Hermine Bogner: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Hermine Bogner''' (*[[8. Mai]] [[1932]] in [[Pinkafeld]]; † [[27. März]] [[1945]] in [[Wien]]) ist eines von 789 namentlich bekannten Opfern der [[w:Kinder-Euthanasie|Kinder-Euthanasie]] in der Jugendfürsorgeanstalt [[w:Am Spiegelgrund|Am Spiegelgrund]] in Wien.  
'''Hermine Bogner''' (*[[8. Mai]] [[1932]] in [[Pinkafeld]]; † [[27. März]] [[1945]] in [[Wien]]) ist eines von 789 namentlich bekannten Opfer der [[w:Kinder-Euthanasie|Kinder-Euthanasie]] in der Jugendfürsorgeanstalt [[w:Am Spiegelgrund|Am Spiegelgrund]] in Wien. Sie stammte wie die beiden Euthanasie-Opfer [[Anton Braun]] und [[Berta Horvath]] aus dem [[Burgenland|südburgenländischen]] Pinkafeld,<ref>{{Literatur |Autor=Herbert Brettl, Michael Hess |Titel=NS-Euthanasie im Burgenland|Ort=Eisenstadt |Datum=2015 |Seiten=83 |ISBN=3854051794}}</ref> das nach dem [[w:Anschluss Österreichs|Anschluss Österreichs]] während der Zeit des [[w:Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkriegs]] zur [[Steiermark]] gehörte.  


== Leben ==
== Leben ==
Anton Braun kam im Mai 1932 im [[Burgenland|südburgenländischen]] Pinkafeld zur Welt,<ref name="brett44">{{Literatur |Autor=Herbert Brettl, Michael Hess |Titel=NS-Euthanasie im Burgenland|Ort=Eisenstadt |Datum=2015 |Seiten=44 |ISBN=3854051794}}</ref> das nach dem [[w:Anschluss Österreichs|Anschluss Österreichs]] während der Zeit des [[w:Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkriegs]] zur [[Steiermark]] gehörte.
Die im Mai 1932 geborene Hermine Bogner entwickelte sich bis 1942 entsprechend ihres Alters, wie Angaben ihrer Schwester anlässlich der Einlieferung in die Wiener Universitäts-Kinderklinik, die unter der Leitung des bekennenden [[w:Nationalsozialismus|Nationalsozialisten]] [[w:Franz Hamburger (Mediziner)|Franz Hamburger]] stand, besagen:
{{Zitat|Sie hat bis 1942 die Schule mit gutem Erfolg besucht, sei nie sitzen geblieben, sondern sogar Vorzugschülerin gewesen. Ein Nachlassen der geistigen Fähigkeiten sei nicht aufgefallen, doch hat Patientin auch in anfallfreien Zeiten ''gestottert'', jedoch nicht immer, früher niemals.|Quelle=Herbert Brettl und Michael Hess: ''NS-Euthanasie im Burgenland'', Seite 40, Eisenstadt 2015, ISBN=3854051794}}


