Adolf Kaipel im Zweiten Weltkrieg: Unterschied zwischen den Versionen

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Anfang Oktober erhielt er einen Brief von seiner Schwester Maria. Neben ihren Sorgen beschrieb sie darin auch die Stimmung, die zuhause herrschte.  
Anfang Oktober erhielt er einen Brief von seiner Schwester Maria. Neben ihren Sorgen beschrieb sie darin auch die Stimmung, die zuhause herrschte.  
{{Zitat|Lieber Bruder!  
{{Zitat|Lieber Bruder!  
Vor allem Gott sei Dank, daß wir wieder ein Lebenszeichen von Dir erhalten haben. Lieber Bruder, auf Deinen Brief haben wir schon mit Schmerzen gewartet. Wir haben ihn am 1. am Erntedanktag nachmittags erhalten. Die Mutter war am Vormittag in der Kirche. Es wäre alles schön gewesen, man mußte dem lieben Gott wirklich danken, aber der Gedanke an Dich, lieber Bruder, schmerzte uns bitterlich. Alle haben eine Antwort erhalten. Nur wir nicht. Es war fast nicht mehr auszuhalten. Die Mutter sagte: "Komm schnell herunter, wenn Du vom Adolf etwas hörst."   
Vor allem Gott sei Dank, daß wir wieder ein Lebenszeichen von Dir erhalten haben. Lieber Bruder, auf Deinen Brief haben wir schon mit Schmerzen gewartet. Wir haben ihn am 1. am Erntedanktag nachmittags erhalten. Die Mutter war am Vormittag in der Kirche. Es wäre alles schön gewesen, man mußte dem lieben Gott wirklich danken, aber der Gedanke an Dich, lieber Bruder, schmerzte uns bitterlich. Alle haben eine Antwort erhalten. Nur wir nicht. Es war fast nicht mehr auszuhalten. Die Mutter sagte: "Komm schnell herunter, wenn Du vom Adolf etwas hörst."   
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Lieber Bruder, sonst kann ich Dir nicht viel schreiben. Lasse bald wieder von Dir hören, auch wenn es nur eine Karte mit drei Worten ist.  
Lieber Bruder, sonst kann ich Dir nicht viel schreiben. Lasse bald wieder von Dir hören, auch wenn es nur eine Karte mit drei Worten ist.  
Zum Schluß noch viele Grüße von uns allen an Dich, lieber Bruder.  
Zum Schluß noch viele Grüße von uns allen an Dich, lieber Bruder.  
Deine Schwester, Schwager und Nichten.  
Deine Schwester, Schwager und Nichten.}}
 
Die Briefe von Adolf Kaipel sind seit [[2002]] im Internet für jedermann verfügbar.<ref>[http://wk2.heimat.eu/verlorenejahre.html Verlorene Jahre], Webseite abgerufen am 22. Oktober 2014</ref> Am [[17. Oktober]] [[2003]] schrieb ein Amerikaner mit polnischen Wurzeln ein Mail an den Großenkel von Adolf Kaipel, der die Webseite betreibt.<ref>[http://wk2.heimat.eu/K3.html Verlorene Jahre - Der Polenfeldzug], Webseite abgerufen am 22. Oktober 2014</ref>
Der Name meines Vaters ist Czeslaw Wojtczak. Er wurde 1919 in der Stadt Witkowo geboren. 1937 meldete er sich freiwillig zur polnischen Armee mit dem Ziel nach dem Ende seines Militärdienstes eine Stelle als Zöllner zu bekommen. Es war damals sehr schwer in Polen eine Arbeit zu bekommen und er wollte nicht wie sein Vater Bauer werden. Nach seiner Ausbildung wurde er zu einer Infanterieeinheit versetzt, deren Auftrag es war, die Grenze zur Sowjetunion zu schützen.
 
Am 1. September 1939 brach der Krieg aus, als Adolf Hitler in Polen einmarschierte. Mein Vater erinnert sich von der Invasion durch einen höheren Offizier gehört zu haben, der sie informierte, daß sie sehr bald gegen den Feind kämpfen würden. Dies war einige Tage nachdem der Krieg ausgebrochen war. Seine Einheit war zu dieser Zeit ungefähr in der Mitte zwischen Przemysl und Lwow (Lemberg), in der Nähe von Jasniska. Sehr bald wurde es klar, daß es eine Schlacht mit den Deutschen geben würde, als sie von Artillerie und Flugzeugen angegriffen wurden.
 
