Berthold von Wehingen: Unterschied zwischen den Versionen
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Berthold von Wehingen war als Kanzler viele Jahre Vorsteher der herzoglichen Kanzlei. Seine Dauer übertrifft bei Weitem die seiner Vorgänger, dennoch gibt es nur wenige Belege über seinen Anteil an den alltäglichen Kanzleigeschäften. Seine zielstrebige Personalpolitik belegt zumindest, dass seine besondere Aufmerksamkeit der inneren Organisation der Kanzlei galt. Personen, wie der aus Bayern gebürtige Ludwig von Thalheim, ein gelehrter Jurist, oder Eberhard von Knöringen, welche unter ihm in der Kanzlei wichtige Positionen innehatten, stammten aus seinem Umfeld. Der erstere, seit 1386 Schreiber der herzoglichen Kanzlei, war Domherr des Hochstiftes Freising und außerdem der private Sekretär von Berthold von Wehingen. Der Letztere nahm nicht nur in der herzoglichen Kanzlei eine höhere Stelle ein, sondern war gleichzeitig auch Bertholds Kanzler für das Hochstift Freising.<ref name="lackner347>vgl. [[w:Christian Lackner (Historiker)|Christian Lackner]]: ''Hof und Herrschaft'', 2001, Bd. 2, S. 347</ref> Berthold von Wehingen bemühte sich seit seinen Anfangsjahren als Kanzler um geeignete Räumlichkeiten für die herzogliche Schreibstube in Wien. Diese konnte 1391 in ein neu angekauftes Haus am [[Petersfreithof]] übersiedeln, dessen Kauf von Berthold von Wehingen vorfinanziert wurde.<ref name="lackner348>vgl. [[w:Christian Lackner (Historiker)|Christian Lackner]]: ''Hof und Herrschaft'', 2001, Bd. 2, S. 348</ref> | Berthold von Wehingen war als Kanzler viele Jahre Vorsteher der herzoglichen Kanzlei. Seine Dauer übertrifft bei Weitem die seiner Vorgänger, dennoch gibt es nur wenige Belege über seinen Anteil an den alltäglichen Kanzleigeschäften. Seine zielstrebige Personalpolitik belegt zumindest, dass seine besondere Aufmerksamkeit der inneren Organisation der Kanzlei galt. Personen, wie der aus Bayern gebürtige Ludwig von Thalheim, ein gelehrter Jurist, oder Eberhard von Knöringen, welche unter ihm in der Kanzlei wichtige Positionen innehatten, stammten aus seinem Umfeld. Der erstere, seit 1386 Schreiber der herzoglichen Kanzlei, war Domherr des Hochstiftes Freising und außerdem der private Sekretär von Berthold von Wehingen. Der Letztere nahm nicht nur in der herzoglichen Kanzlei eine höhere Stelle ein, sondern war gleichzeitig auch Bertholds Kanzler für das Hochstift Freising.<ref name="lackner347>vgl. [[w:Christian Lackner (Historiker)|Christian Lackner]]: ''Hof und Herrschaft'', 2001, Bd. 2, S. 347</ref> Berthold von Wehingen bemühte sich seit seinen Anfangsjahren als Kanzler um geeignete Räumlichkeiten für die herzogliche Schreibstube in Wien. Diese konnte 1391 in ein neu angekauftes Haus am [[Petersfreithof]] (vermutlich das "Hubhaus", heute Petersplatz 7) übersiedeln, dessen Kauf von Berthold von Wehingen vorfinanziert wurde.<ref name="lackner348>vgl. [[w:Christian Lackner (Historiker)|Christian Lackner]]: ''Hof und Herrschaft'', 2001, Bd. 2, S. 348</ref> | ||
== Berthold von Wehingen als Schiedsrichter == | == Berthold von Wehingen als Schiedsrichter == |
Version vom 12. November 2021, 12:59 Uhr
Berthold von Wehingen[A 1] (* im 14. Jahrhundert, um 1345/50, im Herzogtum Österreich; † 7. September 1410, in Wien[A 2], in Wien) gilt als wichtiger Mitarbeiter der Herzöge Albrecht (III.) "mit dem Zopfe", Albrecht (IV.) "dem Weltwunder" und Wilhelm "dem Freundlichen". In der Zeit der Vormundschaft über Herzog Albrecht (V.), dem späteren König Albrecht II., soll er zu dessen loyalen Anhängern gehört haben. Unter den Kanzlern der herzoglichen Kanzlei des Herzogtums Österreich weist er die längste Amtszeit aus. Außerdem war er Dompropst des Domkapitels von St. Stephan in Wien und Fürstbischof von Freising.
