Jugend und Kriegspropaganda im Ersten Weltkrieg: Unterschied zwischen den Versionen

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Die Kriegsbilderbücher waren damals wie eine Fortsetzung der Vorkriegsbilderbücher, welche auf den Ernstfall vorbereitet haben.  
Die Kriegsbilderbücher waren damals wie eine Fortsetzung der Vorkriegsbilderbücher, welche auf den Ernstfall vorbereitet haben.  
Diese Kinderbücher über den Krieg wurden damals von öffentlichen und halböffentlichen Stellen herausgegeben. Ein Teil des Erlöses diente einem karitativen Zweck, welche die Unterstützung der Kriegsversehrten war.
Diese Kinderbücher über den Krieg wurden damals von öffentlichen und halböffentlichen Stellen herausgegeben. Ein Teil des Erlöses diente einem karitativen Zweck, welche die Unterstützung der Kriegsversehrten war.
Es gab zum Beispiel auch das „ Des Kindes Kriegsbilderbuch“, welches 1915 vom Zentralkomitee der Deutschen Vereine vom [[w:Rotes Kreuz|Roten Kreuz]] herausgegeben wurde. Dabei ging ein Teil des Erlöses an das Rote Kreuz.<ref>Peter Lukasch, Der muss haben ein Gewehr, S. 158-163</ref>
Es gab zum Beispiel auch das „Des Kindes Kriegsbilderbuch“, welches 1915 vom Zentralkomitee der Deutschen Vereine vom [[w:Rotes Kreuz|Roten Kreuz]] herausgegeben wurde. Dabei ging ein Teil des Erlöses an das Rote Kreuz.<ref>Peter Lukasch, Der muss haben ein Gewehr, S. 158–163</ref>
Allgemein kann man heute leider nicht mehr sagen, wie viele solcher Bücher den Weg in das Kinderzimmer fanden.<ref>Peter Lukasch, Der muss haben ein Gewehr, S. 206</ref>
Allgemein kann man heute leider nicht mehr sagen, wie viele solcher Bücher den Weg in das Kinderzimmer fanden.<ref>Peter Lukasch, Der muss haben ein Gewehr, S. 206</ref>
[[File:GeschichteHindenburg06.jpg|mini|Ausschnitt des Bilderbuches "Die Geschichte vom General Hindenburg"]]
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[[File:Dum-dum kugle.jpg|mini|Dum-Dum-Geschoss: Zerreißt in dutzende Splitter, sobald es in einen Körper eintritt]]
[[File:Dum-dum kugle.jpg|mini|Dum-Dum-Geschoss: Zerreißt in dutzende Splitter, sobald es in einen Körper eintritt]]
===Der Kampf gegen Rußland===
===Der Kampf gegen Rußland===
Das Spiel „Der Kampf gegen Rußland“ ist von einem unbekannten Hersteller und stammt wahrscheinlich aus dem Jahr 1914. Es beschwört die Waffenbrüderschaft zwischen Deutschland und [[w:Österreich|Österreich]].<ref>Peter Lukasch, Der muss haben ein Gewehr, S.199-201</ref>
Das Spiel „Der Kampf gegen Rußland“ ist von einem unbekannten Hersteller und stammt wahrscheinlich aus dem Jahr 1914. Es beschwört die Waffenbrüderschaft zwischen Deutschland und [[w:Österreich|Österreich]].<ref>Peter Lukasch, Der muss haben ein Gewehr, S. 199–201</ref>


==Kinderbücher als Artikel der Propagandaindustrie==
==Kinderbücher als Artikel der Propagandaindustrie==
Die offizielle Kriegspropaganda Deutschlands und Österreich-Ungarns war auffallend zurückhaltend. Die private Kriegspropaganda hingegen war von einem ausufernden kommerziellen Interesse geprägt.  
Die offizielle Kriegspropaganda Deutschlands und Österreich-Ungarns war auffallend zurückhaltend. Die private Kriegspropaganda hingegen war von einem ausufernden kommerziellen Interesse geprägt.  
