Ulrich (II.) von Kapellen (* im 13. Jahrhundert, vor / um 1250; † 9. April 1301, vermutlich in Wien)[A 1], auch Ulricus de Capella oder Ulrich von Kapellen "der Jüngere", genannt Ulrich der Lange beziehungsweise der hinkende, lange Kapeller, war ein Adliger des Herzogtums Österreich und gilt als die schillerndste Persönlichkeit der Familie der Kapeller. Unter König Rudolf I. wurde er dort Landrichter "ob der Enns"[A 2]. Ulrich (II.) von Kapellen darf nicht mit seinem gleichnamigen Onkel und seinem gleichnamigen Cousin verwechselt werden.

Herkunft und Familie

Ulrich (II.) von Kapellen entstammte der Familie der Kapeller, einer edelfreien Familie, deren Aufstieg als Ministeriale[A 3] der Markgrafen von Steier begann. Unter den Habsburgern spielten die Kapeller im Spätmittelalter eine wichtige Rolle in der Landespolitik des Herzogtums Österreich. Anfang des 15. Jahrhunderts starben sie in "männlicher" Linie aus und wurden von den Familien der Liechtensteiner und der Dachsberger beerbt.[1]

Ulrich (II.) von Kapellen war der Sohn von Pilgrim von Kapellen.[2] Er war dreimal verheiratet, wobei die Herkunft seiner Ehefrauen nicht eindeutig geklärt ist. Er begründete, gemeinsam mit seinem Vater den "Steyregger Familienzweig" der Kapeller und hatte aus seinen Ehen mehrere Kinder.

∞ in 1. Ehe mit Gerdrudis (Gertraud, Gertrud) († nach dem Juni 1276), entweder eine Tochter von Ulrich von Lonsdorf (Lonstorf) oder eine Schwester von Gundaker, Dietmar und Ulrich von Losenstein[3] Eine Theorie, wonach sie eine Wallseerin war, wird von der Geschichtsforschung inzwischen verworfen.[4]
  • Leukardia / Liutgard (Elisabeth?) von Kapellen († nach 1295, vermutlich erst um 1334) ∞ vor dem 6. Jänner 1284 mit Otto (I.) von Zelking († 1318)[5]
∞ in 2. Ehe (vor dem 3. März 1277[4]) mit Elisabeth († um 1284), entweder eine Zelkingerin oder eine Tochter von Truchsess Heinrich von Kreuzenstein und Lengbach.[6]
  • (vermutlich aus seiner 2. Ehe) Sophie von Kapellen (* vor / um 1281) ∞ mit Marquart von Mistelbach[7]
  • (vermutlich aus seiner 2. Ehe) Petrissa von Kapellen (* nach 1284) ∞ mit Heinrich von Stubenberg[8]
∞ in 3. Ehe (um 1287[9]) mit Margaretha von Falkenberg († um / nach 1345)

Über die Eheschließungen seiner Nichten Berta und Mechthild von Starhemberg war er mit Konrad von Summerau († um 1297/98), dem Burghauptmann zu Enns, und Gottschalk (IV.) von Neitberg († nach 1291) verwandt.[11]

Leben

Ulrich (II.) von Kapellen, urkundlich zwischen 1267 und 1301 genannt[10], hatte umfangreichen Besitz im unteren Mühlviertel, den er wesentlich vergrößerte.[12] Er war ein Parteigänger von König Rudolf I. und soll sich in der Schlacht auf dem Marchfeld (26. August 1278) besonders hervorgetan haben.[13][14] Angeblich war er es, der die Schlacht mit einer als fragwürdig eingestuften Reiterattacke der Reservetruppen entschied.[15][16] Unter König Rudolf wurde er Landrichter und (Landes-)Hauptmann des Herzogtums Österreich (ob der Enns).[12] Nach den erhaltenen Urkunden hielt er sich häufig im Umfeld von König Rudolf auf und bezeugte mehrere wichtige Staatsakte des Königs, so zum Beispiel die Belehnung von Rudolfs Söhnen Albrecht († 1308) und Rudolf († 1290) mit den Herzogtümern Österreich und Steier. Bei den Konflikten zwischen den Landherren der Herzogtümer mit Rudolfs Sohn Albrecht (I.) dürfte er zurückhaltend agiert haben.[14] Ob ihm dieser nach dem Tod seines Vaters, gemeinsam mit Friedrich von Lengbach, sein Vertrauen entzogen hat, wie die "Steirische Reimchronik" zumindest andeutet, lässt sich aufgrund dessen, dass er auch in den Jahren danach noch für Herzog Albrecht (I.) tätig war, nicht wirklich bestätigen.[17] Noch im Februar 1298 war er an den Verhandlungen zwischen Herzog Albrecht (I.), den Herzögen von Bayern und dem Fürstbischof von Passau beteiligt. Trotz seines Alters könnte er sogar noch an der Schlacht bei Göllheim (2. Juli 1298) teilgenommen haben.[18]

