Amerikawanderung der Riedlingsdorfer: Unterschied zwischen den Versionen

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== Geschichtlicher Hintergrund ==
== Geschichtlicher Hintergrund ==
Das Burgenland existierte Ende des 19. Jahrhunderts in seiner heutigen Form noch nicht, somit bildeten damals die deutschsprachigen Ortschaften den Westteil verschiedener ungarischer [[w:Komitat|Komitate]]. Sie lagen, wie auch Riedlingsdorf, im Hinterland großer ungarischer Städte wie [[Sopron]] oder [[Steinamanger]]. Die Hauptkommunikations- und Verkehrswege verliefen nicht so wie im modernen Burgenland in Nord-Süd-Richtung sondern in Ost-West-Richtung. Daher wurden die Gebiete des heutigen Nord- und Südburgenlandes unabhängig voneinander von den Auswanderungswellen erfasst, die von Innerungarn ab 1880 auf die deutschsprachigen Ortschaften überschwappten.
[[Datei:File:Riedlingsdorf_-_Kriegerdenkmal_(01).jpg|mini|Der kleinere Oberteil des Kriegerdenkmals wurde durch Spenden der Auswanderer finanziert.]]
Das Burgenland existierte Ende des 19. Jahrhunderts in seiner heutigen Form noch nicht, somit bildeten damals die deutschsprachigen Ortschaften den Westteil verschiedener ungarischer [[w:Komitat|Komitate]]. Sie lagen, wie auch Riedlingsdorf, im Hinterland großer ungarischer Städte wie [[Sopron]] oder [[Steinamanger]]. Die Hauptkommunikations- und Verkehrswege verliefen nicht so wie im modernen Burgenland in Nord-Süd-Richtung sondern in Ost-West-Richtung. Daher wurden die Gebiete des heutigen Nord- und Südburgenlandes unabhängig voneinander von den Auswanderungswellen erfasst, die von Innerungarn ab 1875 auf die deutschsprachigen Ortschaften überschwappten.<ref>Dr. Walter Dujmovits: ''Die Amerikawanderung der Burgenländer'', Verlag Desch-Drexler, Pinkafeld 1992, Seite 38 und 39</ref>


Das Gebiet des jetzigen [[Bezirk Oberwart|Bezirkes Oberwart]] (und somit auch von Riedlingsdorf) wurde von einer derartigen Auswanderungswelle ab 1890 erfasst. Sie war Teil der sogenannten ''New Immigration'', einer Auswanderungsbewegung, welche der aufstrebenden amerikanischen Industrie dringend benötige Arbeitskräfte beschaffte. Diese Industriewanderung führte somit dazu, dass die Riedlingsdorfer Landarbeiter in Amerika zu Industriearbeitern mutierten.
Das Gebiet des jetzigen [[Bezirk Oberwart|Bezirkes Oberwart]] (und somit auch von Riedlingsdorf) wurde von einer derartigen Auswanderungswelle ab 1880 erfasst. Sie war Teil der sogenannten ''New Immigration'', einer Auswanderungsbewegung, welche der aufstrebenden amerikanischen Industrie dringend benötige Arbeitskräfte beschaffte. Diese Industriewanderung führte somit dazu, dass die Riedlingsdorfer Landarbeiter in Amerika zu Industriearbeitern mutierten.<ref>Dr. Walter Dujmovits: ''Die Amerikawanderung der Burgenländer'', Verlag Desch-Drexler, Pinkafeld 1992, Seite 44</ref>


Die ersten acht Auswanderungswilligen verließen 1893 ihre Heimatgemeinde. Danach gab es in der Phase der ''Vorkriegswanderung'' (bis 1914) in Riedlingsdorf vor allem zwischen 1905 und 1907 relativ viele Auswanderer. In der Phase der ''Zwischenkriegswanderung'' (1919 bis 1924) erreichte die Riedlingsdorfer Auswanderungsbestrebungen 1922 ihren absoluten Höhepunkt. Danach versiegte der Strom der Auswanderer, weil strengere amerikanische Einwanderungsgesetze die Einreise immer mehr erschwerten.
Die ersten acht Auswanderungswilligen verließen 1893 ihre Heimatgemeinde. Danach gab es in der Phase der ''Vorkriegswanderung'' (bis 1914) in Riedlingsdorf vor allem zwischen 1905 und 1907 relativ viele Auswanderer. In der Phase der ''Zwischenkriegswanderung'' (1919 bis 1924) erreichte die Riedlingsdorfer Auswanderungsbestrebungen 1922 ihren absoluten Höhepunkt. Danach versiegte der Strom der Auswanderer, weil strengere amerikanische Einwanderungsgesetze die Einreise immer mehr erschwerten.


