Jüdische Gemeinde Kobersdorf

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Die Jüdische Gemeinde Kobersdorf gehörte zu den Siebengemeinden auf dem Gebiet des heutigen Burgenlandes, welche unter dem Schutz der Magnatenfamilie Esterházy nach 1670 bis zu ihrer Zerschlagung durch den Nationalsozialismus im Jahr 1938 ein relativ eigenständiges Gemeindeleben hatte entwickeln können. Die ersten Juden kamen aber bereits um 1526[1] nach Kobersdorf, nachdem sie nach der ungarischen Niederlage bei der Schlacht bei Mohács aus Ödenburg vertrieben wurden.[2] Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich wurde binnen weniger Wochen eine 400-jährige geschichtliche Epoche der Gemeinde Kobersdorf für immer zerstört.

Geschichte der jüdischen Gemeinde

Von der Entstehung bis zur Zeit des Nationalsozialismus

Die Geschichte der Juden im Burgenland begann in anderen Gemeinden wie Eisenstadt oder Mattersburg schon um einige Jahrzehnte früher. Für die Ansiedlung der Juden in Kobersdorf war die Niederlage der Ungarn gegen die Osmanen verantwortlich, die als nationales Trauma in die Geschichte Ungarns einging und in deren Folge die Juden aus Städten und Festungen vertrieben wurden. Im 16. Jahrhundert dürfte in Kobersdorf eine voll ausgebildete Gemeinde mit Synagoge, Friedhof, Schächter, Schulsinger und Gemeindegericht existiert haben. 1569 lebten 18 jüdische Familien in sieben Häusern. Die Gemeinde war ebenso wie die Wiener Juden vom Vertreibungsdekret von Kaiser Leopold I. betroffen. Die Kobersdorf Juden durften aber gegen Entrichtung von Gebühren unter dem Schutz von Fürst Paul Esterházy und seiner Nachfahren wieder im Dorf leben.[1]

Stationen der Emanzipation der Kobersdorfer Juden waren das Toleranzpatent[3] von Kaiser Joseph II., der Erhalt der ungarischen Staatsbürgerschaft während des Ungarischen Unabhängigkeitskrieges von 1848/49 sowie die endgültige Gleichstellung am 20. Dezember 1867 in Folge des Österreich-Ungarischen Ausgleiches.

Im 19. Jahrhundert galt Kobersdorf wegen des bekannten Mineralwassers als beliebter Kurort unter den Siebengemeinden und die Gemeinde bemühte sich um jüdische Kurgäste. 1860 wurde gegenüber dem Schloss die Synagoge im Stil des Historismus gebaut.[4]

Zerstörung der Gemeinde 1938

Nach dem Anschluss Österreichs im März 1938 übernahm Tobias Portschy als Gauleiter die Macht im Burgenland. Am 2. April forderte er neben der Lösung der Zigeunerfrage auch die Lösung der Judenfrage, die nun folgende Entwicklung führte dazu, dass eine dreihundertjährige kontinuierliche Entwicklung in wenigen Wochen für immer unterbrochen wurde.[5]

Was nun folgte berichtete im Jahr 2005 der Präsident des Bundesrates Georg Pehm in einer Rede anläßlich einer Gedenkfeier für die Opfer des Nationalsozialismus im Parlament:[5]

„Dort haben eines Tages vor dem Krieg Kinder aus dem Dorf auf einer Mauer sitzen und mitansehen müssen, wie jüdische Bürgerinnen und Bürger aus Kobersdorf gedemütigt, verspottet und misshandelt wurden. Noch waren die Juden aus ihrem Heimatort nicht vertrieben und eigentlich wollten sie bleiben. Aber dann, irgendwann, waren auch sie, die Juden aus Kobersdorf, endgültig weg. Alle 172.“

