Alpine Peace Crossing – Verein für Sozial- und Flüchtlingshilfe (APC), gegründet von Ernst Löschner im Jahr 2007, ist eine zivilgesellschaftliche Sozial- und Friedensinitiative, die mit der jährlich organisierten Überquerung der Krimmler Tauern auf der alten Route der letzten Judenflucht aus Österreich zwei Jahr nach Ende des Zweiten Weltkriegs gedenkt und gleichzeitig die Situation von Flüchtlingen in der Gegenwart thematisiert. Die drei Schwerpunkte des österreichischen Vereins mit Sitz im Krimml im Land Salzburg und Wien sind die APC-Friedenswanderung und der Krimmler Friedensdialog sowie die APC-Sozial- und Flüchtlingshilfe.

Verein für aktive Gedenk- und Erinnerungskultur APC (Alpine Peace Crossing)
(APC)
Zweck: Gedenk- und Erinnerungskultur
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Gründungsdatum: 2020 (2007)
Sitz: Krimml
ZVR 1811888658 (BMI)
Website: https://alpinepeacecrossing.org
Erinnerungstafel an die Flucht

Geschichte

Ernst Löschner befand sich 2003 auf einer Bergtour (Dreiherrenspitze in den Hohen Tauern), als sein Bergführer Paul Rieder von den tausenden Juden berichtete, die 1947 über den Krimmler Tauern geflohen waren. Fotodokumente im Krimmler Tauernhaus belegten zwar die Behauptung, dennoch wusste kaum jemand von diesem jüdischen Exodus über den 2.634 Meter hohen Pass nach Italien, er war verdrängt und nahezu vergessen.

Löschner nahm die Recherche auf und fand Belege, Experten und Zeitzeugen, allen voran Marko Feingold, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Salzburg. Der 1913 Geborene hatte vier Konzentrationslager überlebt. Zwischen 1945 und 1948 organisierte er mit der jüdischen Flüchtlingsorganisation Bricha die (illegale) Durchreise von Juden aus Mittel- und Osteuropa nach Palästina für jene, die in Lagern für Displaced Persons in Salzburg gestrandet waren. Nachdem Ende 1946 – über Druck der Briten im Protektorat Palästina - die französische Besatzungsmacht in Tirol die Grenze zu Salzburg dicht gemacht hatte, organisierte Feingold die Flucht von über 5.000 Personen aus dem Lager Givat Avoda bei Saalfelden nach Italien über den Krimmler Tauernpass – eine schmale Passage, wo die amerikanische Besatzungszone direkt an Italien grenzte. In Gruppen von bis zu 280 Personen wurden sie nachts mit LKWs nach Krimml verbracht, von wo sie zum Krimmler Tauernhaus aufstiegen. Nach einer Rast, und wieder im Schutz der Dunkelheit, überquerten sie – begleitet vom Bergführer Viktor Knopf - Schneefelder und den felsigen Sattel; auch Kinder und schwangere Frauen waren unter ihnen. Es war eine 15-stündige angsterfüllte Flucht.

Löschner setzte sich in den Kopf, dieses historische Ereignis nicht in Vergessenheit geraten zu lassen und die alte Fluchtroute mit Gleichgesinnten nachzugehen. Mit dem Wirt des Krimmler Tauernhauses, einem Vertreter des Nationalpark Hohe Tauern Salzburg und den Bürgermeistern im Pinzgau und dem Ahrntal, organisierte Ernst Löschner die erste Gedenkwanderung im Juni 2007, zum 60-jährigen Gedenken an die Judenflucht 1947. Die Staatspräsidenten Österreichs und Italiens, Heinz Fischer und Giorgio Napolitano, übernahmen den offiziellen Ehrenschutz und ein Ehrenkomitee von weit über 100 internationalen Persönlichkeiten unterstützte das Projekt, das von Anbeginn neben der Passüberquerung auch ein jährliches Symposion (Krimmler Dialogforum) zu jeweils aktuellen Themen im weltweiten Kontext von Flucht und Migration umfasste.

Anlässlich der ersten Gedächtnisüberquerung des Krimmler Tauern (am 29. Juni 2007) sagte Ernst Löschner:

„Dieser Fußmarsch erfolgt in Erinnerung an die Judenflucht 1947, als 5.000 Menschen auf diesem beschwerlichen Treck den Weg in die Freiheit suchten. Es ist eine Überquerung, die ebenso allen heutigen Menschen auf der Flucht vor politischer, rassischer oder religiöser Verfolgung gewidmet ist, wo immer sich diese auf der Welt manifestiert. Wir verknüpfen damit eine Botschaft des Friedens. Wir teilen den Grundgedanken dieses spirituellen Weges, appellieren an alle Menschen, jenen zu helfen, die auf der Flucht sind. Besonders appellieren wir an alle Politiker und andere Entscheidungsträger dieser Welt, allen Verfolgten zu einem neuen menschenwürdigen Dasein zu verhelfen und vor allem keine Anlässe zuzulassen, die Menschen zur Flucht zwingen.“

Ernst Löschner

Seit 2019 wird der Verein durch einen neuen Vorstand geführt, der aus Historikern, Pädagogen, sowie Studenierenden zusammengesetzt ist. In seiner Arbeit unterstützt wird der Verein zudem durch einen wissenschaftlichen Beirat. Löschner wurde Ehrenobmann.

