Benutzer:Ernst Heim/Anschlussbewegung an die Schweiz

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„Von Lehrer Riedmann aus Lustenau wurde am 13.11.1918 ein Werbeausschuss für den Anschluss an die Schweiz ins Leben gerufen. Die Bewegung griff rasch um sich; eine Unterschriftensammlung fand großen Anklang.“

Elfriede Auguste Zuderell[1]

„Der Anschlussgedanke an die Schweiz nahm seinen Ausgang in Lustenau. Der Lehrer Ferdinand Riedmann war sein Urheber und eifrigster Verfechter. In den Tagen des Zusammenbruchs erwachte in ihm der Plan, seine Heimat in den friedlichen Schoß der Schweiz zu führen. Kurze Zeit nach seiner Heimkehr aus dem Kriege begann er seine Arbeit. Für den Abend des 13. November 1918 bestellte er etwa 170 Personen zu einer Besprechung ins Kino Lustenau. Dieser Versammlung trug er die Notwendigkeit eines Anschlusses vor. Das Ergebnis war, dass ein Werbeausschuss gewählt wurde, der die Frage studieren und die Bevölkerung gewinnen sollte. Als Obmann wurde Lehrer Riedmann gewählt, als sein Stellvertreter Georg Bösch, Privatier in Lustenau, der Schriftführer war Rudolf Hofer. Auch die Mitglieder waren aus Lustenau. Damit wurde dieser Ort, der schon durch seine Lage der Schweiz so nahe steht, zum Herd der Anschlussbewegung. Die Neigung für die Schweiz war aber allerorts stark und es brauchte nicht viel, um den kleinen Funken zur großen Flamme zu entfachen. In der Schweiz winkten Ruhe und Ordnung, waren gesicherte Verhältnisse; die Zukunft des eigenen Vaterlandes dagegen lag in seiner Ungewissheit wie schwerer Alpdruck auf den Menschen.“

Elfriede Auguste Zuderell[2]

„Als Riedmann am 13. November zu seiner Versammlung in Lustenau aufrief, galt es nicht mehr, das Volk für die Schweiz zu gewinnen, sondern die einmütige Stimmung in einer organisierten Bewegung sichtbarer und hörbarer zu machen.

Am selben Abend konstituierte sich ein "Werbeausschuss", der kurz darauf zu einer allgemeinen Volksversammlung nach Lustenau einlud. 1.500 Anwesende erklärten sich mit Riedmann einig, "als gleichberechtigte Menschen" und als ein "gleichwertiges Staatswesen" sich der Schweiz angliedern zu wollen. In den über 30 Versammlungen, die dieser ersten Kundgebung folgten, fand der zum Obmann des "Landeswerbeausschusses" gewählte Riedmann mit seinen Reden über die Vorzüge der Schweiz, über ihre freiheitliche Verfassung, ihre gerechte Gesetzgebung und ihren echten Föderalismus begeisterte Aufnahme. Von Hand zu Hand gingen nach solchen Anschlussreden lange Listen, auf welchen mit Unterschriften die Forderung des Ausschusses unterstützt wurde: "Wir Unterfertigten wünschen, dass unser Heimatland Vorarlberg ein Kanton der Schweiz werde!" stand auf den Unterschriftenbögen. Schon im ersten Monat des neuen Jahres sprach es sich herum, dass diese private Volksbefragung eine starke Mehrheit für den Anschluss an die Schweiz ergeben habe, obschon sich mehrere Gemeinden weigerten, Unterschriften für eine nicht offizielle Erhebung zu sammeln.

Einer der besten Kenner der damaligen Verhältnisse im Vorarlberg, welcher vom (Schweizer) Bundesrat immer wieder zur Beratung beigezogen werden musste, Dr. Engensperger von Rorschach, schrieb über jenes Verhältnis von Volk und Regierung: "Die ganze, übermächtige Aktion war eine Volksbewegung des einfachen Volkes, welches ganz einfach zur 'Schwyz' gehören wollte, weil sie fanden, dass sie es dort besser haben und weil die staatlichen Einrichtungen der Schweiz mit der Demokratie überhaupt viel eher freiheitliche und doch geordnete Verhältnisse garantiere als ihr Staatswesen. Einfache Leute aus dem Volke, wie Lehrer Riedmann in Lustenau, haben die Aktion ins Leben gerufen und sie gegen den erbitterten Widerstand der sogenannten 'Intelligenz' auch mit ausserordentlichem Erfolg durchgeführt."“

Daniel Witzig[3]

„Das „Vorarlberger Volksblatt“ veröffentlichte am 24.01.1919, 16.02.1919 und 09.03.1919 die Ergebnisse der Unterschriftensammlung. In vielen Gemeinden waren es über 90 %; zum Beispiel: in Kennelbach, Wolfurt, Nüziders, Fraxern, Weiler, Nenzing, Brand, Lauterach, Thüringen, Ludesch, Mäder usw. Im Bezirk Bregenz waren es 50,5 % der Stimmberechtigten, im Bezirk Bludenz 82,3 %, im Bezirk Feldkirch 80,2 %. Von der Gesamtzahl der Stimmberechtigten waren es 70,8 %. Es ist natürlich zu berücksichtigen, dass es keine amtliche Abstimmung war; allerdings brachte das für die Anschlusswerber nicht nur Vorteile, denn so und so viele machten bei einer Privatabstimmung gar nicht mit. Dass die Volksstimmung mit diesem Abstimmungsergebnis beiläufig übereinstimmte, hat ja dann die spätere amtliche Abstimmung bewiesen.“

