(Reichs-)Graf Ulrich (II.) von Cilli (auch Cilly oder Cili) (* 1406, in Cilli, damals Grafschaft Cilli; † 9. November 1456, in Belgrad, damals Königreich Ungarn)[1] war ein erfolgreicher Politiker und der Letzte seiner Familie, die große Herrschaften in den Herzogtümern Steier, Kärnten und Krain besaß. Unter König Ladislaus Postumus (1440-1457) herrschte er zeitweise für diesen über das Herzogtum Österreich (ob und unter der Enns). Er gehörte meistens zu den Gegenspielern des späteren Kaisers Friedrich III.

Siegel des Grafen Ulrich von Cilli
Blick auf die Stadt Cilli mit der Burg Obercilli, im 15. Jahrhundert das Zentrum der gleichnamigen Grafschaft

Herkunft und Familie

Graf Ulrich von Cilli stammte aus einer wichtigen Adelsfamilie. Er war ein Enkel des Grafen Hermann (II.) von Cilli[1] und Urenkel des Grafen Heinrich (VII.) von Schaunberg. Gräfin Barbara von Cilli, die zweite Ehefrau des späteren Kaisers Sigismund, war seine Tante[A 1]. Eine ihrer Schwestern war Gräfin Elisabeth von Cilli († zw. Jänner 1436 und vor dem 14. März 1437)[2], die erste Ehefrau des Grafen Heinrich IV. von Görz(-Tirol).

Ulrich war ein Sohn des Grafen Friedrich (II.) von Cilli aus dessen erster Ehe mit Gräfin Elisabeth von Modrusch-Veglia aus dem Haus Frangepán (Frankopan, Frangipani († 1422)[1]. Verheiratet war er seit ca. 1434 mit Katharina Branković, einer Tochter des serbischen Herrschers Georg Branković und Schwester der legendären Mara Branković.[1]. Aus dieser Ehe sind drei Kinder belegt, die alle vor ihm starben.

Leben

Die Erhebung in den Reichsfürstenstand

Um 1435/36[A 3] wurde Ulrich zusammen mit seinem Vater von Kaiser Sigismund in den Reichsfürstenstand erhoben.[1] In der Folge kam es zwischen 1436 und 1443 zu mehreren Fehden mit dem späteren Kaiser Friedrich III. (damals noch Herzog Friedrich V. von Österreich), da dieser nicht bereit war, die (rechtswidrige[A 4]) Erhebung zu dulden. Nachdem sich die Grafen Friedrich und Ulrich 1442 mit (Erz-)Herzog Albrecht VI. von Österreich) verbündet hatten, kam es 1443 zwischen ihnen und dem späteren Kaiser zu einer Einigung.[5] Die Erhebung in den Reichsfürstenstand wurde von Friedrich III. de facto nachträglich anerkannt, in dem er die Grafen von Cilli selbst in diesen erhob und mit Ulrich und dessen Vater einen gegenseitigen Erbvertrag schloss.[6] Friedrich III. nahm Ulrich von Cilli außerdem in seinen äußeren Rat auf, um nach außen hin ein Zeichen für eine angeblich völlige Aussöhnung zu setzen.[7]

Der Kampf um das Erbe nach König Albrecht II.

Nach dem Tod von Kaiser Sigismund († 1437) wurde Ulrich von Cilli 1438 von König Albrecht II. († 1439) zu dessen Statthalter im böhmischen Königreich ernannt.[8] Nach Albrechts Tod unterstützte Ulrich dessen Witwe Elisabeth tatkräftig in ihrem Kampf um die Nachfolge ihres Sohnes Ladislaus Postumus als ungarischen König[A 5]. Unter seinem militärischen Schutz geleitete er Elisabeth zur Krönung von Ladislaus nach Stuhlweißenburg und deckte die Flucht der beiden von dort, wobei er vorübergehend in Gefangenschaft geriet.[8]

In der Folge setzte sich Friedrich III. als Vormund für Ladislaus durch. Die Nachfolge von Ladislaus als Herrscher des Herzogtums Österreich (ob und unter der Enns) wurde seit seiner Geburt anerkannt, seine Herrschaftsansprüche auf die Königreiche Böhmen und Ungarn wurden erst allmählich akzeptiert, nachdem der polnische König Władysław III., der sich in Ungarn als Nachfolger Albrechts II. hatte durchsetzen können, in der Schlacht bei Warna (am 10. November 1444) gefallen war.

