Helmhard IX. Jörger

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Helmhard (IX.) Freiherr Jörger von Tollet (* 17. Februar 1572, in Haag am Hausruck, auf Schloss Starhemberg; † 1. Jänner 1631, in Linz)[A 1] war Besitzer der in der heutigen Stadt Wien gelegenen Herrschaft Hernals. Er gehörte zu den führenden Persönlichkeiten des protestantischen Adels im Herzogtum Österreich "ob der Enns". Mit der Konfiskation seiner Herrschaft Hernals um 1625 konnte Kaiser Ferdinand II. († 1637) die Gegenreformation in den späteren Bundesländern Wien und Oberösterreich erfolgreich durchsetzen.

Herkunft und Familie

Helmhard (IX.) Freiherr Jörger von Tollet stammte aus einer Ritterfamilie, die seit dem Mittelalter im heutigen Oberösterreich ansässig war. Obgleich sie im 16. Jahrhundert protestantisch geworden war, wurde sie unter Kaiser Maximilian II. († 1576) in den Freiherrenstand erhoben. Helmhard (IX.) war der Sohn von Wolfgang (V.) Freiherr Jörger von Tollet († 1614) aus dessen Ehe mit Apollonia Teufel zu Guntersdorf († 1578). Seine Mutter war die Tochter des Hofkriegsratspräsidenten Georg Teufel zu Guntersdorf († 1578) aus dessen Ehe mit Juliana von Windischgrätz. Er war ein Cousin der Freiherren Georg Wilhelm († 1617) und Karl († 1623) Jörger von Tollet.[1]

Helmhard (IX.) Freiherr Jörger von Tollet war zweimal verheiratet,

⚭ (1. Ehe, seit dem 6. Mai 1596) mit Maria Magdalena († 1616), der Tochter von Ludwig von Polheim aus dessen Ehe mit Elisabeth von Starhemberg
⚭ (2. Ehe seit 1619) mit Anna Maria von Khevenhüller, der Tochter von Bartholomäus von Khevenhüller aus dessen Ehe mit Bianca Ludmilla von Thurn. Sie war die Witwe seines Cousins Georg Wilhelm[1]
  • Aus seiner 1. Ehe hatte er drei Söhne und sechs Töchter, darunter Anna Maria Freiin Jörger von Tollet, die Ehefrau von David Ungnad Graf von Weißenwolf († 1672), Landeshauptmann von Österreich "ob der Enns"[1]
  • Aus seiner 2. Ehe hatte er zwei Söhne und zwei Töchter, darunter Anna Magdalena Freiin Jörger von Tollet, Ehefrau des Diplomaten Franz Albrecht von Harrach († 1666)[1]

Werdegang

Helmhard (IX.) Freiherr Jörger von Tollet wurde an der ständischen Landschaftsschule zu Linz ausgebildet und besuchte dann die Universitäten von Tübingen (1586), Straßburg (1588), Padua (1591) und Siena (1592). Nach seiner Rückkehr ins Habsburgerreich versuchte er Johannes Kepler (1571-1630) für die Landschaftsschule in Linz zu gewinnen. Dieser widmete ihm und dem Fürsten Max von Liechtenstein die "Stereometria doliorum" (1615). Außerdem richtete Helmhard (IX.) auf seinem Schloss zu Steyregg eine Bibliothek ein, die von seinen Zeitgenossen sehr bewundert wurde.[1]

Seit 1592 war Helmhard (IX.) als "niederösterreichischer" Regimentsrat im Verwaltungsdienst tätig. 1606, in der kritischen Zeit des "Bruderzwistes" zwischen Kaiser Rudolf II. († 1612) und dessen Bruder Matthias († 1619), stieg er zum Hofkammerpräsidenten auf. Als überzeugter Protestant beteiligte er sich gemeinsam mit anderen Adligen des Herzogtums Österreich "ob und unter der Enns" am Horner Bund (1608). Dieser war ein Zusammenschluss der evangelischen Stände im Herzogtum Österreich und forderte von Erzherzog Matthias eine Bestätigung und Erweiterung der Religionsfreiheiten, die ihnen Kaiser Maximilian II. († 1576) in den Jahren 1568 und 1571 gewährt hatte. [2] In den Wirren nach dem Prager Fenstersturz (23. Mai 1618) versuchte er sich als Vertreter der ständisch-protestantischen Interessen zu profilieren. Ihm wurde nachgesagt, dass er von seinen Besitzungen aus den Vormarsch der Aufständischen aus Böhmen unterstützt hätte. Außerdem befürwortete er ein Bündnis mit Gabor Bethlen (1580-1629), der seit 1913 Fürst von Siebenbürgen geworden war, und der Hohen Pforte, also mit den Feinden der Habsburger. Dabei versuchte er den Habsburgern gegenüber den Anschein von Loyalität zu wahren.[1]

Die Herrschaft Hernals unter Helmhard (IX.)

