Amerikawanderung der Burgenländer

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Die Amerikawanderung der Burgenländer war Bestandteil der großen Auswanderungsbewegung, welche in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts weite Bevölkerungsteile Europas erfasste. Der erste namentlich bekannte Burgenländer war der in Neutal geborene Lorenz Schönbacher, der im Jahr 1777 25-jährig das Burgenland verließ und im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg mitkämpfte.[1]

Gründe für die Auswanderung

Eine Gedenktafel in Kukmirn erinnert an die großzügige Unterstützung der Auswanderer für ihre Kirche in der alten Heimat.
Österreichisch-Ungarische Auswanderer auf einem Schiff der Austro-Americana in Triest Anfang des 20. Jahrhunderts.
Reklameseite des Norddeutschen Lloyd, 1903

Das Burgenland existierte Ende des 19. Jahrhunderts in seiner heutigen Form noch nicht, somit bildeten damals die deutschsprachigen Ortschaften den Westteil verschiedener ungarischer Komitate. Sie lagen im Hinterland großer ungarischer Städte wie Sopron oder Steinamanger. Die Hauptkommunikations- und Verkehrswege verliefen nicht so wie im modernen Burgenland in Nord-Süd-Richtung sondern in Ost-West-Richtung.

In diesem Grenzgebiet gab es so gut wie keine Industrie. Die Menschen lebten von kleinen Landwirtschaften mit einer Größe von nur wenigen Hektar. Viele mussten daher als Wanderarbeiter ihren Lebensunterhalt verdienen. Landwirtschaftliche Saisonarbeiter zog es nach Innerungarn, wo sie auf großen Gutshöfen als Erntehelfer Arbeit fanden. Bei den Handwerkern hingegen machte es einen Unterschied aus, ob man im heutigen Nord- oder Mittelburgenland wohnte oder ein Einwohner des Südburgenlandes war. Die Handwerker der nördlichen Komitate zog es nach Wien, wo in der Gründerzeit viele Arbeitskräfte benötigt wurden, während ihre Kollegen aus dem Süden oft Budapest als Ziel hatten.[2]

Dieser fehlende Bezug zu Grund und Boden, die Tatsache, dass die Menschen oft während des ganzen Sommers unterwegs waren, führte zu einer sehr mobilen Bevölkerungsschicht, die es in den anderen österreichischen Bundesländern in dieser Größenordnung nicht gab. Als dann Amerikas Arbeitskräftebedarf hervorgerufen durch die Industrialisierung um 1900 sprunghaft anstieg, kam es binnen kurzer Zeit zu einer Massenauswanderung. Die Menschen sahen darin die Chance aus der Abhängigkeit ungarischer Magnaten oder den schlechten sozialen Verhältnissen Wiens um die Jahrhundertwende zu entkommen. Interessanterweise spielte bei dieser Entwicklung die Berufsgruppe der Fuhrwerker eine große Rolle, denn sie waren es, welche die Nachricht von der in Innerungarn schon begonnenen Auswanderung nach Amerika in die deutschsprachigen westungarischen Dörfer trugen.[3]

Ein weiterer Hauptgrund für die Auswanderung war, dass es in den Dörfern in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einer Überbevölkerung kam. Das Land befand sich in der Phase des demographischen Überganges, d.h. die Sterberate sank aufgrund verbesserter ärztlicher Versorgung, andererseits war die Geburtenrate aber immer noch sehr hoch wie es für unterentwickelte Gebiete üblich ist. Die Folge war ein enormer Bevölkerungsdruck in den Dörfern, der sich über das Ventil Auswanderung schließlich entladen konnte.[4]

Gefördert wurde die Auswanderung auch durch Erfolgsnachrichten, welche die bereits ausgewanderten Verwandten oder Freunde in ihre burgenländische Heimatdörfer schickten. Manche kamen auch nach einigen Jahren als sogenannte Rückwanderer wieder in ihre alte Heimat zurück und investierten das in Amerika Ersparte in größere Bauernhöfe.

