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Eine '''Sterbeverfügung''' ist | Eine '''Sterbeverfügung''' (StVf) ist eine [[w:Willenserklärung|Willenserklärung]], worin von einem Menschen höchstpersönlich festgelegt, wie er [[w:Tod|sterben]] will. Erfolgt die ''Sterbeverfügung'' nach den Vorgaben des [[Sterbeverfügungsgesetz|Sterbeverfügungsgesetzes]]<ref>{{BGBl|I Nr. 242/2021}}</ref>, ist eine geleistete [[w:Sterbehilfe|Sterbehilfe]] [[w:Legalität|legal]], ansonsten [[w:Legalität#Illegalität|illegal]]. | ||
== Geschichtlicher Hintergrund == | == Geschichtlicher Hintergrund == | ||
Der österreichische [[w:Verfassungsgerichtshof (Österreich)| Verfassungsgerichtshof]] hat am 11. Dezember 2020 die Entscheidung gefällt, dass „Mitwirkung am Selbstmord“ in Form der Hilfeleistung zur Selbsttötung (§ 78 Strafgesetzbuch) verfassungswidrig und mit Ende 2021 aufzuheben ist. <ref>[https://www.vfgh.gv.at/medien/Toetung_auf_Verlangen_Mithilfe_am_Suizid.php Es ist verfassungswidrig, jede Art der Hilfe zur Selbsttötung ausnahmslos zu verbieten], Webseite: vfgh.gv.at vom 11. Dezember 2020.</ref><ref>[https://www.vfgh.gv.at/downloads/VfGH-Erkenntnis_G_139_2019_vom_11.12.2020.pdf G 139/2019], Webseite: vfgh.gv.at vom 11. Dezember 2020.</ref> Um keinen rechtsfreien Raum entstehen zu lassen, wurde zum 1. Jänner 2022 das Sterbeverfügungsgesetz in Kraft gesetzt, wodurch nun ein gesicherter Rahmen für die Leistung und Inanspruchnahme von Assistenz beim Suizid vorhanden ist.<ref>[https://www.aektirol.at/mitgliederservice/arzt-und-recht/sterbeverfuegung Sterbeverfügung], Webseite: aektirol.at, abgerufen am 11. Juli 2024.</ref> | Der österreichische [[w:Verfassungsgerichtshof (Österreich)| Verfassungsgerichtshof]] hat am 11. Dezember 2020 die Entscheidung gefällt, dass „Mitwirkung am Selbstmord“ in Form der Hilfeleistung zur Selbsttötung (§ 78 Strafgesetzbuch) verfassungswidrig und mit Ende 2021 aufzuheben ist.<ref>[https://www.vfgh.gv.at/medien/Toetung_auf_Verlangen_Mithilfe_am_Suizid.php Es ist verfassungswidrig, jede Art der Hilfe zur Selbsttötung ausnahmslos zu verbieten], Webseite: vfgh.gv.at vom 11. Dezember 2020.</ref><ref>[https://www.vfgh.gv.at/downloads/VfGH-Erkenntnis_G_139_2019_vom_11.12.2020.pdf G 139/2019], Webseite: vfgh.gv.at vom 11. Dezember 2020.</ref> Um keinen rechtsfreien Raum entstehen zu lassen, wurde zum 1. Jänner 2022 das Sterbeverfügungsgesetz in Kraft gesetzt, wodurch nun ein gesicherter Rahmen für die Leistung und Inanspruchnahme von Assistenz beim Suizid vorhanden ist.<ref>[https://www.aektirol.at/mitgliederservice/arzt-und-recht/sterbeverfuegung Sterbeverfügung], Webseite: aektirol.at, abgerufen am 11. Juli 2024.</ref> | ||
Zum Dezember 2022 sollen in Österreich 111 Sterbeverfügungen errichtet worden sein. 90 Präparate wurden ausgegeben und weniger als 10 sollen zur Selbsttötung verwendet worden sein.<ref>[https://orf.at/stories/3299488/ Sterbehilfe: Bisher 111 Sterbeverfügungen errichtet], Webseite: orf.at vom 30. Dezember 2022.</ref> | Zum Dezember 2022 sollen in Österreich 111 Sterbeverfügungen errichtet worden sein. 90 Präparate wurden ausgegeben und weniger als 10 sollen zur Selbsttötung verwendet worden sein.<ref>[https://orf.at/stories/3299488/ Sterbehilfe: Bisher 111 Sterbeverfügungen errichtet], Webseite: orf.at vom 30. Dezember 2022.</ref> | ||