Ein Teil der jüdischen Bewohner wurden am 13. April 1938 ebenso wie ihre Glaubensbrüder aus Lackenbach und Deutschkreutz in offenen Lastwagen nach Wien gekarrt. Die Autos fuhren dabei durch Mattersburg, um die dort lebenden Juden ein abschreckendes Beispiel zu geben.[6] Im Juli und August verließen die letzten Juden Kobersdorf in Richtung Wien.[7]

Opferbilanz

Die Burgenländische Forschungsgesellschaft hat in verschiedenen Quellen Daten über die burgenländischen Opfer des Holocausts ermittelt und mit diesen Informationen eine Datenbank erstellt.[8]

siehe Burgenländische Forschungsgesellschaft: Opferdatenbank

Folgende allgemeine Aussagen können aufgrund der dieser Opferdatenbank für Kobersdorf gemacht werden:

  • Die Datenbank enthält Informationen über 88 Personen, welche einen Bezug zu Kobersdorf haben.
  • 78 dieser Personen wurden im Ort geboren. Wie viele von ihnen 1938 aus Kobersdorf vertrieben wurden, lässt sich nicht ermitteln.
  • Die Datenbank umfasst die Namen von 38 Männern und 49 Frauen, von einer Person ist das Geschlecht nicht ersichtlich.
  • Eine Person fiel dem Euthanasieprogramm der Nationalsozialisten zum Opfer und wurde in Schloss Hartheim zum Opfer.

Alter der Opfer

Die folgende Tabelle zeigt die Anzahl der im jeweiligen Jahrzehnt geborenen Personen. Auffällig ist der hohe Anteil alter Menschen. Dies könnte daraufhin deuten, dass es jüngeren Juden gelungen war, sich in Länder wie die USA oder Palästina abzusetzen, während die gebrechlichen Menschen diese Strapazen nicht mehr auf sich nehmen wollten.

Zeitraum Bewohner
1850-1859
2
1860-1869
6
1870-1879
25
1880-1889
19
1890-1899
12
1900-1909
10
1910-1919
5
1920-1929
7

Deportationen

65 Personen wohnten zum Zeitpunkt ihrer Deportation in Wien, die meisten davon im 2. Bezirk (Leopoldstadt).

Zeitpunkt der Deportationen:

Jahr Bewohner
1939
3
1940
1
1941
20
1942
42
1943
1
1944
7

Bevölkerungsentwicklung der jüdischen Gemeinde

 
Die ehemalige Synagoge in Kobersdorf

Die folgende Tabelle zeigt die Anzahl der jüdischen Bewohner von Kobersdorf. Der Höchststand wurde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erreicht, während es in den 1930er-Jahren noch knapp 200 Juden in Kobersdorf gab.

Jahr Bewohner
1735
184
1836
716
1869
310
1900
327
1910
256
1934
172

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Jüdische Gemeinde Kobersdorf, Webseite www.vhs-burgenland.at, abgerufen am 8. Februar 2015
  2. Markus Brann: Geschichte Der Juden und Ihrer Literatur, Seote 251,
  3. Universität Graz - Toleranzpatent für die Juden in Wien und in Niederösterreich, Webseite www.jku.at, abgerufen am 6. Februar 2015
  4. Österreichisches Jüdisches Museum - Gemeinde Kobersdorf, Webseite www.ojm.at, abgerufen am 9. Februar 2015
  5. 5,0 5,1 Österreichisch Jüdisches Museum - Jüdische Gemeinden des Burgenlandes, Webseite www.ojm.at, abgerufen am 10. Februar 2015
  6. ZELEM - Die jüdische Gemeinde Deutschkreutz - Dokumentation, Webseite www.misrachi.at, abgerufen am 9. Februar 2015
  7. ZERSTÖRTE JÜDISCHE GEMEINDEN, Webseite www.erinnern.at, abgerufen am 6. Februar 2015
  8. Die burgenländisch-jüdischen Opfer der NS-Zeit, Webseite www.forschungsgesellschaft.at, abgerufen am 6. Februar 2015