Am Morgen des 12 oder 13 September 1939 (ich kann mich nicht genau erinnern, welches Datum mein Vater mir genannt hat) kam die Einheit meines Vaters, nachdem sie während der Nacht ein schweres Bombardement durch deutsche Bomber und Artillerie erdulden mußte (mein Vater sagte, daß es so schrecklich war, daß sogar Atheisten in seiner Einheit nach Jesus Christus um Rettung flehten), aus einem Waldgebiet in der Umgebung von Jasniska und fuhr zwischen die deutschen Linien. Mein Vater und sein Freund Adam bedienten eines der Maschinengewehre dieser Einheit. Sie wußten, daß sie vielleicht nicht den kommenden Tag überleben werden und haben daher ihre persönlichen Daten ausgetauscht. Sie haben sich einander versprochen, daß sie im Fall des Todes die jeweilige Familie benachrichtigen würden. Der Kampf begann und bald flogen Geschosse durch die Luft. Sehr bald wirkte sich die Überlegenheit der Deutschen an Feuerkraft und Mannschaftsstärke aus und immer mehr polnische Soldaten fielen. Mein Vater und Adam hatten auf die Deutschen von einem Platz hinter einem Baum gefeuert, aber Adam meinte, daß es besser wäre die Stellung nach vor zu verlegen, um ein besseres Schußfeld zu bekommen. Mein Vater dachte, daß dies eine schlechte Entscheidung ist, aber trotzdem folgte er seinem Freund. Wie es sich herausstellte, war es richtig, daß er Zweifel hatte, denn kurz nachdem sie sich nach vor bewegten, wurde Adam in den Kopf getroffen und war sofort tot. Mein Vater hatte kaum Zeit den Schock über den Tod seines Freundes zu verarbeiten, als auch ihn ein Geschoß traf, das ihn in die Hüfte traf, durch den Körper ging und bei der anderen Hüfte wieder austrat. Es war eine besonders schwere Wunde und mein Vater glaubte, daß er sterben muß. Tatsächlich wäre er wahrscheinlich gestorben, wenn die Wunde nicht behandelt worden wäre. Wie auch immer, als das Feuer eingestellt wurde, und das was von den polnischen Kräften übriggeblieben war entweder gefangengenommen oder entkommen (oder getötet) war, näherte sich ein deutscher Soldat mit seinem Gewehr im Anschlag. Er muß sehr überrascht gewesen sein, als mein Vater ihm trotz seiner Schmerzen in Deutsch mitteilte (eine Sprache, die er in Silesia/Schlesien gelernt hatte, als seine Familie dort lebte, während mein Großvater in den Kohlenminen arbeitete). Er bat um Wasser und medizinische Hilfe. Der Deutsche, nachdem er für einen Moment gezögert hatte, sagte schließlich so etwas wie 'das ist eine gute Zeit mich um einen Gefallen zu bitten. Du hast erst vor wenigen Minuten auf mich geschossen.'  Dennoch hängte er sein Gewehr um und irgendwie halb geschleppt und halb getragen brachte er meinen Vater zu einem deutschen Feldlazarett. Er sah den Deutschen nie mehr wieder.
 
Einige Tage später marschierten die Russen in Polen ein. Die Deutschen zogen sich aus der Gegend um Lemberg zurück und ließen meinen Vater in russischer Hand. Er war immer noch sehr böse verletzt und konnte sich nicht bewegen. Ironischerweise hat diese Wunde vermutlich sein Leben gerettet, da Offiziere, die sich in Lemberg ergeben haben, eventuell in Katyn ermordet und einfache Soldaten in Arbeitslager nach Sibirien verschickt worden sind.


