Geschichte der Juden im Burgenland: Unterschied zwischen den Versionen

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Im Zuge dieser Vertreibungswellen gelangten immer wieder einzelne jüdische Familien nach Westungarn, wie zum Beispiel bei der Vertreibung um 1500 unter Kaiser [[Maximilian I. (HRR)|Maximilian I.]]. Aber auch hier gestaltete sich ihr Leben vorerst nicht besser als in den österreichischen Ländern. Phasen der Vertreibung durch den Kaiser oder dem jeweiligen Grundherrn wechselten sich mit Phasen der Toleranz ab. Erst der Aufstieg des Hauses [[w:Esterházy|Esterházy]] verbesserte ihre Situation nachhaltig.<ref name="misrachi">[http://www.misrachi.at/index.php/geschichte/geschichte-der-juden-in-wien/72-der-weg-der-vertriebenen-juden Milka Zalmon: ''Der Weg der vertriebenen Juden''], Webseite www.misrachi.at, abgerufen am 3. Februar 2015</ref>
Im Zuge dieser Vertreibungswellen gelangten immer wieder einzelne jüdische Familien nach Westungarn, wie zum Beispiel bei der Vertreibung um 1500 unter Kaiser [[Maximilian I. (HRR)|Maximilian I.]]. Aber auch hier gestaltete sich ihr Leben vorerst nicht besser als in den österreichischen Ländern. Phasen der Vertreibung durch den Kaiser oder dem jeweiligen Grundherrn wechselten sich mit Phasen der Toleranz ab. Erst der Aufstieg des Hauses [[w:Esterházy|Esterházy]] verbesserte ihre Situation nachhaltig.<ref name="misrachi">[http://www.misrachi.at/index.php/geschichte/geschichte-der-juden-in-wien/72-der-weg-der-vertriebenen-juden Milka Zalmon: ''Der Weg der vertriebenen Juden''], Webseite www.misrachi.at, abgerufen am 3. Februar 2015</ref>
Trotz dieser widrigen Umständen bildeten sich im Lauf der Zeit in einigen Dörfern jüdische Gemeinden, deren Existenz sich in Urkunden nachweisen lässt:<ref name="misrachi"></ref>
Trotz dieser widrigen Umständen bildeten sich im Lauf der Zeit in einigen Dörfern jüdische Gemeinden, deren Existenz sich in Urkunden nachweisen lässt:<ref name="misrachi"/>
* in [[Eisenstadt]] (erstmals urkundlich erwähnt [[1373]])
* in [[Eisenstadt]] (erstmals urkundlich erwähnt [[1373]])
* in [[Mattersburg|Mattersdorf]] später Mattersburg ([[1453]])
* in [[Mattersburg|Mattersdorf]] später Mattersburg ([[1453]])
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== Gründung der Siebengemeinden um 1670 ==
== Gründung der Siebengemeinden um 1670 ==
[[Datei:PaulEsterhazy.jpg|mini|Paul Fürst Esterhazy (1635–1713)]]
[[Datei:PaulEsterhazy.jpg|mini|Paul Fürst Esterhazy (1635–1713)]]
Ein besonders wichtiges Ereignis in der Geschichte der jüdischen Gemeinden des Burgenlandes war die [[1669]] einsetzende Vertreibung der Wiener Juden unter Kaiser [[Leopold I. (HRR)|Leopold I.]]. Wieder hatte das jüdische Leben in Österreich sein Ende gefunden. Ein Teil der Juden wanderte in die [[w:Mark Brandenburg|Mark Brandenburg]] aus, andere gingen nach [[w:Böhmen|Böhmen]] oder [[w:Mähren|Mähren]].<ref Name="religionen"></ref> Eine direkte Auswanderung nach Westungarn scheuten hingegen viele wegen der Türkengefahr. So kamen etwa 50 der nach Mähren ausgewanderten Juden erst im Jahre [[1675]] nach Eisenstadt, nachdem Fürst [[w:Paul I. Esterházy de Galantha|Paul Esterházy]] sich bereit erklärt hatte sie aufzunehmen.<ref name="misrachi"></ref>
Ein besonders wichtiges Ereignis in der Geschichte der jüdischen Gemeinden des Burgenlandes war die [[1669]] einsetzende Vertreibung der Wiener Juden unter Kaiser [[Leopold I. (HRR)|Leopold I.]]. Wieder hatte das jüdische Leben in Österreich sein Ende gefunden. Ein Teil der Juden wanderte in die [[w:Mark Brandenburg|Mark Brandenburg]] aus, andere gingen nach [[w:Böhmen|Böhmen]] oder [[w:Mähren|Mähren]].<ref Name="religionen"></ref> Eine direkte Auswanderung nach Westungarn scheuten hingegen viele wegen der Türkengefahr. So kamen etwa 50 der nach Mähren ausgewanderten Juden erst im Jahre [[1675]] nach Eisenstadt, nachdem Fürst [[w:Paul I. Esterházy de Galantha|Paul Esterházy]] sich bereit erklärt hatte sie aufzunehmen.<ref name="misrachi"/>