Das Kind entwickelte sich bis 1942 entsprechend ihres Alters, wie Angaben ihrer Schwester anlässlich der Einlieferung Hermines in die Wiener Universitäts-Kinderklinik, die unter der Leitung von [[w:Franz Hamburger (Mediziner)|Franz Hamburger]], einem bekennenden [[w:Nationalsozialismus|Nationalsozialisten]], stand, besagen:
Ab 1940 erkrankte Hermine Bogner an krampfartigen Anfällen, ihr Weg führte sie über das [[w:Landesklinikum Wiener Neustadt|Krankenhaus Wiener Neustadt]] und die Universitätsklinik Wien in den Spiegelgrund.<ref>{{Literatur |Autor=Herbert Brettl, Michael Hess |Titel=NS-Euthanasie im Burgenland|Ort=Eisenstadt |Datum=2015 |Seiten=40 |ISBN=3854051794}}</ref> Trotz vieler Untersuchungen konnten sich die Ärzte zunächst auf keine eindeutige Diagnose einigen, bis schließlich ihre Krankheitssymptome einer [[w:Epilepsie|Epilepsie]] zugeschrieben wurden. Sie durfte die anstaltseigene Schule besuchen, die im Pavillon 17 untergebracht war, wohin sie zwischenzeitlich auch verlegt worden war. Hermine galt als sehr liebenswert und herzlich. Selbst ihre Ärztin [[w:Marianne Türk|Marianne Türk]], die üblicherweise ihre Protokolleinträge immer sehr sachlich und distanziert formulierte, beurteilte die junge Pinkafelderin durchaus menschlich:
{{Zitat|Ist immer außer Bett, im Tagraum oder Garten. Hat guten Kontakt mit Kindern und Pflegepersonen. Spricht gut, versteht alles. Macht intellektuell keinen gröber gestörten Eindruck. Hermine ist selbständig in ihrer Körperpflege, hält ihre Kleidung nett und rein. Tag und Nacht sauber. Sie hilft der Schwester bei kleineren Handgriffen, ist dabei geschickt und flink...Oft ist sie traurig und weint, wenn sie davon spricht, dass sie nach Hause möchte (die Mutter erklärte, dass sie sie nicht übernehmen könnte)...sie will gerne verwöhnt und verhätschelt werden. Sie ist anhänglich, liebebedürftig, freudefähig. Nie grob zu anderen Kindern.|Quelle=Herbert Brettl und Michael Hess: ''NS-Euthanasie im Burgenland'', Seite 40 und 41, Eisenstadt 2015, ISBN=3854051794}}
Die Weihnachtstage 1944 durfte Hermine Bogner im Kreise ihrer Familie verbringen. Aus dieser Zeit stammte auch ein mit vielen Rechtschreib- und Grammatikfehlern versehener Brief an ihre Ärztin Marianne Türk, den sie mit "Vielle Bussi und Küsse von ihrer Tochter Hermi" unterschrieb.<ref name="brettl41">{{Literatur |Autor=Herbert Brettl, Michael Hess |Titel=NS-Euthanasie im Burgenland|Ort=Eisenstadt |Datum=2015 |Seiten=41 |ISBN=3854051794}}</ref> Es lässt sich daraus schließen, dass Hermine einen sehr innigen Kontakt zu ihrer Ärztin entwickelte.
 
== Tod ==
Das Pinkafelder Mädchen starb am 27. März 1945 um 3:30 Uhr nachdem es einige Stunden zuvor im Zuge eines schweren Anfalls das Bewusstsein verloren hatte. Als Todesursache wurde ''Status epilepticus mit nachfolgender [[w:Lungenentzündung|Pneunomia]]'' angegeben.<ref name="brettl41" />
 
Es könnte auch sein, dass Hermine Bogner nach ihrem Tod das Gehirn entfernt wurde und dieses in der Kinderklinik verblieb, wie die der meisten anderen Opfer auch.<ref name="brett34">{{Literatur |Autor=Herbert Brettl, Michael Hess |Titel=NS-Euthanasie im Burgenland|Ort=Eisenstadt |Datum=2015 |Seiten=34ff |ISBN=3854051794}}</ref> In weiterer Folge wäre es daher auch möglich, dass dieses in der Nachkriegszeit vom ehemaligen Spiegelgrund-Arzt [[w:Heinrich Gross|Heinrich Gross]] für [[w:Heinrich_Gross#Karriere im Nachkriegsösterreich|Forschungen]] verwendet wurde. Heinrich Gross gilt als Symbolfigur für den schlampigen, teilweise beschämenden, Umgang Österreichs mit seiner jüngeren Vergangenheit.<ref>[https://derstandard.at/620205/SPOe-hielt-schuetzend-ihre-Hand-ueber-Heinrich-Gross SPÖ hielt schützend ihre Hand über Heinrich Gross], Webseite derstandard.at, abgerufen am 5. Jänner 2018</ref><ref>[https://kurier.at/politik/beichte-des-ns-arztes/769.201 Beichte des NS-Arztes
Interview KURIER 8. 2. 1979: Dr. Gross über Vergangenes], Webseite kurier.at, abgerufen am 5. Jänner 2018</ref> 


