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Aktuelle Version vom 14. September 2016, 15:34 Uhr
Die Oberleitung der Salzkammergutbahn
Baudaten Erbaut: 1920 - 1924
Vergleichsbeispiele Mariazellerbahn Arlbergstrecke
Baugeschichte
Die Pläne zur Elektrifizierung der Salzkammergutbahn wurden bereits kurz nach der Jahrhundertwende diskutiert, als der geniale Ingenieur Josef Stern im Zuge der Nutzbarmachung der Wasserkräfte des Gosautales der Staatsführung entsprechende Vorschläge unterbreitete. Obwohl das Projekt aufgrund militärisch-strategischer Überlegungen vorläufig nicht zur Ausführung gelangte, wurde dennoch bereits 1906 im Maschinenhaus Steeg/Hallstättersee - der Endstufe der Gosauwerke - die technische Infrastruktur für zwei Bahnstromgeneratoren eingebaut. Der jährliche Kohleverbrauch der österreichischen Eisenbahnen betrug in den zwanziger Jahren etwa 2 Millionen Tonnen, das entsprach 22% des Gesamtverbrauchs der Republik. Aus diesem Umstand erklärt sich die nationale Bedeutung des Elektrifizierungsprogramms, welches am 23. Juli 1920 in Form eines Bundesgesetzes beschlossen wurde. Zu diesem Zeitpunkt waren die Vorarbeiten zur "Elektrisierung" der Salzkammergutstrecke bereits im Gange , der Einbau der elektrischen Streckenausrüstung wurde 1922 in Angriff genommen. Da die Technologie des Fahrleitungsbaus noch nicht ausgereift war, wurden drei Firmen mit der Planung und Ausführung unterschiedlicher Systeme beauftragt. Den, bereits demolierten, Abschnitt zwischen Attnang-Puchheim und Ebensee, übernahm die AEG Union, den von Ebensee bis Bad Aussee die Siemens-Schuckert Werke und die übrige Strecke bis Stainach-Irdning wurde von der Brown-Boveri AG ausgeführt. Die in zeitgenössischen Darstellungen häufig als Vorbildprojekt angeführte Salzkammergutbahn war Ende Juni 1924 als erste Vollbahnlinie des Elektrifizierungsprogramms in geschlossener Streckeneinheit befahrbar, wobei Lokomotiven der Reihe 1029 zum Einsatz kamen die von der A.E.G. - Union Elektrizitäts - Gesellschaft geliefert wurden. Im Rahmen des Elektrifizierungsprogramms folgten die Fertigstellung der Arlbergstrecke 1925 beziehungsweise der Inntalstrecke 1929 , wobei die weitere Umsetzung des Programms durch die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise stark beeinträchtigt wurde.
Baubeschreibung
Nachdem die Baulose an drei verschiedene Firmen vergeben worden waren, gelangten auch jeweils verschiedene Oberleitungsbauarten zur Ausführung, deren ursprüngliche konstruktive Schwächen, wie etwa zu klein dimensionierte Isolatoren oder der sektionsweise Einsatz von Holzmastjochen im Raum Gmunden bis Mitte der dreißiger Jahre behoben werden konnten. Von den schlanken, querschnittsoptimierten, vernieteten Stahl - Konstruktionen der Stützen ist das Fahrleitungssystem elastisch abgehängt, wobei die Zug- und Druckglieder der Konstruktion klar gelesen werden können. Der Fahrdraht aus Kupfer und das Tragseil aus Stahl werden durch Gewichte über Umlenkrollen selbsttätig nachgespannt. Solche Nachspannvorrichtungen sind in Abständen von etwa 1 km angeordnet. Sowohl die Fahrleitungen als auch die Speiseleitungen sind durch große Hörnerschalter unterteilt, die im Bereich der Bahnhöfe auf masthohen Schaltergerüsten angebracht sind. Die Speiseleitung wird jeweils am höchsten Punkt der Stützen über besonders durchschlagsichere Isolatoren geführt.
Technische Beschreibung
Der Strombedarf der 108 Kilometer langen Gebirgsstrecke betrug zur Zeit der Inbetriebnahme bei einer mittleren Fahrleitungsspannung von 15.000 V und einer Frequenz von 16 2/3 Hz etwa 9 Millionen kWh, und wurde von zwei Generatoren mit einer Leistung von jeweils 4800 kVA gedeckt. Die beiden Dynamos wurden 1922 von den Siemens-Schuckert Werken geliefert, in die ausgesparten Stellen der Maschinenhalle der Gosauwerke in Steeg/Hallstättersee eingebaut und stehen bis dato in vollem Betrieb. Durch die über den Gleisen angeordnete Fahrleitung und die dazu parallel geschaltete am Bahngestänge verlegte Verstärkungsleitung wird der elektrische Strom zu den Lokomotiven geleitet, von diesen durch den Stromabnehmer am Fahrdraht abgenommen und den Transformatoren zugeführt. Von hier fließt er durch die Räder, durch die Schienen und die parallel geschaltete Erdleitung in die Schaltstation und das Kraftwerk zurück. Die Transformatoren liefern den niedriggespannten Strom für die Motoren, welche die Lokomotiven antreiben.
Wertanalyse
Die Elektrifizierung der staatlichen österreichischen Bahnen gilt als ein Schlüsselunternehmen der wirtschaftlichen Rekonstruktion nach Ende des Ersten Weltkriegs. Das Programm kann als wesentlicher Bestandteil der materiellen Neugestaltung Deutsch - Österreichs nach 1918 angesehen werden und belegt die großen Anstrengungen der jungen Republik eine von Importen unabhängige Energieversorgung des Eisenbahnverkehrs aufzubauen. Mit der elektrischen Ausstattung der Salzkammergutstrecke wurde Mitte der Zwanziger Jahre prototypisch die sogenannte "Einheits-Fahrleitungsanlage" der Österreichischen Bundesbahnen entwickelt, deren Normativität über Jahrzehnte das Bild der Kulturlandschaft wesentlich mitbestimmte.
Quellen
A.E.G. - Union u. a. (Hg.), Elektrisierung der Salzkammergutlinie, Wien 1924. Demel-Freischmied, Hermann, Eisenbahnen im Salzkammergut, in: Bad Ischl - Ein Heimatbuch, Hrsg. Stüger, Franz, Linz 1966, S. 584 - 587. Dittes, Paul, Die Elektrisierung der Österreichischen Bundesbahnen; Rückblick und Ausblick, in: Elektrotechnik und Maschinenbau, 44. Jg., H. 20 (1926). Lipp, Wilfried, Historische Kulturlandschaft inneres Salzkammergut, in: Kulturzeitschrift blickpunkte, Jg. 46, Heft 4, (1996), S. 4-9.Schmid Georg, Lindenbaum Hans, Staudacher Peter, Bewegung und Beharrung. Eisenbahn, Automobil, Tramway: 1918-1938, Wien-Köln-Weimar 1994. Wilhelm, Anton, Die Elektrifizierung der Österreichischen Bundesbahnen im Bereich Oberösterreich, in: Verkehr in Oberösterreich - Kulturzeitschrift Oberösterreich, 23. Jahrgang, Heft 1, (1973), S. 54 - 58. www.idam.at