Seine ererbten Besitzungen im Herzogtum Österreich konnte Helmhard (IX.) durch günstige Umstände und besonders durch seine zweite Ehe mit der Witwe eines seiner Cousins zu einen besonders ausgedehnten Besitzkomplex ausbauen. [1] 1588 hatte sein Vater Wolfgang (V.) zudem die damals westlich der Stadt Wien gelegene Herrschaft Hernals (heute Teil der Stadt Wien), die er Helmhard (IX.) noch zu Lebzeiten überließ. Diese Herrschaft war im 16. Jahrhundert das bedeutendste Zentrum der Reformation in der Umgebung von Wien. In der Hernalser Pfarrkirche predigten evangelischen Prädikanten, trotz der ständigen Verbote zum "Auslaufen" kamen die protestantischen Wiener Einwohnerinnen und Einwohner massenweise dorthin, um den Gottesdiensten beizuwohnen und ihre Kinder taufen zu lassen. Als Kaiser Rudolf II. († 1612) deshalb 1577 die Kirche sperren ließen, wurden die evangelischen Gottesdienste im Saal des Schlosses gefeiert und die Predigten aus dem Fenster vor den im Schlosshof versammelten Menschen gehalten.[2]

Nach der "Religionskapitulations" (1609) durch den späteren Kaiser Matthias, die den protestantischen Adeligen die freie Religionsausübung auf ihren Schlössern und Herrschaften für sich und ihre Untertanen sowie für Pfarrfremde gestattete, führte Helmhard (IX.) in der unter seinem Patronat stehenden Hernalser Pfarrkirche wieder den öffentlichen evangelischen Gottesdienst ein. Als ersten evangelischen Pfarrer holte er Johannes Satorius († 1615) nach Hernals. Nach dessen Tod wirkten dort mit Johann Mühlberger, Elias Ursinus und dem Schwaben M. David Streudlin weitere bedeutende Prädikanten.[2]

Hernals wurde unter Helmhard (IX.) zur langjährigen Wirkungsstätte des bedeutenden Komponisten Andreas Rauch. Es verfügte zu dieser Zeit über eine Musikkapelle mit Orgel, Posaunen und Saitenspiel, die Helmhard (IX.) selbst bezahlte. Er gründete außerdem eine Schule und eine Buchhandlung.[2] Allerdings wurde er bereits 1611 wegen Verletzung seiner Lehenspflichten (Felonie) angeklagt und war deshalb genötigt, um den Besitz seiner Herrschaft Hernals einen langwierigen Prozess zu führen.[3]

Die Schlacht am Weißen Berg und die Folgen

1619/20 gehörte Helmhard (IX.) zu den Führungspersönlichkeiten der protestantischen Ständeopposition, die nach dem Tod des Kaisers Matthias mit den aufständischen böhmischen Ständen Verbindung aufgenommen hatten. Da dessen Nachfolger, der späteren Kaiser Ferdinand II., die Religionsfreiheit nicht bestätigen wollte, verweigerten sie ihm zunächst die Erbhuldigung. Nachdem ein Großteil der evangelischen Stände nach der Schlacht am Weißen Berg (8. November 1620) schließlich die Huldigung leistete, wurden die von ihnen, die sich weiterhin weigerten, zu Rebellen erklärt, geächtet und ihre Guter konfisziert.[2] Zu diesen gehörte Helmhard (IX.). Er wurde am 16. April 1621 als "Hauptrebell" in Wien festgenommen und zum Tode verurteilt, vom Kaiser aber begnadigt und zunächst nur in seinem Schloss zu Hernals inhaftiert. Am 17. April 1622 wurde das Urteil über ihn öffentlich verkündet. Er behielt tatsächlich sein Leben, wurde aber seiner Güter für verlustig erklärt.[2] Erst nach 1625 erhielt er einen Teil von diesen zurück, nicht aber die Herrschaft Hernals.[1]

Diese war mit dem Schloss und der Pfarrkirche im Namen des Kaisers eingezogen worden, der sie 1625 dem Wiener Domkapitel schenkte und ihm auchdas Patronatsrecht über die Hernalser Kirche übertrug.[3] Die evangelischen Seelsorger und Musiker mussten Hernals nun verlassen. Sie übersiedelten zunächst nach Inzersdorf. Am 24. August 1625, dem Festtag des Kirchenpatrons Bartholomäus, wurde der erste katholische Gottesdienst in der Hernalser Pfarrkirche gefeiert.[2]

Die Herrschaften Kreisbach, Bergau, Araburg mit dem Markt Kaumberg und Hohenberg in der Nachbarschaft von Stift Lilienfeld, die Helmhard (IX.) erst wenige Jahre zuvor von seinem Vetter geerbten hatte, wurden 1626 vom Stift gekauft. dieses erwerben. wurden vom Stift erworben (1626). Das Wiener Stadthaus, das spätere Palais Harrach, und die Herrschaften Walpersdorf (heute Teil der Gemeinde Inzersdorf-Getzersdorf) und Gutenbrunn verlor Helmhard (IX.) ebenfalls für immer.[2]

Helmhard (IX.) starb wenige Jahre später in Linz. Über seine letzten Lebensjahre ist kaum etwas bekannt.[2]

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 1,7 vgl. NDB, 1974, Bd. 10
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 2,5 2,6 2,7 2,8 vgl. Jörger von Tollet in der Datenbank Gedächtnis des Landes zur Geschichte des Landes Niederösterreich (Museum Niederösterreich)
  3. 3,0 3,1 vgl. Wien. Geschichte einer Stadt, 2003, Bd. 2. S. 248

Anmerkungen

  1. 'vgl. NDB, 1974, Bd. 10