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=== Entstehung === | === Entstehung === | ||
Angedacht war ein Haus für 44 Zöglinge und, nachdem Hyrtl sehr religiös war, mit einer kleinen Hauskapelle. Da meinte Schöffel, er solle doch gleich eine richtige Kirche hinstellen. Nun, eine „richtige“ Kirche wie zum Beispiel die Othmarskirche wäre sich zwar finanziell ausgegangen, nur hätte es dann kein Waisenhaus gegeben. So hat sich Hyrtl für die Variante Waisenhaus mit einer kleineren Kirche entschieden. Diese beiden Bauwerke entstanden 1886 auf den Gründen des ehemaligen Mödlinger Friedhofs, des Martinsfriedhofs. Die Gemeinde Mödling unter Bürgermeister Specht ließ daneben noch eine Volksschule im gleichen, englischen Stil errichten. Ein Jahr später entstanden dann gegenüber zwei Häuser, in einem befindet sich heute die Bank Austria und im anderen das Café Grande. Dies war der Beginn der Stefaniegasse (Kronprinzessin Stefanie war bei der Einweihung der Kirche und des Waisenhauses 1886 anwesend). Das Projekt Waisenhaus wurde so gut angenommen, dass es sehr schnell ausgebaut wurde und 15 Jahre später eine große Anlage entstanden war. Begonnen von der Duursmagasse (Straßengabelung Wienerstraße - Neudorferstraße) bis knapp vor die Südbahn. Und im Süden weit über den Mödlingbach hinaus. Die heutigen Gründe der [[w:Energieversorgung Niederösterreich|EVN]], des [[w:BG Bachgasse Mödling|Gymnasiums Bachgasse]] sowie der Fußballplatz hinter dem Restaurant Bachstub‘n gehörten alle zum Waisenhaus. | Angedacht war ein Haus für 44 Zöglinge und, nachdem Hyrtl sehr religiös war, mit einer kleinen Hauskapelle. Da meinte Schöffel, er solle doch gleich eine richtige Kirche hinstellen. Nun, eine „richtige“ Kirche wie zum Beispiel die Othmarskirche wäre sich zwar finanziell ausgegangen, nur hätte es dann kein Waisenhaus gegeben. So hat sich Hyrtl für die Variante Waisenhaus mit einer kleineren Kirche entschieden. Diese beiden Bauwerke entstanden 1886 auf den Gründen des ehemaligen Mödlinger Friedhofs, des [[St. Martinskirche (Mödling)|Martinsfriedhofs]]. Die Gemeinde Mödling unter Bürgermeister [[Alois Specht|Specht]] ließ daneben noch eine Volksschule im gleichen, englischen Stil errichten. Ein Jahr später entstanden dann gegenüber zwei Häuser, in einem befindet sich heute die Bank Austria und im anderen das Café Grande. Dies war der Beginn der [[Liste der Straßen der Straßen in Mödling#S|Stefaniegasse]] ([[w:Stephanie von Belgien|Kronprinzessin Stefanie]] war bei der Einweihung der Kirche und des Waisenhauses 1886 anwesend). Das Projekt Waisenhaus wurde so gut angenommen, dass es sehr schnell ausgebaut wurde und 15 Jahre später eine große Anlage entstanden war. Begonnen von der Duursmagasse (Straßengabelung Wienerstraße - Neudorferstraße) bis knapp vor die [[w:Südbahn (Österreich)|Südbahn]]. Und im Süden weit über den [[w:Mödlingbach|Mödlingbach]] hinaus. Die heutigen Gründe der [[w:Energieversorgung Niederösterreich|EVN]], des [[w:BG Bachgasse Mödling|Gymnasiums Bachgasse]], sowie der Fußballplatz hinter dem Restaurant Bachstub‘n gehörten alle zum Waisenhaus. | ||
1906 | 1906 bot der Komplex Platz für 700 Waisenkinder sowie Sportwiesen, große Sportplätze, Exerzierplatz, Rodel-, Eis- und Kegelbahnen, Sommer-Turngarten, Turnsaal, Schwimmbad, geräumige Schlaf-, Speise-, Spiel- und Aufenthaltsräume, Anstaltskrankenzimmer mit geschulten geistlichen Krankenschwestern sowie Stall- und Landwirtschaft, Gärtnerei sowie Schülerwerkstätten mit Schneiderei, Tischlerei, Töpferei, Schlosserei, Wäscherei und Schuhmacherei, Korbflechterei, Bürstenbinderei, Kerbschnitter, Buchbinder, Papparbeiter und Drechsler. | ||
Kaiser Franz Josef, der oberste Protektor, Gönner und Förderer des Waisenhauses, war hier zweimal auf Besuch: 1894 und 1904 bei der 1000-Jahrfeier von Mödling. Wenn der Kaiser kam, mussten die Kinder etwas vorsingen und vorspielen, aber auch vorexerzieren und vorschießen. Der Kaiser war von den Schießkünsten so begeistert, dass er nach seinem Besuch 1894 gleich einige hundert Gewehre ins Waisenhaus liefern ließ (es gab eigene Kindergewehre der | Kaiser Franz Josef, der oberste Protektor, Gönner und Förderer des Waisenhauses, war hier zweimal auf Besuch: 1894 und 1904 bei der 1000-Jahrfeier von Mödling. Wenn der Kaiser kam, mussten die Kinder etwas vorsingen und vorspielen, aber auch vorexerzieren und vorschießen. Der Kaiser war von den Schießkünsten so begeistert, dass er nach seinem Besuch 1894 gleich einige hundert Gewehre ins Waisenhaus liefern ließ (es gab eigene Kindergewehre der [[oberösterreich]]ischen [[w:Österreichische Waffenfabriksgesellschaft|Gewehrfabrik Werndl]]). In einem Brief eines ehemaligen Zöglings liest man, wer aller bei dem Kaiserbesuch 1904 anwesend war: | ||
