Reinhard von Wehingen: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Reinhard von Wehingen''' (* im 14. Jahrhundert; † [[3. Mai]] [[1394]]<ref name ="Mits82">vgl. Oskar Mitis: ''Die schwäbischen Herren von Wehingen in Österreich'', S. 82</ref>), auch '''Reinhard von Vaihingen''' oder '''Reinhard von Wähingen''', war oberste "Türhüter" des [[Herzogtum Österreich|Herzogtums Österreich]].
'''Reinhard von Wehingen''' (* im 14. Jahrhundert; † [[3. Mai]] [[1394]]<ref name ="Mits82">vgl. Oskar Mitis: ''Die schwäbischen Herren von Wehingen in Österreich'', S. 82</ref>), auch '''Reinhard von Vaihingen''' oder '''Reinhard von Wähingen''', war der oberste "Türhüter" des [[Herzogtum Österreich|Herzogtums Österreich]]. Er zählte zu den wichtigsten und einflussreichsten Mitarbeitern der [[Habsburger|Herzöge von Österreich (Habsburger)]] in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts.


== Herkunft und Familie ==
== Herkunft und Familie ==
Reinhard von Wehingen stammte aus einer in der [[w:Schwaben|Reichslandschaft Schwaben]] ansässigen [[w:Ministeriale|Ministerialenfamilie]], die sich nach ihrer Stammburg in [[w:Wehingen|Wehingen]] benannte. Die Mitglieder der Familie standen meistens im Dienst der Grafen von Hohenberg und später, nachdem die Grafschaft Hohenberg im 14. Jahrhundert durch Kauf in den Besitz der Herzöge von Österreich (Habsburger) gekommen war, in deren Diensten.<ref name ="wehingen">vgl. [http://www.wehingen.de/index.php?id=52 Wehingen], Wehingen.DE, abgerufen am 27. Dezember 2018</ref>  
[[File:Klosterneuburg, gotische Lichtsäule.jpg|thumb|Die Tutzsäule auf dem Areal von Stift Klosterneuburg heute. Diese gotische Lichtsäule wurde Michel Tutz, dem Stiefsohn von Reinhard von Wehingen, gestiftet.]]
Reinhard von Wehingen stammte aus einer in der [[w:Schwaben|Reichslandschaft Schwaben]] ansässigen Ministerialenfamilie<ref group="A">Die [[w:Ministeriale|Ministerialen]], auch als "Dienstadel" bezeichnet, bildeten im Mittelalter innerhalb des "niederen" Adels eine eigene Gruppe. Ursprünglich "Unfreie", waren sie durch ein Dienst- oder Lehnsverhältnis in den "niederen" Adel aufgestiegen, im Unterschied zu den [[w:edelfrei|"edelfreien" oder "hochfreien" Adelsfamilien]].</ref>, die sich nach ihrer Stammburg in [[w:Wehingen|Wehingen]] benannte. Die Mitglieder der Familie standen meistens im Dienst der Grafen von Hohenberg und später, nachdem die Grafschaft Hohenberg im 14. Jahrhundert durch Kauf in den Besitz der Herzöge von Österreich (Habsburger) gekommen war, in deren Diensten.<ref name ="wehingen">vgl. [http://www.wehingen.de/index.php?id=52 Wehingen], Wehingen.DE, abgerufen am 27. Dezember 2018</ref> Hugo von Wehingen verkaufte Mitte des 14. Jahrhunderts die Stammburg der Familie an [[Albrecht II. (Österreich)|Herzog Albrecht (II.) von Österreich]] ("''Albrecht dem Lahmen''") und ließ sich im heutigen Niederösterreich nieder. 1353 übernahm seine Familie die landesfürstliche Burg von [[Klosterneuburg]] als Pfandschaft.<ref name ="Lackner68">vgl. [[w:Christian Lackner (Historiker)|Christian Lackner]]: ''Hof und Herrschaft'', 2002, S. 68</ref>