Zunächst hielten die Auswanderer den Kontakt zu den daheimgebliebenen Verwandten aufrecht. So trugen die Auslands-Riedingsdorfer mit ihren Geldspenden wesentlich dazu bei, dass in Riedlingsdorf ein [[Kriegs- und Friedensdenkmal in Riedlingsdorf|Kriegerdenkmal]] für die Gefallenen des 1. Weltkrieges errichtet werden konnte. Der 2. Weltkrieg sowie das fortgeschrittene  Alter der Auswanderer führten im Laufe der Zeit jedoch dazu, dass so manche Bande zerbrach. Einige neue Kontakte wurden in letzter Zeit wieder von der Enkelgeneration geknüpft, die sich als [[w:Ahnenforscher|Ahnenforscher]] auf Spurensuche begaben. Die rasante Entwicklung des [[w:Internet|Internets]] wirkte sich für diese Entwicklung besonders positiv aus.
Zunächst hielten die Auswanderer den Kontakt zu den daheimgebliebenen Verwandten aufrecht. So trugen die Auslands-Riedingsdorfer mit ihren Geldspenden wesentlich dazu bei, dass in Riedlingsdorf ein [[Kriegs- und Friedensdenkmal in Riedlingsdorf|Kriegerdenkmal]] für die Gefallenen des 1. Weltkrieges errichtet werden konnte.<ref>[http://members.aon.at/dbundsch/spende1924.htm Webseite ''Beiträge zur Riedlingsdorfer Dorfgeschichte: Spenderverzeichnis 1924 für das Kriegerdenkmal], abgerufen am 9.8.2014</ref>  Der 2. Weltkrieg sowie das fortgeschrittene  Alter der Auswanderer führten im Laufe der Zeit jedoch dazu, dass so manche Bande zerbrach. Einige neue Kontakte wurden in letzter Zeit wieder von der Enkelgeneration geknüpft, die sich als [[w:Ahnenforscher|Ahnenforscher]] auf Spurensuche begaben. Die rasante Entwicklung des [[w:Internet|Internets]] wirkte sich für diese Entwicklung natürlich besonders positiv aus.


== Listen und Statistiken ==
== Listen und Statistiken ==

Version vom 9. August 2014, 06:51 Uhr

Die Auswanderung der Riedlingsdorfer nach Amerika war Teil der Amerikawanderung der Burgenländer, die als Bestandteil der großen Auswanderungsbewegung gesehen werden muss, welche in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts weite Bevölkerungsteile Europas erfasste. Während die ersten Emigranten bereits um 1850 in Richtung Neue Welt aufbrachen, fand in Riedlingsdorf die Erstauswanderung in Form einer Gruppe von acht Personen 1893 statt.[1] Genauere Hinweise über Auswanderer der Ortschaft finden sich in den Internetarchiven erst ab dem Jahr 1902.[2][3]


Geschichtlicher Hintergrund

Datei:File:Riedlingsdorf - Kriegerdenkmal (01).jpg
Der kleinere Oberteil des Kriegerdenkmals wurde durch Spenden der Auswanderer finanziert.

Das Burgenland existierte Ende des 19. Jahrhunderts in seiner heutigen Form noch nicht, somit bildeten damals die deutschsprachigen Ortschaften den Westteil verschiedener ungarischer Komitate. Sie lagen, wie auch Riedlingsdorf, im Hinterland großer ungarischer Städte wie Sopron oder Steinamanger. Die Hauptkommunikations- und Verkehrswege verliefen nicht so wie im modernen Burgenland in Nord-Süd-Richtung sondern in Ost-West-Richtung. Daher wurden die Gebiete des heutigen Nord- und Südburgenlandes unabhängig voneinander von den Auswanderungswellen erfasst, die von Innerungarn ab 1875 auf die deutschsprachigen Ortschaften überschwappten.[4]

Das Gebiet des jetzigen Bezirkes Oberwart (und somit auch von Riedlingsdorf) wurde von einer derartigen Auswanderungswelle ab 1880 erfasst. Sie war Teil der sogenannten New Immigration, einer Auswanderungsbewegung, welche der aufstrebenden amerikanischen Industrie dringend benötige Arbeitskräfte beschaffte. Diese Industriewanderung führte somit dazu, dass die Riedlingsdorfer Landarbeiter in Amerika zu Industriearbeitern mutierten.[5]

Die ersten acht Auswanderungswilligen verließen 1893 ihre Heimatgemeinde. Danach gab es in der Phase der Vorkriegswanderung (bis 1914) in Riedlingsdorf vor allem zwischen 1905 und 1907 relativ viele Auswanderer. In der Phase der Zwischenkriegswanderung (1919 bis 1924) erreichte die Riedlingsdorfer Auswanderungsbestrebungen 1922 ihren absoluten Höhepunkt. Danach versiegte der Strom der Auswanderer, weil strengere amerikanische Einwanderungsgesetze die Einreise immer mehr erschwerten.