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2023 sollen sich laut der Österreichischen Palliativgesellschaft (OPG) 21 Menschen in Österreich durch assistierten Suizid das Leben genommen haben (2/3 Frauen, 1/3 Männer).<ref>Gerald John: [https://www.derstandard.at/story/2000142688462/ein-jahr-sterbeverfuegung-was-menschen-zum-assistierten-suizid-veranlasste Ein Jahr Sterbeverfügung: Was Menschen zum assistierten Suizid veranlasste], Webseite: derstandard.at vom 25. Jänner 2023.</ref> | 2023 sollen sich laut der Österreichischen Palliativgesellschaft (OPG) 21 Menschen in Österreich durch assistierten Suizid das Leben genommen haben (2/3 Frauen, 1/3 Männer).<ref>Gerald John: [https://www.derstandard.at/story/2000142688462/ein-jahr-sterbeverfuegung-was-menschen-zum-assistierten-suizid-veranlasste Ein Jahr Sterbeverfügung: Was Menschen zum assistierten Suizid veranlasste], Webseite: derstandard.at vom 25. Jänner 2023.</ref> | ||
== | == Zweck == | ||
Mit einer ''Sterbeverfügung'' hat eine sterbewillige Person die Möglichkeit ein dafür vorgesehenes Präparat ([[w:Natrium-Pentobarbital|Natrium-Pentobarbital]]<ref>Siehe § 3 Zif. 9 und § 11 Abs. 6 StVfG.</ref><ref>Dosierung: 15 g oral gemeinsam mit dem [[w:Antiemetikum|Antiemetikum]] [[w:Metoclopramid|Metoclopramid]] (um eventuellen Brechreiz zu unterdrücken). Siehe Sterbeverfügungs-Präparate-Verordnung {{BGBl|II Nr. 16/2022}}</ref>) zum Zweck der Selbsttötung von einer öffentlichen Apotheke zu beziehen. | |||
Rechtlich verbindliche und legale Sterbeverfügungen können in Österreich ausschließlich nach diesem Bundesgesetz errichtet werden (§ 1 StVfG). Verboten ist weiterhin die aktive physische Hilfe bei einem [[w:Suizid|Suizid]] (§ 75, 77, 78 [[w:Strafgesetzbuch (Österreich)|StGB]]). | |||
== Voraussetzungen == | |||
Um eine Sterbeverfügung wirksam errichten zu können, muss die die sterbewillige Person | |||
* ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich haben oder österreichische Staatsangehörige sein (§ 1 Abs. 2 StVfG), wobei die Voraussetzungen, die Wirkungen und die Beendigung einer Sterbeverfügung ausschließlich nach österreichischem Recht beurteilt werden (§ 1 Abs. 3 StVfG); | |||
* die Sterbeverfügung höchstpersönlich errichten, eine [[w:Vollmacht|Bevollmächtigung]] oder sonstige Vertretung ist unzulässig (§ 4 StVfG); | |||
* sowohl im Zeitpunkt der Aufklärung (§ 7 StVfG) als auch im Zeitpunkt der Errichtung der Sterbeverfügung (§ 8 StVfG) [[w:Volljährigkeit|volljährig]] und [[w:Entscheidungsfähigkeit|entscheidungsfähig]] sein (§ 6 Abs. 1 StVfG); | |||
* mindestens zwölf (in Ausnahmefällen zwei - § 3 Z 8 StVfG<ref>Diese „terminale Phase“ nach § 3 Zif. 8 StVfG liegt vor, wenn ''die Krankheit ein Stadium erreicht hat, in dem sie nach medizinischem Ermessen voraussichtlich innerhalb von sechs Monaten zum Tod führen wird'', so ist eine Errichtung bereits nach zwei Wochen zulässig.</ref>) Wochen nach der Aufklärung zuwarten, um die Sterbeverfügung errichten zu könne (§ 8 Abs. 1 StVfG); | |||
* den Entschluss, ihr Leben zu beenden, frei und selbstbestimmt, insbesondere frei von [[w:Irrtum|Irrtum]], List, [[w:Täuschung|Täuschung]], physischem oder psychischem [[w:Zwang|Zwang]] und Beeinflussung durch [[w:Dritter|Dritte]] fassen (§ 6 Abs. 2 StVfG); | |||