Ulrich von Cilli "unter der Herrschaft" von König Ladislaus Postumus

Als Friedrich III. Johann Hunyady zum Reichsverweser des ungarischen Königreichs für Ladislaus ernannte, widersetzte sich Ulrich von Cilli diesem, zusammen mit Hans von Witowec (Jan Vitovec ze Hrebene), der ihm als Feldhauptmann diente.[8] 1452 schloss sich Ulrich von Cilli dem Mailberger Bund an, der nach der Belagerung von Wiener Neustadt im Sommer desselben Jahres die Entlassung von Ladislaus aus Friedrichs Vormundschaft erreichte. Dieser wurde Ulrich von Cilli offiziell von Kaiser Friedrich übergeben[8].[1]

In der Folge konnte sich Ulrich von Cilli, der selbst überregionale politische Interessen im Donauraum verfolgte, als Hauptstütze des jungen Königs behaupten. Das hatte Auseinandersetzungen mit Johann Hunyady im ungarischen Königreich, Georg Podiebrad in böhmischen Königreich und Ulrich von Eitzing im Herzogtum Österreich zu Folge, da diese ebenfalls versuchten, ihren Einfluss auf den noch unmündigen jungen König auszubauen. 1452/1453 und 1455/1456 übte Ulrich von Cilli von der Stadt Wien de facto die Regierung für König Ladislaus Postumus aus. Im Wiener Bürgertum kam es wegen seiner Konflikte mit Ulrich von Eitzing zu einer Spaltung. Während der Wiener Erbbürger und zeitweilige Bürgermeister Konrad Hölzler (der Jüngere) zu Ulrichs Hauptstützen gehörte, trat der Wiener Ratsbürger (und spätere Bürgermeister) Wolfgang Holzer als engagierter Parteigänger von Ulrich von Eitzing hervor. 1453 veranlasste (oder zwang) Ulrich von Eitzing mit Unterstützung von Johann Hunyady König Ladislaus, seinen Onkel Ulrich in die Verbannung zu schicken, doch konnte dieser 1455 nach dem Tod von Johann Hunyady seine Position zurückgewinnen.[1]

Ulrichs Tod und die Folgen

Am 9. November 1456 wurde Ulrich von Cilli in Belgrad, damals der Sitz der Familie Hunyady von Ladislaus (László) Hunyady, dem älteren Sohn von Johann Hunyadi und Bruder des späteren ungarischen Königs Matthias Corvinus (Matthias Hunyady) getötet.[9] Die Umstände seines Todes werden in der neueren Forschung inzwischen sehr unterschiedlich gedeutet. Während die ältere ungarische und österreichische Geschichtsforschung von einem mehr oder weniger gerechtfertigten Notwehrakt ausging, mit dem Ladislaus Hunyady und seine Gefolgsleute einen von Ulrich geplanten Mordanschlag verhindern konnten [A 6], ist in der neueren deutschsprachigen Forschung seit Ende des 20. Jahrhunderts eine gegenteilige Sicht zu finden. Nach dieser wurde Ulrich von Cilli von Ladislaus Hunyadi und dessen Onkel Michael Szilagyi in eine Falle gelockt und kaltblütig ermordet.[6]

Mit Ulrich von Cilli starben die Grafen von Cilli aus, da er alle seine Kinder überlebt hatte.[10] In der Folge kam es zum "Cillier Erbstreit", einer langwierigen Auseinandersetzung um das Erbe der Grafen von Cilli, in dem es Kaiser Friedrich III. gelang, sämtliche Besitzungen der Grafen in seinen landesfürstlichen Herrschaftsgebieten für die Leopoldinische Linie des Haus Österreich (bzw. für sich und seine Nachkommen zu sichern.[10] In den "Cillier Erbstreit" waren außerdem die Grafen von Görz, die ebenfalls Erbansprüche geltend machten, verwickelt. Als Folge von diesem verloren sie ihre Herrschaftsgebiete westlich der Lienzer Klause (Teile des Herzogtums Kärnten) an den Kaiser (Frieden von Pusarnitz). Friedrich III. konnte mit diesem Krieg endgültig seine Herrschaft über die Herzogtümer Steier, Kärnten und Krain sichern, die in der Folge bis 1918 unter der Herrschaft seiner Familie blieben.[6]

