Kaisersteinbruch: Unterschied zwischen den Versionen

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[[Datei:Kaisersteinbruch 191314.jpg|mini|hochkant=0.7|1913/14 Vertrag Gemeinde mit k.u.k. Kriegsministerium]]
[[Datei:Kaisersteinbruch 191314.jpg|mini|hochkant=0.7|1913/14 Vertrag Gemeinde mit k.u.k. Kriegsministerium]]
Am 31. Oktober 1912 fanden die Verkaufsverhandlungen in Anwesenheit des Abtes Gregor Pöck ihren Abschluss; das Gebiet der Steinbrüche wurde an das [[k.u.k. Kriegsministerium]] verkauft. Diese Verhandlungen fanden ohne Kenntnis und Mitwirkung der Kaisersteinbrucher Bewohner statt.
Am 31. Oktober 1912 fanden die Verkaufsverhandlungen in Anwesenheit des Abtes Gregor Pöck ihren Abschluss; das Gebiet der Steinbrüche wurde an das [[w:K.u.k. Kriegsministerium|k.u.k. Kriegsministerium]] verkauft. Diese Verhandlungen fanden ohne Kenntnis und Mitwirkung der Kaisersteinbrucher Bewohner statt.
{{Zitat|Bei der definitiven Vertragsausfertigung in Császárkőbánya werden seitens des Kriegsministeriums der Sektionschef Ernst Berger, dann Militäroberintendant 2. Klasse Dögl fungieren. Auch der Rechtsvertreter des Militärärars königl. Rat Pajor hat anwesend zu sein. Das Stift Heiligenkreuz wird hiebei durch seinen Abt, Seiner Gnaden Gregor Pöck, die ‚Patria‘ ([[Helvetia Versicherungen|Helvetia Patria Versicherung Basel]]) durch die zur Fertigung berechtigten Funktionäre, Bankdirektor Spitzmüller und Professor Landesberger vertreten sein. |Quelle=Verkaufsakt, Detail|ref=<ref>[[w:Österreichisches Staatsarchiv|Kriegsarchiv Wien]] ''1912 Verkauf von Königshof an das Militärarar.''</ref>}}
 
{{Zitat|Bei der definitiven Vertragsausfertigung in Császárkőbánya werden seitens des Kriegsministeriums der Sektionschef Ernst Berger, dann Militäroberintendant 2. Klasse Dögl fungieren. Auch der Rechtsvertreter des Militärärars königl. Rat Pajor hat anwesend zu sein. Das Stift Heiligenkreuz wird hiebei durch seinen Abt, Seiner Gnaden Gregor Pöck, die ‚Patria‘ ([[w:Helvetia Versicherungen|Helvetia Patria Versicherung Basel]]) durch die zur Fertigung berechtigten Funktionäre, Bankdirektor Spitzmüller und Professor Landesberger vertreten sein. |Quelle=Verkaufsakt, Detail|ref=<ref>[[w:Österreichisches Staatsarchiv|Kriegsarchiv Wien]] ''1912 Verkauf von Königshof an das Militärarar.''</ref>}}