Kriegsbilderbücher bzw. Bilderbögen dienten meist nicht nur der Kriegspropaganda,sondern warben auch für Geschäfte und wurden als kostenlose Zugaben an den  Kunden gebracht. Die typische Gestaltung einer Bildergeschichte, wie sie auch in zahlreichen Kinderbüchern und Kinderzeitschriften zu finden war, weist jedoch darauf hin, dass die Bücher für die Kinder der Kunden bestimmt waren. Als Artikel der Propagandaindustrie wiesen diese jedoch ein hohes Maß an Brutalität und Gehässigkeit gegenüber Kriegsgegnern auf.<ref>Peter Lukasch, Der muss haben ein Gewehr, S. 155</ref>
Kriegsbilderbücher bzw. Bilderbögen dienten meist nicht nur der Kriegspropaganda,sondern warben auch für Geschäfte und wurden als kostenlose Zugaben an den  Kunden gebracht. Die typische Gestaltung einer Bildergeschichte, wie sie auch in zahlreichen Kinderbüchern und Kinderzeitschriften zu finden war, weist jedoch darauf hin, dass die Bücher für die Kinder der Kunden bestimmt waren. Als Artikel der Propagandaindustrie wiesen diese jedoch ein hohes Maß an Brutalität und Gehässigkeit gegenüber Kriegsgegnern auf.<ref>Peter Lukasch, Der muss haben ein Gewehr, S. 155</ref>
===Struwwelpeter===
===Struwwelpeter===
Neben zahlreichen neuen Kriegsbilderbüchern wurden auch viele Kinderbücher einfach mit dem aktuellen Kriegsthema überarbeitet bzw. erweitert. Ein gutes Beispiel dafür ist der [[w:Struwwelpeter|Struwwelpeter]]. Er ist ohnehin für seine politischen Botschaften bekannt und setzte sich auch mit dem 1. Weltkrieg auseinander. Der Kriegs-Struwwelpeter aus Deutschland verspottet die Kriegsgegner. Zeichner und Verfasser war [[w:Karl Ewald Olszewski|Karl Ewald Olszewsk]]. Der serbische Großfürst erscheint als Bombenpeter, der russische Großfürst Nikolai ist der böse Friedrich, welcher einer Friedenstaube die Flügel ausreißt und die französische Marianne mit Jakobinermütze entzündet mit den Revanche-Feuerzeug einen Brand, in welchem sie selbst ums Leben kommt. In der Geschichte werden die Kriegsgründe aus der Sicht von Deutschland kindergerecht dargestellt.  
Neben zahlreichen neuen Kriegsbilderbüchern wurden auch viele Kinderbücher einfach mit dem aktuellen Kriegsthema überarbeitet bzw. erweitert. Ein gutes Beispiel dafür ist der [[w:Struwwelpeter|Struwwelpeter]]. Er ist ohnehin für seine politischen Botschaften bekannt und setzte sich auch mit dem 1. Weltkrieg auseinander. Der Kriegs-Struwwelpeter aus Deutschland verspottet die Kriegsgegner. Zeichner und Verfasser war [[w:Karl Ewald Olszewski|Karl Ewald Olszewsk]]. Der serbische Großfürst erscheint als Bombenpeter, der russische Großfürst Nikolai ist der böse Friedrich, welcher einer Friedenstaube die Flügel ausreißt und die französische Marianne mit Jakobinermütze entzündet mit den Revanche-Feuerzeug einen Brand, in welchem sie selbst ums Leben kommt. In der Geschichte werden die Kriegsgründe aus der Sicht von Deutschland kindergerecht dargestellt.  
[[File:Struwwelpeter Alphabet - Struwwelpeter Museum - Frankfurt am Main - DSC03096.JPG|mini|Struwwelpeter Alphabet, Struwwelpeter Museum, Frankfurt am Main]]
[[File:Struwwelpeter Alphabet - Struwwelpeter Museum - Frankfurt am Main - DSC03096.JPG|mini|Struwwelpeter Alphabet, Struwwelpeter Museum, Frankfurt am Main]]
Neben dem Kriegsstrwwelpeter gibt es auch den Europa-Struwwelpeter aus dem Jahr 1915. Darin wird der Serbenpeter ebenfalls mit Bombe und Dolch dargestellt. Der Autor verwendet [[w:Wilhelm Busch|Wilhelm Busch]] im Zusammenhang mit dem Struwwelpeter. Man weiß aber nicht ob das Absicht war oder um die Attraktivität des Buches zu steigern.  
Neben dem Kriegsstruwwelpeter gibt es auch den Europa-Struwwelpeter aus dem Jahr 1915. Darin wird der Serbenpeter ebenfalls mit Bombe und Dolch dargestellt. Der Autor verwendet [[w:Wilhelm Busch|Wilhelm Busch]] im Zusammenhang mit dem Struwwelpeter. Man weiß aber nicht ob das Absicht war oder um die Attraktivität des Buches zu steigern.  