* an einer unheilbaren, zum Tod führenden Krankheit (§ 120 Z 1 ASVG) oder an einer schweren, dauerhaften Krankheit (§ 120 Z 1 ASVG) mit anhaltenden Symptomen leiden, deren Folgen die betroffene Person in ihrer gesamten Lebensführung dauerhaft beeinträchtigen, wobei die Krankheit einen für die betroffene Person nicht anders abwendbaren Leidenszustand mit sich bringt (§ 6 Abs. 3 StVfG); | |||
* die Sterbeverfügung vor einem [[w:Notar|Notar]] oder einem rechtskundiger Mitarbeiter der Patientenvertretungen (§ 11e des Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetzes) errichten (§ 3 Zif. 6 StVfG). Diese Person ist auch für die Aufbewahrung der Sterbeverfügung die verantwortliche Person (§ 3 Zif. 7 StVfG). | |||
== Mitwirkung == | |||
Niemand ist in Österreich verpflichtet, an einer Sterbeverfügung mitzuwirken oder hierzu sonst Hilfe zu leisten.<ref>Nach § 3 Zif. 3 StVg ist eine „Hilfe leistende Person“, ''eine volljährige und entscheidungsfähige Person, die bereit ist, die sterbewillige Person bei der Durchführung der lebensbeendenden Maßnahme zu unterstützen''.</ref> Dies betrifft z. B. auch den [[w:Apotheker|Apotheker]], der nicht verpflichtet ist das Präparat zur Sterbehilfe abzugeben (§ 3 Z 9 StVG) oder den Arzt, der nicht verpflichtet ist, eine ärztliche Aufklärung (§ 7 StVG) durchzuführen (siehe § 2 StVG). | |||
Niemand darf jedoch deswegen, weil er an einer Sterbeverfügung mitgewirkt hat, auf irgendeine Art benachteiligt werden (siehe § 2 und § 3 Zif. 4 StVfG). | |||
== Errichtung einer Sterbeverfügung | == Hilfeleistung == | ||
''Hilfeleistung'' ([[w:Sterbehilfe|Sterbehilfe]]) für eine sterbewillige Person beim Beenden des Lebens ist nicht dadurch gegeben, dass z. B. ein Arzt ärztliche Aufklärung vornimmt oder wenn z. B. ein Notar an der Errichtung einer Sterbeverfügung mitwirkt (§ 3 Zif. 4 StVfG). Dies ist nur eine indirekte Mitwirkung - keine Hilfeleistung bei der Selbsttötung. Dies musste speziell gesetzlich festgelegt werden, weil in § 78 StGB und nach der Rechtsprechung in Österreich jede auch nur geringfügigste Mitwirkung oder Hilfe bei der Selbsttötung bestraft wurde und wird. | |||
Eine | |||
Eine einer sterbewilligen Person helfende Person muss [[w:Volljährigkeit|volljährig]] und [[w:Entscheidungsfähigkeit|entscheidungsfähig]] sein (§ 3 Zif. 3 StVfG) und darf nicht der aufklärende Arzt und/oder der dokumentierende Notar oder Mitarbeiter der Patientenvertretung sein (§ 6 Abs. 4 StVfG). | |||
Es war nach § 12 Abs 1 StVfG '' ursprünglich verboten, mit der Hilfeleistung zu werben. Das Werbeverbot umfasste Werbung, die eigene oder fremde Hilfeleistung oder Mittel, Gegenstände oder Verfahren, die zur Selbsttötung geeignet sind, unter Hinweis auf diese Eignung anbietet, ankündigt oder anpreist''. Zulässig war jedoch, eine sterbewillige Person auf die Möglichkeit der Errichtung und Dokumentation einer Sterbeverfügung hinzuweisen, auf die Möglichkeit der Aufklärung sowie Abgabe des Präparates (§ 12 Abs. 2 StVfG). Mit Erkenntnis vom 12. Dezember 2024<ref>G229/2023 ua (G229-230/2023-57).</ref> hat der Verfassungsgerichtshof jedoch entschieden, dass es nicht notwendig ist, ''jeglichen sachlichen Hinweis auf die Inanspruchnahme einer Hilfeleistung iSd §3 Z4 StVfG zu verbieten und in §13 StVfG verwaltungsstrafrechtlich zu sanktionieren. Für Personen, welche auf die Inanspruchnahme der im Sterbeverfügungsgesetz vorgesehenen Hilfe von Dritten angewiesen sein können, sind vielmehr derartige sachliche Hinweise vielfach notwendig, um letztlich die Hilfe tatsächlich in Anspruch nehmen zu können''. | |||