Herkunft und Familie
Berthold von Wehingen stammte aus einer in der Reichslandschaft Schwaben ansässigen Ministerialenfamilie. Er war einer der beiden jüngeren Söhne von Hugo von Wehingen aus dessen Ehe mit Agnes. Dieser hatte 1351 die in der Nähe von Rottweil gelegene Stammburg Wehingen an Herzog Albrecht (II.) von Österreich ("Albrecht den Lahmen") verkauft. Er ließ sich danach in Klosterneuburg nieder, wo ihm und seiner Familie 1353 die landesfürstliche Burg verpfändet wurde.[1]
Berthold von Wehingen war der Bruder von Reinhard von Wehingen, dem obersten "Türhüter" des Herzogtums Österreich, und ein Verwandter von Thomas von Wehingen.
Leben
Berthold von Wehingen hatte an der Prager und der Wiener Universität studiert. An der Wiener Universität erwarb er 1373 den Titel eines Magister der Sieben Freien Künste.[2] An der Prager Juristenuniversität, wo er danach ein Studium für kanonisches Recht aufgenommen hatte, wurde ihm bereits in seinem zweiten Studienjahr (1374/75) die Würde eines Rektors angetragen.[3]
Seine Klerikerkarriere begann er als Kanoniker des Domkapitels in Passau. Wenig später gelangte er in den Besitz der gutdotierten landesfürstlichen Pfarre Rußbach und wurde Dompropst des Allerheiligenkapitels zu St. Stephan in Wien und gleichzeitig Kanzler der Wiener Universität, um die er sich große Verdienste erwarb.[2][3] Politisch wirkte er vor allem im Dienst der Herzöge von Österreich (Habsburger). 1381-1410 war er Kanzler des Herzogtums Österreich. 1381 wurde er Fürst-Bischof der Diözese Freising (Providierung durch den Papst am 20. September 1381, Investitur mit den Regalien des Hochstifts durch den "römischen König" am 5. September 1382 und erste Amtshandlung als Bischof im Dezember 1383[4]). Nach dem Tod des Erzbischofs Gregor von Salzburg († 9. Mai 1403) versuchte er mit Unterstützung von Herzog Wilhelm von Österreich dessen Nachfolge anzutreten, obwohl das Salzburger Domkapitel sich für Eberhard von Neuhaus entschieden hatte. Zwar wurde Berthold von Wehingen am 6. Februar 1404 vom Papst] Bonifaz IX. als Fürst-Erzbischof eingesetzt, doch konnte er sich letztlich gegen Eberhard von Neuhaus nicht durchsetzen. Am 13. Jänner 1406 widerrief Papst Innocenz VII., der im Oktober 1404 Papst Bonifaz nachgefolgt war, die Entscheidung seines Vorgängers und bestätigte Berthold von Wehingen erneut als Bischof von Freising, wobei er ihm eine jährliche Pension aus den Einkünften des Erzstiftes zuweisen ließ. Berthold von Wehingen nahm diese Entscheidung nicht widerstandslos hin. Erst nach dem Tod von Herzog Wilhelm fügte er sich am 23. Februar 1407 einem Schiedsspruch, den Herzog Leopold in Wiener Neustadt zwischen ihm und Eberhard von Neuhaus fällte.[5]
Berthold von Wehingen als Kanzler der Herzöge von Österreich
Im Unterschied zu seinen beiden Vorgängern Johann Ribi und Johannes Ministri hatte Berthold von Wehingen, ehe er am 3. Mai 1381 erstmals als Kanzler genannt wurde, zuvor nicht als Schreiber oder Pronotar in der herzoglichen Kanzlei gearbeitet. Er spielte eine bedeutende Rolle am Hof von Herzog Albrecht (III.) "mit dem Zopfe", konkurrierte aber zunächst mit dessen Hofmeister Johann von Liechtenstein und dessen Hubmeister Hans von Tirna um die Gunst des Herzogs.[6] Es spricht einiges dafür, dass er zu den schärfsten Gegnern des Hofmeisters gehörte und an dessen Sturz im Herbst 1894 maßgeblich beteiligt war.[7] Nach diesem galt er als der engste Mitarbeiter des Herzogs.[6] In den beiden letzten Regierungsjahren war er wesentlich an den Versuchen des Herzogs mitbeteiligt, die "römische Königskrone" zu erlangen.[8]