Reinhard von Wehingen war einer der Söhne von Hugo von Wehingen aus dessen Ehe mit Agnes und ein Bruder von [[Berthold von Wehingen]], dem legendären Kanzler der Herzöge von Österreich und [[w:Dompropst|Dompropst]] des Domkapitels von [[Stephansdom (Wien)|St. Stephan]] in Wien.
Reinhard von Wehingen war einer der Söhne von Hugo von Wehingen aus dessen Ehe mit Agnes und ein Bruder von [[Berthold von Wehingen]], dem legendären Kanzler der Herzöge von Österreich und [[w:Dompropst|Dompropst]] des Domkapitels von [[Stephansdom (Wien)|St. Stephan]] in Wien. Klara von Wehingen, die 1387/88 als Äbtissin des Klarissenklosters in [[Dürnstein]] nachgewiesen ist, dürfte eine Schwester von ihm gewesen sein<ref name ="Lackner46-F7.13">vgl. [[w:Christian Lackner (Historiker)|Christian Lackner]]: ''Ein Rechnungsbuch Herzog Albrecht III. von Österreich''. Edition und Textanalyse (= Silvia Petrin - Willibald Rosner (Hrsg.): ''Studien und Forschungen aus dem Niederösterreichischen Institut für Landeskunde''. Bd. 23) (= NÖ Schriften 93 Wissenschaft). Selbstverlag des NÖ Instituts vor Landeskunde, Wien, 1996. ISBN 3-85006-085-3. S. 46, Fußnote 7.13</ref>.


Reinhard von Wehingen war dreimal verheiratet:
Reinhard von Wehingen war dreimal verheiratet:
<br />∞ in 1. Ehe mit Agnes, der Witwe eines Bürgers von [[Klosterneuburg]]<ref name ="Mits79">vgl. Oskar Mitis: ''Die schwäbischen Herren von Wehingen in Österreich'', S. 79</ref>
<br />∞ in 1. Ehe mit Agnes, der Witwe des Patriziers Gundolt Tutz<ref name ="Mits79">vgl. Oskar Mitis: ''Die schwäbischen Herren von Wehingen in Österreich'', S. 79</ref>. Dieser war ein angesehener Bürger von Klosterneuburg. Er stiftete dort ein Seelhaus und war 1347-1349 der Stadtrichter. Mit dieser Ehe heiratete Reinhard von Wehingen in die Oberschicht von Klosterneuburg ein.<ref>vgl. [[w:Christian Lackner (Historiker)|Christian Lackner]]: ''Hof und Herrschaft'', 2002, S. 68f.</ref>
<br />∞ in 2. Ehe mit Elisabeth von Traun<ref name ="Mits79"/>
<br />∞ in 2. Ehe mit Elisabeth von Traun<ref name ="Mits79"/>
<br />∞ in 3. Ehe mit Gertrud der Schenkin, einer "Hofjungfrau" vom Hof des Herzogs [[Albrecht III. (Österreich)|Albrecht (III.) mit dem Zopfe]]. Sie war eine Nachfahrin von Marquard von Gereut (später Teil des Vorortes Mauer und heute des [[Liesing|23. Wiener Gemeindebezirks]]), dem Kellermeister des [[w:Königreich Böhmen|Böhmenkönigs]] [[Ottokar II. Přemysl|Ottokar]].<ref name ="Mits79"/>
<br />∞ in 3. Ehe mit Gertrud der Schenkin, einer "Hofjungfrau" vom Hof des Herzogs [[Albrecht III. (Österreich)|Albrecht (III.) mit dem Zopfe]]. Sie war eine Nachfahrin von Marquard von Gereut (später Teil des Vorortes Mauer und heute des [[Liesing|23. Wiener Gemeindebezirks]]), dem Kellermeister des [[w:Königreich Böhmen|Böhmenkönigs]] [[Ottokar II. Přemysl|Ottokar]].<ref name ="Mits79"/>


