Radioquote in Österreich: Unterschied zwischen den Versionen

Aus ÖsterreichWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Keine Bearbeitungszusammenfassung
K (Karl Gruber verschob die Seite Radioquote nach Radioquote in Österreich)

Version vom 23. März 2015, 15:21 Uhr

Radioquote (Musikquote, Programmquote für Musik im Hörfunk) bezeichnet das Verhältnis fremdsprachiger zu österreichischen Liedern, die im nationalen Radio während der "guten" Sendezeiten gespielt werden.

Die Radioquote kann

  • freiwillig von den nationalen Sendestationen eingeführt bzw. eingehalten werden (freiwillige Selbstverpflichtung bzw. Selbstregulierung),
  • staatlich vorgegeben (staatliche Regulierung) oder
  • eine Kreuzung aus den beiden "Reinformen" (Ko-Regulierung) sein,

um einen bestimmten Prozentanteil einheimischer Interpreten in das Programm aufnehmen zu können, so dass insbesondere kulturelle und ökonomische Funktionsziele nachhaltig erreicht werden.

Kulturelle Funktionsziele

Der österreichische Nationalrat hat in dessen Sitzung vom 5. Juli 2001 eine umfassende Novelle des Rundfunkgesetzes beschlossen, den ORF in eine Stiftung "suiGeneris" mit eigener Rechtspersönlichkeit umgewandelt und den Programmauftrag erteilt, die Allgemeinheit umfassend mit Informationen über alle wichtigen politischen, sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und sportlichen Fragen zu versorgen. Der ORF hat für die Förderung des Verständnisses des demokratischen Zusammenlebens, der Kunst, Kultur, Wissenschaft und der österreichischen Identität zu sorgen. Er ist verantwortlich für die Darbietung von Unterhaltung unter angemessener Berücksichtigung aller Altersgruppen und behinderten Menschen.

Der gebührenfinanzierte und damit von Marktzwängen wirtschaftlich unabhängige öffentlich-rechtliche Rundfunk hat also einen Kultur- und Bildungsauftrag zu erfüllen, indem er Musik nicht nur als Mittel zum Zweck, Hörer anzuziehen und zu binden, nutzt, sondern insbesondere als eigenständiges Kultur- und Informationsgut pflegt. Das heißt, der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist gesetzlich verpflichtet, Musik aus Österreich zu fördern.

Ökonomische Funktionsziele

Der öffentlich-rechtliche ORF ist nicht auf Gewinn ausgerichtet, sondern arbeitet nach dem wirtschaftlichen Grundsatz der Kostendeckung. Er finanziert sich dabei aus Werbeerlösen und Programmentgelten. Die Programmentgelte stehen den österreichischen privaten Sendern nicht zu. Gerechtfertigt wird diese duale Finanzierung des ORF mit der Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags, welcher eben in einem so kleinen Markt wie Österreich nur derart aufrecht zu erhalten ist. Die GIS Gebühren Info Service GmbH hat im Jahr 2013 EUR 834,8 Mio an Rundfunkgebühren inkl. Programmentgelten eingehoben. Davon wurden EUR 633,4 Mio inkl. 10% UST Programmentgelte an den ORF weitergeleitet[1]. Der ORF ist das größte Medienunternehmen Österreichs. Der Konzern mit Töchtern erzielte 2012 einen Jahresumsatz von 967 Mio. Euro (2011: 952 Mio. Euro), wobei ein Gewinn (Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit (EGT)) von 12,6 Mio. Euro (2011: 11,4 Mio. Euro) erwirtschaftet wurde. Das zweitgrößte Medienunternehmen in Österreich, Mediaprint, machte 2012 einen Umsatz von 452,8 Mio. Euro und ein EGT von 4,6 Mio. Euro.[2]

Paul Mason konnte in dessen wissenschaftlicher Studie aus dem Jahre 2003 feststellen, dass kein einziger Titel ohne Radio-Ausstrahlungen Einzug in die Charts gefunden hat. Andererseits würde niemand bereit sein, Gelder zu zahlen, wären die Radios als Marketinginstrument zur Verkaufsförderung von Tonträgern nicht verkaufsrelevant. Diesen Umkehrschluss müssen die zahlreichen Payola-Skandale der letzten Jahrzehnte ziehen lassen, welche mehr oder weniger verdecktes Schmiergeld der Plattenindustrie an Radio-DJs zum Inhalt haben, um die eigenen Songs im Programm platzieren zu können.

Selbstregulierung

Die im Dezember 2009 von den öffentlich-rechtlichen ORF-Radiosendern propagierte Selbstregulierung sah vor, dass

  • die drei nationalen (Österreich 1 (Ö1), Ö3 und FM4) und
  • die neun regionalen (Ö2 Landesstudios)

Radiosender bis 2011 einen 30-prozentigen Anteil an österreichischer Musik im Programm unterbringen.