Es ist jedenfalls verboten, ''sterbewilligen Personen eine Hilfeleistung anzubieten oder diese durchzuführen, wenn man sich oder einem Dritten dafür wirtschaftliche Vorteile versprechen lässt oder annimmt, die über den Ersatz des nachgewiesenen Aufwands hinausgehen'' (§ 12 Abs. 3 StVfG). | |||
== Inhalt der Sterbeverfügung == | |||
In einer Sterbeverfügung muss die sterbewilligen Person ausdrücklich und unzweifelhaft festhalten, dass sie ihr Leben beenden will. Es ist ausdrücklich festzuhalten, dass dieser Entschluss frei und selbstbestimmt nach ausführlicher Aufklärung gefasst wurde (§ 5 Abs. 1 StVfG). | |||
Es können darin auch eine oder mehrere Hilfe leistende Personen angegeben werden (§ 5 Abs. 2 StVfG), die jedoch zu dieser Hilfeleistung nicht verpflichtet sind und die auch nicht darauf geklagt werden können, Hilfe zu leisten, selbst, wenn sie es zuvor verbindlich versprochen haben (siehe § 2 und § 3 Zif. 4 StVfG). | |||
==== | == Aufklärung == | ||
=== Medizinische Aufklärung === | |||
Vor der Errichtung einer Sterbeverfügung muss eine umfassende Aufklärung durch zwei ärztliche Personen erfolgen, von denen eine eine [[w:Palliativmedizin|palliativmedizinische]] Qualifikation aufzuweisen hat (§ 7 Abs. 1 StVfG). Beide Personen müssen unabhängig voneinander bestätigen, dass die sterbewillige Person entscheidungsfähig ist und einen im Sinne des § 6 Abs. 2 StVfG einen freien und selbstbestimmten Entschluss geäußert hat. Nach § 7 Abs. 2 StVfG muss die Aufklärung Mindestinhalte aufweisen. | |||
=== | === Rechtliche Aufklärung === | ||
Bevor die Sterbeverfügung schriftlich vor einer dokumentierenden Person (§ 3 Zif. 6 StVfG) errichtet wird, muss die Dokumentation über die ärztliche Aufklärung (§ 7 Abs. 3 StVfG) vorliegen und muss der Sterbewillige auf die rechtliche Aspekte hingewiesen werden sowie über die Möglichkeit der Errichtung einer [[w:Patientenverfügung|Patientenverfügung]] oder [[w:Vorsorgevollmacht|Vorsorgevollmacht]], die Errichtung einer [[w:Testament|letztwilligen Verfügung]], die strafrechtlichen Grenzen der Hilfeleistung und weitere Rechtsfolgen (§ 8 Abs. 2 StVfG). | |||
== Gültigkeit und Aufhebung == | |||
Eine Sterbeverfügung muss ab der zweiten ärztlichen Aufklärung innerhalb eines Jahres errichtet werden, ansonsten muss eine neuerliche Bestätigung einer ärztlichen Person nach § 7 Abs. 1 dritter Halbsatz StVfG beigebracht werden, die wieder ein Jahr gültig ist (§ 8 Abs. 1 StVfG). | |||
Gemäß Verfassungsgerichtshof ist es nicht gerechtfertigt, dass eine sterbewillige Person das gesamte im Gesetz vorgesehene, aufwendige Prozedere ein zweites Mal durchführen muss, wenn die ursprüngliche Sterbeverfügung nach zwölf Monaten ungültig wird.<ref>VfGH-Erkenntnis G229/2023 ua (G229-230/2023-57).</ref> Daher wurde eine dem widersprechende Passage im StVfG zum 1. Juni 2026 aufgehoben. | |||
Eine Sterbeverfügung ist unwirksam, wenn diese nicht nach den Vorgaben im StVfG errichtet wurde oder, wenn diese strafrechtlich nicht zulässig ist (§ 10 Abs. 1 StVfG). | |||
Eine Sterbeverfügung wird unwirksam, wenn die sterbewillige Person diese widerruft oder zu erkennen gibt, dass diese nicht mehr wirksam sein soll (§ 10 Abs. 2 StVfG). | Eine Sterbeverfügung wird unwirksam, wenn die sterbewillige Person diese widerruft oder zu erkennen gibt, dass diese nicht mehr wirksam sein soll (§ 10 Abs. 2 StVfG). | ||