Bei den politischen, militärischen Inhalten von Kinderbüchern wurden oft die Grenzen vermischt zwischen Kinder- und Erwachsenenliteratur. Durch den Kriegsstruwwelpeter von 1917 wurde diese Grenzen eindeutig überschritten. Er konnte schon alleine in der Art wie er verbreitet wurde nicht für Kinder geeignet sein, da er eine Beilage in der Kriegszeitung der [[w:4. Armee (Deutsches Kaiserreich)|4. Armee]] Nr. 271 war.<ref>Peter Lukasch, Der muss haben ein Gewehr, S.202-205</ref>
Bei den politischen, militärischen Inhalten von Kinderbüchern wurden oft die Grenzen vermischt zwischen Kinder- und Erwachsenenliteratur. Durch den Kriegsstruwwelpeter von 1917 wurde diese Grenzen eindeutig überschritten. Er konnte schon alleine in der Art wie er verbreitet wurde nicht für Kinder geeignet sein, da er eine Beilage in der Kriegszeitung der [[w:4. Armee (Deutsches Kaiserreich)|4. Armee]] Nr. 271 war.<ref>Peter Lukasch, Der muss haben ein Gewehr, S. 202–205</ref>


===Max und Moritz===
===Max und Moritz===
Auch [[w:Max und Moritz|Max und Moritz]] von Wilhelm Busch wurde in den Dienst der Kriegspropaganda gestellt. Mit dem Buch „Max und Moritz im Felde“, welches einen unbekannten Verfasser und im Otto Schloß Verlag um 1915 herausgegeben wurde, handelt es sich um eine Ansammlung alberner Streiche, welche den Kindern zeigen sollen, wie lustig der Krieg ist.  
Auch [[w:Max und Moritz|Max und Moritz]] von Wilhelm Busch wurde in den Dienst der Kriegspropaganda gestellt. Mit dem Buch „Max und Moritz im Felde“, welches einen unbekannten Verfasser und im Otto Schloß Verlag um 1915 herausgegeben wurde, handelt es sich um eine Ansammlung alberner Streiche, welche den Kindern zeigen sollen, wie lustig der Krieg ist.  
Im Vergleich zum Struwwelpeter, welcher für politische [[w:Parodie|Parodien]], [[w:Satire|Satiren]] und Propaganda steht, stehen Max und Moritz für die Aufklärung wie dumm die Gegner des Krieges sind und wie lustig das Soldatenleben an der Front ist.<ref>Peter Lukasch, Der muss haben ein Gewehr, S.205-206</ref>
Im Vergleich zum Struwwelpeter, welcher für politische [[w:Parodie|Parodien]], [[w:Satire|Satiren]] und Propaganda steht, stehen Max und Moritz für die Aufklärung wie dumm die Gegner des Krieges sind und wie lustig das Soldatenleben an der Front ist.<ref>Peter Lukasch, Der muss haben ein Gewehr, S. 205–206</ref>




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===Das Patriotische Kinderbuch===
===Das Patriotische Kinderbuch===
Im österreichischen Kaiserstaat war die Miteinbeziehung von Kindern in eine militarisierte Gesellschaft bei weitem nicht so ausgeprägt, wie im Nachbarstaat Deutschland. Da die Triebfeder eines umfassenden [[w:Nationalismus|Nationalismus]] fehlte, änderte sich dies nach Kriegsausbruch.  
Im österreichischen Kaiserstaat war die Miteinbeziehung von Kindern in eine militarisierte Gesellschaft bei weitem nicht so ausgeprägt, wie im Nachbarstaat Deutschland. Da die Triebfeder eines umfassenden [[w:Nationalismus|Nationalismus]] fehlte, änderte sich dies nach Kriegsausbruch.  