Zunächst hielten die Auswanderer den Kontakt zu den daheimgebliebenen Verwandten aufrecht. So trugen die Auslands-Riedingsdorfer mit ihren Geldspenden wesentlich dazu bei, dass in Riedlingsdorf ein Kriegerdenkmal für die Gefallenen des 1. Weltkrieges errichtet werden konnte.[6] Der 2. Weltkrieg sowie das fortgeschrittene Alter der Auswanderer führten im Laufe der Zeit jedoch dazu, dass so manche Bande zerbrach. Einige neue Kontakte wurden in letzter Zeit wieder von der Enkelgeneration geknüpft, die sich als Ahnenforscher auf Spurensuche begaben. Die rasante Entwicklung des Internets wirkte sich für diese Entwicklung natürlich besonders positiv aus.

Listen und Statistiken

In den einschlägigen Internetportalen lassen sich die Namen von mindestens 174 ehemaliger Einwohner der Gemeinde Riedlingsdorf für den Zeitraum 1902 bis 1930 nachweisen. Das Hauptziel dieser Auswanderer waren bis auf ganz wenige Ausnahmen die USA.

Darstellung nach Auswanderungsjahr

Die nachfolgende Darstellung zeigt die Anzahl der ausgewanderten Personen pro Jahr.

Der erste Riedlingsdorfer, der nachweislich 1902 seine Heimat verließ, war Tobias Zapfel, der im Alter von 31 Jahren von Bremen mit der Kronprinz Wilhelm nach New York fuhr. Der letzte Auswanderer war im Jahre 1930 der 23-jährige Johann Lang. Auch er wählte Bremen als Ausgangspunkt und bestieg dort die Europa, die ihn über den Atlantik brachte.

Besonders viele Personen wanderten 1913 (22 Personen), 1922 (18) sowie 1907 und 1923 (jeweils 16) aus. Der Ersten Weltkrieg brachte die Auswanderung natürlich vollkommen zum Erliegen. Verschärfte Einwanderungsgesetze in den USA, von denen auch die Österreicher betroffen waren, führten dazu, dass ab 1923 die Auswanderung aus Riedlingsdorf drastisch zurückging.

Personen pro Auswanderungsjahr
Jahr Personen
1902
1
1903
5
1904
11
1905
15
1906
14
1907
16
1908
2
1909
13
1910
1
1911
1
1912
2
1913
22
1914
11
1921
7
1922
18
1923
16
1924
4
1925
1
1926
2
1927
3
1930
3

Darstellung nach Altersgruppen

Die nachfolgende Darstellung zeigt die Anzahl der ausgewanderten Personen pro Altersgruppe. Diese Auswertung zeigt, dass sich das Gros der Auswanderer aus sehr jungen Personen zusammensetzte. Die Löwenanteil hatten natürlich jene Personengruppen, die sich im besten erwerbstätigen Alter (16 bis 45 Jahre) befanden. Etwa 20 Prozent der Auswanderer waren noch Kinder, während sich Senioren nur in Ausnahmefällen darunter befanden.

Die mit Abstand ältesten Personen, die Riedlingsdorf verließen, waren Maria Schuh (62 Jahre) und Tobias Schuh, die 1914 in die USA auswanderten. Es dürfte sich dabei um eine Familienzusammenführung gehandelt haben, weil außerdem noch die jüngere Frau Maria Schuh (39) sowie die Kinder Karoly (8), Janos (12) und Elisabeth (18) an Bord befanden. Der Familienvater dürfte bereits vorher ausgewandert sein und holte nun am Vorabend des Weltkrieges seine Familie nach.

Personen pro Altersgruppe
Jahr Personen
0 bis 5
13
6 bis 10
15
11 bis 15
11
16 bis 20
36
21 bis 25
39
26 bis 30
26
31 bis 35
16
36 bis 40
8
> 40
11

Darstellung nach Auswandererhäfen

Die nachfolgende Darstellung zeigt die Anzahl der ausgewanderten Personen pro Auswanderungshafen. Bremen war das beliebteste Ausgangstor für die Fahrt nach Amerika. Mit großem Abstand folgen das französische Le Harve und das italienische Triest.