Paul Esterházy machte dies nicht aus humanitären Gründen sondern für ihn standen wirtschaftliche Interessen im Vordergrund. Aber auch die Juden profitierten von den Maßnahmen des Fürsten. So stellte er für die Judengemeinden Schutzbriefe aus, in denen der Status der jüdischen Gemeinden sowie die Rechte und Pflichten der Untertanen bis in kleinste Detail festgeschrieben waren. Die Juden bezahlten der Familie Esterházy Schutzgebühren für die ihnen eingeräumten Rechte und nannten sich stolz ''Hochfürstlich Esterházy Schutzjuden''.<ref name="ojm">[http://www.ojm.at/gemeinden/ Österreichisch Jüdisches Museum - Jüdische Gemeinden des Burgenlandes], Webseite www.ojm.at, abgerufen am 3. Februar 2015</ref> Die Schutzbriefe erloschen auch nicht mit dem Tode des Grundherrns sondern wurden bei jedem Herrscherwechsel erneuert. Diese langfristig günstigen Rahmenbedingungen förderten natürlich die Entwicklung des jüdischen Lebens und erzeugten bei den Gemeindemitgliedern im Laufe der Zeit Gefühle der Sesshaftigkeit und der Heimatverbundenheit<ref name="misrachi"></ref>, sodass die nun im Land siedelnden 3000 Juden die sogenannten [[w:Siebengemeinden (Burgenland)|Siebengemeinden]] (hebräisch ''Scheva Kehillot'') bildeten:
Paul Esterházy machte dies nicht aus humanitären Gründen sondern für ihn standen wirtschaftliche Interessen im Vordergrund. Aber auch die Juden profitierten von den Maßnahmen des Fürsten. So stellte er für die Judengemeinden Schutzbriefe aus, in denen der Status der jüdischen Gemeinden sowie die Rechte und Pflichten der Untertanen bis in kleinste Detail festgeschrieben waren. Die Juden bezahlten der Familie Esterházy Schutzgebühren für die ihnen eingeräumten Rechte und nannten sich stolz ''Hochfürstlich Esterházy Schutzjuden''.<ref name="ojm">[http://www.ojm.at/gemeinden/ Österreichisch Jüdisches Museum - Jüdische Gemeinden des Burgenlandes], Webseite www.ojm.at, abgerufen am 3. Februar 2015</ref> Die Schutzbriefe erloschen auch nicht mit dem Tode des Grundherrns sondern wurden bei jedem Herrscherwechsel erneuert. Diese langfristig günstigen Rahmenbedingungen förderten natürlich die Entwicklung des jüdischen Lebens und erzeugten bei den Gemeindemitgliedern im Laufe der Zeit Gefühle der Sesshaftigkeit und der Heimatverbundenheit<ref name="misrachi"/>, sodass die nun im Land siedelnden 3000 Juden die sogenannten [[w:Siebengemeinden (Burgenland)|Siebengemeinden]] (hebräisch ''Scheva Kehillot'') bildeten:
* [[Jüdische Gemeinde Eisenstadt]]
* [[Jüdische Gemeinde Eisenstadt]]
* [[Jüdische Gemeinde Mattersburg]]
* [[Jüdische Gemeinde Mattersburg]]
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* [[Jüdische Gemeinde Deutschkreutz]]
* [[Jüdische Gemeinde Deutschkreutz]]