Am 17. Juli 1273 wurde Ulrich (II.) von Kapellen, der vermutlich am Feldzug des "Böhmenkönigs" Ottokar II. († 1278) gegen die Ungarn teilgenommen hatte[19], bei Preßburg von diesem mit zwei Höfen zu Tabra (heute als als Tobra eine Kastralgemeinde von Pergkirchen) belehnt.[14] Dabei handelte es sich um landesfürstlichen Besitz, der einst den Herren von Machland gehört hatte. Die beiden Höfen dürften eine Erweiterung von Besitz gewesen sein, der Ulrich (II.) von Kapellen bereits gehörte und den er wenig später durch ein Tauschgeschäft mit Konrad von Volkensdorf, das ebenfalls landesfürstlichen Besitz betraf, vergrößern konnte.[20] Am 6. Juni 1276 stiftete er Einkünfte in Zelitz und im Machland zur Vollendung und Dotierung einer Kapelle in der Kirche zu Baumgartenberg.[19] Diese hatte er als seine Grablege vorgesehen. Zum Zeitpunkt dieser Stiftung muss seine erste Ehefrau Gerdrudis noch am Leben gewesen sein.[4]

1277 übertrug ihm Gottschalk (IV.) von Neitperg, vielleicht aufgrund ihrer Verwandtschaft, einen Teil seiner Güter in Königswiesen.[11] Damit konnte Ulrich (II.) seine Besitzungen im Machland wesentlich in Richtung Norden weiter ausbauen.[21] Um 1280 kaufte Ulrich (II.) von Kapellen die Burg Steyregg (heute Teil der Gemeinde Steyregg) von Liutold († 1812) und Heinrich († 1286) von Kuenring, zu dieser Zeit ein Lehen des Hochstiftes Passau.[22] Mit dieser Erwerbung vergrößerte er seine Besitzungen im Machland in Richtung Süden.[21]vgl. Heribert Raidl: Die Herren von Kapellen, 2002, S. 79</ref> Die wohl wichtigste Erwerbung von Ulrich (II.) war jedoch das Landgericht Machfeld, welches ihm König Rudolf I. am 2. Mai 1281 in Wien verpfändete. Die Verpfändung wurde von Rudolfs Nachfolgern im Herzogtum Österreich immer wieder bestätigt und verblieb somit im Besitz von Ulrichs Familie bis zu ihrem Aussterben in "männlicher Linie".[23] Ulrich wurde unter König Rudolf I. außerdem dessen Hauptmann von Steyr und war seit Juli 1281 auch dessen Landrichter ob der Enns.[24] In den Jahren danach gelangen ihm noch weitere wichtige Erwerbungen.[25]

Ulrich (II.) von Kapellen erwarb außerdem Besitzungen in Gumpendorf (heute Teil des 6. Wiener Gemeindebezirks), wo er seine letzten Lebensjahre verbracht haben dürfte, und ließ sich in der Stadt Wien[A 4] auf dem Platz "Am Hof" bei der Kapelle St. Pankraz ein Haus erbauen. Nach seinem Tod wurde er nach Felix Czeike in der Kirche "Zum Heiligen Ägidius" in Gumpendorf beigesetzt. Zu seinem Totengedenken hatte er verfügt, dass dort täglich zwei Messen für ihn gelesen werden sollten.[13] Nach Heribert Raidl soll er dagegen in der Kapelle im Stift Baumgartenberg, wo er die neue Familiengrablege angelegt hatte, beigesetzt worden sein.[4]

Ulrichs Erscheinungsbild nach den "zeitgenössischen" Quellen

Da er immer wieder als der "lange Kapeller" bezeichnet wird, dürfte er körperlich eine mächtige Statur gehabt haben. Die "Steirische Reimchronik", die Ottokar aus der Gaal († zwischen 1318 und 1322) zugeschrieben wird, und Seifried Helbling († 14. Jahrhundert) berichten, dass er wegen eines Gebrechens an seinem Bein hinkte, was ihn aber keineswegs an seinen kriegerischen Unternehmungen behindert haben soll. Offen bleibt in beiden Quellen, ob dieses Gebrechen angeboren oder die Folge einer Verwundung beziehungsweise eines Unfalls war.[14]

Literatur

  • Anton Harrer: Die Herren und Frauen von Zelking. Eine Spurensuche. Melk, 2016
  • Heribert Raidl: Die Herren von Kapellen. (Ungedruckte) Dissertation, Universität Wien, 2002