Er verblieb in russischer Hand bis ungefähr April/Mai 1941. Es dauerte eine lange Zeite bis er sich von seiner Verwundung erholt hatte. Dann wurde er mit einigen anderen verwundeten Soldaten ausgetauscht und fiel wieder zurück in deutsche Hände. Er konnte schließlich nach Hause gehen. Seine Familie hatte bis zu diesem Zeitpunkt geglaubt, daß er bei den Kämpfen getötet worden sei. Nachdem er einige Zeit als Zwangsarbeiter bei der Eisenbahn gearbeitet hatte (die Deutschen hatten die Invasion in Rußland vorbereitet), wurden er und seine gesamte Familie nach Österreich deportiert. Er verbrachte den Rest des Krieges in Österreich, an einem Ort genannt Oberefellach (vermutlich Obervellach/Kärnten), um für einen Bauern mit dem Namen Franz Pacher zu arbeiten. Es war dort, wo er meine Mutter traf, die auch als Sklavenarbeiterin von Südpolen deportiert worden ist.
Die Briefe von Adolf Kaipel sind seit [[2002]] im Internet für jedermann verfügbar.<ref>[http://wk2.heimat.eu/verlorenejahre.html Verlorene Jahre], Webseite abgerufen am 22. Oktober 2014</ref> Am [[17. Oktober]] [[2003]] schrieb ein Amerikaner mit polnischen Wurzeln ein Mail an den Großenkel von Adolf Kaipel, dem Betreiber der Webseite.<ref>[http://wk2.heimat.eu/K3.html Verlorene Jahre - Der Polenfeldzug], Webseite abgerufen am 22. Oktober 2014</ref> Der Verfasser des Mails beschrieb darin den Schicksalsweg seines Vaters im 2. Weltkrieg, der auch am Gefecht bei Jasniska teilnahm und dort schwer verwundet wurde. Das Mail wird gekürzt wiedergegeben: 
{{Zitat|Am 1. September 1939 brach der Krieg aus, als Adolf Hitler in Polen einmarschierte. Mein Vater erinnert sich von der Invasion durch einen höheren Offizier gehört zu haben, der sie informierte, dass sie sehr bald gegen den Feind kämpfen würden. Dies war einige Tage nachdem der Krieg ausgebrochen war. Seine Einheit war zu dieser Zeit ungefähr in der Mitte zwischen Przemysl und Lwow (Lemberg), in der Nähe von Jasniska. Sehr bald wurde es klar, dass es eine Schlacht mit den Deutschen geben würde, als sie von Artillerie und Flugzeugen angegriffen wurden.


