Maria Candia

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Das Bild der Madonna von Candia war ein in der Barockzeit viel verehrtes Gnadenbild orientalischen Ursprunges in Wien, das in der Michaelerkirche, die damals von den Barnabiten verwaltet wurde, aufgestellt wurde. Geschichte des Gnadenbildes

Die Legende dieses Bildes geht in der Geschichte weit zurück, denn es wurde vom Urbild Mariens, das angeblich der Apostel Lukas geschaffen hatte, bzw. das sich selbst malte, hergeleitet. Sein Weg führte der völlig unbelegten Überlieferung nach von Jerusalem nach Konstantinopel, wo man dem Bild Siege des Kaisers zuschrieb. Im Jahre 410 sandte der Legende nach Kaiserin Eudoxia – gemeint ist vermutlich Aelia Eudocia Augusta (* um 400; † 20. Oktober 460 in Jerusalem), die Frau Kaiser Theodosius II. (* April 401; † 28. Juli 450) – das Bild an ihre Schwägerin Augusta Aelia Pulcheria (* 19. Jänner 399 in Konstantinopel; † 18. Februar 453 ebenda). Aus dieser Zeit ist auch das erste „Wunder" überliefert – zwei blinde Bettler wurden sehend – was zu einer öffentlichen Verehrung des Bildes führte.

Die Darstellung kam schließlich der Legende nach in die Kirche St. Nikolaus in Candia (heute Iraklio) auf der Insel Kreta, wo sie so sehr verehrt wurde, dass sogar die Tür der Kirche wegen des großen Zustroms der Gläubigen sogar nachts offen bleiben musste.

Als die Stadt Candia von den Osmanen 1648–1669 belagert wurde, schickte Kaiser Leopold I. (* 9. Juni 1640 in Wien; † 5. Mai 1705 ebenda) 1668 unter der Führung Ulrichs von Kielmannsegg Hilfstruppen mit 2.400 Mann nach Kreta. Im Zusammenhang mit dem Schutz vor dem „Erbfeind der Christenheit", den Osmanen ereignete sich angeblich wieder ein Wunder. Das Bild der Madonna fiel während der Wandlung von der Wand der Kirche, da die belagernden osmanischen Truppen einen Stollen zur Sprengung eines Teiles der Stadt gegraben hatten, ihr weiteres Vorhaben wurde dadurch aber verhindert. Trotz dieses vermeintlichen Schutzes des Madonnenbildes wurde 1669 Candia an den Sultan übergeben, die fremden Hilfsvölker zogen ab.

Dem kunsthistorischen Befund nach handelt es sich bei dem Bild um eine Ikone vom Typus Hodegetria von Typus Smolensk I. Maria hält das Kind, das mit der rechten Hand segnet und mit der linken Hand eine Pergamentrolle umfasst (es symbolisiert das fleischgeworden Wort Gottes). Das Wort Hodegetria geht auf ein griechisches Wort für Führer zurück, der blinde Pilger zu einem Gnadenbild, das der Legende nach vom Evangelisten Lukas gemalt wurde, geleitete. Die ursprüngliche Ikone, die vor feindlichen Überfällen schützen sollte, ging 1453 bei der Eroberung von Byzanz verloren. Viele dieser Elemente finden sich auch in der Legende des Wiener Gnadenbildes Maria Candia. Dieses ist vom Typus her verwandt mit einigen berühmten Bildern, nicht nur dem Bild in Smolensk (Russland), sondern auch mit dem Gnadenbild Salus Populi Romani in der Kirche Santa Maria Maggiore in Rom und der Schwarzen Madonna von Tschenstochau/Częstochowa in Polen.

Die Legende, wie dieses Bild nach Wien kam, erzählt nun, dass ein Priester das Bild (oder eine Kopie) bei sich trug und Graf Kielmannsegg bat, auf dem Schiff „Heilige Drei Könige" mit nach Venedig genommen zu werden. Als Dank schenkte er Kielmannsegg das Gnadenbild, dieser ließ eine Reihe von Zypressen schlagen und auch diese mitführen, auf denen das Gnadenbild angebracht werden sollte. Kielmannsegg war 1671 kurz in Wien und wollte sein Vorhaben verwirklichen, was ihm durch seine Bekanntschaft mit dem Barnabiten Don Casimir Dembsky gelang, 1673 wurde das Bild der Madonna von Candia auf einem eigens errichteten Altar aus Zypressenholz ausgesetzt. Als Dembsky 1679 Pestkranke in Wien betreute, steckte er sich dabei an, doch er befahl sich dem Schutz der Madonna von Candia. Diese erschien ihm mit den Pestheiligen Sebastian und Rochus und betete ihm fünf Psalmen vor, die mit Buchstaben des Namens Maria beginnen, und Dembsky wurde dadurch geheilt.

