Reinhard von Wehingen (* im 14. Jahrhundert; † 3. Mai 1394[1]), auch Reinhard von Vaihingen oder Reinhard von Wähingen, war oberste "Türhüter" des Herzogtums Österreich.

Herkunft und Familie

Reinhard von Wehingen stammte aus einer in der Reichslandschaft Schwaben ansässigen Ministerialenfamilie, die sich nach ihrer Stammburg in Wehingen benannte. Die Mitglieder der Familie standen meistens im Dienst der Grafen von Hohenberg und später, nachdem die Grafschaft Hohenberg im 14. Jahrhundert durch Kauf in den Besitz der Herzöge von Österreich (Habsburger) gekommen war, in deren Diensten.[2] Hugo von Wehingen verkaufte Mitte des 14. Jahrhunderts die Stammburg der Familie an Herzog Albrecht (II.) von Österreich ("Albrecht dem Lahmen") und ließ sich im heutigen Niederösterreich nieder. 1353 übernahm seine Familie die landesfürstliche Burg von Klosterneuburg als Pfandschaft.[3]

Reinhard von Wehingen war einer der Söhne von Hugo von Wehingen aus dessen Ehe mit Agnes und ein Bruder von Berthold von Wehingen, dem legendären Kanzler der Herzöge von Österreich und Dompropst des Domkapitels von St. Stephan in Wien.

Reinhard von Wehingen war dreimal verheiratet:
∞ in 1. Ehe mit Agnes, der Witwe des Patriziers Gundolt Tutz[4]. Dieser war ein angesehener Bürger von Klosterneuburg. Er stiftete dort ein Seelhaus und war 1347-1349 der Stadtrichter. Mit dieser Ehe heiratete Reinhard von Wehingen in die Oberschicht von Klosterneuburg ein.[5]
∞ in 2. Ehe mit Elisabeth von Traun[4]


∞ in 3. Ehe mit Gertrud der Schenkin, einer "Hofjungfrau" vom Hof des Herzogs Albrecht (III.) mit dem Zopfe. Sie war eine Nachfahrin von Marquard von Gereut (später Teil des Vorortes Mauer und heute des 23. Wiener Gemeindebezirks), dem Kellermeister des Böhmenkönigs Ottokar.[4]

Er war der Stiefvater des Klosterneuburger Bürgers Michael Tutz, der 1385 die Säule am Klosterplatz stiftete,[6] und außerdem von Georg Tutz.[7] Eine seiner Stieftöchter heiratete den Sohn des Wiener Bürgermeisters Lukas Popfinger.[8]

Außer seinen Stiefkindern hatte er mindestens drei eigene Söhne:[7]

  • (1. Ehe[A 1]) Alber (Albrecht) von Wehingen († um / nach 1394)
  • (3. Ehe?) Leopold von Wehingen (* um 1380; † nach 1394)
  • (3. Ehe?) Berthold von Wehingen (* um 1380; † nach 1394)

Angeblich hatte er noch zwei weitere Söhne, Reinhard von Wehingen und Kadold von Wehingen, die aber nicht urkundlich belegt sind.[4] Möglicherweise war er auch der Vater von Thomas von Wehingen († um 1464).[7]

Leben

Reinhard von Wehingen begann seine Karriere am Hof von Herzog Rudolf (IV.) von Österreich ("Rudolf dem Stifter"). Im Oktober 1365 wurde er Kammermeister von Herzog Albrecht (III.) von Österreich ("Albrecht mit dem Zopfe") Binnen weniger Jahre etablierte er sich als einer der engsten Vertrauten dieses Herzogs. Als solcher trat er, der gute Kontakte zu den wichtigsten Finanzkreisen besaß, häufig als Bürge für den Herzog auf[8] 1369 wurde er Hofmeister von [[Leopold III. (Habsburg)|Herzog Leopold (III.) von Österreich ("Leopold dem Gerechten"). Juli 1369-Februar 1370 begleitete er diesen auf seinem ersten großen Zug in die "Oberen Lande", wo er gemeinsam mit Albrechts damaligen Kanzler Johann Ribi die relevanten Aufgaben ausführte. Nach dem Herrschaftsumritt der Herzöge Albrecht (III.) und Leopold (III.) kehrte er mit diesen im Mai 1370 wieder nach Wien zurück.[3] Im August 1372 ist Reinhard von Wehingen dann letztmals als Hofmeister von Herzog Leopold (III.) bezeugt.[9]

Reinhard von Wehingen war seit 1374 Landvogt der Herzöge von Österreich (Habsburger) im Aargau und im Thurgau. 1389 wurde er Landvogt und Hauptmann in den "Oberen Landen"[A 2]. 1384 übernahm er das Amt des obersten "Türhüters" des Herzogtums Österreich.[10] Außerdem war er herzoglicher Hofmeister und Landvogt.