Die für die Aufbewahrung verantwortliche Person hat die Abschrift der Sterbeverfügung (§ 9 Abs. 1) in genau geregelten Fällen zu vernichten (§ 10 Abs. 3 StVfG), z. B. wenn fünf Jahre nach Ablauf der Jahresfrist kein Präparat (§ 11 StVfG) bezogen wurde, das bezogene Präparat nachweislich zurückgegeben wurde, oder das Original der Sterbeverfügung nachweislich vernichtet wurde oder dessen Wirksamkeit abgelaufen ist oder längstens zehn Jahre nach Errichtung der Sterbeverfügung. | |||
== | == Dokumentation und Sterbeverfügungsregister == | ||
Das Original der Sterbeverfügung erhält die sterbewillige Person, eine Kopie hat die dokumentierende Person aufzubewahren und zudem muss im elektronischen Sterbeverfügungsregister eine Eintragung hierzu erfolgen (§ 9 StVfG). | |||
Eine für die Aufbewahrung verantwortliche Person (§ 3 Z 7 StVfG) hat eine Abschrift der Sterbeverfügung für die in § 10 Abs. 3 und 4 StVfG ''geregelte Dauer aufzubewahren und den Sicherheitsbehörden oder den Strafverfolgungsbehörden, die wegen eines Delikts gegen Leib und Leben zum Nachteil der sterbewilligen Person ermitteln, Auskunft über die Sterbeverfügung zu geben''. | |||
Im Sterbeverfügungsregister sind die Daten nach Abs. 3 und 4 sowie § 7 Abs. 3, § 8 Abs. 4 und § 11 Abs. 1 StVfG einzutragen, ''insbesondere der Verhinderung eines unzulässigen mehrfachen Bezugs von Präparaten durch dieselbe sterbewillige Person, sowie zur Gewinnung von Erkenntnissen über die Inanspruchnahme der Sterbeverfügung für statistische und wissenschaftliche Analysen und Untersuchungen, die keine personenbezogenen Ergebnisse zum Ziel haben'' (§ 9 StVfG). | |||
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Aktuelle Version vom 8. Februar 2025, 15:51 Uhr
Eine Sterbeverfügung (StVf) ist eine Willenserklärung, worin von einem Menschen höchstpersönlich festgelegt, wie er sterben will. Erfolgt die Sterbeverfügung nach den Vorgaben des Sterbeverfügungsgesetzes[1], ist eine geleistete Sterbehilfe legal, ansonsten illegal.
Geschichtlicher Hintergrund
Der österreichische Verfassungsgerichtshof hat am 11. Dezember 2020 die Entscheidung gefällt, dass „Mitwirkung am Selbstmord“ in Form der Hilfeleistung zur Selbsttötung (§ 78 Strafgesetzbuch) verfassungswidrig und mit Ende 2021 aufzuheben ist.[2][3] Um keinen rechtsfreien Raum entstehen zu lassen, wurde zum 1. Jänner 2022 das Sterbeverfügungsgesetz in Kraft gesetzt, wodurch nun ein gesicherter Rahmen für die Leistung und Inanspruchnahme von Assistenz beim Suizid vorhanden ist.[4]
Zum Dezember 2022 sollen in Österreich 111 Sterbeverfügungen errichtet worden sein. 90 Präparate wurden ausgegeben und weniger als 10 sollen zur Selbsttötung verwendet worden sein.[5]
2023 sollen sich laut der Österreichischen Palliativgesellschaft (OPG) 21 Menschen in Österreich durch assistierten Suizid das Leben genommen haben (2/3 Frauen, 1/3 Männer).[6]
Zweck
Mit einer Sterbeverfügung hat eine sterbewillige Person die Möglichkeit ein dafür vorgesehenes Präparat (Natrium-Pentobarbital[7][8]) zum Zweck der Selbsttötung von einer öffentlichen Apotheke zu beziehen.
Rechtlich verbindliche und legale Sterbeverfügungen können in Österreich ausschließlich nach diesem Bundesgesetz errichtet werden (§ 1 StVfG). Verboten ist weiterhin die aktive physische Hilfe bei einem Suizid (§ 75, 77, 78 StGB).