Nach dem plötzlichen Tod von Herzog Albrecht "mit dem Zopfe" unterstützte Berthold von Wehingen energisch die Partei von Herzog Wilhelm "dem Freundlichen" und wurde dessen Kanzler.[9] Obwohl Herzog Leopold (IV.) "der Stolze" bei der Auseinandersetzung um den Bischofsstuhl des Salzburger Fürst-Erzbischofes Eberhard von Neuhaus unterstützt hatte und offensichtlich kein Befürworter Bertholds war, behielt dieser nach dem Tod Wilhelms seine Stellung als Kanzler der herzoglichen Kanzlei.[10] Ob die Herzöge Leopold (IV.) "der Stolze" und Ernst "der Eiserne" bei ihren Verhandlungen über einen Ausgleich im Oktober 1408 tatsächlich Bertholds Absetzung planten, wie der Chronist Thomas Ebendorfer († 1464) viele Jahre später behauptet, ist unsicher. Zumindest finden sich in den zeitgenössischen Quellen wie den Vertragsurkunden und dem nachfolgenden Schiedsspruch des ungarischen Königs Sigismund vom 13. März 1409 diesbezüglich keine Hinweise oder Indizien. Berthold von Wehingen starb 1410 vermutlich an der Pest, die zum Zeitpunkt seines Todes in Wien wütete. Er wurde in der Familienkapelle im Stift Klosterneuburg an der Seite seines Bruders Reinhard beigesetzt.[11]
Berthold von Wehingen als Kanzler
Berthold von Wehingen war als Kanzler viele Jahre Vorsteher der herzoglichen Kanzlei. Seine Dauer übertrifft bei Weitem die seiner Vorgänger, dennoch gibt es nur wenige Belege über seinen Anteil an den alltäglichen Kanzleigeschäften. Seine zielstrebige Personalpolitik belegt zumindest, dass seine besondere Aufmerksamkeit der inneren Organisation der Kanzlei galt. Personen, wie der aus Bayern gebürtige Ludwig von Thalheim, ein gelehrter Jurist, oder Eberhard von Knöringen, welche unter ihm in der Kanzlei wichtige Positionen innehatten, stammten aus seinem Umfeld. Der erstere, seit 1386 Schreiber der herzoglichen Kanzlei, war Domherr des Hochstiftes Freising und außerdem der private Sekretär von Berthold von Wehingen. Der Letztere nahm nicht nur in der herzoglichen Kanzlei eine höhere Stelle ein, sondern war gleichzeitig auch Bertholds Kanzler für das Hochstift Freising.[11] Berthold von Wehingen bemühte sich seit seinen Anfangsjahren als Kanzler um geeignete Räumlichkeiten für die herzogliche Schreibstube in Wien. Diese konnte 1391 in ein neu angekauftes Haus am Petersfreithof (vermutlich das "Hubhaus", heute Petersplatz 7) übersiedeln, dessen Kauf von Berthold von Wehingen vorfinanziert wurde.[12]
Berthold von Wehingen als Schiedsrichter
Berthold von Wehingen ist häufig als Schiedsrichter hervorgetreten. Nachdem zum Beispiel das Erzstift Salzburg mit dem Herzogtum Bayern 1382 einen Krieg um die Propstei von Berchtesgaden geführt hatte, wurde dieser Konflikt am 24. Oktober 1384 durch einen Schiedsspruch vorläufig beendet, den Berthold von Wehingen in Powang (heute Teil der Gemeinde Straß im Attergau) fällte. Er gehörte gemeinsam mit Rudolf (I.) von Wallsee († 1405) zu Enns, dem Landmarschall des Herzogtums Österreich, zu jener bilateralen Schiedkommission, die am 4. Dezember 1385 in Retz Konflikte zwischen Herzog Albrecht (III.) und König Wenzel schlichtete.[13]
Berthold von Wehingen zählte zu den Sieglern des Vertrags von Wien (10. Oktober 1386), wobei in der Forschung angenommen wird, dass er zuvor auch eine maßgebliche Rolle beim Zustandekommen von diesem gespielt hatte.[13] Er dürfte auch eine wesentliche Rolle beim Zustandekommen des Vertrags von Hollenburg (1395) gespielt haben. Dieser wurde wohl nicht zufällig im Markt Hollenburg (heute Teil der Stadtgemeinde Krems geschlossen, der damals im Herzogtum Österreich lag, aber noch zum Hochstift Freising gehörte.[9]
Vermögensverhältnisse
Im Herzogtum Österreich erwarb Berthold von Wehingen die Herrschaft Sitzenberg.[2] Am 13. November 1407 verpfändete Herzog Leopold der Stolze ihm und seinem Verwandten Leopold von Wehingen sowie einem weiteren Berthold von Wehingen die Feste Schönau (heute Teil der Gemeinde Schönau an der Triesting) und die Mauten zu Wiener Neudorf und Sollenau.[14]
Erinnerungen
- "Wehingerkapelle" im Stift Klosterneuburg, siehe Reinhard von Wehingen#Erinnerungen
Berthold von Wehingen in Legende und Sage
Berthold von Wehingen gehört zu jenen Persönlichkeiten im Umfeld der Habsburger im Spätmittelalter, die auch in der seriösen Forschungsliteratur immer wieder mit anderen Personen verwechselt oder durcheinander gebracht werden. Dies betrifft besonders die Forschungsliteratur zu Herzog Albrecht (V.) von Österreich, wo er häufig mit dessen anderen Ratgebern wie zum Beispiel Albrechts langjährigen Finanzberater Berthold von Mangen verwechselt wird.