Er war der Stiefvater des Klosterneuburger Bürgers Michael Tutz, der 1385 die Säule am Klosterplatz stiftete,<ref>vgl. Oskar Mitis: ''Die schwäbischen Herren von Wehingen in Österreich'', S. 81</ref> und außerdem von Georg Tutz.<ref name ="Mits83">vgl. Oskar Mitis: ''Die schwäbischen Herren von Wehingen in Österreich'', S. 83</ref> Außer seinen Stiefsöhnen hatte er mindestens drei eigene Söhne, vermutlich aus seiner dritten Ehe:<ref name ="Mits83">vgl. Oskar Mitis: ''Die schwäbischen Herren von Wehingen in Österreich'', S. 83</ref>
Er war der Stiefvater des Klosterneuburger Bürgers Michael Tutz, der 1385 die Säule am Klosterplatz stiftete<ref>vgl. Oskar Mitis: ''Die schwäbischen Herren von Wehingen in Österreich'', S. 81</ref>, und außerdem von Georg Tutz.<ref name ="Mits83">vgl. Oskar Mitis: ''Die schwäbischen Herren von Wehingen in Österreich'', S. 83</ref> Eine seiner Stieftöchter heiratete den Sohn des Wiener Bürgermeisters [[Lukas Popfinger]].<ref name ="Lackner69">vgl. [[w:Christian Lackner (Historiker)|Christian Lackner]]: ''Hof und Herrschaft'', 2002, S. 69</ref>
* Alber von Wehingen († um / nach 1394)
* Leopold von Wehingen (* um 1380; † nach 1394)
Außer seinen Stiefkindern hatte er mindestens drei eigene Söhne:<ref name ="Mits83">vgl. Oskar Mitis: ''Die schwäbischen Herren von Wehingen in Österreich'', S. 83</ref>
* Berthold von Wehingen (* um 1380; † nach 1394)
* (1. Ehe<ref group="A">Nach Oskar Mitis stammten vermutlich alle drei Söhne aus der dritten Ehe. Nach [[w:Christian Lackner (Historiker)|Christian Lackner]] war Alber bzw. Albrecht jedoch aus der ersten Ehe seines Vaters. Vgl. [[w:Christian Lackner (Historiker)|Christian Lackner]]: ''Hof und Herrschaft'', 2002, S. 68</ref>) Alber (Albrecht) von Wehingen († um / nach 1394)
* (3. Ehe?) Leopold von Wehingen (* um 1380; † nach 1394)
* (3. Ehe?) Berthold von Wehingen (* um 1380; † nach 1394)


Angeblich hatte er noch zwei weitere Söhne, Reinhard von Wehingen und Kadold von Wehingen, die aber nicht urkundlich belegt sind.<ref name ="Mits79"/> Möglicherweise war er auch der Vater von [[Thomas von Wehingen]] († um 1464).<ref name ="Mits83"/>
Angeblich hatte er noch zwei weitere Söhne, Reinhard von Wehingen und Kadold von Wehingen, die aber nicht urkundlich belegt sind.<ref name ="Mits79"/> Möglicherweise war er auch der Vater von [[Thomas von Wehingen]] († um 1464).<ref name ="Mits83"/>