Voraussetzungen
Um eine Sterbeverfügung wirksam errichten zu können, muss die die sterbewillige Person
- ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich haben oder österreichische Staatsangehörige sein (§ 1 Abs. 2 StVfG), wobei die Voraussetzungen, die Wirkungen und die Beendigung einer Sterbeverfügung ausschließlich nach österreichischem Recht beurteilt werden (§ 1 Abs. 3 StVfG);
- die Sterbeverfügung höchstpersönlich errichten, eine Bevollmächtigung oder sonstige Vertretung ist unzulässig (§ 4 StVfG);
- sowohl im Zeitpunkt der Aufklärung (§ 7 StVfG) als auch im Zeitpunkt der Errichtung der Sterbeverfügung (§ 8 StVfG) volljährig und entscheidungsfähig sein (§ 6 Abs. 1 StVfG);
- mindestens zwölf (in Ausnahmefällen zwei - § 3 Z 8 StVfG[9]) Wochen nach der Aufklärung zuwarten, um die Sterbeverfügung errichten zu könne (§ 8 Abs. 1 StVfG);
- den Entschluss, ihr Leben zu beenden, frei und selbstbestimmt, insbesondere frei von Irrtum, List, Täuschung, physischem oder psychischem Zwang und Beeinflussung durch Dritte fassen (§ 6 Abs. 2 StVfG);
- an einer unheilbaren, zum Tod führenden Krankheit (§ 120 Z 1 ASVG) oder an einer schweren, dauerhaften Krankheit (§ 120 Z 1 ASVG) mit anhaltenden Symptomen leiden, deren Folgen die betroffene Person in ihrer gesamten Lebensführung dauerhaft beeinträchtigen, wobei die Krankheit einen für die betroffene Person nicht anders abwendbaren Leidenszustand mit sich bringt (§ 6 Abs. 3 StVfG);
- die Sterbeverfügung vor einem Notar oder einem rechtskundiger Mitarbeiter der Patientenvertretungen (§ 11e des Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetzes) errichten (§ 3 Zif. 6 StVfG). Diese Person ist auch für die Aufbewahrung der Sterbeverfügung die verantwortliche Person (§ 3 Zif. 7 StVfG).
Mitwirkung
Niemand ist in Österreich verpflichtet, an einer Sterbeverfügung mitzuwirken oder hierzu sonst Hilfe zu leisten.[10] Dies betrifft z. B. auch den Apotheker, der nicht verpflichtet ist das Präparat zur Sterbehilfe abzugeben (§ 3 Z 9 StVG) oder den Arzt, der nicht verpflichtet ist, eine ärztliche Aufklärung (§ 7 StVG) durchzuführen (siehe § 2 StVG).
Niemand darf jedoch deswegen, weil er an einer Sterbeverfügung mitgewirkt hat, auf irgendeine Art benachteiligt werden (siehe § 2 und § 3 Zif. 4 StVfG).
Hilfeleistung
Hilfeleistung (Sterbehilfe) für eine sterbewillige Person beim Beenden des Lebens ist nicht dadurch gegeben, dass z. B. ein Arzt ärztliche Aufklärung vornimmt oder wenn z. B. ein Notar an der Errichtung einer Sterbeverfügung mitwirkt (§ 3 Zif. 4 StVfG). Dies ist nur eine indirekte Mitwirkung - keine Hilfeleistung bei der Selbsttötung. Dies musste speziell gesetzlich festgelegt werden, weil in § 78 StGB und nach der Rechtsprechung in Österreich jede auch nur geringfügigste Mitwirkung oder Hilfe bei der Selbsttötung bestraft wurde und wird.
Eine einer sterbewilligen Person helfende Person muss volljährig und entscheidungsfähig sein (§ 3 Zif. 3 StVfG) und darf nicht der aufklärende Arzt und/oder der dokumentierende Notar oder Mitarbeiter der Patientenvertretung sein (§ 6 Abs. 4 StVfG).
