Die Rudolfinische Hausordnung war ein Familienvertrag zwischen den Herzögen von Österreich (Habsburgern) zur Verwaltung ihrer Herrschaften, der im Jahr 1364 als "Durchführungsverordnung" zur "Albrechtinischen Hausordnung" geschlossen wurde[1] Mit dem Vertrag von Neuberg an der Mürz wurde sie im Jahr 1379 außer Kraft gesetzt.

Primogenitur, Samtherrschaft oder Herrschaftsteilung

Im Unterschied zu anderen europäischen "Staaten" des Spätmittelalters (zum Beispiel den Königreichen Frankreich und England) setzte sich die Erbfolge der Primogenitur[A 1] im Heiligem Römischen Reich erst im 16. Jahrhundert durch. Gab es mehrere erbberechtigte Söhne hatte das bei den Reichsfürsten meistens zur Folge, dass ...

  • ... entweder die erbberechtigten Söhne gemeinsam die Herrschaft ausübten (Samtherrschaft), wobei gewöhnlich dem ältesten Sohn (manchmal auch den beiden ältesten Söhnen) eine Sonderstellung zugestanden wurde.
  • ... oder die Herrschaft unter den erbberechtigten Söhnen aufgeteilt wurde.

Dabei lässt sich beobachten, dass in vielen Fällen eine Samtherrschaft meistens nicht von Dauer war, sondern wenig später auch von einer Länderteilung abgelöst wurde.

Nach dem Aufstieg in den Stand der Reichsfürsten im 13. Jahrhundert war es den Herzögen von Österreich, wie sich die Dynastie der Habsburger im Spätmittelalter nannte, im Gegensatz zu den meisten anderen Adelsfamilien im "Reich" gelungen, Realteilungen innerhalb ihrer Herrschaften zunächst zu verhindern[A 2] Das sollte sich erst in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts mit dem "Teilungsvertrag von Neuberg an der Mürz" von 1379 nachhaltig ändern. Geschehnisse wie die Ermordung von König Albrecht I. (als Herzog von Österreich ebenfalls Albrecht I.) durch seinen Neffen Johann von Schwaben oder die Schwierigkeiten beim Aushandeln der Eheschließungen der Herzöge Rudolf III. und Friedrich I. ("Friedrich des Schönen", als Gegen-König Friedrich III.) mit Königstöchtern aus Reichen, in denen sich die Primogenitur längst durchgesetzt hatte, und auch die beiden Hausordnungen aus den Jahren 1355 und 1364 geben jedoch bereits Hinweise, dass die Modelle Primogenitur und Samtherrschaft auch bei dieser Dynastie keineswegs konfliktfrei waren.

Die "Albrechtinische Hausordnung" (1355)

Am 25. November 1355 erließ Herzog Albrecht II. von Österreich ("Albrecht der Weise" oder "Albrecht der Lahme") eine Hausordnung ("(Albrechtinische) Hausordnung"), in welcher er seinen Söhnen ausdrücklich jegliche Teilung der Herrschaften verbot. Alle Söhne sollten an der Herrschaft beteiligt sein und diese sollte einvernehmlich ausgeübt werden. Sollt einer der Söhne nicht zu dieser Einvernehmlichkeit bereit sein, hatten die anderen das Recht, ihn dazu zu zwingen.[2]. In diese Hausordnung hatte Herzog Albrecht II. auch die Landesherren eingebunden, die er aus diesem Anlass zu einer Versammlung nach Wien berufen hatte. Sie verpflichteten sich, bei Konflikten, die seine Söhne nicht gemeinsam lösen konnten, einzugreifen. Für diesen Fall waren sie ausdrücklich berechtigt, die "brüderliche" Eintracht zwischen den Landesfürsten wiederherzustellen. Sollte dies nicht auf "gütliche" Weise möglich sein, wurde ihnen auch die Anwendung von "Zwangsmittel" gestattet.[2]. Diese "Garantie-Erklärung, die Albrecht die Landherren abgeben ließ, bedeutete gleichzeitig einen wichtigen Schritt zur verfassungsrechtlichen Verankerung der ständischen Mitbestimmung in den Angelegenheiten seiner Familie als Landesfürsten.[2]

