Vertrag von Neuberg an der Mürz
Der Vertrag von Neuberg an der Mürz war ein Familienvertrag, der im Jahr 1379 zwischen den Herzögen Albrecht III. ("Albrecht mit dem Zopfe") und Leopold III. geschlossen wurde. Mit ihm erfolgte die erste Realteilung der von den Herzögen von Österreich (Habsburgern) beherrschten Territorien. Der Vertrag bildete die Grundlage für weitere Teilungsverträge.
Vorgeschichte
Nach dem Aufstieg in den Stand der Reichsfürsten im 13. Jahrhundert war es den Herzögen von Österreich, wie sich die Dynastie der Habsburger im Spätmittelalter nannte, im Gegensatz zu den meisten anderen Adelsfamilien im "Reich" gelungen, Realteilungen innerhalb ihrer Herrschaften zunächst zu verhindern[A 1] Mit der Erlassung einer Hausordnung ("Albrechtinische Hausordnung" (1355)), dem "Privilegium maius") (vermutlich im Winter 1358/59) und der "Rudolfinischen Hausordnung" (1364) versuchten Herzog Herzog Albrecht II. von Österreich ("Albrecht der Weise" oder "Albrecht der Lahme") und sein Sohn (Erz-)Herzog Rudolf IV. ("Rudolf der Stifter") eine Realteilung der Territorium, über die ihre Familie inzwischen herrschte, zu verhindern.
Nach dem frühen Tod von Herzog Rudolf IV. traten seine Brüder, die zu diesem Zeitpunkt beide noch sehr jung waren, gemeinsam die Nachfolge an. Wohl gestützt auf die "Rudolfinische Hausordnung" übernahm Albrecht III. zunächst als "Senior familiae" die Führung. Leopold III., den Rudolf IV. in den letzten Monaten seines Lebens mit Verwaltungsaufgaben in Tirol und den "Vorderen Landen" betraut hatte, blieb vorerst in der Umgebung seines Bruders.[1] Bis ca. 1373 dürften beide Herzöge
Der Vertrag von Wien (1373) und weitere Verträge
Am 25. Juli 1373 wurde in Wien ein auf zwei Jahre befristeter Vertrag zwischen den beiden Herzögen geschlossen, der noch an der Unteilbarkeit der von ihnen beherrschten Territorien festhält, aber bereits eine Teilung der Zuständigkeiten verfügt. Hier erhält Albrecht die Regentschaft über die Herzogtümer Österreich und Steier, während das Herzogtum Krain, die Grafschaft Tirol und die "Vorderen Lande" Leopold unterstellt sind. Die Einkünfte aus dem Herzogtum Kärnten, das damals unter der Verwaltung des Grafen Meinhard von Görz stand, werden geteilt. Die Amtsträger werden auf beide Herzöge seinem vereidigt. Leopold ist es nun verboten, in Linz (in "Österreich") oder Graz (in "Steier") seinen Aufenthalt zu nehmen, Albrecht in jenen Orten der anderen Ländergruppe, die Sitz eines Landeshauptmanns oder eines Landvogtes ist.[2]
Nach dem Auslaufen dieses Vertrages wurden 1375 bzw. 1376 weitere Verträge geschlossen, in denen Leopold noch die Herrschaft über das Herzogtum Kärnten mit Erwerbungen in Istrien, der Windischen Mark und im heutigen oberen Italien erhält. Hier wird erstmals die Führung einer "selbständigen" "Außenpolitik" erlaubt. Ein weiterer Vertrag wurde noch 1379 geschlossen oder war zumindest geplant.[3]
Dass das wesentliche Quellenmaterial Verträge (Aktenmaterial und somit keine Geschehnisse) sind und dass Leopold zum Beispiel im Sommer 1377, während Albrecht an einem Kreuzzug gegen die Preußen teilnahm, die Herrschaft über alle Territorien alleine ausübte und diese Lage keineswegs zu seinem eigenen Vorteil ausnutzte oder der spätere "Vertrag von Neuberg" eine relativ faire Teilung beinhaltete[3], wurde in der älteren Forschung immer wieder als Beleg dafür gesehen, dass der Neuberger Teilungsvertrag in erster Linie aus praktischen verwaltungsbedingten Gründen geschlossen wurde. Die neuere Forschung vermutete dagegen in den Verträgen Hinweise auf einen "Bruderzwist" (in schriftlicher Form). Die aktuelle Forschung geht inzwischen von einem Bruderkrieg (oder "Beinahe-Bruderkrieg") aus, der mit dem unter Vermittlung der Landstände geschlossenen Teilungsvertrag beendet oder gerade noch verhindert werden konnte.