2019 wurde zudem zum ersten Mal der APC-Friedenspreis vergeben. Damit werden Menschen geehrt, die sich im Bereich des Krimmler Dialogforums, der Flüchtlingshilfe, der Erinnerungskultur, oder in der Sozialhilfe ausgezeichnet haben.

Im Jahr 2020 veröffentlichte der Verein erstmals eine Zeitschrift Alpendistel. Magazin für antifaschistische Gedenkkultur. Gleichzeitig startete der Verein einen Aufruf an die Bevölkerung um Erinnerungsstücke oder Zeitdokumente, die dann in der Zeitschrift des nächsten Jahres zu präsentieren.[1], während der Gedenkmarsch Coronabedingt ausiel.

Die Flucht von 1947

Die Situation für Jüdinnen und Juden in Europa war auch nach Kriegsende 1945 sehr schwierig. So ließen Zwangsumsiedlungen und Enteignungen, sowie die Erinnerung an die schrecklichen Kriegsverbrechen bei vielen Menschen den Wunsch nach Flucht und Neuanfang entstehen - ihr Ziel: Palästina (Eretz Israel). So trieb es damals viel Menschen zur Fluch. Einen großen Anteil dieser Flüchtenden machten, unter anderem durch das Pogrom von Kielce bedingt, Jüdinnen und Juden aus Polen aus. Sie fanden als sogenannte "Displaced Persons" Platz in sogenannten DP-Lagern. Eines dieser Lager, das Transitlager Givat Avoda, befand sich von 1946 bis 1948 in Saalfelden und wurde zum Startpunkt vieler Menschen über den Krimmler Tauern.

Organisiert von der jüdischen Fluchtorganisation Bricha führte die Route von Saalfelden aus über den 2.634 Meter hohen Krimmler Tauern direkt nach Italien, um die französische Besatzungszone zu umgehen und um von dort aus nach Genua zu gelangen, von wo Schiffe die Flüchtenden in Richtung Palästina brachten.

Zwei bis dreimal pro Woche passierten auf diesem Weg ungefähr 200 bis 300 Flüchtende diese Route. Wie viele Menschen insgesamt tatsächlich auf dieser Strecke nach Italien geflüchtet sind, lässt sich heute nur schwer feststellen, Schätzungen variieren zwischen 5000 und 8000 Flüchtenden.

Gedenkveranstaltungen

Die Gedenkwanderung findet seither an jedem letzten Wochenende im Juni statt. 2017 – 70 Jahre nach der historischen Flucht – brachen 320 Teilnehmer mit Bundespräsident Alexander van der Bellen und die Botschafterin des Staates Israel in Österreich, Talya Lador-Fresher, vom Krimmler Tauernhaus in Richtung Passhöhe auf, nachdem der inzwischen 104-jährige Marko Feingold alle Anwesenden begrüßt hatte. Jedes Jahr begleiten noch Zeitzeugen und deren Nachkommen aus Israel, Europa und den USA den Zug über den Pass; in Österreich lebende Flüchtlinge von Zentralasien bis Westafrika wandern bis zur Staatsgrenze mit und werden bei der Windbachalm eingeladen, auch von ihren Erlebnissen zu berichten. Prominente Teilnehmer an der Wanderung waren neben dem österreichischen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen im Jahr 2017, auch die die israelischen Botschafter in Österreich seit 2007, zuletzt mit Mordechai Rodgold, der 2021 auch an den Gedenkveranstaltungen in Saalfelden und Krimml teilnahm. Auch der Holocaustüberlebende Marko Feingold, der seit 2007 Ehrenmitglied des Vereins Alpine Peace Crossing war, besuchte die Gedenkveranstaltungen regelmäßig.