Orte mit Bezug zu Graf Ulrich von Cilli im heutigen Österreich

Burgenland

  • Auf der Burg Forchtenstein, die sich bis 1451 im Besitz von Erzherzog Albrecht VI. befand, wurde zwischen diesem, dem Grafen Ulrich und seinem Vater am 13. März 1442 offiziell ein Bündnisvertrag beschlossen, der gegen den späteren Kaiser Friedrich III. (als "innerösterreichischen" Landesfürsten) gerichtet war.[5]

Kärnten

  • Während der "Grünburger Fehde" (1444-1445) eroberte Graf Ulrich 1445 die für die Herrschaft über Oberkärnten strategisch wichtige Weidenburg, die er jedoch wenig später wieder seinem früheren Schwager, dem Grafen Heinrich (IV.) von Görz(-Tirol) überlassen musste.[11]

Niederösterreich

Wien

  • Eine Residenz der Grafen von Cilli in Wien war der Cillierhof. Nach Ulrichs Tod diente er als kaiserliches Zeughaus. Im 16. Jahrhundert wurde das Gebäude abgerissen, danach wurde an seiner Stelle die spätere Amalienburg errichtet.[10]

Ulrich von Cilli als Bühnenfigur

Ulrich von Cilli in zeitgenössischen Quellen

Literatur

  • Paul-Joachim Heinig: Kaiser Friedrich III. (1440–1493) in seiner Zeit. Studien zum 500. Todestag am 19. August 1493/1993 (= Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Bd. 12) Böhlau, Köln u. a., 1993, ISBN 3-412-03793-1, s. Register und besonders Bd. 1, S. 219f.
  • Konstantin Moritz A. Langmaier: Erzherzog Albrecht VI. von Österreich (1418–1463). Ein Fürst im Spannungsfeld von Dynastie, Regionen und Reich (= Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Bd. 38). Böhlau, Köln u.a., 2015, ISBN 978-3-412-50139-6 (Teilweise zugleich: München, Ludwig-Maximilians-Universität, Dissertation, 2013) (digital)
  • Johann Christof Müllner: Die Grafen von Cilli - Aufstieg, Höhepunkt, Ende (1341-1456). Ungedruckte Diplomarbeit, Universität Wien, 2019 digital
  • Franz Theuer: Der Raub der Stephanskrone. Edition Roetzer, Eisenstadt, 1994, ISBN 3-85374-242-4 (mit einer Kurzbiographie, S. 547f.)

Lexika-Artikel

  • Felix Czeike (Hrsg.): Ulrich II. von Cilli. In: Historisches Lexikon Wien. Band 1, Kremayr & Scheriau, Wien 1992, ISBN 3-218-00543-4, S. 576–577. digital
  • Franz von KronesCilli, Grafen von. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Duncker & Humblot, Leipzig, 1876, Bd. 4, S. 257–266 digital (interessant als Quelle für die Geschichtsforschung im 19. Jahrhundert, inhaltlich inzwischen längst von der neueren Forschung überholt)
  • Hans Wagner: Cilli, Grafen von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Duncker & Humblot, Berlin, 1957, Bd. 3, S. 254 f. ISBN 3-428-00184-2 Digitalisat

Weblinks

  Ulrich II. von Cilli – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien auf Wikimedia Commons