== Leben ==
== Leben ==
Reinhard von Wehingen war bis ca. 1369 der Kammermeister von [[Albrecht III. (Österreich)|Herzog Albrecht (III.) von Österreich]] ("''Albrecht mit dem Zopfe''"). 1369 wurde er Hofmeister von [[Leopold III. (Habsburg)|Herzog Leopold (III.) von Österreich ("''Leopold dem Gerechten''"). Dieses Amt übernahm er kurz bevor Herzog Leopold (III.) zu seinem ersten großen Zug in die [[w:Vorderösterreich|"''vorderen Lande''"]] aufbrach.<ref name ="Lackner68">vgl. [[w:Christian Lackner (Historiker)|Christian Lackner]]: ''Hof und Herrschaft''. Rat, Kanzlei und Regierung der österreichischen Herzöge (1365-1406) (= Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung. Erg.Bd. 41). R. Oldenbourg Verlag, Wien / München, 2002. ISBN 3-7029-0456-5. S. 68</ref>
Reinhard von Wehingen begann seine Karriere am Hof von [[Rudolf IV. (Österreich)|Herzog Rudolf (IV.) von Österreich]] ("''Rudolf dem Stifter''"). Im Oktober 1365 wurde er Kammermeister von [[Albrecht III. (Österreich)|Herzog Albrecht (III.) von Österreich]] ("''Albrecht mit dem Zopfe''").<ref>vgl. [[w:Christian Lackner (Historiker)|Christian Lackner]]: ''Hof und Herrschaft'', 2002, S. 69 und 91</ref> Binnen weniger Jahre etablierte er sich als einer der engsten Vertrauten dieses Herzogs. Als solcher trat er, der gute Kontakte zu den wichtigsten Finanzkreisen besaß, häufig als Bürge für den Herzog auf<ref name ="Lackner69"/> Im Juli 1369 war er zum ersten Mal der Hofmeister von [[Leopold III. von Habsburg|Herzog Leopold (III.) von Österreich]] ("''Leopold dem Gerechten''").<ref>vgl. [[w:Christian Lackner (Historiker)|Christian Lackner]]: ''Hof und Herrschaft'', 2002, S. 68 und 91</ref> Zwischen Juli 1369 und Februar 1370 begleitete er diesen auf seinem ersten großen Zug in die [[w:Vorderösterreich|"''Oberen Lande''"]], wo er gemeinsam mit Albrechts damaligen Kanzler [[Johann Ribi]] mit der Ausführung der relevanten Aufgaben betreut war. Nach dem Herrschaftsumritt der Herzöge Albrecht (III.) und Leopold (III.) kehrte er mit diesen im Mai 1370 wieder nach Wien zurück.<ref name ="Lackner68"/> Im August 1372 ist Reinhard von Wehingen dann für diese Periode letztmals als Hofmeister von Herzog Leopold (III.) bezeugt.<ref name ="Lackner70">vgl. [[w:Christian Lackner (Historiker)|Christian Lackner]]: ''Hof und Herrschaft'', 2002, S. 70</ref>
Reinhard von Wehingen war seit 1374 Landvogt der [[Habsburger|Herzöge von Österreich (Habsburger)]] im [[w:Aargau|Aargau]] und im [[w:Thurgau|Thurgau]]. 1389 wurde er Landvogt und Hauptmann in den "Obern Landen"<ref group="A">Zu den "Obern Lande" zählten die damaligen Besitzungen der Herzöge von Österreich in der Reichslandschaft Schwaben, im Thurgau, im Aargau, im [[w:Sundgau|Sundgau]], im [[w:Elsass|Elsass]], im [[w:Breisgau|Breisgau]] und auf dem [[w:Schwarzwald|Schwarzwald]]</ref>. 1384 übernahm er das Amt des obersten "Türhüters" des Herzogtums Österreich.<ref name ="Mits80">vgl. Oskar Mitis: ''Die schwäbischen Herren von Wehingen in Österreich'', S. 80</ref> Außerdem war er herzoglicher Hofmeister und Landvogt.
 
Reinhard von Wehingen war seit 1374 Landvogt der [[Habsburger|Herzöge von Österreich (Habsburger)]] im [[w:Aargau|Aargau]] und im [[w:Thurgau|Thurgau]].<ref name ="Mits80">vgl. Oskar Mitis: ''Die schwäbischen Herren von Wehingen in Österreich'', S. 80</ref> Nach dem Tod von [[Gottfried Mülner|Gottfried Müllner]] († 1383) wurde er als sein Nachfolger nochmals Hofmeister von Herzog Leopold (III.). In dieser Position verblieb er bis zur [[w:Schlacht bei Sempach|Schlacht bei Sempach]].<ref name ="Lackner76">vgl. [[w:Christian Lackner (Historiker)|Christian Lackner]]: ''Hof und Herrschaft'', 2002, S. 76</ref> 1384 übernahm er das Amt des obersten "Türhüters" des Herzogtums Österreich.<ref name ="Mits80"/>
 