Es war nach § 12 Abs 1 StVfG ursprünglich verboten, mit der Hilfeleistung zu werben. Das Werbeverbot umfasste Werbung, die eigene oder fremde Hilfeleistung oder Mittel, Gegenstände oder Verfahren, die zur Selbsttötung geeignet sind, unter Hinweis auf diese Eignung anbietet, ankündigt oder anpreist. Zulässig war jedoch, eine sterbewillige Person auf die Möglichkeit der Errichtung und Dokumentation einer Sterbeverfügung hinzuweisen, auf die Möglichkeit der Aufklärung sowie Abgabe des Präparates (§ 12 Abs. 2 StVfG). Mit Erkenntnis vom 12. Dezember 2024[11] hat der Verfassungsgerichtshof jedoch entschieden, dass es nicht notwendig ist, jeglichen sachlichen Hinweis auf die Inanspruchnahme einer Hilfeleistung iSd §3 Z4 StVfG zu verbieten und in §13 StVfG verwaltungsstrafrechtlich zu sanktionieren. Für Personen, welche auf die Inanspruchnahme der im Sterbeverfügungsgesetz vorgesehenen Hilfe von Dritten angewiesen sein können, sind vielmehr derartige sachliche Hinweise vielfach notwendig, um letztlich die Hilfe tatsächlich in Anspruch nehmen zu können.
Es ist jedenfalls verboten, sterbewilligen Personen eine Hilfeleistung anzubieten oder diese durchzuführen, wenn man sich oder einem Dritten dafür wirtschaftliche Vorteile versprechen lässt oder annimmt, die über den Ersatz des nachgewiesenen Aufwands hinausgehen (§ 12 Abs. 3 StVfG).
Inhalt der Sterbeverfügung
In einer Sterbeverfügung muss die sterbewilligen Person ausdrücklich und unzweifelhaft festhalten, dass sie ihr Leben beenden will. Es ist ausdrücklich festzuhalten, dass dieser Entschluss frei und selbstbestimmt nach ausführlicher Aufklärung gefasst wurde (§ 5 Abs. 1 StVfG).
Es können darin auch eine oder mehrere Hilfe leistende Personen angegeben werden (§ 5 Abs. 2 StVfG), die jedoch zu dieser Hilfeleistung nicht verpflichtet sind und die auch nicht darauf geklagt werden können, Hilfe zu leisten, selbst, wenn sie es zuvor verbindlich versprochen haben (siehe § 2 und § 3 Zif. 4 StVfG).
Aufklärung
Medizinische Aufklärung
Vor der Errichtung einer Sterbeverfügung muss eine umfassende Aufklärung durch zwei ärztliche Personen erfolgen, von denen eine eine palliativmedizinische Qualifikation aufzuweisen hat (§ 7 Abs. 1 StVfG). Beide Personen müssen unabhängig voneinander bestätigen, dass die sterbewillige Person entscheidungsfähig ist und einen im Sinne des § 6 Abs. 2 StVfG einen freien und selbstbestimmten Entschluss geäußert hat. Nach § 7 Abs. 2 StVfG muss die Aufklärung Mindestinhalte aufweisen.
Rechtliche Aufklärung
Bevor die Sterbeverfügung schriftlich vor einer dokumentierenden Person (§ 3 Zif. 6 StVfG) errichtet wird, muss die Dokumentation über die ärztliche Aufklärung (§ 7 Abs. 3 StVfG) vorliegen und muss der Sterbewillige auf die rechtliche Aspekte hingewiesen werden sowie über die Möglichkeit der Errichtung einer Patientenverfügung oder Vorsorgevollmacht, die Errichtung einer letztwilligen Verfügung, die strafrechtlichen Grenzen der Hilfeleistung und weitere Rechtsfolgen (§ 8 Abs. 2 StVfG).
Gültigkeit und Aufhebung
Eine Sterbeverfügung muss ab der zweiten ärztlichen Aufklärung innerhalb eines Jahres errichtet werden, ansonsten muss eine neuerliche Bestätigung einer ärztlichen Person nach § 7 Abs. 1 dritter Halbsatz StVfG beigebracht werden, die wieder ein Jahr gültig ist (§ 8 Abs. 1 StVfG).
Gemäß Verfassungsgerichtshof ist es nicht gerechtfertigt, dass eine sterbewillige Person das gesamte im Gesetz vorgesehene, aufwendige Prozedere ein zweites Mal durchführen muss, wenn die ursprüngliche Sterbeverfügung nach zwölf Monaten ungültig wird.[12] Daher wurde eine dem widersprechende Passage im StVfG zum 1. Juni 2026 aufgehoben.
Eine Sterbeverfügung ist unwirksam, wenn diese nicht nach den Vorgaben im StVfG errichtet wurde oder, wenn diese strafrechtlich nicht zulässig ist (§ 10 Abs. 1 StVfG).