Die APC-Gedenkwanderung ist inzwischen als Institution etabliert, ebenso wie der Krimmler Dialogforum, der am Vorabend der Wanderung stattfindet. Das Symposion widmet sich tagespolitisch aktuellen Themen; Wissenschaftler, Autoren und Ehrengäste führen den Diskurs auf höchstem Niveau. Das interaktive Teatro Caprile ergänzt das Programm mit der dramaturgischen Inszenierung der Judenflucht an Originalschauplätzen.[2]

Gedenkpyramiden

Als manifestes Symbol für die Leiden und Hoffnungen von Menschen auf der Flucht markieren sieben dreisprachige Gedenkpyramiden in Zusammenarbeit mit dem Nationalpark Hohe Tauern entlang der historischen Fluchtroute des jüdischen Exodus des Jahres 1947 von Krimml bis Kasern in Südtirol die Emotionen der damaligen jüdischen Flüchtlinge.[3]

Im Jahr 2021 wurde zusätzlich eine achte Gedenkpyramide in Saalfelden vor dem ehemaligen DP-Lager Givat Avoda enthüllt. Zudem stiftete der israelische Künstler Moshe Frumin, der als Kind selbst ein Jahr im Lager verbracht hatte, sein Design einer Statue in Form einer Davidsharfe, die im selben Zuge enthüllt wurde. Auf den ersten sieben installierten Pyramiden sind beschreibende Texte mit Informationen über die Flucht auf Englisch, Deutsch und Italienisch, sowie auf der achten Pyramide in Saalfelden auf Hebräisch statt auf Italienisch zu finden.

Alpendistel. Magazin für antifaschistische Gedenkkultur

Seit dem Jahr 2020 veröffentlicht APC ein Mal jährlich ein vereinseigenes Magazin unter dem Namen „ Alpendistel. Magazin für antifaschistische Gedenkkultur “. Das Magazin, das im Print, sowie im Onlineformat erscheint, umfasst verschiedene Textbeiträge zu einem aktuellen Leitthema, das zudem auch den Schwerpunkt der jährlich stattfindenden Gedenkveranstaltungen mitbestimmt.

Bisherige Ausgaben der “Alpendistel. Magazin für antifaschistische Gedenkkultur”:

25. Juni 2020 „Im Schatten der Berge. Antisemitismus gestern und heute“
15. April 2021 „(K)eine Welt von gestern. Der herausfordernde Umgang mit Erinnerungen


Erinnerungsarbeit

Alpine Peace Crossing setzt einen Fokus seiner Arbeit auf die Erinnerungsarbeit. So organisierte der Verein 2020 beispielsweise

So organisierte der Verein 2020 beispielsweise eine Aktion gegen NS-belastete Straßen und Plätze in Salzburg. Beim sogenannten „Memory gegen das Vergessen“ wurden Passanten dazu eingeladen, sich über noch immer nach Nationalsozialisten benannten Straßen und Plätze der Stadt zu informieren und diese in einem auf dem Residenzplatz ausgelegten Memory-Spiel zu sortieren. Seit Anfang 2021 wird auf den Social-Media-Kanälen (Facebook, Instagram, Twitter) des Vereins zudem jede Woche eine belastete Straße vorgestellt.

Weiteres Engagement zeigt der Verein im Fall Franz Bodmann. Alpine Peace Crossing kritisiert die Ehrung des SS-Arztes Bodmann, der auch in Auschwitz tätig war, auf dem Ehrenfriedhof in Lend (Salzburg) scharf.

Hain der Flucht

Der Hain der Flucht stellt einen Gedenkort auf der Route der Gedenkwanderung dar und wurde in Zusammenarbeit mit dem Nationalpark Hohe Tauern auf einer Almwiese im Krimmler Achental installiert. Er ist allen Menschen auf der Flucht gewidmet und stellt eine Botschaft der Hoffnung dar,

Die Einweihung des Hains erfolgte am 17. Oktober 2017 zum damaligen 10-jährigen Bestehen von APC im Rahmen eines Festaktes zur Erinnerung an 70 Jahre des jüdischen Exodus 1947.Der Verein ließ 7x7 Bäume, 2 Natursteine und 1 Prisma errichten der Menschen gewidmet ist, die entweder selbst Flucht erfahren haben oder sich vorbildlich für Menschen auf der Flucht und den Frieden im Allgemeinen eingesetzt haben/einsetzen (die inter-religiöse Einweihung erfolgte am 17. Oktober 2017).[4]

Eindrücke der Friedenswanderung im Jahr 2011


Einzelnachweise

  1. Erinnerungen an Flucht von 5.000 Juden gesucht auf ORF-science vom 20. August 2020 abgerufen am 20. August 2020
  2. Theaterwanderung auf Zillertal Arena abgerufen am 1. Mai 2018
  3. Metallschilder für Alpine Peace Crossing auf https://www.stainer.co.at/ vom 20. Februar 2017 abgerufen am 23. Juni 2020
  4. Mahnmal in Krimml erinnert an die Flucht Tausender Juden im Archiv der Salzburger Nachrichten vom 18. Oktober 2017 abgerufen am 23. Juni 2020

Weblinks

  Alpine Peace Crossing – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien auf Wikimedia Commons