Hermine Bogner

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Hermine Bogner (*8. Mai 1932 in Pinkafeld; † 27. März 1945 in Wien) ist eines von 789 namentlich bekannten Opfern der Kinder-Euthanasie in der Jugendfürsorgeanstalt Am Spiegelgrund in Wien. Sie stammte wie die beiden Euthanasie-Opfer Anton Braun und Berta Horvath aus dem südburgenländischen Pinkafeld,[1] das nach dem Anschluss Österreichs während der Zeit des Zweiten Weltkriegs zur Steiermark gehörte.

Leben

Die im Mai 1932 geborene Hermine Bogner entwickelte sich bis 1942 entsprechend ihres Alters, wie Angaben ihrer Schwester anlässlich ihrer Einlieferung in die Wiener Universitäts-Kinderklinik, die unter der Leitung des bekennenden Nationalsozialisten Franz Hamburger stand, besagen:

„Sie hat bis 1942 die Schule mit gutem Erfolg besucht, sei nie sitzen geblieben, sondern sogar Vorzugschülerin gewesen. Ein Nachlassen der geistigen Fähigkeiten sei nicht aufgefallen, doch hat Patientin auch in anfallfreien Zeiten gestottert, jedoch nicht immer, früher niemals.“

– Herbert Brettl und Michael Hess: NS-Euthanasie im Burgenland, Seite 40, Eisenstadt 2015, ISBN=3854051794

Ab 1940 erkankte Hermine Bogner an krampfartigen Anfällen, ihr Weg führte sie über das Krankenhaus Wiener Neustadt und die Universitätsklinik Wien in den Spiegelgrund.[2] Trotz vieler Untersuchungen konnten sich die Ärzte zunächst auf keine eindeutige Diagnose einigen, bis schließlich ihre Krankheitssymptome einer Epilepsie zugeschrieben wurden. Sie durfte die anstaltseigene Schule besuchen, die im Pavillon 17 untergebracht war, wohin sie zwischenzeitlich auch verlegt worden war. Sie galt als sehr liebenswert und herzlich. Selbst ihre Ärztin Marianne Türk, die üblicherweise ihre Protokolleinträge immer sehr sachlich und distanziert formulierte, beurteilte die junge Pinkafelderin durchaus menschlich:

„Ist immer außer Bett, im Tagraum oder Garten. Hat guten Kontakt mit Kindern und Pflegepersonen. Spricht gut, versteht alles. Macht intellektuell keinen gröber gestörten Eindruck. Hermine ist selbständig in ihrer Körperpflege, hält ihre Kleidung nett und rein. Tag und Nacht sauber. Sie hilft der Schwester bei kleineren Handgriffen, ist dabei geschickt und flink...Oft ist sie traurig und weint, wenn sie davon spricht, dass sie nach Hause möchte (die Mutter erklärte, dass sie sie nicht übernehmen könnte)...sie will gerne verwöhnt und verhätschelt werden. Sie ist anhänglich, liebebedürftig, freudefähig. Nie grob zu anderen Kindern.“

– Herbert Brettl und Michael Hess: NS-Euthanasie im Burgenland, Seite 40 und 41, Eisenstadt 2015, ISBN=3854051794

Die Weihnachtstage 1944 durfte Hermine Bogner im Kreise ihrer Familie verbringen. Aus dieser Zeit stammte auch ein mit vielen Rechtschreib- und Grammatikfehlern versehener Brief an ihre Ärztin Marianne Türk, den sie mit "Vielle Bussi und Küsse von ihrer Tochter Hermi" unterschrieb.[3] Es lässt sich daraus schließen, dass Hermine einen sehr innigen Kontakt zu ihrer Ärztin entwickelte.

Tod

Das Pinkafelder Mädchen starb am 27. März 1945 um 3:30 Uhr nachdem es einige Stunden zuvor im Zuge eines schweren Anfalls das Bewusstsein verloren hatte. Als Todesursache wurde Status epilepticus mit nachfolgender Pneunomia angegeben.[3]

Es könnte auch sein, dass Hermine Bogner nach ihrem Tod das Gehirn entfernt wurde und dieses in der Kinderklinik verblieb, wie die der meisten anderen Opfer auch.[4] In weiterer Folge wäre es daher auch nicht auszuschließen, dass dieses von dem von der österreichischen Nachkriegsjustiz weitgehend unbehelligten ehemaligen Spiegelgrund-Arzt Heinrich Gross für seine Forschungen in den 1950er-Jahren verwendet wurde. Nachdem das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes die Spiegelgrund-Opfer erfasst hatte, erfolgte 2002 schließlich die Beisetzung der Gehirnpräparate und anderer Gewebeteile in 597 Urnen, auf Wunsch der Opferangehörigen unter Ausschluss der Öffentlichkeit, in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof.[5]

Die Diagnose Lungenentzündung deutete meist auf einen absichtlich herbeigeführten Tod hin, die oft als Folge der Verabreichung einer Überdosis Schlafmittel auftrat. Hermine Bogners Ärztin Marianne Türk sagte 1946 im Zuge des Spiegelgrund-Prozesses vor dem Volksgericht Wien aus:

