Viktor Knopf: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 17. Juli 2023, 05:15 Uhr
Viktor Knopf (1922 in Cieszyn (Schlesien) – 1998 in Zell am See) war ein ursprünglich polnischer, später österreichischer Sportlehrer, Bergführer und Buchhalter. Sein Lebenswerk ist wesentlich mit dem Exodus von 8.000 Juden im Jahr 1947 verbunden, die er in Gruppen von 200 nächtens über die Krimmler Tauern und die Staatsgrenze nach Italien führte.
Leben
Der Vater war von Beruf Klavierstimmer und Klavierreparateur. Er war 1919 als Invalide aus dem Ersten Weltkrieg zurückgekehrt. Sein Rang war der eines Feldgendarmeriewachtmeisters. Die Mutter führte eine kleine Maschinenstrickerei mit zwei Angestellten. Viktor Knopf war von Jugend an ein begeisterter Sportler, er betrieb Bodenturnen und Leichtathletik. Er war schon früh mit dem Beskidenverein in den Bergen unterwegs. Er gehörte aber auch dem Teschener Eislaufverein und dem örtlichen Turnverein an. Die sonntägliche Wanderungen, in der Gruppe, waren von Gesang und Mandolinen begleitet. Er lernte Kristallschleifer. Am 28. August 1939 nahm er sein staatliches Diplom als Instruktor für Leibesübungen entgegen.[1]
Verfolgung während der NS-Besatzung
Viktor Knopf war während der gesamten Dauer des Zweiten Weltkrieges in NS-Gewahrsam, von 1. September 1939 bis 4. Mai 1945. Er musste durchgehend Zwangsarbeit verrichten, schwere Arbeit im Steinbruch oder am Feld, beim Straßenbau oder beim Errichten der Barracken. Zuerst war er in einer aufgelassenen Fabrik in Tschechisch-Teschen interniert, nach zwei Wochen wurde er gemeinsam mit den anderen Inhaftierten in Viehwaggons in das Lager Misko bei Lublin verschleppt. Von dort ging es über Krakau weiter in das KZ Auschwitz und schließlich, in Folge des Näherrückens der Roten Armee, in das KZ Ebensee.
Exodus der Juden über die Krimmler Tauern
Ab 1946 lebte er im Pinzgau, dem heutigen Bezirk Zell am See. Ende 1946 stellte er sich der jüdischen Fluchthilfeorganisation Bricha zur Verfügung und führte mehrere Tausend Juden, die nach Palästina wollten, zumeist nachts über die Krimmler Tauern bis nach Kasern im Südtiroler Ahrntal. Kommandant der Bricha in Österreich war der damals 25-jährige Asher Ben-Natan, der aus Palästina nach Österreich zurückgekehrt war. Er, gebürtig in Wien, hatte die Shoah im Exil überlebt.
Im Lager Givat Avoda in Saalfelden warteten Hunderte Displaced Persons auf eine Möglichkeit, nach Palästina auszuwandern.[2] Marko Feingold, der in der Stadt Salzburg lebte und sich darum kümmerte, möglichst viele Juden in Sicherheit zu bringen, schickte stets neue Leute, damit immer wieder neue Fluchtgruppen zusammengestellt werden konnten. Die legalen Wege waren versperrt, denn die Briten trachteten danach, dass nicht weitere Juden in das von ihnen verwaltete Mandatsgebiet Palästina gelangen konnten. Als Besatzungsmacht in Österreich kontrollierten sie Kärnten, Steiermark und Osttirol. Gemeinsam mit den französischen Besatzern, denen Nordtirol und Vorarlberg überantwortet war, blockierten sie die Ausreise von Juden mach Italien. Somit blieb für einen Grenzübertritt nur das kleine Stück Staatsgrenze zwischen dem Bundesland Salzburg, welches zur amerikanischen Besatzungszone zählte, und Südtirol. Der Exodus wurde von den Amerikanern stillschweigend geduldet, ebenso von den österreichischen Behörden. Letztlich waren beide erleichtert, einige tausend Juden nicht mehr versorgen zu müssen.