Die "Rudolfinische Hausordnung" (1364)

Die Rudolfinische Hausordnung wurde am 18. November 1364 zwischen Rudolf dem Stifter und seinen jüngeren Brüdern, den (Erz-)Herzögen[B 1] Albrecht III. ("Albrecht mit dem Zopfe) und Leopold III.[A 3] geschlossen.[1]

Zum Zeitpunkt des Todes von Herzog Albrecht II. (20. Juli 1358) war von seinen Kindern nur sein ältester Sohn, der spätere (Erz-)Herzog Rudolf IV. ("Rudolf der Stifter") mündig. Damit waren die Bestimmungen der "Albrechtinischen" Hausordnung zunächst einmal nicht von Belang und Rudolf konnte daher ohne Probleme die alleinige Herrschaft übernehmen. Um 1364 waren seine beiden jüngeren Brüder ebenfalls mündig, was eine Neuregelung der Herrschaftsverteilung notwendig machte. Zwar hatte Rudolf IV. im Privilegium maius (vermutlich im Winter 1358/59) die Unteilbarkeit der Territorien, über die seine Familie damals herrschte und die Primogenitur festgelegt, doch konnte er diesen Anspruch gegenüber seinen Brüdern wohl nicht im vollen Umfang durchsetzen.[1]

Mit der "Rudolfinischen Hausordnung" wurde die gemeinsame Durchführung einer einvernehmlichen Samtherrschaft aus der "Albrechtinische Hausordnung" von den drei Herzögen in wesentlichen Punkten bestätigt[1]. Im Unterschied, keineswegs aber im Widerspruch, zur "Albrechtinischen Hausordnung", wurde jedoch Rudolf, als Ältestem der drei Brüder, eine Sonderstellung zugebilligt[1]. Jedem der drei Herzöge war es erlaubt, alle (Herrschafts-)Titel der Familie selbst zu führen. Für seine eigene Eheschließung war ausdrücklich die Zustimmung der beiden anderen Brüder notwendig, ebenso war diese für die Verheiratung der Kinder nötig. Mit ausdrücklicher Berufung auf die "Albrechtinische Hausordnung" vereinbarten die drei Brüder, an der Unteilbarkeit der von ihrer Familie beherrschten Territorien auch künftig festzuhalten. (Es ging ihnen dabei also nicht nur um den aktuellen Besitzstand, sondern auch um künftige Neuerwerbungen.) Für eine nachträgliche Modifikationen der Rudolfinischen Hausordnung vereinbarten sie, dass dies nur mit der ausdrücklichen Zustimmung von jedem von ihnen möglich sein sollte.[1] Allerdings erhält Rudolf in der "Rudolfinischen Hausordnung" als "vorgeer", "besorger" und "verweser" der anderen Sonderrechte zugestanden. Neben einem "Ehrenvorrang" (so zum Beispiel das Führen eines größeren Hofes) hat er die "obristen herschaft und den grözzisten gewalt", darf die Lehen auch im Namen seiner Brüder empfangen und verfügt über das Recht zur Verwahrung der Hausurkunden.[1]

Ursache der "Rudolfinischen Hausordnung"

Über die tatsächlichen Hintergründe für die Erlassung der "Rudolfinischen Hausordnung" ist nichts überliefert. Ebenfalls gibt es keine Belege dafür, von wem die Initiative ausgegangen ist. Da der Zeitpunkt der Hausordnung mit der Heirat von Erzherzog Leopold III. zusammenfällt, wird in der seriösen Forschung ein Zusammenhang mit seiner Volljährigkeit für wahrscheinlich gehalten.[1] Die Verfügung der Hausordnung, dass der Zweitälteste den Ältesten im "Krankenfall" vertreten soll, könnte zudem ein Hinweis darauf sein, dass Rudolf zu diesem Zeitpunkt bereits gesundheitlich stark angeschlagen war, was entsprechende Vorkehrungen notwendig machte.[3]