{{Zitat|Sie hat bis 1942 die Schule mit gutem Erfolg besucht, sei nie sitzen geblieben, sondern sogar Vorzugschülerin gewesen. Ein Nachlassen der geistigen Fähigkeiten sei nicht aufgefallen, doch hat Patientin auch in anfallfreien Zeiten ''gestottert'', jedoch nicht immer, früher niemals.|Quelle=Herbert Brettl und Michael Hess: ''NS-Euthanasie im Burgenland'', Seite 44, Eisenstadt 2015, ISBN=3854051794}}
Erst nachdem um die Jahrtausendwende das [[w:Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes|Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes]] die Spiegelgrund-Opfer erfasst hatte, erfolgte 2002 schließlich die Beisetzung der Gehirnpräparate und anderer Gewebeteile in 597 Urnen, auf Wunsch der Opferangehörigen unter Ausschluss der Öffentlichkeit, in einem Ehrengrab auf dem [[w:Wiener Zentralfriedhof|Wiener Zentralfriedhof]].<ref>[https://www.wien.gv.at/presse/2002/04/17/pittermann-zur-bestattung-der-opfergehirne-vom-spiegelgrund Pittermann zur Bestattung der Opfergehirne vom Spiegelgrund], Webseite www.wien.gv.at, abgerufen am 4. Jänner 2018</ref>


Ab 1940 erkankte Hermine Bogner an krampfartigen Anfällen, ihr Weg führte sie über das [[w:Landesklinikum Wiener Neustadt|Krankenhaus Wiener Neustadt]], die Universitätsklinik Wien in den Spiegelhof.<ref name="brett44" /> Trotz vieler Untersuchungen konnte keine eindeutige Diagnose gestellt werden
Die Diagnose ''Lungenentzündung'' deutete meist auf einen absichtlich herbeigeführten Tod hin, die oft als Folge der Verabreichung einer Überdosis Schlafmittel auftrat. Hermine Bogners Ärztin Marianne Türk sagte 1946 im Zuge des Spiegelgrund-Prozesses vor dem [[w:Volksgericht (Österreich)|Volksgericht Wien]] aus:
{{Zitat|Ich will noch bemerken, daß […] sich in keiner Krankengeschichte etwas von Euthanasie befindet, nirgends ein Hinweis in dieser Richtung aufscheint, da wir aus leicht begreiflichen Gründen dies gar nicht tun durften. Insofern erscheint dort, wo tatsächlich Euthanasie vorgekommen ist, die Krankengeschichte als verfälscht auf. In sehr vielen Fällen war die unmittelbare Todesursache eine Lungenentzündung, die im Zuge der Schlafmittelvergiftung aufgetreten ist. In den Krankengeschichten scheint natürlich nur die Lungenentzündung auf. Aus der Korrespondenz mit dem Reichsausschuß in Berlin ergab sich in jedem einzelnen Falle die Euthanasie, diese Korrespondenz ist aber über Auftrag von Berlin beim Einmarsch der Russen vernichtet worden.|Vernehmung der Beschuldigten Türk am 12. März 1946 (DÖW E 18282).}}


Dieser Einmarsch der Russen erfolgte nur zwei Tage nach dem Ableben von Hermine Bogner, als am 29. März um die Mittagszeit bei [[Klostermarienberg]] ([[Bezirk Oberpullendorf]]) der erste Soldat der [[w:Rote Armee|Roten Armee]] die Reichsgrenze im Zuge [[w:Wiener Operation|Wiener Operation]] überschritt,<ref name="rauchensteiner126">[[w:Manfried Rauchensteiner|Manfried Rauchensteiner]]: ''Der Krieg in Österreich 1945'', Seite 126, Österr. Bundesverlag, Wien 1984, ISBN 3-215-01672-9.</ref> bis zum 11. April waren schließlich alle Wiener Stadtbezirke südlich des [[w:Donaukanal|Donaukanals]] von den Sowjettruppen besetzt.<ref name="rauchensteiner179">Manfried Rauchensteiner: ''Der Krieg in Österreich 1945'', Seite 179, Österr. Bundesverlag, Wien 1984, ISBN 3-215-01672-9.</ref>


Marianne Türk hatte bei dem oben erwähnten  Volksgerichtsprozess auch zugegeben, im "Auftrag von Berlin" auf Euthanasie verweisende Dokumente aus den Krankenakten entfernt und vernichtet zu haben. Im Zuge des Prozesses wurde sie zu zehn Jahren Haft verurteilt. Zwei Jahre später erfolgte bereits ihre vorzeitige Haftentlassung aufgrund gesundheitlicher Probleme. 1957 wurde ihr sogar der im Prozess aberkannte Doktortitel wieder zuerkannt. Nach eigenen Worten "wagte sie es aber nicht mehr" in ihren alten Beruf zurückzukehren. Sie starb im hohen Alter von 89 Jahren 2003 in Wien. Heinrich Gross verstarb 2005 im Alter von 90 Jahren in [[Hollabrunn]].