Weblinks

Ulrich von Kapellen im Wien Geschichte Wiki der Stadt Wien

Einzelnachweise

  1. vgl. Anna Maria Sigmund: Die Tursen von Lichtenfels. Geschichte und Genealogie eines niederösterreichischen Ministerialengeschleches. (Ungedruckte) Dissertation, Wien, 1981, S. 149, mit Fußnote 14
  2. vgl. Heribert Raidl: Die Herren von Kapellen, 2002, S. 46
  3. vgl. Anton Harrer: Die Herren und Frauen von Zelking, 2016, S. 48f.
  4. 4,0 4,1 4,2 4,3 vgl. Heribert Raidl: Die Herren von Kapellen, 2002, S. 101
  5. vgl. Heribert Raidl: Die Herren von Kapellen, 2002, S. 72 und S. 101
  6. vgl. Anton Harrer: Die Herren und Frauen von Zelking, 2016, S. 48. Auch Heribert Raidl geht von einer Zelkingerin aus dem Familienzweig, der sich nach der Herrschaft Schallaburg (Schala) benannte, aus. Vgl. Heribert Raidl: Die Herren von Kapellen, 2002, S. 101
  7. vgl. Heribert Raidl: Die Herren von Kapellen, 2002, S. 72 und S. 101
  8. vgl. Heribert Raidl: Die Herren von Kapellen, 2002, S. 72 und S. 101f.
  9. vgl. Heribert Raidl: Die Herren von Kapellen, 2002, S. 102
  10. 10,0 10,1 vgl. Heribert Raidl: Die Herren von Kapellen, 2002, S. 72
  11. 11,0 11,1 vgl. Heribert Raidl: Die Herren von Kapellen, 2002, S. 78
  12. 12,0 12,1 Referenzfehler: Es ist ein ungültiger <ref>-Tag vorhanden: Für die Referenz namens harrer49 wurde kein Text angegeben.
  13. 13,0 13,1 vgl. Ulrich von Kapellen im Wien Geschichte Wiki der Stadt Wien
  14. 14,0 14,1 14,2 14,3 vgl. Heribert Raidl: Die Herren von Kapellen, 2002, S. 73
  15. vgl. Maximilian Weltin: Landesfürst und Adel - Österreichs Werden. In: Heinz Dopsch - Karl Brunner - Maximilian Weltin (Hrsg.): Österreichische Geschichte 1122–1278. Die Länder und das Reich. Der Ostalpenraum im Hochmittelalter. Verlag Ueberreuter, Wien, 1999. ISBN 3-8000-3525-1, S. 260
  16. vgl. Heribert Raidl: Die Herren von Kapellen, 2002, S. 76f.
  17. vgl. Heribert Raidl: Die Herren von Kapellen, 2002, S. 91ff.
  18. vgl. Heribert Raidl: Die Herren von Kapellen, 2002, S. 98
  19. 19,0 19,1 vgl. Heribert Raidl: Die Herren von Kapellen, 2002, S. 74
  20. vgl. Heribert Raidl: Die Herren von Kapellen, 2002, S. 73f.
  21. 21,0 21,1 vgl. Heribert Raidl: Die Herren von Kapellen, 2002, S. 79
  22. vgl. Heribert Raidl: Die Herren von Kapellen, 2002, S. 48
  23. vgl. Heribert Raidl: Die Herren von Kapellen, 2002, S. 79f.
  24. vgl. Heribert Raidl: Die Herren von Kapellen, 2002, S. 80
  25. vgl. Heribert Raidl: Die Herren von Kapellen, 2002, besonders S. 91, S. 94f. und S. 96f.

Anmerkungen

  1. Angaben zu Geburts- und Sterbedaten nach Heribert Raidl: Die Herren von Kapellen, 2002, S. 73. Als seine Quelle für das Sterbedatum nennt dieser den Nekrolog von Stift St. Florian.
  2. Der Landrichter ob der Enns gilt als ein Vorläufer der späteren Landeshauptleute des Bundeslandes Niederösterreich.
  3. Die Ministerialen, auch als "Dienstadel" bezeichnet, bildeten im Mittelalter innerhalb des "niederen" Adels eine eigene Gruppe. Ursprünglich "Unfreie", waren sie durch ein Dienst- oder Lehnsverhältnis in den "niederen" Adel aufgestiegen, im Unterschied zu den "edelfreien" oder "hochfreien" Adelsfamilien.
  4. Die Stadt Wien war damals die größte Stadt im Herzogtum Österreich und gehörte zu dessen Landständen. Sie war unter der Herrschaft der Babenberger seit Herzog Heinrich (II.) ("Heinrich Jasomirgott") Sitz des Herzogs von Österreich und gehörte zu den wichtigsten Residenzen der Habsburger. Im 15. Jahrhundert behauptete Wien sich als Hauptstadt des Herzogtums Österreich "unter der Enns", aber erst im 17. Jahrhundert wurde es die Hauptstadt des "Habsburgerreiches". Bis Mitte des 19. Jahrhunderts umfasste die Stadt Wien im Wesentlichen jenen Stadtteil, der heute den ersten Bezirk bildet. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden durch Eingemeindung die Wiener Bezirke 2-9. Ende des 19. Jahrhunderts beziehungsweise in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstanden durch Eingemeindung die Bezirke 10-23.
Überregionale Aspekte dieses Themas werden auch in der Wikipedia unter dem Titel Ulrich von Kapellen behandelt.
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