Das Stift Heiligenkreuz hatte nicht volle Handlungsfreiheit, da der Staat Ansprüche auf militärisch relevante Immobilien geltend machen kann. Dafür erhielt das Kloster 3.500.000 Kronen und erwarb in der Folge weitläufige Forstreviere um [[w:Schloss Wasserberg|Wasserberg]] in der Steiermark.<ref>[[w:Alkuin Volker Schachenmayr|Alkuin Schachenmayr]]: ''Wasserberg wurde vor 100 Jahren Heiligenkreuzer Besitz.'' In: ''Sancta Crux.'' 74 (2013), S. 156–163.</ref> Die Forderungen des [[w:Bruck an der Leitha#Brucker Lager|Brucker Lagers]] nach mehr Übungsgelände waren erfüllt.
Das Stift Heiligenkreuz hatte nicht volle Handlungsfreiheit, da der Staat Ansprüche auf militärisch relevante Immobilien geltend machen kann. Dafür erhielt das Kloster 3.500.000 Kronen und erwarb in der Folge weitläufige Forstreviere um [[w:Schloss Wasserberg|Wasserberg]] in der Steiermark.<ref>[[w:Alkuin Volker Schachenmayr|Alkuin Schachenmayr]]: ''Wasserberg wurde vor 100 Jahren Heiligenkreuzer Besitz.'' In: ''Sancta Crux.'' 74 (2013), S. 156–163.</ref> Die Forderungen des [[w:Bruck an der Leitha#Brucker Lager|Brucker Lagers]] nach mehr Übungsgelände waren erfüllt.
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=== Erster Weltkrieg – Kriegsgefangenenlager ===
=== Erster Weltkrieg – Kriegsgefangenenlager ===
Die militärische Geschichte Kaisersteinbruchs begann im [[w:Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]]. Am unteren Ortsende entstand auf einer Straßenseite ein [[Kriegsgefangenenlager]]. Die Wiener Baufirma Janisch&nbsp;& Schnell errichtete große Holzbaracken, die zur Unterbringung von 2.000 bis 3.000 Kriegsgefangenen dienten.
Die militärische Geschichte Kaisersteinbruchs begann im [[w:Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]]. Am unteren Ortsende entstand auf einer Straßenseite ein [[w:Kriegsgefangenenlager|Kriegsgefangenenlager]]. Die Wiener Baufirma Janisch & Schnell errichtete große Holzbaracken, die zur Unterbringung von 2.000 bis 3.000 Kriegsgefangenen dienten.


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[[Datei:Kriegsgefangenenlager-Straßenbau.jpg|mini|hochkant=1.3|Kriegsgefangenenlager Kaisersteinbruch, Straßenbau Kaisersteinbruch – Winden. Burgenland History Blog von Herbert Brettl]]
[[Datei:Kriegsgefangenenlager-Straßenbau.jpg|mini|hochkant=1.3|Kriegsgefangenenlager Kaisersteinbruch, Straßenbau Kaisersteinbruch – Winden. Burgenland History Blog von Herbert Brettl]]
Die Kriegsgefangenen wurden zur Schottererzeugung im ''Blauen Bruch'' herangezogen; ebenso bauten sie eine neue Straße zwischen Kaisersteinbruch und [[Winden am See]] („Russenstraße“), eine [[Luftseilbahn|Drahtseilbahn]] vom Blauen Bruch bis mitten in das Lager und ein Feldbahngleis vom Bahnhof [[Wilfleinsdorf]] in das Lager.
Die Kriegsgefangenen wurden zur Schottererzeugung im ''Blauen Bruch'' herangezogen; ebenso bauten sie eine neue Straße zwischen Kaisersteinbruch und [[Winden am See]] („Russenstraße“), eine [[w:Luftseilbahn|Drahtseilbahn]] vom Blauen Bruch bis mitten in das Lager und ein Feldbahngleis vom Bahnhof [[Wilfleinsdorf]] in das Lager.


Als die [[w:Österreich-Ungarn|Donaumonarchie]] zerfiel, blieb Kaisersteinbruch zunächst ungarisch. Die Staatsgrenze verlief unmittelbar hinter der Kirche in Richtung Leitha. Wilfleinsdorf und Sommerein waren österreichisch.
Als die [[w:Österreich-Ungarn|Donaumonarchie]] zerfiel, blieb Kaisersteinbruch zunächst ungarisch. Die Staatsgrenze verlief unmittelbar hinter der Kirche in Richtung Leitha. Wilfleinsdorf und Sommerein waren österreichisch.


=== Bevölkerung der Gemeinde 1920 ===
=== Bevölkerung der Gemeinde 1920 ===
Ein Jahr vor dem [[w:Landnahme des Burgenlandes|Anschluss des Burgenlandes an Österreich]] lebten hier 448 [[deutsche]], 310 [[w:Madjaren|madjarische]], 5 [[w:Burgenlandkroaten|kroatische]] und 11 sonstige Einwohner und 668 gehörten zur [[w:Römisch-katholische Kirche|römisch-katholischen]] Religion, 23 zur [[Evangelische Kirche A. B.|evang. AB]], 50 zur evang. HB und 7 zur [[Juden|israelitischen]].<ref>''Allgemeine Landestopographie des Burgenlandes.'' 1954, S. 235.</ref>
Ein Jahr vor dem [[w:Landnahme des Burgenlandes|Anschluss des Burgenlandes an Österreich]] lebten hier 448 deutsche, 310 [[w:Madjaren|madjarische]], 5 [[w:Burgenlandkroaten|kroatische]] und 11 sonstige Einwohner und 668 gehörten zur [[w:Römisch-katholische Kirche|römisch-katholischen]] Religion, 23 zur [[w:Evangelische Kirche A. B.|evang. AB]], 50 zur evang. HB und 7 zur [[Juden|israelitischen]].<ref>''Allgemeine Landestopographie des Burgenlandes.'' 1954, S. 235.</ref>


