170.030
Bearbeitungen
K (→Einleitung) |
KKeine Bearbeitungszusammenfassung |
||
Zeile 2: | Zeile 2: | ||
== Herkunft und Familie == | == Herkunft und Familie == | ||
Owanes Astouatzatur war der Sohn eines armenischen Kaufmanns und Juweliers. Um 1677 heiratete er eine Frau mit Namen Maria Anna († 2. Jänner 1725), die ihn bei seinen Geschäften wesentlich unterstützte. So soll sie ihn zum Beispiel als Kaffeesieder vertreten haben, während er zwischen 1693 und 1701 in Venedig war.<ref | Owanes Astouatzatur war der Sohn eines armenischen Kaufmanns und Juweliers. Um 1677 heiratete er eine Frau mit Namen Maria Anna († 2. Jänner 1725), die ihn bei seinen Geschäften wesentlich unterstützte. So soll sie ihn zum Beispiel als Kaffeesieder vertreten haben, während er zwischen 1693 und 1701 in Venedig war.<ref>Ulla Heise: ''Kaffee und Kaffeehaus'', 1987, S. 104. Auch Birgit Schwaner: ''Das Wiener Kaffeehaus'', 2007, S. 34, geht davon aus, dass sie ihn während seines Venedig-Aufenthaltes vertreten hat. Dass die Entscheidung des Kaisers in Bezug auf die "Hoffreiheit" sich auf das Ehepaar bezog, ist ebenfalls eine Bestätigung für ihre Mitwirkung an den Geschäften ihres Mannes.</ref>. Owanes Astouatzatur dürfte ein entfernter Verwandter von zwei weiteren Kaffeesiedern gewesen sein, die im 18. Jahrhundert in Wien nachgewiesen sind: die aus Armenien stammenden Brüder Anton und Franz Ignaz Deodat (auch Deodato oder Diodato). | ||
'''Anton Deodat''' (* um 1675; † 3. Okober 1759 in Leopoldstadt im Haus <ref | '''Anton Deodat''' (* um 1675; † 3. Okober 1759 in Leopoldstadt im Haus <ref>Geburts- und Sterbedaten nach Felix Czeike: ''Historisches Lexikon Wien'', Band 2, S. 15</ref>) und '''Franz Ignaz Deodat''' (auch Deodato oder Diodato) (* 1698; † 31. März 1759, in Leopoldstadt<ref>Geburts- und Sterbedaten nach Felix Czeike: ''Historisches Lexikon Wien'', Band 2, S. 15</ref>) kamen um 1720 nach Wien, wo sie um 1630 zwei nebeneinander gelegene Kaffeehütten vor den Toren der Stadt an der [[Schwedenbrücke|Schlagbrücke]] eröffneten. Aus diesen Kaffeehütten entstand später das Kaffeehaus "zum Bruder Herz", das als vielbesuchter Treffpunkt von Reisenden und Händlern aus den Ländern des Balkans und aus Armenien galt. 1765 ging es in den Besitz des Wiener Kaffeesieders [[Franz Xaver Hugelmann]] über. | ||
Anton Deodat, der 1731 das Wiener Bürgerrecht erwarb, war außerdem im Besitz des Hauses "beim Goldenen Straußen" in der Leopoldstadt. Verheiratet war er mit [[Isaac de Luca#Herkunft und Familie|Anna Maria de Luca]], geborene Bauer († 19. September 1742, in Wien), der Witwe des Kaffeesieders [[Isaac de Luca]]. Durch diese Ehe kam er vorübergehend in den Besitz des legendären Wiener Kaffeehauses "zur Blauen Flasche". | Anton Deodat, der 1731 das Wiener Bürgerrecht erwarb, war außerdem im Besitz des Hauses "beim Goldenen Straußen" in der Leopoldstadt. Verheiratet war er mit [[Isaac de Luca#Herkunft und Familie|Anna Maria de Luca]], geborene Bauer († 19. September 1742, in Wien), der Witwe des Kaffeesieders [[Isaac de Luca]]. Durch diese Ehe kam er vorübergehend in den Besitz des legendären Wiener Kaffeehauses "zur Blauen Flasche". | ||
Zeile 11: | Zeile 11: | ||
== Werdegang == | == Werdegang == | ||