Personen pro Auswanderungshafen
Jahr Personen
Antwerpen
1
Bremen
99
Hamburg
13
Kopenhagen
1
Le Harve
26
Rotterdam
13
Southampton
2
Triest
17

Häufig benutzte Schiffe

Die folgende Tabelle zeigt einige der von den Riedlingsdorfern am häufigsten benutzten Schiffen für die Überfahrt:

Einzelschicksale

  • Samuel Arthofer und Leopold Kaippel verließen 1922 den britischen Hafen Southampton an Bord der berühmten RMS Mauretania. Diese war bis 1911 das größte Schiff der Welt und aufgrund ihrer hohen Geschwindigkeit 22 Jahre lang Trägerin des Blauen Bandes.
  • Am 24. April 1921 verließ Theresia Kaipel mit ihrer Mutter Theresia Arthofer und ihrem achtjährigen Sohn Johann an Bord des Schiffes Rotterdam den Hafen von Rotterdam. Sie folgten Tobias Kaipel, dem Ehemann von Theresia, der bereits 1913 nach Chicago ausgewandert war. Der 1. Weltkrieg hatte eine frühere Familienzusammenführung verhindert. Die Familie wurde in Sheboygan Falls in Wisconsin seßhaft, wohin Tobias bereits 1921 gezogen war. Im Laufe der 1920er-Jahre gab es in Form vier Mädchen regen Familienzuwachs. In den 1970er-Jahren erhielt Tobias erstmals Besuch von seiner Riedlingsdorfer Schwester Karoline Tunkl, geb. Kaipel. Dieses Wiedersehen nach 58 Jahren der Trennung fand auch in der lokalen Presse in Wisconsin ihren Niederschlag.[7]
  • Therese Schuh bestieg 1925 die Berlin des Norddeutschen Lloyd, ein Schiff, das ein besonders Schicksal haben sollte. Der Jahre später, am 1. November 1928, schrieb der Oberwarter Auswanderer Johann Seidl eine Ansichtskarte mit dem Foto dieses Schiffes an die Familie Spiegel in Riedlingsdorf. Bei seiner Überfahrt mit der Berlin wurde Seidl am 13. November Augenzeuge der Rettung von 23 Passagieren und Besatzungsmitgliedern des am Vortag untergegangenen Passagierschiffes Vestris. Die Berlin wurde nach dem 2. Weltkrieg in der Sowjetunion als Admiral Nachimow in den Dienst gestellt und sank am 1. September 1986 im Schwarzem Meer. Der Untergang kostete 398 Menschen das Leben.[8]

Literatur

  • Dr. Walter Dujmovits: Die Amerikawanderung der Burgenländer, Burgenländische Gemeinschaft 2012, ISBN 978-3-8442-2374-3.
  • Riedlingsdorf 1331–1991, Festschrift zum 660-Jahr-Jubiläum., Herausgeber Gemeinde Riedlingsdorf 1991
  • 680 Jahre Marktgemeinde Riedlingsdorf, Ein Spaziergang durch Dorf und Zeit., Herausgeber Marktgemeinde Riedlingsdorf 2011

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Dr. Walter Dujmovits: Die Amerikawanderung der Burgenländer, Verlag Desch-Drexler, Pinkafeld 1992, Seite 211
  2. Webseite Bremer Passagierlisten (das Original), abgerufen am 6.8.2014
  3. Webseite The Statue of Liberty-Ellis Island Foundation, Inc., abgerufen am 6.8.2014
  4. Dr. Walter Dujmovits: Die Amerikawanderung der Burgenländer, Verlag Desch-Drexler, Pinkafeld 1992, Seite 38 und 39
  5. Dr. Walter Dujmovits: Die Amerikawanderung der Burgenländer, Verlag Desch-Drexler, Pinkafeld 1992, Seite 44
  6. Webseite Beiträge zur Riedlingsdorfer Dorfgeschichte: Spenderverzeichnis 1924 für das Kriegerdenkmal, abgerufen am 9.8.2014
  7. 680 Jahre Marktgemeinde Riedlingsdorf, Ein Spaziergang durch Dorf und Zeit., Herausgeber Marktgemeinde Riedlingsdorf 2011, Seite 31
  8. 680 Jahre Marktgemeinde Riedlingsdorf, Ein Spaziergang durch Dorf und Zeit., Herausgeber Marktgemeinde Riedlingsdorf 2011, Seite 30