{{Zitat|Knapp vor der ersten Kompanie hast Du Aufseher Karl Seipel, weiter vorn als Bataillonsführung Verwalter Josef Mayer, links daneben Schöffels Schwiegersohn Major Freiherr Edler von Velten-Schöffel, etwas links davon mit dem Federbusch Kaiser Franz Josef I. und Vater Josef Schöffel. Und wieder links, die Gruppe, die zwei nebeneinanderstehenden Herrn mit den Federbüschen die Adjutanten von Kaiser F.J. I. einer davon General der Infanterie Graf Paar, der andere General der Infanterie Freiherr von Bolfras, Inhaber des Infanterie Regiments Freiherr von Bolfras Nr. 48, nebstbei bemerkt, bei diesem Infanterie-Regiment war ich. Dann sieht man noch einen Herrn mit einem Federbusch, das ist Erzherzog Salvator. Die anderen Herren sind Mitglieder der damaligen Regierung und der Bezirkshauptmann. Noch etwas, beim Kücheneck, bei der Musik mit dem Tschacko, das ist Musikprofessor Fr. Mayer.|Brief eines Zöglings}} | {{Zitat|Knapp vor der ersten Kompanie hast Du Aufseher Karl Seipel, weiter vorn als Bataillonsführung Verwalter Josef Mayer, links daneben Schöffels Schwiegersohn Major Freiherr Edler von Velten-Schöffel, etwas links davon mit dem Federbusch Kaiser Franz Josef I. und Vater Josef Schöffel. Und wieder links, die Gruppe, die zwei nebeneinanderstehenden Herrn mit den Federbüschen die Adjutanten von Kaiser F.J. I. einer davon General der Infanterie Graf Paar, der andere General der Infanterie Freiherr von Bolfras, Inhaber des Infanterie Regiments Freiherr von Bolfras Nr. 48, nebstbei bemerkt, bei diesem Infanterie-Regiment war ich. Dann sieht man noch einen Herrn mit einem Federbusch, das ist Erzherzog Salvator. Die anderen Herren sind Mitglieder der damaligen Regierung und der Bezirkshauptmann. Noch etwas, beim Kücheneck, bei der Musik mit dem Tschacko, das ist Musikprofessor Fr. Mayer.|Brief eines Zöglings}} | ||
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nach elf Jahren langer, zäher Vorarbeit der ehemaligen Zöglinge eine Briefmarke zu Ehre Schöffels herausgegeben wurde.<ref>{{austriaforum|Wissenssammlungen/Briefmarken/1970/Josef_Schöffel|60. Jahrestag von Josef Schöffel}}</ref> | nach elf Jahren langer, zäher Vorarbeit der ehemaligen Zöglinge eine Briefmarke zu Ehre Schöffels herausgegeben wurde.<ref>{{austriaforum|Wissenssammlungen/Briefmarken/1970/Josef_Schöffel|60. Jahrestag von Josef Schöffel}}</ref> | ||
Direktor Dressler war ein sehr kinderliebender Mann. So gab es unter ihm fast wöchentlich Tagesausflüge, in der Regel auf den nahegelegenen Anninger. Dabei zogen in der Früh einige hundert Kinder mit Musikinstrumenten lautstark musizierend durch Mödling Richtung Goldene Stiege und am Abend wieder zurück. Diese musizierenden Waisenkinder waren über Jahrzehnte fixer Bestandteil des Mödlinger Stadtbildes. Zu Schulschluss gab es dann noch mehrere Tagestouren, z. B. nach [[Zwettl-Niederösterreich|Zwettl]], [[Mariazell]] oder in die [[w:Wachau|Wachau]]. Da wurden die Kinder vom jeweiligen Bürgermeister, manchmal auch im Beisein des Bundespräsidenten, empfangen. Die Kinder spielten dann ein Konzert und bekamen als Belohnung dafür Essen, ein Eis oder Torte. Dressler sorgte darüber hinaus dafür, dass gleich fünf verschiedene Zeitungen darüber berichteten. | Direktor Dressler war ein sehr kinderliebender Mann. So gab es unter ihm fast wöchentlich Tagesausflüge, in der Regel auf den nahegelegenen [[w:Anninger|Anninger]]. Dabei zogen in der Früh einige hundert Kinder mit Musikinstrumenten lautstark musizierend durch Mödling Richtung Goldene Stiege und am Abend wieder zurück. Diese musizierenden Waisenkinder waren über Jahrzehnte fixer Bestandteil des Mödlinger Stadtbildes. Zu Schulschluss gab es dann noch mehrere Tagestouren, z. B. nach [[Zwettl-Niederösterreich|Zwettl]], [[Mariazell]] oder in die [[w:Wachau|Wachau]]. Da wurden die Kinder vom jeweiligen Bürgermeister, manchmal auch im Beisein des Bundespräsidenten, empfangen. Die Kinder spielten dann ein Konzert und bekamen als Belohnung dafür Essen, ein Eis oder Torte. Dressler sorgte darüber hinaus dafür, dass gleich fünf verschiedene Zeitungen darüber berichteten. | ||
=== 50-Jahrfeier des Waisenhauses 1936 === | === 50-Jahrfeier des Waisenhauses 1936 === |