Im Jahr 1654 kam Owanes Astouatzatur erstmals mit seinem Vater nach Wien, wo er sich um 1666 dauerhaft niederließ. Seit ca. 1670 ist er in der Stadt Wien als Händler nachgewiesen, der sich besonders auf Waren aus dem Osmanischen Reich spezialisiert hatte<ref | Im Jahr 1654 kam Owanes Astouatzatur erstmals mit seinem Vater nach Wien, wo er sich um 1666 dauerhaft niederließ. Seit ca. 1670 ist er in der Stadt Wien als Händler nachgewiesen, der sich besonders auf Waren aus dem Osmanischen Reich spezialisiert hatte<ref>Ulla Heise: ''Kaffee und Kaffeehaus'', 1987, S. 104, hält es für möglich, dass sich unter seinen Waren bereits Kaffeebohnen befunden haben.</ref>. Zu dieser Zeit war er im Besitz eines Warengewölbes in dem Haus "zur Goldenen Gans" (heute [[Innere Stadt (Wien)|Wien 1]], Rotenturmstraße 29 / Rabensteig 2). | ||
Seine Handelsgesellschaft wurde nach Zerstörung des jüdischen Ghettos, an dessen Stelle in der Folge eine [[Wiener Vorstadt]], die [[Leopoldstadt]], errichtet wurde, von Kaiser [[w:Leopold I. (HRR)|Leopold I.]] mit der Silberversorgung der [[w:Münze Österreich|kaiserliche Münz]]e betraut. Deswegen unternahm Astouatzatur eine Reise in das Osmanischen Reich, wo er sich von März bis Oktober 1671 aufhielt. Es gelang ihm aber nicht, dort einen regelmäßigen Betrieb der Münze durchzusetzen. | Seine Handelsgesellschaft wurde nach Zerstörung des jüdischen Ghettos, an dessen Stelle in der Folge eine [[Wiener Vorstadt]], die [[Leopoldstadt]], errichtet wurde, von Kaiser [[w:Leopold I. (HRR)|Leopold I.]] mit der Silberversorgung der [[w:Münze Österreich|kaiserliche Münz]]e betraut. Deswegen unternahm Astouatzatur eine Reise in das Osmanischen Reich, wo er sich von März bis Oktober 1671 aufhielt. Es gelang ihm aber nicht, dort einen regelmäßigen Betrieb der Münze durchzusetzen. | ||
Zeile 18: | Zeile 18: | ||
== Das "kaiserliche" Kaffee-Monopol == | == Das "kaiserliche" Kaffee-Monopol == | ||
Am 17. Jänner 1685 wurde Owanes Astouatzatur sein Ansuchen bewilligt, zwanzig Jahre lang als einziger Händler der Stadt das "''Türkhische Getränk''" verkaufen zu dürfen, wobei er unter diesem nicht nur den Kaffee, sondern auch den Tee und das Scherbet<ref group="A">Sorbet oder Scherbet, abgeleitet vom türkischen Wort ''şerbet'', ist ein aus Fruchtsäften bereitetes Erfrischungsgetränk.</ref> zusammenfassen ließ<ref | Am 17. Jänner 1685 wurde Owanes Astouatzatur sein Ansuchen bewilligt, zwanzig Jahre lang als einziger Händler der Stadt das "''Türkhische Getränk''" verkaufen zu dürfen, wobei er unter diesem nicht nur den Kaffee, sondern auch den Tee und das Scherbet<ref group="A">Sorbet oder Scherbet, abgeleitet vom türkischen Wort ''şerbet'', ist ein aus Fruchtsäften bereitetes Erfrischungsgetränk.</ref> zusammenfassen ließ<ref>vgl. Ulla Heise: ''Kaffee und Kaffeehaus'', 1987, S. 104</ref>. Nach Bewilligung dieser "Hoffreiheit"<ref group="A">Eine "Hoffreiheit" oder "Hofbefreiung" ist eine vom Hof bzw. durch den Kaiser oder Landesfürsten erteilte Gewerbegenehmigung.</ref>, ''das türkische Getränk, als Caffe, The und Scherbet, zu praeparieren'', eröffnete er (vermutlich) in dem "''Hachenbergischen Haus''", seinem damaligen Wohnhaus am [[Haarmarkt]] in der Stadt Wien (heute: Wien 1, Rotenturmstraße 14) ein "''Cave Gewölb''" (Kaffeegewölbe), das als das erste [[w:Wiener Kaffeehaus|Wiener Kaffeehaus]] gilt. Später übersiedelte Astouatzatur in das "''Schwanfelnersche Haus''" auf dem [[w:Stephansplatz (Wien)|Stephansplatz]], wo er um 1701 sein ''Cave Gewölb'' betrieb. | ||
