Maria Fischer

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Maria (Marie) Fischer im Jahr 1957
Schutzhaftbefehl des Reichssicherheitshauptamtes gegen Maria Fischer, 13. Mai 1943
Maria Fischer, Gestapo-Bild, 1943

Maria (Marie) Fischer (* 30. Juli 1897 in St. Pölten; † 6. Februar 1962 in Wien) war eine österreichische Seidenwinderin und trotzkistische Widerstandskämpferin gegen den Austrofaschismus und Nationalsozialismus.[1]

Leben

Maria Fischer kam in St. Pölten als eine von drei Töchtern des Sattlergehilfen Johann Fischer und der Antonie Fischer, geb. Kronigel, zur Welt. Nach Absolvierung der Volksschule erlernte sie den Beruf der Seidenwinderin und arbeitete als Textilarbeiterin in verschiedenen Betrieben.[2] Sie übersiedelte von St. Pölten nach Wien. 1916 wurde sie Mitglied der Sozialdemokratischen Partei und der freien Gewerkschaften.[3] Am 23. September 1918 gebar sie ihren einzigen Sohn Karl Fischer, den sie selbstbewusst „Kegel“ – ein Ausdruck für ein uneheliches Kind – nannte.

Maria Fischer kam 1935/36 durch ihren Sohn mit den „Revolutionären Kommunisten Österreichs“ (RKÖ) in Kontakt, sie wurde deren Mitglied und stellte ihre Wohnung in der Wiener Gusenleithnergasse 11 als Sekretariat für die Untergrundarbeit zur Verfügung.[4] Nach dem Anschluss Österreichs an Deutschland schloss sie sich der trotzkistischen Widerstandsgruppe „Gegen den Strom“ an, wobei sie wiederum ihre Wohnung als Zentrale zur Verfügung stellte. Ihre Freunde und Gesinnungsgenossen nannten sie liebevoll „Mitzi-Tante“. Als Decknamen für ihre Untergrundarbeit verwendete sie das Wort „Netz“.[5]

1943 wurden bei einer Hausdurchsuchung durch die Gestapo bei ihr eine Schreibmaschine, Papier und weitere Utensilien für die Herstellung von Flugblättern sichergestellt, die sie in eigens angefertigten Geheimfächern von Wäschekästen versteckt hatte.[6] Sie wurde am 13. Mai 1943 auf Befehl des Reichssicherheitshauptamtes wegen „hochverräterischer Betätigung“ in Schutzhaft genommen[7] und am 10. Dezember 1943 wegen Vorbereitung zum Hochverrat vom 5. Senat des Volksgerichtshofs in Wien zu fünf Jahren Zuchthaus und fünf Jahren Ehrverlust verurteilt.[8][9][10][11] Maria verbüßte ihre Haftzeit zunächst im Frauenzuchthaus Jauer (Jawor) in Niederschlesien und anschließend im Frauenstrafgefängnis in Leipzig-Kleinmeusdorf.[12]

Am 20. April 1945 wurde sie durch amerikanische Truppen befreit.[13] Zu Fuß schlug sie sich bis nach Linz durch, wo sie durch Zufall – noch in Zuchthauskleidung – von ihrem Sohn Karl, der zuvor aus dem Konzentrationslager Buchenwald entlassen worden war, in der Nietzschestraße wiederentdeckt wurde.[14]

Am 21. Jänner 1947 wurde Karl Fischer auf der Linzer Nibelungenbrücke an der sowjetisch-amerikanischen Demarkationslinie vom sowjetischen Geheimdienst NKWD entführt.[15] Maria Fischer versuchte vergeblich, Auskünfte über den Verbleib ihres Sohnes zu erhalten. Sie kehrte in dieser Zeit nach Wien zurück und erfuhr vom Schicksal ihres Sohnes, seiner Verurteilung zu 15 Jahren Besserungsarbeitslager in der Sowjetunion, erst sehr spät.[16] Sie konnte trotz mehrfacher Ansuchen um Gestattung des Briefwechsels erst im Frühjahr 1955 mit ihm schriftlich Kontakt aufnehmen.[17]