Bald nach seiner Geburt zeigten sich Krankheitssymptome wie starke Kopfschmerzen, lautes Schreien und Hin- und Herwerfen des Kopfes. Ein Pinkafelder Hausarzt überwies daraufhin das Baby an die Wiener Universitäts-Kinderklinik,<ref name="brettl77" /> die unter der Leitung von [[w:Franz Hamburger (Mediziner)|Franz Hamburger]], einem bekennenden [[w:Nationalsozialismus|Nationalsozialisten]], stand.
== Gedenken ==
Ein Gedenken an Hermine Bogner und an die beiden anderen Pinkafelder Euthanasie-Opfer in Form einer Gedenktafel oder in Form von [[w:Stolpersteine in Österreich|Stolpersteinen]] in ihrer Heimatgemeinde gibt es bis dato nicht, wobei gesagt werden muss, dass das Burgenland neben [[Tirol]] das einzige Bundesland Österreichs ist, in dem noch keine [[w:Stolpersteine|Stolpersteine]] verlegt worden sind, welche an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern.  


Anton kam Ende November 1943 in den Pavillon 15, der offiziell als „Säuglingsstation“ geführt, inoffiziell aber als „Reichsausschussabteilung“ bezeichnet wurde. Administrativ unterstand diese Einrichtung dem [[w:Kinder-Euthanasie#„Reichsausschuß_zur_wissenschaftlichen_Erfassung_von_erb-_und_anlagebedingten_schweren_Leiden“|„Reichsausschuss zur wissenschaftlichen Erfassung von erb- und anlagebedingten schweren Leiden“]] in [[w:Berlin|Berlin]]. Nachdem der Säugling noch am 8. Dezember von einer in Wien wohnenden Tante besucht werden konnte, fiel er am 9. Dezember 1943  der Kinder-Euthanasie zum Opfer.<ref name="brettl77">{{Literatur |Autor=Herbert Brettl, Michael Hess |Titel=NS-Euthanasie im Burgenland|Ort=Eisenstadt |Datum=2015 |Seiten=77 |ISBN=3854051794}}</ref>
In der Sonderausstellung ''NS - Euthanasie im Burgenland'' 2010 des [[w:Landesmuseum Burgenland|Landesmuseums Burgenland]], die später auch im [[w:Österreichische Jüdische Museum|Österreichischen Jüdischen Museum]] in [[Eisenstadt]] zu sehen war, wurde Hermine Bogner speziell erwähnt. So wurde eine Abschrift ihres Briefes an Marianne Türk sowie Kopien von Zeichnungen, die von ihr stammen, ausgestellt.  


Antons sterbliche Überreste wurden seinen Eltern übergeben, die ihn auf dem [[w:Wiener Zentralfriedhof|Wiener Zentralfriedhof]] beerdigten. Sein Gehirn verblieb, wie das der meisten anderen Opfer, an der Kinderklinik.<ref name="brettl77" /> Es ist daher nicht auszuschließen, dass dieses von dem von der österreichischen Nachkriegsjustiz weitgehend unbehelligten ehemaligen Spiegelgrund-Arztes [[w:Heinrich Gross|Heinrich Gross]] für seine [[w:Heinrich_Gross#Karriere im Nachkriegsösterreich|Forschungen]] verwendet wurde. Nachdem das [[w:Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes|Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes]] die Spiegelgrund-Opfer erfasst hatte, erfolgte 2002 schließlich die Beisetzung der Gehirnpräparate und anderer Gewebeteile in 597 Urnen, auf Wunsch der Opferangehörigen unter Ausschluss der Öffentlichkeit, auf dem Wiener Zentralfriedhof.<ref>[https://www.wien.gv.at/presse/2002/04/17/pittermann-zur-bestattung-der-opfergehirne-vom-spiegelgrund Pittermann zur Bestattung der Opfergehirne vom Spiegelgrund], Webseite www.wien.gv.at, abgerufen am 4. Jänner 2018</ref>
Auf dem Areal des ehemaligen Spiegelgrundes erinnert an die Opfer der Kinder-Euthanasie eine Lichtinstallation vor dem Jugendstiltheater. Die in einem Ehrengrab der Stadt Wien bestatteten Gehirnpräperate der Opfer sind zusätzlich mit Gedenktafeln versehen, auf dem auch Hermine Bogner namentlich erwähnt ist.