Nachdem ihm 1690 das Wiener Bürgerrecht verliehen worden war, hätte er nach den damaligen Gesetzen auf die "Hoffreiheit" verzichten müssen, was er jedoch nicht tat. Auch von der Möglichkeit, anstelle der Hoffreiheit eine städtische Gewerbekonzession zu beantragen, die ihm als Bürger der Stadt Wien offen gestanden hätte, machte er keinen Gebrauch.<ref | Nachdem ihm 1690 das Wiener Bürgerrecht verliehen worden war, hätte er nach den damaligen Gesetzen auf die "Hoffreiheit" verzichten müssen, was er jedoch nicht tat. Auch von der Möglichkeit, anstelle der Hoffreiheit eine städtische Gewerbekonzession zu beantragen, die ihm als Bürger der Stadt Wien offen gestanden hätte, machte er keinen Gebrauch.<ref>vgl. Birgit Schwaner: ''Das Wiener Kaffeehaus'', 2007, S. 33f., vermutet, dass er sich so die Zahlung von Steuern ersparen sollte-</ref> Stattdessen betrieb er sein ''Cave Gewölb'' weiterhin aufgrund der "Hoffreiheit", vielleicht um sich so Steuern zu ersparen, die er bei einer bürgerlichen Konzession der Stadt Wien hätte zahlen müssen.. Die Verleihung von bürgerlichen Gewerbekonzession für die Bereitung und den Ausschank von „Theé, Caffeé, Schokolade u. derlei Sorbeten" durch die Stadt Wien an [[Isaac de Luca]], [[Andreas Pain]] und [[Philipp Rudolf Kämberg]] beendete de facto sein "Kaffeehaus-Monopol"<ref>Nach Ulla Heise: ''Kaffee und Kaffeehaus'', 1987, S. 104f. dürften diese Gewerbekonzessionen auch ein Seitenhieb des städtischen Patriziats gegen die Vielzahl der verschiedenen "Hofbefreiiungen" gewesen sein.</ref>. 1710 erreichte er zwar gemeinsam mit seiner Ehefrau eine Bestätigung seiner "Hoffreiheit" durch den Kaiser. Damit aber verbaute er sich endgültig die Möglichkeit, in die Genossenschaft der bürgerlichen Kaffeesieder, die sich inzwischen in der Stadt Wien gebildet hatte, aufgenommen zu werden. | ||
== Letzte Lebensjahre und Tod == | == Letzte Lebensjahre und Tod == | ||
Von ca. 1693 bis 1701 hielt sich Owanes Astouatzatur in Venedig auf, vermutlich wegen geschäftlicher Schwierigkeiten.<ref | Von ca. 1693 bis 1701 hielt sich Owanes Astouatzatur in Venedig auf, vermutlich wegen geschäftlicher Schwierigkeiten.<ref>Birgit Schwaner: ''Das Wiener Kaffeehaus'', 2007, S. 34</ref> Seine letzten Lebensjahre verbrachte er in der Leopoldstadt bei Wien, wo er im Jahr 1725 in seinem Haus „zum Grünen Elefanten" (heute Wien 2: Hollandstraße 9) gestorben ist. Seine letzte Ruhestätte fand er in der Gruft der [[w:Leopoldskirche (Leopoldstadt)|Kirche St. Leopold]]<ref>{{Czeike|2|15}}</ref>) | ||
== Gedenkstätten == | == Gedenkstätten == | ||
Zeile 31: | Zeile 31: | ||
* Die Gründung des ersten Wiener Kaffeehauses wird fälschlicherweise [[w:Georg Franz Kolschitzky|Georg Franz Kolschitzky]] zugeschrieben. Er soll dieses im [[Stock-im-Eisen-Platz|Schlossergassel]] (heute Wien 1: Stock-im-Eisen-Platz 4) eröffnet haben. Diese Legende, die aus mündlichen Überlieferungen entstanden sein dürfte, wird erstmals von Pater [[Gottfried Uhlich]], einem [[w:Piaristen|Piaristen]], in seiner [[w:Chronik|Chronik]] ''Geschichte der zweyten türkischen Belagerung Wiens, bey der hundertjährigen Gedächtnißfeyer'' (publiziert 1783) schriftlich überliefert. Nach neueren Erkenntnissen wird davon ausgegangen, dass Kolschitzky nicht einmal eine Konzession (Privileg) für Kaffeeausschank verliehen wurde. | * Die Gründung des ersten Wiener Kaffeehauses wird fälschlicherweise [[w:Georg Franz Kolschitzky|Georg Franz Kolschitzky]] zugeschrieben. Er soll dieses im [[Stock-im-Eisen-Platz|Schlossergassel]] (heute Wien 1: Stock-im-Eisen-Platz 4) eröffnet haben. Diese Legende, die aus mündlichen Überlieferungen entstanden sein dürfte, wird erstmals von Pater [[Gottfried Uhlich]], einem [[w:Piaristen|Piaristen]], in seiner [[w:Chronik|Chronik]] ''Geschichte der zweyten türkischen Belagerung Wiens, bey der hundertjährigen Gedächtnißfeyer'' (publiziert 1783) schriftlich überliefert. Nach neueren Erkenntnissen wird davon ausgegangen, dass Kolschitzky nicht einmal eine Konzession (Privileg) für Kaffeeausschank verliehen wurde. | ||