Reinhard von Wehingen befehligte in der Schlacht bei Sempach die Nachhut des herzoglichen Heeres. Als sich die Niederlage abzeichnete, flüchtete er und rettete so sein Leben, was ihm bei einigen seiner Zeitgenossen herbe Kritik einbrachte. In den folgenden Monaten nach der Schlacht hielt er sich im Aargau auf, in den Herbstmonaten 1386 im Umfeld des jungen Herzogs [[Leopold IV. (Habsburg)|Leopold (IV.) von Österreich]] ("''Leopold des Stolzen''").<ref name ="Lackner78">vgl. [[w:Christian Lackner (Historiker)|Christian Lackner]]: ''Hof und Herrschaft'', 2002, S. 78</ref> Von August 1389 bis April 1393 war er Vogt und Hauptmann in den [[w:Vorderösterreich|"''Oberen Landen''"]] 1389 wurde er Landvogt und Hauptmann in den "Oberen Landen"<ref group="A">Zu den "Obern Lande" zählten die damaligen Besitzungen der Herzöge von Österreich in der [[w:Reichslandschaft Schwaben|Reichslandschaft Schwaben]], im [[w:Thurgau|Thurgau]], im [[w:Aargau|Aargau]], im [[w:Sundgau|Sundgau]], im [[w:Elsass|Elsass]], im [[w:Breisgau|Breisgau]] und auf dem [[w:Schwarzwald|Schwarzwald]]</ref>.<ref name ="Lackner78"/><ref name ="Mits80"/>


== Vermögensverhältnisse ==
== Vermögensverhältnisse ==
Reinhard von Wehingen erbte die an seine Eltern verpfändete landesfürstliche Burg in Klosterneuburg. Er befand sich im "Nutzgenuss" der Herrschaften Reinegg (in der [[Grafschaft Tirol]]), Gösting (heute Teil der Stadt [[Graz]], im [[Herzogtum Steier]] und der Feste [[Bernhardsthal]] (Herzogtum Österreich).<ref name ="Mits80"/> Außerdem besaß er die Feste Sallingberg und Liegenschaften in [[Atzenbrugg]] sowie ein Haus in [[Wien]] (heute: [[Innere Stadt (Wien)|1.Wiener Gemeindebezirk]], [[Teinfaltstraße (Wien)|Teinfaltstraße 4]]).<ref name ="Mits81">vgl. Oskar Mitis: ''Die schwäbischen Herren von Wehingen in Österreich'', S. 81</ref>
[[File:Klosterneuburg 7432.jpg|thumb|Stift Klosterneuburg heute. In einer Kapelle von diesem befindet sich die Grabstätte von Reinhard von Wehingen und seinem Bruder Berthold]]
Reinhard von Wehingen erbte die an seine Eltern verpfändete landesfürstliche Burg in Klosterneuburg. Er befand sich im "Nutzgenuss" der Herrschaften [[w:Burg Reinegg (Südtirol)|Reineck]] (in der [[Grafschaft Tirol]]), die ihm am 9. März 1370 als "Leibgeding"<ref group="A">Ein "Leibgeding" war ein Besitztum, dessen Nutzung einer Person für die Dauer ihres Lebens übertragen wurde.</ref> verschrieben worden war<ref name ="Lackner69"/>, Gösting (heute Teil der Stadt [[Graz]], im [[Herzogtum Steier]], die ihm am 26. Jänner 1386 auf Lebenszeit verpfändet worden war<ref name ="Lackner77">vgl. [[w:Christian Lackner (Historiker)|Christian Lackner]]: ''Hof und Herrschaft'', 2002, S. 77</ref>, und der Feste [[Bernhardsthal]] (Herzogtum Österreich).<ref name ="Mits80"/> Außerdem besaß er die Feste Sallingberg und Liegenschaften in [[Atzenbrugg]] sowie ein Haus in [[Wien]] (heute: [[Innere Stadt (Wien)|1.Wiener Gemeindebezirk]], [[Teinfaltstraße (Wien)|Teinfaltstraße 4]]).<ref name ="Mits81">vgl. Oskar Mitis: ''Die schwäbischen Herren von Wehingen in Österreich'', S. 81</ref> Am 25. Juni 1371 verkaufte ihm der jüdische Großfinanzier [[David Steuss]], der aus der Judengemeinde von Klosterneuburg stammte, die Feste [[Tulbing]], wobei die Hintergründe dieses Kaufes bisher nicht näher erforscht sind.<ref name ="Lackner69mFN97">vgl. [[w:Christian Lackner (Historiker)|Christian Lackner]]: ''Hof und Herrschaft'', 2002, S. 69, mit Fußnote 97</ref>