Am Ende des Krieges übernahmen die Briten den Teil von Österreich wo er gelebt hatte. Er wurde in das polnische Kontingent in der Britischen Armee einberufen und nach Italien geschickt, wo er meine Mutter heiratete. In der Folge ging er 1948 nach England und als die Kommunisten in Polen die Macht übernommen hatten zog er es vor nicht zurückzukehren und unter den Kommunisten zu leben (obgleich seine Eltern und sein Bruder zurückgingen). Er lebt noch immer in England. Er ist nun wieder verheiratet, seit meine Mutter 1978 an Krebs gestorben ist. Er ist immer noch gesund (er ist gerade vom Urlaub aus Frankreich zurückgekommen), obwohl er 1993 eine Herzattacke hatte, von der er sich total erholt hat. Er hat einen Sohn und ein Enkelkind, die in Austalien leben, und einen Sohn (mich) und zwei Enkelkinder in den USA. Sein Bruder lebt in Malbork, Polen (Eigenartig genug, hat mein Onkel nach dem Krieg eine deutsche Frau geheiratet, deren Mann an der Russischen Front vermißt ist). Eine Enttäuschung seines Lebens ist, daß er niemals sein Versprechen an Adam erfüllen konnte und dessen Eltern erzählen konnte, was mit ihrem Sohn passiert ist, weil er zuerst in sowjetischer Hand, dann weil er unter der deutschen Herrschaft nicht in Polen reisen konnte und dann weil er nach Österreich deportiert wurde. Nach dem Krieg, natürlich, waren die Kommunisten an der Macht und es war schwer genug mit der eigenen Familie Kontakt aufzunehmen. Nun hat er alle Informationen verloren und Adams Eltern sind wahrscheinlich schon tot.    
Am Morgen des 12. oder 13. September 1939 (ich kann mich nicht genau erinnern, welches Datum mein Vater mir genannt hat) kam die Einheit meines Vaters, nachdem sie während der Nacht ein schweres Bombardement durch deutsche Bomber und Artillerie erdulden musste (mein Vater sagte, dass es so schrecklich war, dass sogar Atheisten in seiner Einheit nach Jesus Christus um Rettung flehten), aus einem Waldgebiet in der Umgebung von Jasniska und fuhr zwischen die deutschen Linien. Mein Vater und sein Freund Adam bedienten eines der Maschinengewehre dieser Einheit. Sie wussten, dass sie vielleicht nicht den kommenden Tag überleben werden und haben daher ihre persönlichen Daten ausgetauscht. Sie haben sich einander versprochen, dass sie im Fall des Todes die jeweilige Familie benachrichtigen würden. Der Kampf begann und bald flogen Geschosse durch die Luft. Sehr bald wirkte sich die Überlegenheit der Deutschen an Feuerkraft und Mannschaftsstärke aus und immer mehr polnische Soldaten fielen. Mein Vater und Adam hatten auf die Deutschen von einem Platz hinter einem Baum gefeuert, aber Adam meinte, dass es besser wäre die Stellung nach vor zu verlegen, um ein besseres Schussfeld zu bekommen. Mein Vater dachte, dass dies eine schlechte Entscheidung ist, aber trotzdem folgte er seinem Freund. Wie es sich herausstellte, war es richtig, dass er Zweifel hatte, denn kurz nachdem sie sich nach vor bewegten, wurde Adam in den Kopf getroffen und war sofort tot. Mein Vater hatte kaum Zeit den Schock über den Tod seines Freundes zu verarbeiten, als auch ihn ein Geschoss traf, das ihn in die Hüfte traf, durch den Körper ging und bei der anderen Hüfte wieder austrat. Es war eine besonders schwere Wunde und mein Vater glaubte, dass er sterben muss. Tatsächlich wäre er wahrscheinlich gestorben, wenn die Wunde nicht behandelt worden wäre. Wie auch immer, als das Feuer eingestellt wurde, und das was von den polnischen Kräften übrig geblieben war entweder gefangen genommen oder entkommen (oder getötet) war, näherte sich ein deutscher Soldat mit seinem Gewehr im Anschlag. Er muss sehr überrascht gewesen sein, als mein Vater ihm trotz seiner Schmerzen in Deutsch mitteilte (eine Sprache, die er in Silesia/Schlesien gelernt hatte, als seine Familie dort lebte, während mein Großvater in den Kohlenminen arbeitete). Er bat um Wasser und medizinische Hilfe. Der Deutsche, nachdem er für einen Moment gezögert hatte, sagte schließlich so etwas wie 'das ist eine gute Zeit mich um einen Gefallen zu bitten. Du hast erst vor wenigen Minuten auf mich geschossen.'  Dennoch hängte er sein Gewehr um und irgendwie halb geschleppt und halb getragen brachte er meinen Vater zu einem deutschen Feldlazarett. Er sah den Deutschen nie mehr wieder.  


Ich glaube mein Vater ist ein wundervoller Mann und ich danke Gott (und dem unbekannten deutschen Soldaten, der ihm geholfen hat), der es ihm erlaubt hat zu überleben und solange zu leben.  
Einige Tage später marschierten die Russen in Polen ein. Die Deutschen zogen sich aus der Gegend um Lemberg zurück und ließen meinen Vater in russischer Hand. Er war immer noch sehr böse verletzt und konnte sich nicht bewegen. Ironischerweise hat diese Wunde vermutlich sein Leben gerettet, da Offiziere, die sich in Lemberg ergeben haben, eventuell in [[w:Massaker von Katyn|Katyn}} ermordet und einfache Soldaten in Arbeitslager nach Sibirien verschickt worden sind.  


Richard Wojtczak
Er verblieb in russischer Hand bis ungefähr April/Mai 1941. Es dauerte eine lange Zeit bis er sich von seiner Verwundung erholt hatte. Dann wurde er mit einigen anderen verwundeten Soldaten ausgetauscht und fiel wieder zurück in deutsche Hände. Er konnte schließlich nach Hause gehen. Seine Familie hatte bis zu diesem Zeitpunkt geglaubt, dass er bei den Kämpfen getötet worden sei. Nachdem er einige Zeit als Zwangsarbeiter bei der Eisenbahn gearbeitet hatte (die Deutschen hatten die Invasion in Russland vorbereitet), wurden er und seine gesamte Familie nach Österreich deportiert. Er verbrachte den Rest des Krieges in Österreich, an einem Ort genannt Oberefellach (vermutlich [[Obervellach]]/Kärnten), um für einen Bauern mit dem Namen Franz Pacher zu arbeiten. Es war dort, wo er meine Mutter traf, die auch als Sklavenarbeiterin von Südpolen deportiert worden ist.}}


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
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