Unter diesen günstigen Rahmenbedingungen entwickelte sich ein ungestörtes Kommunal-, Wirtschafts- und Geistesleben. Es gab eine jüdische Verwaltung und Gemeindeorganisation mit Ärzten, [[w:Hebamme|Hebammen]], [[w:Schächten|Schächtern]] und anderen Berufen. Außerdem wurde den jüdischen Gemeinden auch die [[w:Niedere Gerichtsbarkeit|Niedere Gerichtsbarkeit]] übertragen.<ref name="hagalil"></ref> In weiterer Folge wurden jüdische Friedhöfe angelegt und Synagogen gebaut.<ref name="misrachi"></ref>  
Unter diesen günstigen Rahmenbedingungen entwickelte sich ein ungestörtes Kommunal-, Wirtschafts- und Geistesleben. Es gab eine jüdische Verwaltung und Gemeindeorganisation mit Ärzten, [[w:Hebamme|Hebammen]], [[w:Schächten|Schächtern]] und anderen Berufen. Außerdem wurde den jüdischen Gemeinden auch die [[w:Niedere Gerichtsbarkeit|Niedere Gerichtsbarkeit]] übertragen.<ref name="hagalil"></ref> In weiterer Folge wurden jüdische Friedhöfe angelegt und Synagogen gebaut.<ref name="misrachi"/>


Die Gemeinden, vor allem jene in Eisenstadt profitierten auch vom Wirken des [[w:Samson Wertheimer|Samson Wertheimer]], der zum wichtigsten Kreditgeber Kaiser Leopold I. aufstieg. Die Eisenstädter Juden wählten Wertheimer am 4. Oktober [[1693]] zu ihrem [[w:Rabbiner|Rabbiner]], der zwar aufgrund seiner umfangreichen Geschäfte dieses Amt selbst nur sehr selten ausübte, mit seinen außergewöhnlichen Beziehungen aber viel für die jüdischen Gemeinden erreichen konnte. Wertheimer tat dies nicht ganz selbstlos, denn er erhielt in weiterer Folge auch das Rabbineramt für alle Gemeinden im Herrschaftsbereich der Esterházys und wurde schließlich durch den Kaiser zum Landesrabbiner von Ungarn ernannt.<ref name="misrachi"></ref>
Die Gemeinden, vor allem jene in Eisenstadt profitierten auch vom Wirken des [[w:Samson Wertheimer|Samson Wertheimer]], der zum wichtigsten Kreditgeber Kaiser Leopold I. aufstieg. Die Eisenstädter Juden wählten Wertheimer am 4. Oktober [[1693]] zu ihrem [[w:Rabbiner|Rabbiner]], der zwar aufgrund seiner umfangreichen Geschäfte dieses Amt selbst nur sehr selten ausübte, mit seinen außergewöhnlichen Beziehungen aber viel für die jüdischen Gemeinden erreichen konnte. Wertheimer tat dies nicht ganz selbstlos, denn er erhielt in weiterer Folge auch das Rabbineramt für alle Gemeinden im Herrschaftsbereich der Esterházys und wurde schließlich durch den Kaiser zum Landesrabbiner von Ungarn ernannt.<ref name="misrachi"/>


Neben diesen ''Fürstlich Esterházyschen'' Gemeinden gab es ab ca. [[1720]] noch die [[Jüdische Gemeinde Gattendorf|Gräflich Esterházysche Gemeinde Gattendorf]], die aufgrund von Abwanderung [[1885]] an die jüdische Gemeinde von Kittsee angeschlossen wurde.
Neben diesen ''Fürstlich Esterházyschen'' Gemeinden gab es ab ca. [[1720]] noch die [[Jüdische Gemeinde Gattendorf|Gräflich Esterházysche Gemeinde Gattendorf]], die aufgrund von Abwanderung [[1885]] an die jüdische Gemeinde von Kittsee angeschlossen wurde.