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Aktuelle Version vom 5. Juni 2022, 18:41 Uhr

Reinhard von Wehingen (* im 14. Jahrhundert; † 3. Mai 1394[1]), auch Reinhard von Vaihingen oder Reinhard von Wähingen, war der oberste "Türhüter" des Herzogtums Österreich. Er zählte zu den wichtigsten und einflussreichsten Mitarbeitern der Herzöge von Österreich (Habsburger) in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts.

Herkunft und Familie

Die Tutzsäule auf dem Areal von Stift Klosterneuburg heute. Diese gotische Lichtsäule wurde Michel Tutz, dem Stiefsohn von Reinhard von Wehingen, gestiftet.

Reinhard von Wehingen stammte aus einer in der Reichslandschaft Schwaben ansässigen Ministerialenfamilie[A 1], die sich nach ihrer Stammburg in Wehingen benannte. Die Mitglieder der Familie standen meistens im Dienst der Grafen von Hohenberg und später, nachdem die Grafschaft Hohenberg im 14. Jahrhundert durch Kauf in den Besitz der Herzöge von Österreich (Habsburger) gekommen war, in deren Diensten.[2] Hugo von Wehingen verkaufte Mitte des 14. Jahrhunderts die Stammburg der Familie an Herzog Albrecht (II.) von Österreich ("Albrecht dem Lahmen") und ließ sich im heutigen Niederösterreich nieder. 1353 übernahm seine Familie die landesfürstliche Burg von Klosterneuburg als Pfandschaft.[3]

Reinhard von Wehingen war einer der Söhne von Hugo von Wehingen aus dessen Ehe mit Agnes und ein Bruder von Berthold von Wehingen, dem legendären Kanzler der Herzöge von Österreich und Dompropst des Domkapitels von St. Stephan in Wien. Klara von Wehingen, die 1387/88 als Äbtissin des Klarissenklosters in Dürnstein nachgewiesen ist, dürfte eine Schwester von ihm gewesen sein[4].

Reinhard von Wehingen war dreimal verheiratet:
∞ in 1. Ehe mit Agnes, der Witwe des Patriziers Gundolt Tutz[5]. Dieser war ein angesehener Bürger von Klosterneuburg. Er stiftete dort ein Seelhaus und war 1347-1349 der Stadtrichter. Mit dieser Ehe heiratete Reinhard von Wehingen in die Oberschicht von Klosterneuburg ein.[6]
∞ in 2. Ehe mit Elisabeth von Traun[5]
∞ in 3. Ehe mit Gertrud der Schenkin, einer "Hofjungfrau" vom Hof des Herzogs Albrecht (III.) mit dem Zopfe. Sie war eine Nachfahrin von Marquard von Gereut (später Teil des Vorortes Mauer und heute des 23. Wiener Gemeindebezirks), dem Kellermeister des Böhmenkönigs Ottokar.[5]

Er war der Stiefvater des Klosterneuburger Bürgers Michael Tutz, der 1385 die Säule am Klosterplatz stiftete[7], und außerdem von Georg Tutz.[8] Eine seiner Stieftöchter heiratete den Sohn des Wiener Bürgermeisters Lukas Popfinger.[9]

Außer seinen Stiefkindern hatte er mindestens drei eigene Söhne:[8]

  • (1. Ehe[A 2]) Alber (Albrecht) von Wehingen († um / nach 1394)
  • (3. Ehe?) Leopold von Wehingen (* um 1380; † nach 1394)
  • (3. Ehe?) Berthold von Wehingen (* um 1380; † nach 1394)

Angeblich hatte er noch zwei weitere Söhne, Reinhard von Wehingen und Kadold von Wehingen, die aber nicht urkundlich belegt sind.[5] Möglicherweise war er auch der Vater von Thomas von Wehingen († um 1464).[8]

