheberrechte beachten)
  16. Parte Paul Schilder. Digitalisat in der Topothek der Gemeinde Grossengersdorf (Urheberrechte beachten)
  17. Erste Marchfelder Ausstellung in Deutsch-Wagram. In: Neuigkeits-Welt-Blatt, 9. September 1926, S. 5 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/nwb
  18. Gemeinderatswahl 1929 - S.2. Digitalisat in der Topothek der Gemeinde Deutsch-Wagram (Urheberrechte beachten)
  19. Amtlicher Teil. In: Wiener Zeitung, 27. Juli 1923, S. 1 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/wrz

Weblinks

 Paul Schilder – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien auf Wikimedia Commons