Folgen

Nach dem Tod von Herzog Rudolf IV. traten Albrecht III. und Leopold III. gemeinsam seine Nachfolge an und dürften bis ca. 1373 zumindest nach außen hin eine einvernehmliche gemeinsame Herrschaft ausgeübt haben. Daraufhin sind einige vertragliche Vereinigungen zwischen den Brüdern belegt, in denen sich zumindest andeutet, dass es ihnen nicht mehr gelang, eine einvernehmliche gemeinsame Herrschaft zu führen. Am 25. September 1379 wurde zwischen ihnen schließlich im Zisterzienserstift Neuberg bei Neuberg an der Mürz ein Hausvertrag geschlossen, in dem es zu einer Aufteilung der Herrschaften kam. Obwohl Albrecht III. diesen Vertrag nach dem Tod von Leopold III. wieder außer Kraft setzte, bildete er in der Folge die wesentliche Grundlage, auf die bei späteren Herrschaftsteilungen immer wieder zurückgegriffen wurde. Erst 1490 wurden die Herrschaften der Familie unter den Kaisern Friedrich III. und Maximilian I. endgültig wieder unter einer Herrschaft vereinigt.[4]

Literatur

  • Wilhelm Baum: Rudolf IV. der Stifter. Styria Verlag, Graz, Wien 1996, ISBN 3-222-12422-1
  • Jean Bérenger: Die Geschichte des Habsburgerreiches. 1273 bis 1918. Böhlau Verlag, Wien 1995, ISBN 3-205-98153-7
  • Günther Hödl: Habsburg und Österreich 1273 - 1493. Gestalten und Gestalt des österreichischen Spätmittelalters. Böhlau Verlag, Graz, Wien 1988, ISBN 3-205-05056-8.
  • Alois Niederstätter: Österreichische Geschichte 1278–1411. Die Herrschaft Österreich. Fürst und Land im Spätmittelalter. (= Österreichische Geschichte. Band 6). Ueberreuter Verlag, Wien 2001, ISBN 3-8000-3974-5, S. 168f.

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 1,7 vgl. Alois Niederstätter: Österreichische Geschichte 1278–1411, 2001, S. 168
  2. 2,0 2,1 2,2 vgl. Alois Niederstätter: Österreichische Geschichte 1278–1411, 2001, S. 144 Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag. Der Name „nieder144“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert.
  3. vgl. Alois Niederstätter: Österreichische Geschichte 1278–1411, 2001, S. 168f.
  4. vgl. Alois Niederstätter: Österreichische Geschichte 1278–1411, 2001, S. 178ff.

Anmerkungen

  1. Unter einer Primogenitur wird gewöhnlich das Erbrecht des ältesten Sohnes verstanden.
  2. Während von den Söhnen König Rudolfs I. nur der spätere König Albrecht I. (als Herzog von Österreich ebenfalls Albrecht I.) seinen Vater überlebte und so die alleinige Herrschaft antreten konnte, gelang Albrechts vielen Söhnen trotz politischer Schwierigkeiten (und vermutlich auch persönlicher Differenzen) tatsächlich die Aufrechthaltung einer Samtherrschaft.
  3. Ein weiterer jüngerer Bruder, Herzog Friedrich III. von Österreich (1347–1362), wurde nicht berücksichtigt, da er zu diesem Zeitpunkt aber bereits verstorben war und keine Nachkommen hinterlassen hatte.
  1. Zur Verwendung des Erzherzogstitels bei Albrecht III. und Leopold III., vgl. Eva Bruckner: Formen der Herrschaftsrepräsentation und Selbstdarstellung habsburgischer Fürsten im Spätmittelalter, phil. Dissertation (ungedruckt), Wien, 2009, digital, S. 27f., 48 und, S. 136

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