Literatur
- Christian Lackner: Hof und Herrschaft. Rat, Kanzlei und Regierung der österreichischen Herzoge (1365 - 1406). Habilitationsschrift, Wien, 2001. 2 Bde.
- Oskar Mitis: Die schwäbischen Herren von Wehingen in Österreich — ein Beispiel für Familienwanderung im Mittelalter. In: Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich. Ser. NF. Bd. 23, 1930, S. 77-92 digital
Lexika-Artikel
- Franz Krones: Berthold von Wehingen. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 2, Duncker & Humblot, Leipzig 1875, S. 520 f.
- Otto Stolberg-Wernigerode: Berthold von Wehingen. In: Neue deutsche Biographie (NDB). Duncker & Humblot, Berlin, 1955, Band 2, S. 154 digital
Weblinks
Berthold von Wehingen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien auf Wikimedia Commons
Einzelnachweise
- ↑ vgl. Christian Lackner: Hof und Herrschaft, 2001, Bd. 2, S. 338f.
- ↑ 2,0 2,1 2,2 vgl. Oskar Mitis: Die schwäbischen Herren von Wehingen in Österreich, S. 81
- ↑ 3,0 3,1 vgl. Christian Lackner: Hof und Herrschaft, 2001, Bd. 2, S. 339
- ↑ vgl. Christian Lackner: Hof und Herrschaft, 2001, Bd. 2, S. 339f.
- ↑ vgl. Christian Lackner: Hof und Herrschaft, 2001, Bd. 2, S. 345f.
- ↑ 6,0 6,1 vgl. Christian Lackner: Hof und Herrschaft, 2001, Bd. 2, S. 340
- ↑ vgl. Christian Lackner: Hof und Herrschaft, 2001, Bd. 2, S. 343ff.
- ↑ vgl. Christian Lackner: Hof und Herrschaft, 2001, Bd. 2, S. 342f.
- ↑ 9,0 9,1 vgl. Christian Lackner: Hof und Herrschaft, 2001, Bd. 2, S. 344
- ↑ vgl. Christian Lackner: Hof und Herrschaft, 2001, Bd. 2, S. 346
- ↑ 11,0 11,1 vgl. Christian Lackner: Hof und Herrschaft, 2001, Bd. 2, S. 347
- ↑ vgl. Christian Lackner: Hof und Herrschaft, 2001, Bd. 2, S. 348
- ↑ 13,0 13,1 vgl. Christian Lackner: Hof und Herrschaft, 2001, Bd. 2, S. 341
- ↑ vgl. Oskar Mitis: Die schwäbischen Herren von Wehingen in Österreich, S. 83
Anmerkungen
- ↑ Weitere Namensbezeichnungen: Berchtold von Wehingen, Berichtholt von Wehingen, Berthold von Vaihingen, Berthold von Wähingen und Berthold von Freising
- ↑ Geburts- und Sterbedaten nach Oskar Mitis: Die schwäbischen Herren von Wehingen in Österreich, S. 79. Ergänzt durch Christian Lackner: Hof und Herrschaft, 2001, Bd. 2, S. 338 und S. 347
Überregionale Aspekte dieses Themas werden auch in der Wikipedia unter dem Titel Berthold von Wehingen behandelt. Hier im ÖsterreichWiki befinden sich Informationen sowie Ergänzungen, die zusätzlich von regionaler Bedeutung sind (siehe Mitarbeit). |