In der Zwischenzeit war außerdem eine richtige Auswanderungsindustrie entstanden. Reedereien, wie der Norddeutsche Lloyd stellten immer mehr Dampfschiffe in Betrieb und schickten ihre Agenten in jedes kleine Dorf um Kunden für die Überfahrt zu werben. Durch die Konkurrenz sanken auch die Fahrpreise und so wurde es für die Auswanderungswilligen immer einfacher ihren Traum zu erfüllen.[5]

Politische oder religiöse Motive stellten hingegen nur in ganz seltenen Ausnahmefällen einen Grund für die burgenländischen Auswanderer dar. Im Lande lebten Deutsche, Ungarn und Kroaten friedlich nebeneinander ebenso Katholiken und Protestanten.[5]

Phasen der Auswanderung

Das Gebiet des damaligen Stuhlbezirkes Oberwart, der Teil des Komitats Vas war, wurde um 1880 von der ersten Auswanderungswelle erfasst.
Ellis Island, eine kleine Insel im Hafen von New York gelegen, war für viele Millionen Menschen das Eintrittstor in die USA
Ankommen auf Ellis Island.
Warten auf die bevorstehenden Untersuchungen.
Untersuchung der Augen der Einreisewilligen.
Relative Anteile der Immigranten aus dem Norden und Westen Europas (rot) und aus dem Süden und Osten Europas (blau) in den Jahrzehnten vor und nach der die Einwanderung begrenzenden Gesetzgebung von 1924

Die Zeitspanne der Amerikawanderung wurde durch zwei Weltkriege unterbrochen. So kann ihr zeitlicher Ablauf in drei Auswanderungsperioden eingeteilt werden:[6]

  • Vorkriegswanderung (bis 1914)
  • Zwischenkriegswanderung (1919 bis 1939)
  • Nachkriegswanderung (ab 1945)

Vorkriegswanderung

Old Immigration

Etwa um das Jahr 1875 setzte in den USA eine kontinuierliche Einwanderung ein. Dieser von den Amerikanern Old Immigration genannte Zeitraum führte vor allem Einwanderer ins Land, die im Mittleren Westen, wie zum Beispiel in Kansas, Indianerland besiedelten und so zu Farmern wurden. Diese Epoche hatte für die Auswanderungsgeschichte des Burgenlandes nur geringe Bedeutung.[7]

Nur vereinzelt verließen Menschen die deutschsprachigen Ortschaften Westungarns. Meist waren es Fuhrleute oder Wanderarbeiter ohne Grundbesitz, die nur wenig Heimatverbundenheit hatten. Die Zahl der Auswanderer dürfte 300 nicht überschritten haben, ein Nachweis in Archiven ist jedoch nur schwer möglich. Die wenigen Informationen über diese Auswanderern entstammen mündlichen Überlieferungen oder alten Briefen, die erhalten geblieben sind.[8]

Der vermutlich erste Burgenländer, der das Wagnis anstellte nach Amerika auszuwandern, war vermutlich ein Zimmermann namens Grabenhofer aus Oberschützen, der sich beim Bau des evangelischen Seminars 1845 in seiner Heimatgemeinde hatte etwas zuschulden kommen lassen.[9]

Der nächste Auswanderer betrat am 30. Jänner 1850 amerikanischen Boden. Er hieß Gottlieb August Wimmer und war davor Pfarrer in Oberschützen gewesen. In dieser Funktion gründete er die evangelischen Lehranstalten in dieser Gemeinde. Als Folge der niedergeschlagenen Revolution von 1848 musste er das Land verlassen. Wimmer gehörte somit zu den wenigen Auswanderern bei denen politische Motive eine Rolle spielten.[9]

Diesen ersten Auswanderern folgten in den nächsten Jahren noch weitere Oberschützener sowie ganze Familien aus Pilgersdorf und Steinberg. Unmittelbarer Anlass für die Auswanderung aus Pilgersdorf war ein verheerender Brand am 25. Juni 1855, der in den Folgejahren zur vermehrten Auswanderung führte.[10]

New Immigration

Die zweite große Einwanderungswelle, New Immigration genannt, war eine Industriewanderung, welche die Menschen in den Gebieten rund um Chicago und New York siedeln ließ, in denen ganze Industrien aus dem Boden gestampft wurden. Der enorme Arbeitskräftebedarf führte dazu, dass die Auswanderung zu einem Massenphänomen mutierte.