Es war ein anstrengender und nicht ungefährlicher Anstieg über die Krimmler Tauern, für alte und kranke Menschen kaum zu meistern. Eine Fluchtgruppe bestand aus jeweils 60 bis 280 Personen, viele waren nach dem Holocaust und den Nachkriegspogromen in Polen und Russland ausgemergelt und traumatisiert, sie waren schlecht ausgerüstet, hatten kein passendes Schuhwerk und keine wetterfeste Kleidung, weder Fitness, noch Ausdauer. Insofern war die Erholungspause am Krimmler Tauernhaus, wo die Flüchtenden von der Wirtin Liesl Geisler-Scharfetter versorgt wurden, von eminenter Bedeutung für den Erfolg der Tauernüberquerer. Viktor Knopf brachte alle unbeschadet über die Berge, auch Kinder, einige ältere Menschen und eine hochschwangere Frau. Säuglinge und Kleinkinder wurden entweder in Schachteln auf dem Rücken oder auf dem Pferdefuhrwerk, welches den Proviant transportierte, mitgenommen.[3][4] Es wurden Woche für Woche zwei oder drei Gruppen über die Berge geführt. Bolec Chojnacki, ebenfalls aus Polen stammend, war Knopfs Co-Bergführer. Das Unternehmen hatte Wetterglück, denn 1947 hatte den „Jahrhundertsommer“ schlechthin. Im 100-Jahre-Vergleich gab es kein anderes Jahr mit derart hohen Temperaturen und mit so wenig Niederschlag.[5]
Die meisten der von Knopf über die Tauern geführten Juden gelangten tatsächlich nach Haifa. Sie wurden in Palästina sesshaft, haben sich dort eine Existenz aufbauen können, so Marko Feingold im Interview mit dem Jüdischen Echo siebzig Jahre danach.[6]
Nach 1948
1948 wurde das Lager aufgelöst, die amerikanischen Besatzungstruppen übernahmen die Gebäude. Knopf ging nicht nach Israel, die Berge waren ihm zur neuen Heimat geworden. Er trat in den Dienst der US-Truppen und leitete die Kegelbahn. Im Juli 1948 trat er dem Österreichischen Alpenverein, Sektion Saalfelden, bei. Für die Naturfreunde, eine Vorfeldorganisation der Sozialistischen Partei, gründete er eine Jugendturngruppe. 1956 wurde ihm die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen. Nach dem Abzug der Alliierten war er 25 Jahre lang, bis zu seiner Pensionierung, als Buchhalter für die Limonadenfabrik Leeb tätig. In all diesen Jahren war er der einzige Jude von Zell am See.
Er blieb zeitlebens bergsteigerisch aktiv.
Auszeichnung
Siehe auch
Literatur
- Sabine Aschauer-Smolik und Mario Steidl (Hg.): Tamid Kadima – Immer Vorwärts, Der jüdische Exodus aus Europa 1945-1948, Innsbruck, Wien, Bozen 2010
- Marko Feingold: Wer einmal gestorben ist, dem tut nichts mehr weh, Eine Überlebensgeschichte, hg. von Birgit Kirchmayr und Albert Lichtblau, Wien 2000
- Viktor Knopf: Der Fluchtweg über den Krimmler Tauern, veröffentlicht auf der Website von Alpine Peace Crossing, ursprünglich in Thomas Albrich (Hg.), Flucht nach Eretz Israel. Die Bricha und der jüdische Exodus durch Österreich nach 1945. Studien-Verlag Innsbruck-Wien 1998, S. 193–198
- Luisa Righi, Stefan Wallisch: Lungo i confini dell'Alto Adige, Escursioni tra storie e paesaggi, Folio 2010, ISBN 8862990235 (ital.)
- Gertraud Steiner: Lebensbild Viktor Knopf, Bergführer der jüdischen Flüchtlinge über den Krimmler Tauern 1947, ursprünglich im Buch Gehlüste. Alpenreisen und Wanderkultur. Salzburg: Otto Müller Verlag 1995, S. 211–218
- Johanna Stöckl: Gegen das Vergessen, Die Judenflucht im Krimmler Tauerntal, Internet-Quelle, abgerufen am 9. Juli 2023 (Magazin des Österreichischen Alpenvereins
- Walter Thaler: Er führte tausende Juden über die Krimmler Tauern ins Gelobte Land. Viktor Knopf rettete die dem Holocaust Entkommenen ein zweites Mal, in: Pinzgauer Nachrichten, Spezial 25, 26. Juli 2018, S. 14
- Fluchtwege: „Bricha-Marsch“ durch die Krimmler Tauern, Internet-Quelle, abgerufen am 9. Juli 2023
- Stadt Salzburg: Auswanderung nach Palästina - Die "Bricha" in Salzburg, Internet-Quelle, abgerufen am 5. Juli 2023
Einzelnachweise
- ↑ Yad Vashem: VIKTOR KNOPF, Datensatznummer 7489750, abgerufen am 5. Juli 2023; es ist nicht geklärt ob Personenidentität vorliegt. Dieser Viktor Knopf wurde lt. YV am 11. April 1923 in Łódź geboren.
- ↑ Sabine Aschauer-Smolik: „Unsere Legitimation war ... die Hoffnung ...“, Jüdische Flüchtlinge in Saalfelden 1946 bis 1949, Internetquelle, abgerufen am 9. Juli 2023
- ↑ Meinbezirk.at: Elisabeth Scharfetter und die Krimmler Judenflucht - eine Rückschau, 11. Oktober 2016
- ↑ Der Standard (Wien): Über alle Berge, 25. Juni 2009
- ↑ Ernst Löschner: Judenflucht über den Krimmler Tauern / 1947 Neue Erkenntnisse: es waren vermutlich 8.000+ Flüchtlinge!, abgerufen am 6. Juli 2023
- ↑ Das Jüdische Echo: Interview – 70 Jahre jüdischer Exodus über die Tauern, abgerufen am 5. Juli 2023
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Personendaten | |
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NAME | Knopf, Viktor |
KURZBESCHREIBUNG | polnisch-österreichischer Holocaustüberlebender, Sportlehrer und Bergführer |
GEBURTSDATUM | 1922 |
GEBURTSORT | Cieszyn, Polen |
STERBEDATUM | 1998 |
STERBEORT | Hell am See |