Das Kriegshilfebüro des [[w:k.k. Ministerium für Landesverteidigung|k.k. Ministeriums des Inneren]] gab mit Unterstützung der Zentraldirektion der k.k. Schulbücherverlage ¬1914 ein „Patriotisches Kinderbuch“ in [[w:Wien|Wien]] heraus. Dessen Erlös war zu gleichen Teilen für das Kriegshilfebüro, das Kriegsfürsorgeamt und das Rote Kreuz bestimmt. Der Inhalt des Buches fasste in schön bebilderten Beiträgen die traditionellen Marksteine und österreichischen Erfolge auf dem Schlachtfeld zusammen. Zu sehen waren u.a. die [[w:Schlacht am Kahlenberg|Befreiung Wiens]] im Jahr 1683, die [[w:Schlacht bei Zenta|Schlacht bei Zenta]], die [[w:Belagerung von Belgrad (1456)|Schlacht bei Belgrad]], die [[w:Schlacht bei Aspern|Schlacht bei Aspera]], der [[w:Tiroler Volksaufstand|Tiroler Freiheitskampf]], die [[w:Völkerschlacht bei Leipzig|Völkerschlacht bei Leipzig]], die [[w:Schlacht bei Custozza|Schlacht bei Custozza]], die [[w:Seeschlacht von Lissa|Seeschlacht bei Lissa]] und schließlich der damals gegenwärtige Weltkrieg. Die Verlagswerbung bringt deutlich zum Ausdruck, dass der Krieg von der österreichischen Führung im Interesse der Integrität des Reiches für unausweichlich erachtet wurde.
Das Kriegshilfebüro des [[w:k.k. Ministerium für Landesverteidigung|k.k. Ministeriums des Inneren]] gab mit Unterstützung der Zentraldirektion der k.k. Schulbücherverlage 1914 ein „Patriotisches Kinderbuch“ in [[w:Wien|Wien]] heraus. Dessen Erlös war zu gleichen Teilen für das Kriegshilfebüro, das Kriegsfürsorgeamt und das Rote Kreuz bestimmt. Der Inhalt des Buches fasste in schön bebilderten Beiträgen die traditionellen Marksteine und österreichischen Erfolge auf dem Schlachtfeld zusammen. Zu sehen waren u.a. die [[w:Schlacht am Kahlenberg|Befreiung Wiens]] im Jahr 1683, die [[w:Schlacht bei Zenta|Schlacht bei Zenta]], die [[w:Belagerung von Belgrad (1456)|Schlacht bei Belgrad]], die [[w:Schlacht bei Aspern|Schlacht bei Aspera]], der [[w:Tiroler Volksaufstand|Tiroler Freiheitskampf]], die [[w:Völkerschlacht bei Leipzig|Völkerschlacht bei Leipzig]], die [[w:Schlacht bei Custozza|Schlacht bei Custozza]], die [[w:Seeschlacht von Lissa|Seeschlacht bei Lissa]] und schließlich der damals gegenwärtige Weltkrieg. Die Verlagswerbung bringt deutlich zum Ausdruck, dass der Krieg von der österreichischen Führung im Interesse der Integrität des Reiches für unausweichlich erachtet wurde.
Ein, dem Weltkrieg geweihtes, Kapitel sollte der Jugend beweisen, dass „ die Ermordung des [[w:Franz Ferdinand von Österreich-Este|Erzherzogs Ferdinand]] nur der Anlass und nicht die tiefe Ursache des Krieges gewesen ist“. Österreich wolle den Krieg nicht, könne aber nicht darauf verzichten, um nicht nur seine [[w:Großmacht|Großmachstellung]] nicht zu verlieren, sondern überhaupt seine Existenz nicht aufs Schwerste zu gefährden.<ref>Peter Lukasch, Der muss haben ein Gewehr, S. 160-161</ref>
Ein, dem Weltkrieg geweihtes, Kapitel sollte der Jugend beweisen, dass „ die Ermordung des [[w:Franz Ferdinand von Österreich-Este|Erzherzogs Ferdinand]] nur der Anlass und nicht die tiefe Ursache des Krieges gewesen ist“. Österreich wolle den Krieg nicht, könne aber nicht darauf verzichten, um nicht nur seine [[w:Großmacht|Großmachstellung]] nicht zu verlieren, sondern überhaupt seine Existenz nicht aufs Schwerste zu gefährden.<ref>Peter Lukasch, Der muss haben ein Gewehr, S. 160–161</ref>


===Wir spielen Weltkrieg===
===Wir spielen Weltkrieg===
Dieses Denken vermittelte auch das Kriegsbilderbuch „Wir spielen Weltkrieg“. Dieses Buch wurde mit den Worten „ein zeitgemäßes Bilderbuch für unsere Kleinen“ von [[w:Ernst Kutzer (Illustrator)|Ernst Kutzer]] beworben. Die Verse stammten von Armin Brunner. Auch dieses Bilderbuch wurde vom Kriegshilfebüro des Innenministeriums herausgegeben und sollte wie auch das „Patriotische Kinderbuch“ das Rote Kreuz, das Kriegsfürsorgeamt und das Kriegshilfebüro unterstützen.