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Otto Wagner. Am Steinhof 0088.JPG|Gedenkeinrichtung vor dem Jugendstiltheater auf dem ehemaligen Spiegelgrund-Gelände
Mahnmal für die Kinder vom Spiegelgrund.jpg|Lichtinstallation, welche an die Opfer der Kinder-Euthanasie erinnert
Wien - Steinhof - Eingang Pavillon 15.jpg|Eingangsbereich des Pavillons 15, der ehemaligen "Säuglingsstation"  
Wien - Steinhof - Eingang Pavillon 15.jpg|Eingangsbereich des Pavillons 15, der ehemaligen "Säuglingsstation"  
Wien-Zentralfriedhof - Grabstelle der Kindereuthanasie-Opfer vom Spiegelgrund.jpg|Grabstelle der Gehirnpräparate der Spiegelgrund-Opfer auf dem Wiener Zentralfriedhof
Wien-Zentralfriedhof - Grabstelle der Kindereuthanasie-Opfer vom Spiegelgrund.jpg|Grabstelle der Gehirnpräparate der Spiegelgrund-Opfer auf dem Wiener Zentralfriedhof
Wiener Zentralfriedhof - Kindereuthanasie-Opfer vom Spiegelgrund - Namen Ackel bis Dotter.jpg|Gedenktafel mit dem Eintrag ''Anton Braun'' ebenda
Wiener Zentralfriedhof - Kindereuthanasie-Opfer vom Spiegelgrund - Namen Ackel bis Dotter.jpg|Gedenktafel mit dem Eintrag ''Hermine Bogner'' ebenda
Доктор Генрих Гросс психиатр и врач 130392.jpg|Spiegelgrund-Arzt Heinrich Gross, eines von vielen Beispielen für den beschämenden Umgang  Nachkriegsösterreichs mit NS-Verbrechern
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[[Kategorie:Gestorben in Wien]]
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Aktuelle Version vom 2. Juni 2023, 15:25 Uhr

Hermine Bogner (*8. Mai 1932 in Pinkafeld; † 27. März 1945 in Wien) ist eines von 789 namentlich bekannten Opfer der Kinder-Euthanasie in der Jugendfürsorgeanstalt Am Spiegelgrund in Wien. Sie stammte wie die beiden Euthanasie-Opfer Anton Braun und Berta Horvath aus dem südburgenländischen Pinkafeld,[1] das nach dem Anschluss Österreichs während der Zeit des Zweiten Weltkriegs zur Steiermark gehörte.

Leben

Die im Mai 1932 geborene Hermine Bogner entwickelte sich bis 1942 entsprechend ihres Alters, wie Angaben ihrer Schwester anlässlich der Einlieferung in die Wiener Universitäts-Kinderklinik, die unter der Leitung des bekennenden Nationalsozialisten Franz Hamburger stand, besagen:

„Sie hat bis 1942 die Schule mit gutem Erfolg besucht, sei nie sitzen geblieben, sondern sogar Vorzugschülerin gewesen. Ein Nachlassen der geistigen Fähigkeiten sei nicht aufgefallen, doch hat Patientin auch in anfallfreien Zeiten gestottert, jedoch nicht immer, früher niemals.“

– Herbert Brettl und Michael Hess: NS-Euthanasie im Burgenland, Seite 40, Eisenstadt 2015, ISBN=3854051794

Ab 1940 erkrankte Hermine Bogner an krampfartigen Anfällen, ihr Weg führte sie über das Krankenhaus Wiener Neustadt und die Universitätsklinik Wien in den Spiegelgrund.[2] Trotz vieler Untersuchungen konnten sich die Ärzte zunächst auf keine eindeutige Diagnose einigen, bis schließlich ihre Krankheitssymptome einer Epilepsie zugeschrieben wurden. Sie durfte die anstaltseigene Schule besuchen, die im Pavillon 17 untergebracht war, wohin sie zwischenzeitlich auch verlegt worden war. Hermine galt als sehr liebenswert und herzlich. Selbst ihre Ärztin Marianne Türk, die üblicherweise ihre Protokolleinträge immer sehr sachlich und distanziert formulierte, beurteilte die junge Pinkafelderin durchaus menschlich:

„Ist immer außer Bett, im Tagraum oder Garten. Hat guten Kontakt mit Kindern und Pflegepersonen. Spricht gut, versteht alles. Macht intellektuell keinen gröber gestörten Eindruck. Hermine ist selbständig in ihrer Körperpflege, hält ihre Kleidung nett und rein. Tag und Nacht sauber. Sie hilft der Schwester bei kleineren Handgriffen, ist dabei geschickt und flink...Oft ist sie traurig und weint, wenn sie davon spricht, dass sie nach Hause möchte (die Mutter erklärte, dass sie sie nicht übernehmen könnte)...sie will gerne verwöhnt und verhätschelt werden. Sie ist anhänglich, liebebedürftig, freudefähig. Nie grob zu anderen Kindern.“

– Herbert Brettl und Michael Hess: NS-Euthanasie im Burgenland, Seite 40 und 41, Eisenstadt 2015, ISBN=3854051794

Die Weihnachtstage 1944 durfte Hermine Bogner im Kreise ihrer Familie verbringen. Aus dieser Zeit stammte auch ein mit vielen Rechtschreib- und Grammatikfehlern versehener Brief an ihre Ärztin Marianne Türk, den sie mit "Vielle Bussi und Küsse von ihrer Tochter Hermi" unterschrieb.[3] Es lässt sich daraus schließen, dass Hermine einen sehr innigen Kontakt zu ihrer Ärztin entwickelte.

Tod

Das Pinkafelder Mädchen starb am 27. März 1945 um 3:30 Uhr nachdem es einige Stunden zuvor im Zuge eines schweren Anfalls das Bewusstsein verloren hatte. Als Todesursache wurde Status epilepticus mit nachfolgender Pneunomia angegeben.[3]

Es könnte auch sein, dass Hermine Bogner nach ihrem Tod das Gehirn entfernt wurde und dieses in der Kinderklinik verblieb, wie die der meisten anderen Opfer auch.[4] In weiterer Folge wäre es daher auch möglich, dass dieses in der Nachkriegszeit vom ehemaligen Spiegelgrund-Arzt Heinrich Gross für Forschungen verwendet wurde. Heinrich Gross gilt als Symbolfigur für den schlampigen, teilweise beschämenden, Umgang Österreichs mit seiner jüngeren Vergangenheit.[5][6]

Erst nachdem um die Jahrtausendwende das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes die Spiegelgrund-Opfer erfasst hatte, erfolgte 2002 schließlich die Beisetzung der Gehirnpräparate und anderer Gewebeteile in 597 Urnen, auf Wunsch der Opferangehörigen unter Ausschluss der Öffentlichkeit, in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof.[7]

Die Diagnose Lungenentzündung deutete meist auf einen absichtlich herbeigeführten Tod hin, die oft als Folge der Verabreichung einer Überdosis Schlafmittel auftrat. Hermine Bogners Ärztin Marianne Türk sagte 1946 im Zuge des Spiegelgrund-Prozesses vor dem Volksgericht Wien aus:

„Ich will noch bemerken, daß […] sich in keiner Krankengeschichte etwas von Euthanasie befindet, nirgends ein Hinweis in dieser Richtung aufscheint, da wir aus leicht begreiflichen Gründen dies gar nicht tun durften. Insofern erscheint dort, wo tatsächlich Euthanasie vorgekommen ist, die Krankengeschichte als verfälscht auf. In sehr vielen Fällen war die unmittelbare Todesursache eine Lungenentzündung, die im Zuge der Schlafmittelvergiftung aufgetreten ist. In den Krankengeschichten scheint natürlich nur die Lungenentzündung auf. Aus der Korrespondenz mit dem Reichsausschuß in Berlin ergab sich in jedem einzelnen Falle die Euthanasie, diese Korrespondenz ist aber über Auftrag von Berlin beim Einmarsch der Russen vernichtet worden.“

Vernehmung der Beschuldigten Türk am 12. März 1946 (DÖW E 18282).