Maria Fischer mit ihrem Sohn Karl, 1955

Im Juni 1955 konnte sie ihren im Zusammenhang mit dem Abschluss des österreichischen Staatsvertrages aus der Sowjetunion repatriierten Sohn Karl im Juni 1955 in Wiener Neustadt empfangen und wieder bei sich in ihrer Wiener Wohnung in der Gusenleithnergasse aufnehmen.[18][19]

Während ihrer Pension betreute sie die Grinzinger Wohnung des Jugendfreundes ihres Sohnes, Josef Hindels, weshalb sie von ihrem inzwischen geborenen Enkel auch „Grinzinger“ genannt wurde. Maria Fischer starb am 6. Februar 1962 nach einem Schlaganfall in Wien.[20] Sie ist wie ihr Sohn Karl Fischer und ihre Schwiegertochter Maria Fischer in Ilz (Steiermark) begraben.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Ilse Korotin: Frauen sichtbar machen. Das Projekt »biografiA. datenbank und lexikon österreichischer frauen«, S. 8f.
  2. Fritz Keller: In den Gulag von Ost und West. Karl Fischer. Arbeiter und Revolutionär. ISP-Verlag, Frankfurt am Main 1980, ISBN 3-88332-046-3, S. 10.
  3. Fischer, Maria (Marie); Deckname: Netz, Seidenwinderin und Widerstandskämpferin.
  4. Fischer, Maria (Marie); Deckname: Netz, Seidenwinderin und Widerstandskämpferin.
  5. Fischer, Maria (Marie); Deckname: Netz, Seidenwinderin und Widerstandskämpferin.
  6. Fischer, Maria (Marie); Deckname: Netz, Seidenwinderin und Widerstandskämpferin.
  7. Schutzhaftbefehl des Reichssicherheitshauptamtes Berlin vom 13. Mai 1943, in Privatbesitz.
  8. Fischer, Maria (Marie); Deckname: Netz, Seidenwinderin und Widerstandskämpferin.
  9. Österreichische Stalin-Opfer. Memorial. Junius-Verlags- und Vertriebsgesellschaft, Wien 1990, ISBN 3-900370-81-8, S. 96.
  10. Tagesberichte der Gestapo, 1. November 1943 - 31. Dezember 1943, Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, Nr. 8477, S. 4.
  11. Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes: Nicht mehr anonym - Fotos aus der Erkennungsdienstlichen Kartei der Gestapo Wien, Gestapo-Opfer. Für die Profil-Suche Marie Fischer, geb. 30.1897 auf der folgenden Seite auf den Button „Mehr Informationen“ klicken: [1]
  12. Fischer, Maria (Marie); Deckname: Netz, Seidenwinderin und Widerstandskämpferin.
  13. Fischer, Maria (Marie); Deckname: Netz, Seidenwinderin und Widerstandskämpferin.
  14. Fischer, Maria (Marie); Deckname: Netz, Seidenwinderin und Widerstandskämpferin.
  15. Karl Fischer, Autobiographie, in: Österreichische Stalin-Opfer. Memorial. Junius-Verlags- und Vertriebsgesellschaft, Wien 1990, ISBN 3-900370-81-8, S. 96-105.
  16. Hugo Dewar: Assassins at Large, Being a fully documented and hithero unpublished account of the executions outside Russia ordered by the GPU. Wingate-Verlag, London & New York 1951, S. 169f.
  17. Maria Fischer, erste Postkarte an Karl Fischer in der UdSSR vom 26. April 1955, in Privatbesitz.
  18. Fritz Keller: In den Gulag von Ost und West. Karl Fischer. Arbeiter und Revolutionär. ISP-Verlag, Frankfurt am Main 1980, ISBN 3-88332-046-3, S. 143.
  19. Österreichische Stalin-Opfer. Memorial. Junius-Verlags- und Vertriebsgesellschaft, Wien 1990, ISBN 3-900370-81-8, S. 96.
  20. Sterbeurkunde des Standesamtes Wien-Penzing, Nr. 1130/1962 vom 8. Februar 1962, in Privatbesitz.
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