Dieses Denken vermittelte auch das Kriegsbilderbuch „Wir spielen Weltkrieg“. Dieses Buch wurde mit den Worten „ein zeitgemäßes Bilderbuch für unsere Kleinen“ von [[w:Ernst Kutzer (Illustrator)|Ernst Kutzer]] beworben. Die Verse stammten von Armin Brunner. Auch dieses Bilderbuch wurde vom Kriegshilfebüro des Innenministeriums herausgegeben und sollte wie auch das „Patriotische Kinderbuch“ das Rote Kreuz, das Kriegsfürsorgeamt und das Kriegshilfebüro unterstützen.
„Wir spielen Weltkrieg“ unterschied  sich von anderen Kriegskinderbüchern durch einen heiteren und humorvollen Grundton, der das furchtbare Thema Krieg in ein Kinderzimmerspiel verfremdete. Auch die Bilder und Texte waren durchaus kindgerecht und sprachen den spielerischen Nachahmungstrieb der Kinder an.<ref>Peter Lukasch, Der muss haben ein Gewehr, S. 161-162</ref>
„Wir spielen Weltkrieg“ unterschied  sich von anderen Kriegskinderbüchern durch einen heiteren und humorvollen Grundton, der das furchtbare Thema Krieg in ein Kinderzimmerspiel verfremdete. Auch die Bilder und Texte waren durchaus kindgerecht und sprachen den spielerischen Nachahmungstrieb der Kinder an.<ref>Peter Lukasch, Der muss haben ein Gewehr, S. 161–162</ref>


===Lieb Vaterland magst ruhig sein===
===Lieb Vaterland magst ruhig sein===
Im Kriegsbilderbuch „Lieb Vaterland magst ruhig sein“ unternahm man einen fragwürdigen Erklärungsversuch den Kindern zu erklären, wie Krieg zustande komme. Es gilt als eines der am meisten kritisierten Kriegskinderbücher jener Zeit. 1914 bei Josef Scholz  in [[w:Mainz|Mainz]]herausgegeben versuchte [[w:Arpad Schmidhammer|Arpad Schmidhammer]], die in Deutschland vorherrschende Meinung über die Kriegsgegner und deren Motive in eine kindgerechte Form zu bringen. Anhand von Namen wie Michl (für Deutschland), Seppl (für Österreich), John (für [[w:Großbritannien|Großbritannien]]), Lausewitsch (für [[w:Serbien|Serbien]]), Nikolaus (für [[w:Russland|Russland]]), Jacques (für [[w:Frankreich|Frankreich]]) versuchte er den Kindern die Situation näher zu bringen und den Krieg anhand der Geschichte eines Störenfrieds (Serbien und Russland), der nicht aufhörte den Seppl (Österreich) zu ärgern und zu verprügeln, zu erklären. Mit Hilfe der Namen brachte er den Kindern nahe, wer Feind und wer Gegner war, wer dem Seppl – also Österreich- zu Hilfe komme und wer weggesperrt werden solle – nämlich Jaques (Frankreich), John (Großbritannien) und deren „Affe“ ( gemeint war [[w:Japan|Japan]]).<ref>Peter Lukasch, Der muss haben ein Gewehr, S. 163-164</ref>
Im Kriegsbilderbuch „Lieb Vaterland magst ruhig sein“ unternahm man einen fragwürdigen Erklärungsversuch den Kindern zu erklären, wie Krieg zustande komme. Es gilt als eines der am meisten kritisierten Kriegskinderbücher jener Zeit. 1914 bei Josef Scholz  in [[w:Mainz|Mainz]]herausgegeben versuchte [[w:Arpad Schmidhammer|Arpad Schmidhammer]], die in Deutschland vorherrschende Meinung über die Kriegsgegner und deren Motive in eine kindgerechte Form zu bringen. Anhand von Namen wie Michl (für Deutschland), Seppl (für Österreich), John (für [[w:Großbritannien|Großbritannien]]), Lausewitsch (für [[w:Serbien|Serbien]]), Nikolaus (für [[w:Russland|Russland]]), Jacques (für [[w:Frankreich|Frankreich]]) versuchte er den Kindern die Situation näher zu bringen und den Krieg anhand der Geschichte eines Störenfrieds (Serbien und Russland), der nicht aufhörte den Seppl (Österreich) zu ärgern und zu verprügeln, zu erklären. Mit Hilfe der Namen brachte er den Kindern nahe, wer Feind und wer Gegner war, wer dem Seppl – also Österreich- zu Hilfe komme und wer weggesperrt werden solle – nämlich Jaques (Frankreich), John (Großbritannien) und deren „Affe“ ( gemeint war [[w:Japan|Japan]]).<ref>Peter Lukasch, Der muss haben ein Gewehr, S. 163–164</ref>


===Maledetto Katzelmacker===
===Maledetto Katzelmacker===
Ein weiteres Beispiel für diese Art von Kinderbuch ist „Maledetto Katzelmacker“. Auch hier wird den Kindern – auf gänzlich ungeeignete Weise – anhand von Namen Kriegsführung und –Ansichten nähergebracht. Es geht um den „Verrat“ [[w:Italien|Italiens]] ( Katzelmacker) an Deutschland und Österreich . Der Maronibrater „Katzelmacker“ schließt sich der Räuberbande „Niko“ (Russland), „John“ (England) und „Jacques“ (Frankreich) an und wird von „Michel“ (Deutschland) und „Seppel“ (Österreich) dabei erwischt und verprügelt.  