Leben

Reinhard von Wehingen begann seine Karriere am Hof von Herzog Rudolf (IV.) von Österreich ("Rudolf dem Stifter"). Im Oktober 1365 wurde er Kammermeister von Herzog Albrecht (III.) von Österreich ("Albrecht mit dem Zopfe").[10] Binnen weniger Jahre etablierte er sich als einer der engsten Vertrauten dieses Herzogs. Als solcher trat er, der gute Kontakte zu den wichtigsten Finanzkreisen besaß, häufig als Bürge für den Herzog auf[9] Im Juli 1369 war er zum ersten Mal der Hofmeister von Herzog Leopold (III.) von Österreich ("Leopold dem Gerechten").[11] Zwischen Juli 1369 und Februar 1370 begleitete er diesen auf seinem ersten großen Zug in die "Oberen Lande", wo er gemeinsam mit Albrechts damaligen Kanzler Johann Ribi mit der Ausführung der relevanten Aufgaben betreut war. Nach dem Herrschaftsumritt der Herzöge Albrecht (III.) und Leopold (III.) kehrte er mit diesen im Mai 1370 wieder nach Wien zurück.[3] Im August 1372 ist Reinhard von Wehingen dann für diese Periode letztmals als Hofmeister von Herzog Leopold (III.) bezeugt.[12]

Reinhard von Wehingen war seit 1374 Landvogt der Herzöge von Österreich (Habsburger) im Aargau und im Thurgau.[13] Nach dem Tod von Gottfried Müllner († 1383) wurde er als sein Nachfolger nochmals Hofmeister von Herzog Leopold (III.). In dieser Position verblieb er bis zur Schlacht bei Sempach.[14] 1384 übernahm er das Amt des obersten "Türhüters" des Herzogtums Österreich.[13]

Reinhard von Wehingen befehligte in der Schlacht bei Sempach die Nachhut des herzoglichen Heeres. Als sich die Niederlage abzeichnete, flüchtete er und rettete so sein Leben, was ihm bei einigen seiner Zeitgenossen herbe Kritik einbrachte. In den folgenden Monaten nach der Schlacht hielt er sich im Aargau auf, in den Herbstmonaten 1386 im Umfeld des jungen Herzogs Leopold (IV.) von Österreich ("Leopold des Stolzen").[15] Von August 1389 bis April 1393 war er Vogt und Hauptmann in den "Oberen Landen" 1389 wurde er Landvogt und Hauptmann in den "Oberen Landen"[A 3].[15][13]

Vermögensverhältnisse

Stift Klosterneuburg heute. In einer Kapelle von diesem befindet sich die Grabstätte von Reinhard von Wehingen und seinem Bruder Berthold

Reinhard von Wehingen erbte die an seine Eltern verpfändete landesfürstliche Burg in Klosterneuburg. Er befand sich im "Nutzgenuss" der Herrschaften Reineck (in der Grafschaft Tirol), die ihm am 9. März 1370 als "Leibgeding"[A 4] verschrieben worden war[9], Gösting (heute Teil der Stadt Graz, im Herzogtum Steier, die ihm am 26. Jänner 1386 auf Lebenszeit verpfändet worden war[16], und der Feste Bernhardsthal (Herzogtum Österreich).[13] Außerdem besaß er die Feste Sallingberg und Liegenschaften in Atzenbrugg sowie ein Haus in Wien (heute: 1.Wiener Gemeindebezirk, Teinfaltstraße 4).[17] Am 25. Juni 1371 verkaufte ihm der jüdische Großfinanzier David Steuss, der aus der Judengemeinde von Klosterneuburg stammte, die Feste Tulbing, wobei die Hintergründe dieses Kaufes bisher nicht näher erforscht sind.[18]

Erinnerungen

Reinhard von Wehingen ist in einer Kapelle (Weihe 1394) im Kreuzgang des Stiftes Klosterneuburg, der "Wehingerkapelle" oder "Freisinger Kapelle", gemeinsam mit seinem Bruder Berthold, beigesetzt. Ihre Grabmäler sind erhalten.[2][19]