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 vgl. Felix Czeike (Hrsg.): Ulrich II. von Cilli. In: Historisches Lexikon Wien. Band 1, Kremayr & Scheriau, Wien 1992, ISBN 3-218-00543-4, S. 576.
  2. vgl. Wilhelm Baum: Die Grafen von Görz in der europäischen Politik des Mittelalters. Kitab, Klagenfurt, 2000, S. 232
  3. vgl. Wilhelm Baum: Die Grafen von Görz in der europäischen Politik des Mittelalters. Kitab, Klagenfurt, 2000. ISBN 978-3902005045, S. 234
  4. vgl. Paul-Joachim Heinig: Kaiser Friedrich III. (1440–1493), Bd. 1, S. 220
  5. 5,0 5,1 vgl. Konstantin Moritz A. Langmaier: Erzherzog Albrecht VI., 2015, S. 34ff. und 68f., zur Vorgeschichte, S. 29f. und 31f.
  6. 6,0 6,1 6,2 vgl. Franz Theuer: Der Raub der Stephanskrone, 1994, S. 539
  7. vgl. Franz Theuer: Der Raub der Stephanskrone, 1994, S. 536
  8. 8,0 8,1 8,2 8,3 vgl. Franz Theuer: Der Raub der Stephanskrone, 1994, S. 538
  9. vgl. Felix Czeike (Hrsg.): Ulrich II. von Cilli. In: Historisches Lexikon Wien. Band 1, Kremayr & Scheriau, Wien 1992, ISBN 3-218-00543-4, S. 576–577.
  10. 10,0 10,1 10,2 vgl. Felix Czeike (Hrsg.): Ulrich II. von Cilli. In: Historisches Lexikon Wien. Band 1, Kremayr & Scheriau, Wien 1992, ISBN 3-218-00543-4, S. 577.
  11. vgl. Wilhelm Baum: Die Grafen von Görz in der europäischen Politik des Mittelalters. Kitab, Klagenfurt, 2000, S. 236f.
  12. vgl. Otto Kurt Knoll: WallfahrtsWegWienerWald(!). Kral-Verlag, Berndorf, 2015, ISBN 978-3-99024-372-5, S. 84f.

Anmerkungen

  1. Durch die Ehe von Kaiser Sigismund mit Ulrichs Tante Barbara war Ulrich ein Cousin ersten Grades von dessen Tochter Elisabeth und ein Onkel zweiten Grades von König Ladislaus Postumus, dem Sohn von dieser Elisabeth und König Albrecht II.
  2. Franz Theuer sieht in diesem letztlich am frühen Tod seiner Tochter gescheiterten Eheprojekt einen Versuch von Ulrich zu einer Aussöhnung mit der Familie Hunyady, vgl. Franz Theuer: Der Raub der Stephanskrone, 1994, S. 538f.
  3. Eine Urkunde datiert die Erhebung der Grafen Hermann, Friedrich und Ulrich von Cilli zu Reichsgrafen auf den 27. September 1435. Offiziell bzw. in "feierlicher Form" erfolgte die Erhebung von Graf Ulrich und seinem Vater allerdings erst im November 1436 während der Pilgerfahrt des späteren Kaisers Friedrich III. nach Jerusalem. Graf Hermann war inzwischen gestorben. Vgl. Franz Theuer: Der Raub der Stephanskrone, 1994, S. 536
  4. Die Erhebung war rechtlich durchaus eine fragwürdige Angelegenheit, da Friedrich V., dessen Herzogtümer davon betroffen war, nach den Gesetzen zu der Erhebung ausdrücklich seine Zustimmung hätte geben müssen. Zudem befand er sich zum Zeitpunkt der Bekanntgabe auf einer Pilgerfahrt. Bis zu seiner Rückkehr wäre der Kaiser rechtlich verpflichtet gewesen, dafür Sorge zu tragen, dass der Länderbestand des Herzogs keine Veränderungen erfuhr. Sigismund und die Grafen von Cilli versuchten diese Rechtsbrüche "de jure" damit zu bemänteln, indem sie behaupteten, dass die Erhebung der Grafen zu Reichsgrafen von Cilli ohnehin bereits im 14. Jahrhundert erfolgt wäre.
  5. In der deutschsprachigen Forschung wird davon ausgegangen, dass Ulrich von Cilli so von Anfang an politischen Einfluss auf Ladislaus gewinnen wollte, vgl. Felix Czeike (Hrsg.): Ulrich II. von Cilli. In: Historisches Lexikon Wien. Band 1, Kremayr & Scheriau, Wien 1992, ISBN 3-218-00543-4, S. 576. Franz Theuer, der vermutet, dass der legendäre "Raub" der Stephanskrone eigentlich seine Idee war und von ihm geplant wurde, sieht Ulrich dagegen als verlässlichste Stütze von Elisabeth und Ladislaus, vgl. Franz Theuer: Der Raub der Stephanskrone, 1994, S. 538
  6. Diese Version findet sich auch in der ungarischen Nationaloper "Hunyadi László"
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