Vermögensverhältnisse

Reinhard von Wehingen erbte die an seine Eltern verpfändete landesfürstliche Burg in Klosterneuburg. Er befand sich im "Nutzgenuss" der Herrschaften Reineck (in der Grafschaft Tirol), die ihm am 9. März 1370 als "Leibgeding" verschrieben worden war[8], Gösting (heute Teil der Stadt Graz, im Herzogtum Steier und der Feste Bernhardsthal (Herzogtum Österreich).[10] Außerdem besaß er die Feste Sallingberg und Liegenschaften in Atzenbrugg sowie ein Haus in Wien (heute: 1.Wiener Gemeindebezirk, Teinfaltstraße 4).[11] Am 25. Juni 1371 verkaufte ihm der jüdische Großfinanzier David Steuss, der aus der Judengemeinde von Klosterneuburg stammte, die Feste Tulbing, wobei die Hintergründe dieses Kaufes bisher nicht näher erforscht sind.[12]

Erinnerungen

Reinhard von Wehingen ist in einer Kapelle (Weihe 1394) im Kreuzgang des Stiftes Klosterneuburg, der "Wehingerkapelle" oder "Freisinger Kapelle", gemeinsam mit seinem Bruder Berthold, beigesetzt. Ihre Grabmäler sind erhalten.[2][13]

Literatur

  • Christian Lackner: Hof und Herrschaft. Rat, Kanzlei und Regierung der österreichischen Herzöge (1365-1406) (= Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung. Erg.Bd. 41). R. Oldenbourg Verlag, Wien / München, 2002. ISBN 3-7029-0456-5
  • Oskar Mitis: Die schwäbischen Herren von Wehingen in Österreich — ein Beispiel für Familienwanderung im Mittelalter. In: Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich. Ser. NF. Bd. 23, 1930, S. 77-92 digital

Einzelnachweise

  1. vgl. Oskar Mitis: Die schwäbischen Herren von Wehingen in Österreich, S. 82
  2. 2,0 2,1 vgl. Wehingen, Wehingen.DE, abgerufen am 27. Dezember 2018
  3. 3,0 3,1 3,2 vgl. Christian Lackner: Hof und Herrschaft, 2002, S. 68
  4. 4,0 4,1 4,2 4,3 vgl. Oskar Mitis: Die schwäbischen Herren von Wehingen in Österreich, S. 79
  5. vgl. Christian Lackner: Hof und Herrschaft, 2002, S. 68f.
  6. vgl. Oskar Mitis: Die schwäbischen Herren von Wehingen in Österreich, S. 81
  7. 7,0 7,1 7,2 vgl. Oskar Mitis: Die schwäbischen Herren von Wehingen in Österreich, S. 83
  8. 8,0 8,1 8,2 vgl. Christian Lackner: Hof und Herrschaft, 2002, S. 69
  9. vgl. Christian Lackner: Hof und Herrschaft, 2002, S. 70
  10. 10,0 10,1 vgl. Oskar Mitis: Die schwäbischen Herren von Wehingen in Österreich, S. 80
  11. vgl. Oskar Mitis: Die schwäbischen Herren von Wehingen in Österreich, S. 81
  12. vgl. Christian Lackner: Hof und Herrschaft, 2002, S. 69, mit Fußnote 97
  13. vgl. Stift Klosterneuburg, Taterman.AT, abgerufen am 27. Dezember 2018

Anmerkungen

  1. Nach Oskar Mitis stammten vermutlich alle drei Söhne aus der dritten Ehe. Nach Christian Lackner war Alber bzw. Albrecht jedoch aus der ersten Ehe seines Vaters. Vgl. Christian Lackner: Hof und Herrschaft, 2002, S. 68
  2. Zu den "Obern Lande" zählten die damaligen Besitzungen der Herzöge von Österreich in der Reichslandschaft Schwaben, im Thurgau, im Aargau, im Sundgau, im Elsass, im Breisgau und auf dem Schwarzwald