* Der Legende nach soll Owanes Astouatzatur seine "Hoffreiheit" aus Dank für seine Kurierdienste (oder auch für Spionagedienste) erhalten haben, entweder vom Kaiser persönlich oder von den Stadtoberen. Da Kurier- oder Spionagedienste auch in der Biographie von Georg Franz Kolschitzky auftauchen, ist anzunehmen, dass die Überlieferung später beide miteinander durcheinander gebracht hat. Das Motiv, dass die Konzession für den Kaffeeausschank als Belohnung für Kurier- oder Spionagedienste verliehen wurde, findet sich auch in den Biographien weiterer Wiener Kaffeesieder, was nicht gerade für seine Glaubwürdigkeit spricht. | * Der Legende nach soll Owanes Astouatzatur seine "Hoffreiheit" aus Dank für seine Kurierdienste (oder auch für Spionagedienste) erhalten haben, entweder vom Kaiser persönlich oder von den Stadtoberen. Da Kurier- oder Spionagedienste auch in der Biographie von Georg Franz Kolschitzky auftauchen, ist anzunehmen, dass die Überlieferung später beide miteinander durcheinander gebracht hat. Das Motiv, dass die Konzession für den Kaffeeausschank als Belohnung für Kurier- oder Spionagedienste verliehen wurde, findet sich auch in den Biographien weiterer Wiener Kaffeesieder, was nicht gerade für seine Glaubwürdigkeit spricht. | ||
* Angeblich wurde Owanes Astouatzatur im Zusammenhang mit der Belagerung der Stadt [[w:Beograd|Belgrad]] unter dem Oberbefehl des [[w:Prinzen Eugen|Prinzen Eugen]] der Spionage beschuldigt, wodurch sein Ruf schwer geschädigt war. Als Folge davon soll ihm die "Hoffreiheit" entzogen worden sein. Da es ihm nicht gelang, sich vollständig zu rehabilitieren, übersiedelte er vorübergehend nach [[w:Venezia|Venedig]]. Die zeitlichen Angaben dazu in den Büchern sind jedoch widersprüchlich. Angeblich war er vorübergehend in Haft, ehe er 1693 nach Venedig flüchten konnte, von wo er erst 1701 zurückkehrte<ref | * Angeblich wurde Owanes Astouatzatur im Zusammenhang mit der Belagerung der Stadt [[w:Beograd|Belgrad]] unter dem Oberbefehl des [[w:Prinzen Eugen|Prinzen Eugen]] der Spionage beschuldigt, wodurch sein Ruf schwer geschädigt war. Als Folge davon soll ihm die "Hoffreiheit" entzogen worden sein. Da es ihm nicht gelang, sich vollständig zu rehabilitieren, übersiedelte er vorübergehend nach [[w:Venezia|Venedig]]. Die zeitlichen Angaben dazu in den Büchern sind jedoch widersprüchlich. Angeblich war er vorübergehend in Haft, ehe er 1693 nach Venedig flüchten konnte, von wo er erst 1701 zurückkehrte<ref>Nach Ulla Heise: ''Kaffee und Kaffeehaus'', 1987, S. 104,</ref>. Da Czeike weder Verdächtigungen wegen Spionage noch eine Flucht nach Venedig oder einen Aufenthalt in dieser Stadt anführt<ref>Czeike, ''Wien Lexikon, S. 15,</ref>, ist anzunehmen, dass es sich bei der Spionage-Geschichte um eine Legende handelt, die sich im Zusammenhang mit der Entstehung der bürgerlichen Kaffeesieder in Wien und der Auseinandersetzung des Ehepaares Astouatzatur um die "Hoffreiheit" gebildet haben dürfte. Für eine Legende spricht ebenfalls, dass sich keine der beiden Belagerungen von Belgrad durch Prinz Eugen schlüssig in die belegten Lebensdaten für Astouatzatur einfügt. Für den längeren Venedig-Aufenthalt könnte es auch andere Gründe gegeben, zudem Astouatzatur von dort wieder nach Wien zurückgekehrt ist.<ref>Bei Birgit Schwaner: ''Das Wiener Kaffeehaus'', 2007, S. 34, findet sich zum Beispiel als Begründung für diesen Aufenthalt Konflikte mit einem ansässigen Geschäftspartner</ref>. | ||
== Literatur == | == Literatur == |