Ein weiteres Beispiel für diese Art von Kinderbuch ist „Maledetto Katzelmacker“. Auch hier wird den Kindern – auf gänzlich ungeeignete Weise – anhand von Namen Kriegsführung und –Ansichten nähergebracht. Es geht um den „Verrat“ [[w:Italien|Italiens]] ( Katzelmacker) an Deutschland und Österreich . Der Maronibrater „Katzelmacker“ schließt sich der Räuberbande „Niko“ (Russland), „John“ (England) und „Jacques“ (Frankreich) an und wird von „Michel“ (Deutschland) und „Seppel“ (Österreich) dabei erwischt und verprügelt.  
Als "Katzelmacker" oder auch "Gatzelmacker" wurden in Österreich und im süddeutschen Raum italienische Handwerker, welche Kochgeräte reparierten und Löffeln - sog. "Gatzeln" herstellten, bezeichnet. Ab dem Kriegseintritt Italiens wurde dieser Ausdruck mit "falsch" assoziiert und allgemein abschätzig für Italiener gebraucht. Heute ist dieser Begriff weitgehend außer Gebrauch.<ref>Peter Lukasch, Der muss haben ein Gewehr, S.166</ref>
Als "Katzelmacker" oder auch "Gatzelmacker" wurden in Österreich und im süddeutschen Raum italienische Handwerker, welche Kochgeräte reparierten und Löffeln - sog. "Gatzeln" herstellten, bezeichnet. Ab dem Kriegseintritt Italiens wurde dieser Ausdruck mit "falsch" assoziiert und allgemein abschätzig für Italiener gebraucht. Heute ist dieser Begriff weitgehend außer Gebrauch.<ref>Peter Lukasch, Der muss haben ein Gewehr, S. 166</ref>
[[Datei:Katzelmacker01.jpg|mini|Titelbild von "Maledetto Katzelmacker"]]
[[Datei:Katzelmacker01.jpg|mini|Titelbild von "Maledetto Katzelmacker"]]


===Die Geschichte vom General Hindenburg===
===Die Geschichte vom General Hindenburg===
Im Gegensatz zu den derben und brutalen Kinderbüchern gibt es auch einige Beispiele für für „lustig dargestellte Kinderbücher“, wie „Die Geschichte vom General Hindenburg“. Ebenfalls mit Reimen von Arpad Schmiedehammer, erschien es wie auch "Lieb Vaterland magst ruhig sein" 1914 bei Josep Scholz in Mainz. Als Thema des Kinderbuches wurde die [[w:Schlacht bei Tannenberg (1914)|Schlacht von Tannenberg]] im August 1914 aufgegriffen. Hier fand der erste große der Sieg der Deutschen statt. Dieser wurde entsprechend propagandistisch ausgewertet, [[w:Paul von Hindenburg|General Hindenburg]] wurde zum dadurch zum Volkshelden. Unter seinen Befehlen gelang es den deutschen Truppen die überraschend starken und rasch nach [[w:Ostpreußen|Ostpreußen]] einziehenden russischen Truppen zurück zu drängen. Im Kinderbuch wurden diese verlustreichen Kämpfe als lustiges Kinderspiel dargestellt. Mit diesem Kinderbuch wurde - selbst unter Zugrundelegung zeitgenössischer Maßstäbe - die Grenze dessen, was für Kinder noch akzeptabel war, eindeutig überschritten.<ref>Peter Lukasch, Der muss haben ein Gewehr, S. 164-165</ref>