Elfriede Auguste Zuderell[4]

„Die Schweizer Anschlussbewegung endete nach vier Jahren mit einem Misserfolg. Dies geschah aus einer Reihe von Ursachen. Die Bewegung selbst war untadelig, wohlbegründet und ehrlich, freiwillig und doch stark genug, kam aber bald und fast zwangsläufig in falsche Hände. Als das großartige Ergebnis feststand, hatte die Landesregierung die Aufgabe, den Willen des Volkes bei den Mächten, bei der Schweiz und Österreich durchzusetzen. Da sie sich meist aus geheimen Feinden des Anschlusses zusammensetzte, ergab sich ein zwielichtiges Verhalten, bewusst oder unbewusst zu einer Führung in den Misserfolg. Verschärft wurden diese Folgen durch eine zweite, sehr wesentliche Tatsache, die ein selbständiges Handeln des Volkes einschränkte. Die Männer der Regierung gehörten drei Landesparteien an, die nach kürzerem Anlauf zur Selbständigkeit den österreichischen Gesamtparteien fest verbunden blieben. Das Vorarlberger Volk hatte mit einer straffen Parteienherrschaft zu rechnen, deren Ziele durchwegs gegen den Schweizer Anschluss gerichtet waren. So ergaben sich immer wieder schwere Abweichungen vom Sinn der Anschlussbewegung. Vor allem die fortdauernde Loyalität gegenüber Österreich war kennzeichnend und störend, die gleichzeitige Beschickung des Nationalrates, dortige Erklärungen und Abstimmungen, die Annahme von Weisungen der Wiener Regierung und daneben Anschlussverhandlungen und Erklärungen der Unabhängigkeit reimten sich nicht zusammen. Dazu die bürokratische Neigung, Volksbewegungen wie einen Akt einzuleiten und ohne Skrupeln abzuschließen, weit ab vom Empfinden für direkte Demokratie.

Es entstand ein Kurs, dem jede Zielstrebigkeit fehlen musste. Das Verhalten war nur scheinbar „zu unschlüssig, zu ängstlich“ wie Harlan Cohen den ersten Fehler der Bewegung gefunden zu haben glaubt. Ein solcher Personenkreis Dr. Ender-Preiss-Natter ging natürlich jeder entscheidenden Tat aus dem Wege. „Uns Vorarlbergern fehlte endlich die große Durchschlagskraft“, erzählt Dr. Pirker. „Einmal plante ich mit Riedmann, den Arlberg einfach zuzumauern. Die Idee war wohl originell, radikal, sie hätte uns aber sicher in das Blickfeld Europas geführt. Ich wandte mich aber an eine verantwortliche Persönlichkeit und bekam den Bescheid: ‚Ich kann nicht Revolutionär sein‘.“ Darum nach Cohen der zweite Fehler: „die völlige Unabhängigkeit jenseits der Grenzen Österreichs nicht sofort erklärt“ zu haben und der dritte: „nicht sofort alle Bindungen zu Österreich unterbrochen zu haben.“ Dann als unterlassene Folgerung zwei weitere Fehler: „die Kronennoten im Umlauf in Vorarlberg nicht gestempelt zu haben“ und „nicht sofort die Kontrolle über Eisenbahn, Post, Telegraph, Telefon und andere Dienste übernommen zu haben.““

Benedikt Bilgeri[5]

„In seinem Essay „Vorarlbergs Schweizer-Anschluß-Bewegung“, vervollständigt nach dem 2. Weltkrieg, schreibt Dr. Ender:

« … Das Jahr 1945 sah die Wiederaufrichtung der Republik Österreich, und die Vorarlberger haben sie aufrichtig begrüßt.

Nun die Frage: was kann Österreich tun, um die Zuneigung der Vorarlberger für Österreich zu erhalten, zu mehren und zu sichern? Das ist kurz zu sagen: Wiederherstellung einer wahren Autonomie der Gemeinden und der Länder, bestehend vor allem in deren weitgehender Selbstverwaltung. Daraus allein kann auch eine wahre und echte Demokratie erwachsen, die dem Vorarlberger so sehr am Herzen liegt. All das muß natürlich verfassungsrechtlich verankert sein. Und die Verfassung muß einer Volksabstimmung unterworfen werden. Ihre Änderung darf nur durch Volksabstimmung möglich sein.

Was sich in Österreich von 1918 bis heute immer wieder abspielt, daß nämlich Regierung und Parlament sich alle Augenblicke über die Verfassung hinwegsetzen, indem ohne Änderung der Verfassungsbestimmungen in jedem beliebigen Gesetze Paragraphen aufgenommen werden, die der geltenden Verfassung widersprechen, die aber dadurch verfassungsmäßig gemacht werden, daß man sie mit zwei Drittel Mehrheit beschließt: das muß anders werden. Österreich hat nun doch so viele Jahre republikanischen Staatslebens hinter sich, daß die Erfahrungen reichen sollten, um eine Verfassung zu machen, die Bestand hat. Und reif genug sollte unser Volk auch sein, daß man ihm die Sanktionierung der Verfassung und die Zustimmung zu jeder Änderung überlassen kann.

Was ich hier anrege, besteht in der Schweiz schon lange, zum Wohle der Kantone und der Eidgenossenschaft.»“

Harlan K. Cohen[6]

Einzelnachweise