=== 1934 – Anhaltelager ===
=== 1934 – Anhaltelager ===
:{{ArtikelWP|Anhaltelager Kaisersteinbruch}}
:{{ArtikelWP|Anhaltelager Kaisersteinbruch}}


Im Jänner 1934 wurde ein Teil des Militärlagers zum [[Anhaltelager]] für [[Nationalsozialismus|Nationalsozialisten]] eingerichtet und am 12.&nbsp;Februar wurden im Burgenland verhaftete Vertrauensmänner der [[Sozialdemokratische Partei Österreichs|sozialdemokratischen]] und [[Kommunistische Partei Österreichs|kommunistischen Partei]] sowie des [[Österreichischer Gewerkschaftsbund|Österreichischen Gewerkschaftsbundes]] hierher gebracht.
Im Jänner 1934 wurde ein Teil des Militärlagers zum [[w:Anhaltelager|Anhaltelager]] für [[Nationalsozialismus|Nationalsozialisten]] eingerichtet und am 12.&nbsp;Februar wurden im Burgenland verhaftete Vertrauensmänner der [[w:Sozialdemokratische Partei Österreichs|sozialdemokratischen]] und [[w:Kommunistische Partei Österreichs|kommunistischen Partei]] sowie des [[w:Österreichischer Gewerkschaftsbund|Österreichischen Gewerkschaftsbundes]] hierher gebracht.


=== Zweiter Weltkrieg – Absiedlung – Kriegsgefangenenlager STALAG XVII A ===
=== Zweiter Weltkrieg – Absiedlung – Kriegsgefangenenlager STALAG XVII A ===
[[Datei:Stalag XVIIA.jpg|mini|hochkant|Bronzerelief ''STALAG XVII&nbsp;A'' von Alexandru Ciutureanu, 1939–1999]]
[[Datei:Stalag XVIIA.jpg|mini|hochkant|Bronzerelief ''STALAG XVII&nbsp;A'' von Alexandru Ciutureanu, 1939–1999]]


1938 wurde das Anhaltelager Kaisersteinbruch (Lager&nbsp;I) zusammen mit der Kaserne von der deutschen [[Wehrmacht]] übernommen und in der Folgezeit ausgebaut und erweitert. Die Ortsbevölkerung musste infolge Platzbedarfs der Wehrmacht ihre Häuser verlassen und wurde umgesiedelt zur Errichtung des [[Liste der Kriegsgefangenenlager der Wehrmacht|Kriegsgefangenenlagers]] [[Kriegsgefangenenlager Kaisersteinbruch|Stalag XVII&nbsp;A]].<ref>Kommandantur des Truppenübungsplatzes Bruck a.d.Leitha, Schreiben vom 24.&nbsp;Juli&nbsp;1939 wird ihnen nahegelegt, sich eine Wohnung zu verschaffen, da der Ort Kaisersteinbruch am 1.&nbsp;Oktober des Jahres endgültig geräumt werden muß.</ref> Kaisersteinbruch stellte das erste Kriegsgefangenenlager auf dem Gebiet der ''[[Donau- und Alpenreichsgaue|Ostmark]]'' dar, zugleich auch eines der ersten Lager des gesamten Reichsgebietes. Der maximale Bestand war im Februar 1941 mit 73.583 Soldaten, 970 Offizieren und 220 Zivilisten.<ref>[[Hubert Speckner]]</ref>
1938 wurde das Anhaltelager Kaisersteinbruch (Lager&nbsp;I) zusammen mit der Kaserne von der deutschen [[Wehrmacht]] übernommen und in der Folgezeit ausgebaut und erweitert. Die Ortsbevölkerung musste infolge Platzbedarfs der Wehrmacht ihre Häuser verlassen und wurde umgesiedelt zur Errichtung des [[w:Liste der Kriegsgefangenenlager der Wehrmacht|Kriegsgefangenenlagers]] [[Kriegsgefangenenlager Kaisersteinbruch|Stalag XVII&nbsp;A]].<ref>Kommandantur des Truppenübungsplatzes Bruck a.d.Leitha, Schreiben vom 24.&nbsp;Juli&nbsp;1939 wird ihnen nahegelegt, sich eine Wohnung zu verschaffen, da der Ort Kaisersteinbruch am 1.&nbsp;Oktober des Jahres endgültig geräumt werden muß.</ref> Kaisersteinbruch stellte das erste Kriegsgefangenenlager auf dem Gebiet der ''[[w:Donau- und Alpenreichsgaue|Ostmark]]'' dar, zugleich auch eines der ersten Lager des gesamten Reichsgebietes. Der maximale Bestand war im Februar 1941 mit 73.583 Soldaten, 970 Offizieren und 220 Zivilisten.<ref>[[w:Hubert Speckner|Hubert Speckner]]</ref>