Die einzelnen Gebiete Westungarns wurden von dieser Welle jeweils in Abstand von wenigen Jahren erfasst, die von Innerungarn aus auf die Dörfer des heutigen Burgenlandes überschwappte. Das Gebiet des Seewinkels erreichte um 1875 die Nachricht von den Möglichkeiten, die sich in den USA für die Auswanderer ergaben. Fünf Jahre später wurden die Dörfer (wie zum Beispiel Riedlingsdorf) in den heutigen Bezirken Oberpullendorf und Oberwart von der Welle erfasst, wiederum fünf Jahr später die Ortschaften des weiter im Süden liegenden Bezirk Güssing.[7]

Diese zeitliche Abfolge hatte zur Folge, dass die Auswanderer der einzelnen Landesteile auch unterschiedliche Zielgebiete in den USA ansteuerten. Während jene Erstauswanderer, die um 1890 auswanderten, sich in Chicago niederließen, verlagerte sich der Schwerpunkt der Auswanderer, die einige Jahre später als Erste aus ihren Dörfern kamen, mehr in den Osten (zuerst Pennsylvania, danach New Jersey und New York) der USA. Da viele, die nachkamen, dort siedelten, wo sich die Erstauswanderer aus ihren Dörfern niedergelassen hatten, entstanden für die einzelnen Bezirke Siedlungsschwerpunkten in den USA. Die Auswanderer des heutigen Bezirkes Oberwart ließen sich bevorzugt in Chicago aber auch in Buffalo und St.Louis nieder. Die Auswanderer des heutigen Bezirks Güssing bevorzugten hingegen Pennsylvania, New Jersey und New York.[7][11]

Arbeit fanden die Burgenländer in Schlachthöfen, Brauereien oder Zementmühlen. Amerika war der Ort wo der burgenländische Bauer schon um 1900 zum Industriearbeiter mutierte, während sich in der Heimat dieser Prozess erst viele Jahrzehnte später vollzog. Zahlenmäßig wurde 1905 mit mehr als 3000 Auswanderern der Höhepunkt der Vorkriegswanderung erreicht, während es zwei Jahre später 1907 zu einem wirtschaftlichen Rückschlag in den USA kam. Dies hatte zur Folge, dass in diesem Jahr mehr Menschen von den USA nach Europa rückwanderten als von dort in die USA einwanderten. Doch die Wirtschaft erholte sich rasch und schon wenig später schwoll der Auswandererstrom wieder an. Natürlich gab es auch Rückwanderer, die mit dem ersparten Kapital in der alten Heimat eine neue Existenz aufbauten. So ist für ganz Ungarn für den Zeitraum 1908 bis 1913 eine Rückwanderungsquote von 35 Prozent ermittelt worden.[12] Der 1. Weltkrieg bereitete der Auswanderungswelle schließlich ein jähes Ende.

Zwischenkriegswanderung

Manche Auswanderer gingen mit der Absicht in die USA vier bis sieben Jahre in der Fremde zu bleiben, um dann mit dem Ersparten in der alten Heimat ein neues Leben zu beginnen. Der 1. Weltkrieg hatte für fast fünf Jahre diese Rückwanderungsmöglichkeit unterbrochen, sodass vor allem 1919 der dadurch entstandene Rückstau abgebaut wurde. In der Heimat hingegen kehrten viele Soldaten in ein Land zurück, das sich von 1918 bis 1921 in einem Schwebezustand befand, wo nicht klar war, zu welchem Land die deutschsprachigen Gebiete Westungarns eigentlich gehören sollten. Diese unsichere politische Situation führte auch dazu, dass die Auswanderungswelle ab 1921, dem Jahr in dem das Burgenland offiziell gegründet wurde, wieder sprunghaft anstieg um 1923 ihren absoluten Höhepunkt zu erreichen.[13]

Die offiziellen Zahlen der ausgewanderten Österreicher in die USA für das Jahr 1923 zeigen den überproportionalen Anteil der Burgenländer an dieser Entwicklung: Burgenland (6683 Personen), Wien (2546), Niederösterreich (2086), Steiermark (2121), Kärnten (783), Oberösterreich (712), Tirol (240), Vorarlberg (188) und Salzburg (138). Berechnungen zufolge waren bis zu diesem Zeitpunkt etwa 30000 bis 40000 Burgenländer in die USA ausgewandert. [14]

