Jedlesee
Jedlesee war ein Dorf im Umfeld der Stadt Wien, das später zu den Wiener Vororten gehörte und 1894-1904 Teil der Großgemeinde Floridsdorf war, ehe diese als 21. Wiener Gemeindebezirks "Floridsdorf" nach Wien eingemeindet wurde. Jedlesee gilt heute als der älteste Teil dieses Bezirks.
Lage
Jedlesee befindet sich am linken Ufer der Donau und ist heute Teil des 21. Wiener Gemeindebezirks "Floridsdorf".
Geschichte - Die Herrschaft Jedlesee im Mittelalter
Als Erstnennung von Jedlesee gilt die Schenkungsurkunde von Kaiser Heinrich II. († 1024) vom 5. Juli 1014 für Bischof Berengar von Passau († 1045), in der ein Ort mit Namen "Outcinessevve" genannt wird. Obwohl die Identifizierung von "Outcinessevve", später auch "Utzinsee" (um 1120/1125 und 1250/1260), "Utzeinsee" (1324) und "Utzessee" (1455), nicht völlig gesichert ist, wird in der Geschichtsforschung davon ausgegangen, dass es um Jedlesee handelt.[1] Der Name Jedlesee selbst findet sich erst seit ca. 1587/1593.[2]
Um 1383 besaß das Benediktinerstift Formbach (Vornbach)[A 1] grundherrschaftliche Rechte in Jedlesee.[2]
Während der Hussitenkriege in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts war Jedlesee am 31. Mai 1428 von dem Angriff der Hussiten auf Nußdorf (heute Teil des [[Döbling|19. Wiener Gemeindebezirks "Döbling") ebenfalls betroffen, da beide an der Donau gelegenen Orte durch die Überfuhr (Urfahr)[A 2] über die "Schwarze Lacke" (heute ebenfalls Teil des 21. Wiener Gemeindebezirks), die erstmals 1430 genannt wird, miteinander verbunden waren. Mit dem Bau der großen Donaubrücke um 1439, zu der sich der sogenannte "Brückenbrief " von König Albrecht II. († 1439) vom 4. Juli 1439 erhalten hat, verlor diese Überfuhr bald an Bedeutung, doch bestand sie noch bis ins 19. Jahrhundert. Die Nähe zur "Schwarzen Lacke" war der Hauptgrund dafür, dass Jedlesee im Mittelalter und in der Neuzeit mehrmals, so zum Beispiel 1234, 1402, 1501, 1602 und 1613-1615, von Überschwemmungen heimgesucht wurde.[2]
Geschichte - Die Herrschaft Jedlesee in der Neuzeit
Im Umfeld der beiden "Wiener Türkenbelagerungen" von 1529 und 1683 wurde Jedlesee verwüstet. Zudem wurde der Ort 1605-1607 von den Reiterscharen des w:Siebenbürgischen Fürsten István Bocskay († 1606) heimgesucht und und war 1619 und 1645 vom Kampf der Schweden um die Wolfsschanze betroffen.[2]
1533-1575 gehörte der Jedlesee der Adelsfamilie von Sinzendorf, die wegen des Überfuhrprivilegs ("Urfahrsgerechtigkeit") immer wieder Streitigkeiten mit dem Brückenamt der Stadt Wien[A 3] hatte. Um 1575 verkauften die Grafen Friedrich und Tiburtius von Sinzendorf dann Dorf und Gut Jedlesee, das seit 1573 ein landesfürstliches Lehen war, an das Brückenamt. 1587 wird mit Georg Gerstl erstmals ein Ortsrichter für den Ort Jedlesee genannt.[2]
Die Herrschaft Jedlesee kam 1642 durch Kauf als freies Erbgut in den Besitz von Andre Gurlandt, einem Fähnrich der "Stadtguardia". Unter den zahlreichen weiteren Besitzern, denen Jedlesee danach gehörte, befanden sich Albert Lonqueval Graf Bouquoy (um 1696) und Anton Freiherr von Störck (um 1778). Letzterer war der Leibarzt von Maria Theresia und gründete 1787 die Jedleseer Brauerei. Während der Napoleonischen Kriege war Jedlesee 1805 und 1809 Kriegsschauplatz. Am 13. Mai 1809 kam es in der Schwarzlackenau zu einem Gefecht. Am 1. März 1830 wurde Jedlesee durch ein besonders schweres Hochwasser heimgesucht. Nur den vorausschauenden Maßnahmen von Anton Bosch, dem damals die Jedleseer Brauerei gehörte, war es zu verdanken, dass es wenigstens keine Toten gab. 1841 wurde die Herrschaft Jedlesee von Christian Heinrich Gottfried Plattensteiner, dem auch der Strebersdorf (heute ebenfalls ein Teil des 21. Bezirks) gehörte, mit diesem an das Stift Klosterneuburg verkauft.[2]
Geschichte - die Vorortgemeinde Jedlesee
Nach der Aufhebung der Grundherrschaften um 1848/1850 wurde Jedlesee eine eigene Gemeinde. Das Siegel der Gemeinde zeigte eine Darstellung des Gnadenbildes Maria Loretto, welcher die Kirche in Jedlesee geweiht war. 1904 wurde dieses Siegel bei der Gestaltung des Bezirkswappens der Großgemeinde Floridsdorf berücksichtigt.[2]