Eine Sterbeverfügung wird unwirksam, wenn die sterbewillige Person diese widerruft oder zu erkennen gibt, dass diese nicht mehr wirksam sein soll (§ 10 Abs. 2 StVfG).
Die für die Aufbewahrung verantwortliche Person hat die Abschrift der Sterbeverfügung (§ 9 Abs. 1) in genau geregelten Fällen zu vernichten (§ 10 Abs. 3 StVfG), z. B. wenn fünf Jahre nach Ablauf der Jahresfrist kein Präparat (§ 11 StVfG) bezogen wurde, das bezogene Präparat nachweislich zurückgegeben wurde, oder das Original der Sterbeverfügung nachweislich vernichtet wurde oder dessen Wirksamkeit abgelaufen ist oder längstens zehn Jahre nach Errichtung der Sterbeverfügung.
Dokumentation und Sterbeverfügungsregister
Das Original der Sterbeverfügung erhält die sterbewillige Person, eine Kopie hat die dokumentierende Person aufzubewahren und zudem muss im elektronischen Sterbeverfügungsregister eine Eintragung hierzu erfolgen (§ 9 StVfG).
Eine für die Aufbewahrung verantwortliche Person (§ 3 Z 7 StVfG) hat eine Abschrift der Sterbeverfügung für die in § 10 Abs. 3 und 4 StVfG geregelte Dauer aufzubewahren und den Sicherheitsbehörden oder den Strafverfolgungsbehörden, die wegen eines Delikts gegen Leib und Leben zum Nachteil der sterbewilligen Person ermitteln, Auskunft über die Sterbeverfügung zu geben.
Im Sterbeverfügungsregister sind die Daten nach Abs. 3 und 4 sowie § 7 Abs. 3, § 8 Abs. 4 und § 11 Abs. 1 StVfG einzutragen, insbesondere der Verhinderung eines unzulässigen mehrfachen Bezugs von Präparaten durch dieselbe sterbewillige Person, sowie zur Gewinnung von Erkenntnissen über die Inanspruchnahme der Sterbeverfügung für statistische und wissenschaftliche Analysen und Untersuchungen, die keine personenbezogenen Ergebnisse zum Ziel haben (§ 9 StVfG).
Literatur
- Sterbeverfügung - Leitfaden für die Praxis, Webseite: sozialministerium.at.
Einzelnachweise
- ↑ BGBl. I Nr. 242/2021
- ↑ Es ist verfassungswidrig, jede Art der Hilfe zur Selbsttötung ausnahmslos zu verbieten, Webseite: vfgh.gv.at vom 11. Dezember 2020.
- ↑ G 139/2019, Webseite: vfgh.gv.at vom 11. Dezember 2020.
- ↑ Sterbeverfügung, Webseite: aektirol.at, abgerufen am 11. Juli 2024.
- ↑ Sterbehilfe: Bisher 111 Sterbeverfügungen errichtet, Webseite: orf.at vom 30. Dezember 2022.
- ↑ Gerald John: Ein Jahr Sterbeverfügung: Was Menschen zum assistierten Suizid veranlasste, Webseite: derstandard.at vom 25. Jänner 2023.
- ↑ Siehe § 3 Zif. 9 und § 11 Abs. 6 StVfG.
- ↑ Dosierung: 15 g oral gemeinsam mit dem Antiemetikum Metoclopramid (um eventuellen Brechreiz zu unterdrücken). Siehe Sterbeverfügungs-Präparate-Verordnung BGBl. II Nr. 16/2022
- ↑ Diese „terminale Phase“ nach § 3 Zif. 8 StVfG liegt vor, wenn die Krankheit ein Stadium erreicht hat, in dem sie nach medizinischem Ermessen voraussichtlich innerhalb von sechs Monaten zum Tod führen wird, so ist eine Errichtung bereits nach zwei Wochen zulässig.
- ↑ Nach § 3 Zif. 3 StVg ist eine „Hilfe leistende Person“, eine volljährige und entscheidungsfähige Person, die bereit ist, die sterbewillige Person bei der Durchführung der lebensbeendenden Maßnahme zu unterstützen.
- ↑ G229/2023 ua (G229-230/2023-57).
- ↑ VfGH-Erkenntnis G229/2023 ua (G229-230/2023-57).
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