Im Gegensatz zu den derben und brutalen Kinderbüchern gibt es auch einige Beispiele für für „lustig dargestellte Kinderbücher“, wie „Die Geschichte vom General Hindenburg“. Ebenfalls mit Reimen von Arpad Schmiedehammer, erschien es wie auch "Lieb Vaterland magst ruhig sein" 1914 bei Josep Scholz in Mainz. Als Thema des Kinderbuches wurde die [[w:Schlacht bei Tannenberg (1914)|Schlacht von Tannenberg]] im August 1914 aufgegriffen. Hier fand der erste große der Sieg der Deutschen statt. Dieser wurde entsprechend propagandistisch ausgewertet, [[w:Paul von Hindenburg|General Hindenburg]] wurde zum dadurch zum Volkshelden. Unter seinen Befehlen gelang es den deutschen Truppen die überraschend starken und rasch nach [[w:Ostpreußen|Ostpreußen]] einziehenden russischen Truppen zurück zu drängen. Im Kinderbuch wurden diese verlustreichen Kämpfe als lustiges Kinderspiel dargestellt. Mit diesem Kinderbuch wurde - selbst unter Zugrundelegung zeitgenössischer Maßstäbe - die Grenze dessen, was für Kinder noch akzeptabel war, eindeutig überschritten.<ref>Peter Lukasch, Der muss haben ein Gewehr, S. 164–165</ref>
[[Datei:Arpad Schmidhammer Geschichte vom General Hindenburg 01.jpg|mini|Titelbild von "Die Geschichte vom General Hindenburg"]]
[[Datei:Arpad Schmidhammer Geschichte vom General Hindenburg 01.jpg|mini|Titelbild von "Die Geschichte vom General Hindenburg"]]


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Der Wandervogel war eine Monatszeitschrift, die von Jugendlichen – hauptsächlich Schülern von Gymnasien bzw. des mittleren Bürgertums gestaltet wurde. Mit dem Motto „Jugend für Jugend“ und inspiriert von spätromantischen Vorstellungen ausgedehnter Gruppenwanderungen, wollten sie sich von der Welt der Erwachsenen distanzieren. Im Vordergrund stand das Gruppenerlebnis mit Gleichaltrigen, sowie ein intensives Naturerlebnis. Durch die verschiedenen Entwicklungen regionaler Gruppen ist eine exakte Einordnung ihrer Weltanschauung schwierig. Klar ist jedoch, dass staatliche und konfessionelle Einflüsse und jegliche Organisationen, in denen Erwachsene das Sagen hatten, strikt abgelehnt wurden. Obwohl die „Wandervögel“ mit Krieg nichts im Sinn hatten, stellten sie das System an sich nicht grundsätzlich in Frage, sondern arrangierten sich damit. Sie versuchten auch, ihre naive Weise der Weltansicht ins Militär zu tragen.  
Der Wandervogel war eine Monatszeitschrift, die von Jugendlichen – hauptsächlich Schülern von Gymnasien bzw. des mittleren Bürgertums gestaltet wurde. Mit dem Motto „Jugend für Jugend“ und inspiriert von spätromantischen Vorstellungen ausgedehnter Gruppenwanderungen, wollten sie sich von der Welt der Erwachsenen distanzieren. Im Vordergrund stand das Gruppenerlebnis mit Gleichaltrigen, sowie ein intensives Naturerlebnis. Durch die verschiedenen Entwicklungen regionaler Gruppen ist eine exakte Einordnung ihrer Weltanschauung schwierig. Klar ist jedoch, dass staatliche und konfessionelle Einflüsse und jegliche Organisationen, in denen Erwachsene das Sagen hatten, strikt abgelehnt wurden. Obwohl die „Wandervögel“ mit Krieg nichts im Sinn hatten, stellten sie das System an sich nicht grundsätzlich in Frage, sondern arrangierten sich damit. Sie versuchten auch, ihre naive Weise der Weltansicht ins Militär zu tragen.  