„Ich will noch bemerken, daß […] sich in keiner Krankengeschichte etwas von Euthanasie befindet, nirgends ein Hinweis in dieser Richtung aufscheint, da wir aus leicht begreiflichen Gründen dies gar nicht tun durften. Insofern erscheint dort, wo tatsächlich Euthanasie vorgekommen ist, die Krankengeschichte als verfälscht auf. In sehr vielen Fällen war die unmittelbare Todesursache eine Lungenentzündung, die im Zuge der Schlafmittelvergiftung aufgetreten ist. In den Krankengeschichten scheint natürlich nur die Lungenentzündung auf. Aus der Korrespondenz mit dem Reichsausschuß in Berlin ergab sich in jedem einzelnen Falle die Euthanasie, diese Korrespondenz ist aber über Auftrag von Berlin beim Einmarsch der Russen vernichtet worden.“

Vernehmung der Beschuldigten Türk am 12. März 1946 (DÖW E 18282).

Dieser Einmarsch der Russen erfolgte nur zwei Tage nach dem Ableben von Hermine Bogner, als am 29. März um die Mittagszeit bei Klostermarienberg (Bezirk Oberpullendorf) der erste Soldat der Roten Armee die Reichsgrenze im Zuge Wiener Operation überschritt,[6] bis zum 11. April waren schließlich alle Wiener Stadtbezirke südlich des Donaukanals von den Sowjettruppen besetzt.[7]

Marianne Türk hatte bei dem oben erwähnten Volksgerichtsprozess auch zugegeben, im "Auftrag von Berlin" mitgeholfen zu haben, Dokumente, die auf Euthanasie hinwiesen, aus den Krankenakten entfernt und vernichtet zu haben. Im Zuge des Prozesses wurde sie zu zehn Jahren Haft verurteilt. Zwei Jahre später erfolgte ihre vorzeitliche Entlassung aus dieser aufgrund gesundheitlicher Gründe. 1957 wurde ihr sogar der im Prozess aberkannte Doktortitel wieder zuerkannt. Nach eigenen Worten "wagte sie es aber nicht" in ihren alten Beruf zurückzukehren. Sie starb im hohen Alter von 89 Jahren 2003 in Wien.

Gedenken

Ein Gedenken an Hermine Bogner und an die beiden anderen Pinkafelder Euthanasie-Opfer in Form einer Gedenktafel oder in Form von Stolpersteinen in ihrer Heimatgemeinde gibt es bis dato nicht, wobei gesagt werden muss, dass das Burgenland neben Tirol das einzige Bundesland Österreichs ist, in dem noch keine Stolpersteine verlegt worden sind, welche an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern.

In der Sonderausstellung NS - Euthanasie im Burgenland 2010 des Landesmuseums Burgenland, die später auch im Österreichischen Jüdischen Museum in Eisenstadt zu sehen war, wurde Hermine Bogner speziell erwähnt. So wurde eine Abschrift ihres Briefes an Marianne Türk sowie Kopien von Zeichnungen, die sie erstellt hatte, ausgestellt.

Auf dem Areal des ehemaligen Spiegelgrundes erinnert an die Opfer der Kinder-Euthanasie eine Lichtinstallation vor dem Jugendstiltheater. Die in einem Ehrengrab der Stadt Wien bestatteten Gehirnpräperate der Opfer sind zusätzlich mit Gedenktafeln versehen, auf dem auch Hermine Bogner namentlich erwähnt ist.

Literatur

  • Herbert Brettl und Michael Hess: NS-Euthanasie im Burgenland, Wissenschaftliche Arbeiten aus dem Burgenland (WAB) - Band 136, Verleger: Amt der Burgenländischen Landesregierung, Abteilung 7 - Landesmuseum, Eisenstadt 2015, ISBN 3-85405-179-4

Weblinks

Einzelnachweise

  1.  Herbert Brettl, Michael Hess: NS-Euthanasie im Burgenland. Eisenstadt 2015, ISBN 3854051794, S. 83.
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  3. 3,0 3,1  Herbert Brettl, Michael Hess: NS-Euthanasie im Burgenland. Eisenstadt 2015, ISBN 3854051794, S. 41.
  4.  Herbert Brettl, Michael Hess: NS-Euthanasie im Burgenland. Eisenstadt 2015, ISBN 3854051794, S. 34ff.
  5. Pittermann zur Bestattung der Opfergehirne vom Spiegelgrund, Webseite www.wien.gv.at, abgerufen am 4. Jänner 2018
  6. Manfried Rauchensteiner: Der Krieg in Österreich 1945, Seite 126, Österr. Bundesverlag, Wien 1984, ISBN 3-215-01672-9.
  7. Manfried Rauchensteiner: Der Krieg in Österreich 1945, Seite 179, Österr. Bundesverlag, Wien 1984, ISBN 3-215-01672-9.