Einen Aufschwung brachte dem Ort um 1872 der Bau und die Eröffnung der Nordwestbahn. 1874 wurde ein neuer Friedhof in Jedlesee angelegt und der bisherige Friedhof aufgelassen. Auf seinem Areal wurde 1894 das Jedleseer Armenhaus (Jeneweingasse 30) eröffnet. Am 8. Mai 1894 wurde Jedlesee der Großgemeinde Floridsdorf einverleibt und 1904 gemeinsam mit dieser nach Wien eingemeindet.[2]Jedlesee bildete seit dem 8. Mai 1894 mit den Nachbargemeinden Floridsdorf, Neu-Jedlersdorf und Leopoldau die Großgemeinde Floridsdorf, die 1904 als 21. Bezirk "Floridsdorf" nach Wien eingemeindet wurde.[3]
Sehenswürdigkeiten
- das Benefiziatenhaus, Lorettoplatz l bzw. Anton-Bosch-Gasse 2, erbaut 1712, seit 1783 Pfarrhof[2]
- die frühere Mesnerwohnung (1775-1839) mit der Pfarrschule (erbaut 1712), Lorettoplatz 2 bzw. Wenhartgasse 31[2]
- die Beethoven-Gedenkstätte, mit Gedenktafel, Jeneweingasse 17, ehemaliges Landhaus der Gräfin Maria Erdödy (Erdödy-Landgut), 1863 durch einen Brand zerstört, danach neu erbaut[2]
Gebäude in Jedlesee mit Vergangenheit
- das Herrenhaus der Jedleseer Brauerei, 1978 abgebrochen, befand sich in etwa auf Prager Straße 84)[2]
- das Wirtshaus an der Prager Straße, abgebrochen, befand sich in etwa dort, wo sich heute die Städtische Wohnhausanlage Prager Straße 93-99 befindet[2]
- der herrschaftlicher Meierhof (ab 1839 teilweise Schule, heute Wohnhaus) Wenhartgasse 34[2]
Persönlichkeiten
- Anton Bosch, Besitzer der Brauerei Jedlesee
Literatur
- Felix Czeike (Hrsg.): Jedlesee (Ort). In: Historisches Lexikon Wien. Band 3, Kremayr & Scheriau, Wien 1994, ISBN 3-218-00545-0, S. 347–349.
- Raimund Waltenberger: Jedlesee - Geschichte der Pfarre und des Ortes. (Ungedruckte) Dissertation, Universität Wien, 1970
Weblinks
Jedlesee – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien auf Wikimedia Commons
- Jedlesee im Wien Geschichte Wiki der Stadt Wien
- (Ort) Jedlesee im Wien Geschichte Wiki der Stadt Wien
Einzelnachweise
- ↑ vgl. Felix Czeike (Hrsg.): Jedlesee. In: Historisches Lexikon Wien. Band 3, Kremayr & Scheriau, Wien 1994, ISBN 3-218-00545-0, S. 347.
- ↑ 2,00 2,01 2,02 2,03 2,04 2,05 2,06 2,07 2,08 2,09 2,10 2,11 2,12 2,13 vgl. Felix Czeike (Hrsg.): Jedlesee. In: Historisches Lexikon Wien. Band 3, Kremayr & Scheriau, Wien 1994, ISBN 3-218-00545-0, S. 348.
- ↑ vgl. Felix Czeike (Hrsg.): Jedlesee. In: Historisches Lexikon Wien. Band 3, Kremayr & Scheriau, Wien 1994, ISBN 3-218-00545-0, S. 347–348.
Anmerkungen
- ↑ Das Stift Formbach oder Vornbach ist ein ehemaliges Stift in Bayern. Es gehörte zu jenen bayerischen Klöstern, die im Mittelalter viele Besitzungen auf dem Areal der heutigen Stadt Wien hatten.
- ↑ Ein Urfahr bzw. eine Überfuhr war eine Stelle, an der sich eine Fährstation oder eine Furt befand, durch die ein Fluss oder Teile von diesem überquert werden konnten. Bis zur Donauregulierung (1870-1875) gab es im Stadtgebiet des heutigen Wiens über die größeren Donauarme mehrere Überfuhren (Urfahre). Im Mittelalter war die Überfuhr zu Nußdorf, die bereits im 13. Jahrhundert belegt ist, am einträglichsten und wurde als landesfürstliches Lehen vergeben. Mit dem Bau der großen Donaubrücke um 1439, die in Verbindung mit älteren Brücken den durchgehenden Verkehr zu Land bis zum äußersten linken Donauufer gewährleistete, verloren die "Urfahre" an Bedeutung. Vgl. dazu Urfahr im Wien Geschichte Wiki der Stadt Wien, abgerufen am 26. Mai 2024
- ↑ Die Stadt Wien war damals die größte Stadt im Herzogtum Österreich und gehörte zu dessen Landständen. Sie war unter der Herrschaft der Babenberger seit Herzog Heinrich (II.) ("Heinrich Jasomirgott") Sitz des Herzogs von Österreich und gehörte zu den wichtigsten Residenzen der Habsburger. Im 15. Jahrhundert behauptete Wien sich als Hauptstadt des Herzogtums Österreich "unter der Enns", aber erst im 17. Jahrhundert wurde es die Hauptstadt des "Habsburgerreiches". Bis Mitte des 19. Jahrhunderts umfasste die Stadt Wien im Wesentlichen jenen Stadtteil, der heute den ersten Bezirk bildet. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden durch Eingemeindung die Wiener Bezirke 2-9. Ende des 19. Jahrhunderts beziehungsweise in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstanden durch Eingemeindung die Bezirke 10-23.
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