In der letzten Friedensausgabe des „Wandervogels“ fand sich schließlich auch ein Bericht über ein Kriegsspiel, welches jedoch mehr einem friedlichen Geländespiel als ernst zunehmender Wehrübung glich.  
In der letzten Friedensausgabe des „Wandervogels“ fand sich schließlich auch ein Bericht über ein Kriegsspiel, welches jedoch mehr einem friedlichen Geländespiel als ernst zunehmender Wehrübung glich.  
Wenig später wurde dann der Krieg ausgerufen, die romantische Weltanschauung der Wandervögel brach von einem Tag auf den anderen in sich zusammen und hinterließ eine Grundhaltung, welche der jahrzehntelangen [[w:Indoktrination|Indoktrination]]- der vehementen Belehrung-der Jugend entsprach. Dies spiegelte sich auch in der ersten Kriegsausgabe des „Wandervogels wieder“. Dort wird den Gegnern Deutschlands die Schuld am Ausbrechen des Krieges zugewiesen. Diese „fremden Völker“, wie die „Wandervögel“ sie nannten, würden im friedlichen Wettbewerb mit der deutschen Kraft, dem deutschen Fleiß und der deutschen Rechtlichkeit nicht mehr bestehen können und versuchten deshalb sie treulos  mit hoher Gewalt und wüster Masse Deutschland zu Boden zu zwingen. Laut „Wandervögel“ gab es für sie nur noch einen einzigen Gedanken: ''"In Herrlichkeit und Glück, in Not und Tod, Vaterland, nur dir.“''<ref>Peter Lukasch, Der muss haben ein Gewehr, S. 152-154</ref>
Wenig später wurde dann der Krieg ausgerufen, die romantische Weltanschauung der Wandervögel brach von einem Tag auf den anderen in sich zusammen und hinterließ eine Grundhaltung, welche der jahrzehntelangen [[w:Indoktrination|Indoktrination]]- der vehementen Belehrung-der Jugend entsprach. Dies spiegelte sich auch in der ersten Kriegsausgabe des „Wandervogels wieder“. Dort wird den Gegnern Deutschlands die Schuld am Ausbrechen des Krieges zugewiesen. Diese „fremden Völker“, wie die „Wandervögel“ sie nannten, würden im friedlichen Wettbewerb mit der deutschen Kraft, dem deutschen Fleiß und der deutschen Rechtlichkeit nicht mehr bestehen können und versuchten deshalb sie treulos  mit hoher Gewalt und wüster Masse Deutschland zu Boden zu zwingen. Laut „Wandervögel“ gab es für sie nur noch einen einzigen Gedanken: ''"In Herrlichkeit und Glück, in Not und Tod, Vaterland, nur dir.“''<ref>Peter Lukasch, Der muss haben ein Gewehr, S. 152–154</ref>
[[File:Bundesarchiv Bild 183-R24553, Gruppe des Wandervogels aus Berlin.jpg|mini|Ein Teil der "Wandervögel" vollzieht die ursprüngliche Idee: das Zusammensein von Jugendlichen in der freien Natur]]
[[File:Bundesarchiv Bild 183-R24553, Gruppe des Wandervogels aus Berlin.jpg|mini|Ein Teil der "Wandervögel" vollzieht die ursprüngliche Idee: das Zusammensein von Jugendlichen in der freien Natur]]


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==Literaturverzeichnis==
==Literaturverzeichnis==
Lukasch, Peter (2012):  ''Der muss haben ein Gewehr. Krieg, Militarismus und patriotische Erziehung in Kindermedien vom 18. Jhdt. bis in die Gegenwart''. Books on Demand GmbH. Norderstedt. Kapitel 6: Der Erste Weltkrieg. S. 150- 206. ISBN 978-3-8423-7273-3.
Lukasch, Peter (2012):  ''Der muss haben ein Gewehr. Krieg, Militarismus und patriotische Erziehung in Kindermedien vom 18. Jhdt. bis in die Gegenwart''. Books on Demand GmbH. Norderstedt. Kapitel 6: Der Erste Weltkrieg. S. 150–206. ISBN 978-3-8423-7273-3.


==Einzelnachweise==
==Einzelnachweise==


[[Kategorie:Kurs:Krieg und Propaganda: bis zum 1. Weltkrieg-Arbeitsseiten|Jugend und Kriegspropaganda]]
[[Kategorie:Kurs:Krieg und Propaganda: bis zum 1. Weltkrieg-Arbeitsseiten|Jugend und Kriegspropaganda]]
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