:{{ArtikelWP|Kriegsgefangenenlager Kaisersteinbruch}}
:{{ArtikelWP|Kriegsgefangenenlager Kaisersteinbruch}}


Auf Grund der gewaltigen Zahlen von toten Kriegsgefangenen ab dem Winter 1941/1942 wurde einige hundert Meter vom Lager entfernt, ein Lagerfriedhof<ref>[http://www.marterl.at/index.php?id=23&oid=10591%20www.marterl.at/index.php?id=23&oid=10591 Lagerfriedhof des Stalag XVIIA – Marterl.at]</ref> mit [[Massengrab|Massengräbern]] errichtet. Im [[Österreichischer Staatsvertrag|Staatsvertrag]] vom 15.&nbsp;Mai 1955 werden 9.584 Sowjet-Soldaten erwähnt, die zu Tode gekommen waren.
Auf Grund der gewaltigen Zahlen von toten Kriegsgefangenen ab dem Winter 1941/1942 wurde einige hundert Meter vom Lager entfernt, ein Lagerfriedhof<ref>[http://www.marterl.at/index.php?id=23&oid=10591%20www.marterl.at/index.php?id=23&oid=10591 Lagerfriedhof des Stalag XVIIA – Marterl.at]</ref> mit [[w:Massengrab|Massengräbern]] errichtet. Im [[w:Österreichischer Staatsvertrag|Staatsvertrag]] vom 15.&nbsp;Mai 1955 werden 9.584 Sowjet-Soldaten erwähnt, die zu Tode gekommen waren.


==== Kino im Gasthaus ====
==== Kino im Gasthaus ====
Im Nachbarort Breitenbrunn erinnert man sich, Unterhaltungsmöglichkeiten gab es nach dem Krieg kaum. Nur in Kaisersteinbruch wurden im Gasthaus Filme gespielt und so ging man zu Fuß über die „Russenstraße“ hin. „[[Maske in Blau (1953)|Maske in Blau]]“ mit [[Marika Röck]] wurde einmal gespielt.<ref>Fritz Damerius: ''Breitenbrunn, Geschichte und Geschichten.'' Autorenverlag Gerbgruben. ''Der Zweite Weltkrieg.'' ISBN 3-902119-03-9, S. 54 f.</ref>
Im Nachbarort Breitenbrunn erinnert man sich, Unterhaltungsmöglichkeiten gab es nach dem Krieg kaum. Nur in Kaisersteinbruch wurden im Gasthaus Filme gespielt und so ging man zu Fuß über die „Russenstraße“ hin. „[[w:Maske in Blau (1953)|Maske in Blau]]“ mit [[w:Marika Röck|Marika Röck]] wurde einmal gespielt.<ref>Fritz Damerius: ''Breitenbrunn, Geschichte und Geschichten.'' Autorenverlag Gerbgruben. ''Der Zweite Weltkrieg.'' ISBN 3-902119-03-9, S. 54 f.</ref>


== Das „neue“ Kaisersteinbruch ==
== Das „neue“ Kaisersteinbruch ==