Dieser Einmarsch der Russen erfolgte nur zwei Tage nach dem Ableben von Hermine Bogner, als am 29. März um die Mittagszeit bei Klostermarienberg (Bezirk Oberpullendorf) der erste Soldat der Roten Armee die Reichsgrenze im Zuge Wiener Operation überschritt,[8] bis zum 11. April waren schließlich alle Wiener Stadtbezirke südlich des Donaukanals von den Sowjettruppen besetzt.[9]

Marianne Türk hatte bei dem oben erwähnten Volksgerichtsprozess auch zugegeben, im "Auftrag von Berlin" auf Euthanasie verweisende Dokumente aus den Krankenakten entfernt und vernichtet zu haben. Im Zuge des Prozesses wurde sie zu zehn Jahren Haft verurteilt. Zwei Jahre später erfolgte bereits ihre vorzeitige Haftentlassung aufgrund gesundheitlicher Probleme. 1957 wurde ihr sogar der im Prozess aberkannte Doktortitel wieder zuerkannt. Nach eigenen Worten "wagte sie es aber nicht mehr" in ihren alten Beruf zurückzukehren. Sie starb im hohen Alter von 89 Jahren 2003 in Wien. Heinrich Gross verstarb 2005 im Alter von 90 Jahren in Hollabrunn.

Gedenken

Ein Gedenken an Hermine Bogner und an die beiden anderen Pinkafelder Euthanasie-Opfer in Form einer Gedenktafel oder in Form von Stolpersteinen in ihrer Heimatgemeinde gibt es bis dato nicht, wobei gesagt werden muss, dass das Burgenland neben Tirol das einzige Bundesland Österreichs ist, in dem noch keine Stolpersteine verlegt worden sind, welche an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern.

In der Sonderausstellung NS - Euthanasie im Burgenland 2010 des Landesmuseums Burgenland, die später auch im Österreichischen Jüdischen Museum in Eisenstadt zu sehen war, wurde Hermine Bogner speziell erwähnt. So wurde eine Abschrift ihres Briefes an Marianne Türk sowie Kopien von Zeichnungen, die von ihr stammen, ausgestellt.

Auf dem Areal des ehemaligen Spiegelgrundes erinnert an die Opfer der Kinder-Euthanasie eine Lichtinstallation vor dem Jugendstiltheater. Die in einem Ehrengrab der Stadt Wien bestatteten Gehirnpräperate der Opfer sind zusätzlich mit Gedenktafeln versehen, auf dem auch Hermine Bogner namentlich erwähnt ist.

Literatur

  • Herbert Brettl und Michael Hess: NS-Euthanasie im Burgenland, Wissenschaftliche Arbeiten aus dem Burgenland (WAB) - Band 136, Verleger: Amt der Burgenländischen Landesregierung, Abteilung 7 - Landesmuseum, Eisenstadt 2015, ISBN 3-85405-179-4

Weblinks

Einzelnachweise

  1.  Herbert Brettl, Michael Hess: NS-Euthanasie im Burgenland. Eisenstadt 2015, ISBN 3854051794, S. 83.
  2.  Herbert Brettl, Michael Hess: NS-Euthanasie im Burgenland. Eisenstadt 2015, ISBN 3854051794, S. 40.
  3. 3,0 3,1  Herbert Brettl, Michael Hess: NS-Euthanasie im Burgenland. Eisenstadt 2015, ISBN 3854051794, S. 41.
  4.  Herbert Brettl, Michael Hess: NS-Euthanasie im Burgenland. Eisenstadt 2015, ISBN 3854051794, S. 34ff.
  5. SPÖ hielt schützend ihre Hand über Heinrich Gross, Webseite derstandard.at, abgerufen am 5. Jänner 2018
  6. [https://kurier.at/politik/beichte-des-ns-arztes/769.201 Beichte des NS-Arztes Interview KURIER 8. 2. 1979: Dr. Gross über Vergangenes], Webseite kurier.at, abgerufen am 5. Jänner 2018
  7. Pittermann zur Bestattung der Opfergehirne vom Spiegelgrund, Webseite www.wien.gv.at, abgerufen am 4. Jänner 2018
  8. Manfried Rauchensteiner: Der Krieg in Österreich 1945, Seite 126, Österr. Bundesverlag, Wien 1984, ISBN 3-215-01672-9.
  9. Manfried Rauchensteiner: Der Krieg in Österreich 1945, Seite 179, Österr. Bundesverlag, Wien 1984, ISBN 3-215-01672-9.