Die ORF-Radiosender spielten im Jahre 2011 durchschnittlich 16,12% AKM-Kompositionen[3], wobei die registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung AKM die Interessen der Musikautoren, Komponisten und Musikverleger in Österreich wahrnimmt. Dabei spielen beispielsweise die beiden österreichischen öffentlich-rechtlichen ORF-Sender

  • Hitradio Ö3 und
  • Radio Wien Ö2 (Landesstudio)

anteilsmäßig AKM-Kompositionen wie folgt, wobei die jährlich veröffentlichen Prozentsätze von einer eigens für die ORF-Sendezeitstatistik programmierten Abfrage auf Basis der jeweiligen Sendeminuten exakt errechnet werden:

 Jahr    Hitradio Ö3    Radio Wien Ö2
 2012      6,14%             6,15%
 2011      7,51%             6,73%
 2010      8,01%             6,61%
 2009      5,96%             6,59%
 2008      6,00%             3,19%

Wird angenommen, ein Lied dauert durchschnittlich 3 Minuten, dann können während 4 Stunden Programm-Musik insgesamt 80 Lieder gespielt werden. Davon können dann höchstens 5 Lieder aus Österreich kommen. Und diese wenigen Lieder werden dann noch vielfach auch zu ungünstigen Zeiten ab 24 Uhr gespielt.

Staatliche Regulierung am Beispiel Kanadas und Frankreichs

Einerseits stellen Kanada und Frankreich einen sehr wichtigen Markt für die Tonträgerindustrie dar. Andererseits können diese beiden Länder eine etablierte sowie bewährte Radioquote vorzeigen. Bei den diesbezüglichen WTO-Verhandlungen stützen sich Kanada und Frankreich auf die Hauptargumente der Notwendigkeit einer ausgeprägten Kulturpolitik zum Schutz der Vielfalt, des Gemeinwohls, aber auch mit dem Zweck der Wettbewerbsfähigkeit.

Kanada führte im Jahre 1971 eine Radioquote als Reaktion auf US-amerikanische Produktionen, die auf dem kanadischen Markt eine übergroße Verbreitung erreichten, ein, primär zum Schutz der Zweisprachigkeit des Landes, die dort verfassungsrechtlich verankert ist und das kulturelle Selbstverständnis signifikant prägt. Der öffentlich-rechtliche Sender wurde verpflichtet, 50 Prozent einheimische Popmusik und 20 Prozent traditionelle Musik und Spezialsendungen auszustrahlen. Kommerzielle Sender müssen mindestens 35 Prozent der musikalischen Sendezeit von sechs Uhr früh bis sechs Uhr abends von Montag bis Freitag mit einheimischen Produktionen bewerkstelligen. Ethnische Radiostationen müssen während der Laufzeit ethnischer Programme mindestens 7 Prozent kanadische Musik senden. Französischsprachige Sender müssen mindestens 65 Prozent ihrer Musiksendezeit mit französischsprachigen Werken gestalten.

In Frankreich wurden Radioquoten gesetzlich festgeschrieben, da die Produktion von französischer Musik in den Jahren vor der Einführung exorbitant sank. Der öffentlich-rechtliche Rundfunkanbieter Radio France verpflichtet sich seit Juli 1995 auf ein Minimum von 60% französischsprachiger Musik. Die Regelung, die am 1. Januar 1996 in Kraft trat, schreibt den französischen Sendern vor, dass 40% der Musik frankophon zu sein und die Hälfte davon aus neuen Produktionen bzw. neuen Talenten zu bestehen hat, wobei sich die Quoten auf die Ausstrahlung zwischen 6 Uhr 30 und 22 Uhr 30 beziehen. Jean-Noël Tronc, Generaldirektor der SACEM, der französischen Gesellschaft zur Verwaltung der Rechte der angehörenden Künstler im Bereich der Musik, meinte in einem Interview bei ARTE Journal am 13. Juni 2013: "Die Radioquote hat die französische Musik gerettet, was sich vor allem wirtschaftlich deutlich bemerkbar macht!“

Liberalisierung des österreichischen Rundfunkmarkts

Nach den Jahrzehnten des ORF-Monopols ab 1924 bzw. ab 1954 nahmen in Österreich Ende 1995 erste private Hörfunkveranstalter ihren Sendebetrieb auf. Österreich liberalisierte als letztes Land in Europa den Rundfunkmarkt. Antenne Steiermark ging am 22. September 1995 als erster Privater auf Sendung[4].

Der öffentlich-rechtliche österreichische Radiosender Ö3 wurde im Jahre 1996 in ein sogenanntes Formatradio umgewandelt, um die hohen Marktanteile wegen der diesbezüglichen Werbeerlöse auch künftig halten zu können. Die entsprechende Mainstream-Massen-Playlist mit Fokussierung auf die internationalen, mehrheitlich englischsprachigen Major-Labels gibt bis heute eine diesbezügliche Berater- und Consultingfirma aus dem Ausland mit Sitz in Nürnberg vor. Immerhin machten die Märkte der USA und Großbritanniens im Jahre 2004 zusammen 47% des internationalen Musikmarktes aus[5].

Einzelnachweise

  1. GIS Gebühren Info Service GmbH, 6. November 2014
  2. Der Standard-Übersicht: Österreichs größte Medienunternehmen 2011 und 2012
  3. AKM-Informationen
  4. Kleine Zeitung Sonntag, 12. Oktober 2014, Seite 4
  5. IFPI: "Global music retail sales, including digital, flat in 2004", http://www.ifpi.org, abgefragt am 15. Juli 2005