Das Bild wurde in Wien nun noch mehr verehrt und man schrieb ihm viele Gebetserhörungen zu. Viele Drucke und Kupferstiche mit der Abbildung des Gnadenbildes erschienen. Zahlreiche Votivgaben aus Gold und Silber wurden beim Bild hinterlegt – und im Jahre 1726 kam es sogar zu einem Diebstahl dieser Opfergaben, die allerdings wieder beschafft werden konnten. Literatur

   Gugitz, Gustav: Österreichs Gnadenstätten in Kult und Brauch Bd. 1 (Wien 1955) S. 29–31.
   Sas-Zaloziecky, Wladimir: Das Gnadenmuttergottesbild der Michaelerkirche in Wien, in: Jahrbuch der österreichischen byzantinischen Gesellschaft 1 (1951) S. 135–143
   Bergmeier, Gustav u.a.: Michaelerkirche, Wien (Wien 2008)
   Kirchen und pfarr protocoll der kay St. Michaels hof pfarr kirchen in der kay. Und erz-landes-fürstlichen residenz-stadt Wienn deren inhaber das collegium clericorum regularium St. Pauli apostoli vulgo Barnabitarum ad St. Michaelem in Wienn. Von ihren ursprung biß auf gegenwärtige zeiten, dann die in diese kirchen und zur pfarr bis zur reformation gekommenen stiftungen, die einkünfte und ausgaaben, wie auch die inventuren und ihrer zugehör. Zusammen getragen von denen P.P. Barnabiten des collegiums bey St. Michael im jahr 1775 (Archiv Michaelerkirche)
   Kurtzer und wahrhaffter Bericht des vralten, heiligen und grossen gnaden bilds der allerseeligsten jungfrau Gottes gebärrerin Maria so ihr Jesulein auff dem lincken armb haltet, welches im jahr 1669 aus der insel Candia, von der hauptstatt dieses namens hieher in Wienn vberbracht worden, und nun daselbst in der kayserlichen ofarrkirchen des h. ertzengels Michaels der wolehrwürdigen PP. Clericorum regularium S. Pauli, die Barnabiten genannt, mit höchster Andacht und verehrung von allem volck auffbehalten wirdt und wegen vnderschiedlich grosser gnaden, besonders aber wider die pestilentz so im jahr 1679 die kay. haupt- und residenz statt Wienn zu Österreich sehr hat wütend angesteckt, hochberühmbt worden. Durch einen priester des collegii der PP. Barnabiten verfasset und zu druck gegeben (Wien 1681)
   Axenbrunner, Franciscus: Kurtzer und Gründlicher Bericht Von Dem grossen/ heiligen/ und Gnaden-reichen Wunder-Bild Mariä aus Candia, Welches In dem Ertz-Englischen Tempel des Heiligen Michaelis, deren Wohl-Ehrwürdigen PP. Cleric. Reg. Des Heil. Apostels Pauli, der Kayserl. Haupt- Residentz-Stadt Wienn/ von den eyfferigen Volck andächtigst verehret wird/ samt beygesetzten verschiedenen kurtzen Andachen/ und geistreichen Beicht- wie auch Communion-Gebettern (Wien 1731)
   Geistliches Hülfs-Mittel/ Wider Giftige Seuche/ und Pest: oder Andacht/ Zu der Gnaden-reichen Bildnuß Mariae Aus Candia, Welche in der Kaiserlichen Hof-Pfarr-Kirchen deren PP. Clericorum Regularium S. Pauli ad S. Michaëlem in Wien/ auf den ihr errichteten Altar/ in allen Anligenheiten absonderlich aber wider obbemeldtes übel/ von hoch- und niederen Standes-Personen/ andächtig verehret wird (Wien 1738)
   Posch, Waldemar: P. Don Casimir Dembsky aus Neisse und die Pest in Wien 1679, in: Jahrbuch der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau 25 (1984) S. 303–312.
   Das wahrhaftige Antlitz in der Michaelerkirche Artikel von Johann Werfring in der „Wiener Zeitung“ vom 5. Juli 2012, Beilage „ProgrammPunkte“, S. 7.