Am 1. Juli 1924 trat in den USA ein strenges Einwanderungsgesetz in Kraft, das die Einwanderungsquote für Österreich um fast 90 Prozent drückte und so das Ende der Auswanderung der Burgenländer in die USA einläutete. Die Quote war bis jetzt so ermittelt worden, dass man 1910 festgestellt hatte, woher die Fremdgeborenen stammten und dann den jeweiligen Herkunftsländern eine Zuwanderungsquote von drei Prozent dieser ermittelten Zahl zusprach. 1924 wurde dieser Prozentsatz auf 2 Prozent gesenkt und außerdem das Jahr 1890 als Grundlage der Zählung herangezogen. Damit wollte man gezielt die Einwanderung aus den ost- und südeuropäischen Ländern zurückdrängen, was auch sofort gelang.[15]

In den Jahren bis zum 2. Weltkrieg wanderten nun nur mehr vereinzelt Menschen in die USA aus. Andere Zielländer in Südamerika gewannen an Bedeutung, allerdings wurden zu keiner Zeit auch nur annähernd die Zahlen der Auswanderung in die USA erreicht.[16]

Nachkriegswanderung

Eine letzte verhältnismäßig kleine Auswanderungswelle erfasste das Burgenland in der Zeit zwischen 1951 und 1956. Das beliebteste Zielland dieser Auswanderer war Kanada, kleinere Kontingente zog es auch nach Australien, Neuseeland oder Südafrika.

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Ausgeforscht: Erster Burgenländer in Amerika auf ORF-Burgenland vom 19. Jänner 2017 abgerufen am 19. Jänner 2017
  2. Walter Dujmovits: Die Amerikawanderung der Burgenländer, Verlag Desch-Drexler, Pinkafeld 1992, Seite 15 und 16
  3. Walter Dujmovits: Die Amerikawanderung der Burgenländer, Verlag Desch-Drexler, Pinkafeld 1992, Seite 22 und 23
  4. Walter Dujmovits: Die Amerikawanderung der Burgenländer, Verlag Desch-Drexler, Pinkafeld 1992, Seite 21
  5. 5,0 5,1 Walter Dujmovits: Die Amerikawanderung der Burgenländer, Verlag Desch-Drexler, Pinkafeld 1992, Seite 23 und 24
  6. Walter Dujmovits: Die Amerikawanderung der Burgenländer, Verlag Desch-Drexler, Pinkafeld 1992, Seite 31
  7. 7,0 7,1 7,2 Walter Dujmovits: Die Amerikawanderung der Burgenländer, Verlag Desch-Drexler, Pinkafeld 1992, Seite 39
  8. Walter Dujmovits: Die Amerikawanderung der Burgenländer, Verlag Desch-Drexler, Pinkafeld 1992, Seite 32
  9. 9,0 9,1 Walter Dujmovits: Die Amerikawanderung der Burgenländer, Verlag Desch-Drexler, Pinkafeld 1992, Seite 33
  10. Walter Dujmovits: Die Amerikawanderung der Burgenländer, Verlag Desch-Drexler, Pinkafeld 1992, Seite 35
  11. Walter Dujmovits: Die Amerikawanderung der Burgenländer, Verlag Desch-Drexler, Pinkafeld 1992, Anlagen 10 und 11
  12. Walter Dujmovits: Die Amerikawanderung der Burgenländer, Verlag Desch-Drexler, Pinkafeld 1992, Seite 47 und 48
  13. Walter Dujmovits: Die Amerikawanderung der Burgenländer, Verlag Desch-Drexler, Pinkafeld 1992, Seite 52 bis 54
  14. Walter Dujmovits: Die Amerikawanderung der Burgenländer, Verlag Desch-Drexler, Pinkafeld 1992, Seite 54 bis 55
  15. Walter Dujmovits: Die Amerikawanderung der Burgenländer, Verlag Desch-Drexler, Pinkafeld 1992, Seite 55 bis 56
  16. Walter Dujmovits: Die Amerikawanderung der Burgenländer, Verlag Desch-Drexler, Pinkafeld 1992, Seite 56 bis 57