Literatur

  • Christian Lackner: Hof und Herrschaft. Rat, Kanzlei und Regierung der österreichischen Herzöge (1365-1406) (= Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung. Erg.Bd. 41). R. Oldenbourg Verlag, Wien / München, 2002. ISBN 3-7029-0456-5
  • Oskar Mitis: Die schwäbischen Herren von Wehingen in Österreich — ein Beispiel für Familienwanderung im Mittelalter. In: Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich. Ser. NF. Bd. 23, 1930, S. 77-92 digital

Einzelnachweise

  1. vgl. Oskar Mitis: Die schwäbischen Herren von Wehingen in Österreich, S. 82
  2. 2,0 2,1 vgl. Wehingen, Wehingen.DE, abgerufen am 27. Dezember 2018
  3. 3,0 3,1 vgl. Christian Lackner: Hof und Herrschaft, 2002, S. 68
  4. vgl. Christian Lackner: Ein Rechnungsbuch Herzog Albrecht III. von Österreich. Edition und Textanalyse (= Silvia Petrin - Willibald Rosner (Hrsg.): Studien und Forschungen aus dem Niederösterreichischen Institut für Landeskunde. Bd. 23) (= NÖ Schriften 93 Wissenschaft). Selbstverlag des NÖ Instituts vor Landeskunde, Wien, 1996. ISBN 3-85006-085-3. S. 46, Fußnote 7.13
  5. 5,0 5,1 5,2 5,3 vgl. Oskar Mitis: Die schwäbischen Herren von Wehingen in Österreich, S. 79
  6. vgl. Christian Lackner: Hof und Herrschaft, 2002, S. 68f.
  7. vgl. Oskar Mitis: Die schwäbischen Herren von Wehingen in Österreich, S. 81
  8. 8,0 8,1 8,2 vgl. Oskar Mitis: Die schwäbischen Herren von Wehingen in Österreich, S. 83
  9. 9,0 9,1 9,2 vgl. Christian Lackner: Hof und Herrschaft, 2002, S. 69
  10. vgl. Christian Lackner: Hof und Herrschaft, 2002, S. 69 und 91
  11. vgl. Christian Lackner: Hof und Herrschaft, 2002, S. 68 und 91
  12. vgl. Christian Lackner: Hof und Herrschaft, 2002, S. 70
  13. 13,0 13,1 13,2 13,3 vgl. Oskar Mitis: Die schwäbischen Herren von Wehingen in Österreich, S. 80
  14. vgl. Christian Lackner: Hof und Herrschaft, 2002, S. 76
  15. 15,0 15,1 vgl. Christian Lackner: Hof und Herrschaft, 2002, S. 78
  16. vgl. Christian Lackner: Hof und Herrschaft, 2002, S. 77
  17. vgl. Oskar Mitis: Die schwäbischen Herren von Wehingen in Österreich, S. 81
  18. vgl. Christian Lackner: Hof und Herrschaft, 2002, S. 69, mit Fußnote 97
  19. vgl. Stift Klosterneuburg, Taterman.AT, abgerufen am 27. Dezember 2018

Anmerkungen

  1. Die Ministerialen, auch als "Dienstadel" bezeichnet, bildeten im Mittelalter innerhalb des "niederen" Adels eine eigene Gruppe. Ursprünglich "Unfreie", waren sie durch ein Dienst- oder Lehnsverhältnis in den "niederen" Adel aufgestiegen, im Unterschied zu den "edelfreien" oder "hochfreien" Adelsfamilien.
  2. Nach Oskar Mitis stammten vermutlich alle drei Söhne aus der dritten Ehe. Nach Christian Lackner war Alber bzw. Albrecht jedoch aus der ersten Ehe seines Vaters. Vgl. Christian Lackner: Hof und Herrschaft, 2002, S. 68
  3. Zu den "Obern Lande" zählten die damaligen Besitzungen der Herzöge von Österreich in der Reichslandschaft Schwaben, im Thurgau, im Aargau, im Sundgau, im Elsass, im Breisgau und auf dem Schwarzwald
  4. Ein "Leibgeding" war ein Besitztum, dessen Nutzung einer Person für die Dauer ihres Lebens übertragen wurde.