Der Vertrag von Neuberg an der Mürz
Am 25. September 1379 wurde zwischen den Herzögen im Zisterzienserstift Neuberg bei Neuberg an der Mürz[A 2] ein Hausvertrag geschlossen, in dem die Territorien und die Herrschaftskompentenzen endgültig aufgeteilt wurden.[4]
- Beide Herzöge führen weiterhin die Titel, Wappen und Banner aller Territorien.
- Wenn einer der beiden keine Nachkommen hat bzw. sein Familienzweig in "männlicher Linie" ausstirbt, erbt automatisch der andere Familienzweig. Töchter sind nur dann erbberechtigt, wenn beide Familienzweige in "männlicher Linie" endgültig ausgestorben sind.
- Hinterlässt einer der Brüder nur minderjährige Kinder, übernimmt der andere für diese die Vormundschaft bis zu ihrer Mündigkeit, das Mündigkeitsalter wird mit 16 Jahren festgelegt.
- Bei einem Verkauf von Territorien räumen sich die Herzöge gegenseitig ein Vorkaufrecht ein.
- Sie verpflichten sich zu gegenseitiger Hilfe.
- Sie verpflichten sich dazu, keine Bündnisse einzugehen, die gegen den anderen gerichtet sind.
- Albrecht erhielt das Herzogtum Österreich mit der Stadt Steyr sowie Hallstatt und dem Ischlland (inneres Salzkammergut), außerdem die Festen Starhemberg, Pitten, Ternberg und Schwarzenbach mit den dazu gehörigen Landesgerichten.
- Leopold erhielt die Herzogtümer Steier, Kärnten und Krain, die Windische Mark, die Güter in Istrien, Feltre und Belluno, die Grafschaft Tirol und die vorländischen Besitzungen (westlich des Arlberges, in der heutigen Schweiz, im der Reichslandschaft Schwaben und im Elsaß, außerdem Wiener Neustadt und Neunkirchen sowie die Burgen Schottwien, Klamm und Aspang.
Dass Leopold im Vertrag außerdem eine Kompensationszahlung zugestanden wurde[3], zeigt, dass die ihm zugeteilten Territorien zu diesem Zeitpunkt wesentlich weniger Einkünfte erbrachten, als die von Albrecht III.
Die Teilung der Territorien dürfte einigermaßen ausgewogen gewesen sein. Abgesehen davon, dass Albrecht mit dem Herzogtum Österreich jenes Territorium erhielt, nach dem sich die Familie im Spätmittelalter benannte, also sozusagen das "Kernland", enthielt der Vertrag für ihn und seine Nachkommen keine Vorteile[A 3]..[5]
Beurteilung des "Neuberger Vertrages"
Mit dem "Neuberger Vertrag" widersprach zwar den Bestimmungen der "Albrechtinischen Hausordnung" und dem "Privilegium maius", die beide die "Unteilbarkeit" der Territorien festgelegt hatten, mit Blick auf die damaligen Rechtsnormen war er jedoch zulässig. Albrecht und Leopold waren zum Zeitpunkt des Abschlusses als voll handlungsfähige Fürsten dazu berechtigt, Verträge zu revidieren und neue Abkommen zu schließen. Der Vertrag dürfte zudem im gegenseitigen Einvernehmen zustande gekommen sein. Er widersprach auch keineswegs dem damaligen Reichsrecht oder den Bestimmungen der Goldenen Bulle und hatte zudem die Zustimmung der Landstände. Von König Wenzel IV. von Böhmen, der 1378 die Nachfolge von Kaiser Karl IV. angetreten hatte, wurde er ohne Komplikationen bestätigt.[5]
Weitere Entwicklung nach dem Abschluss des Vertrages
Nachdem Leopold III. 1386 in der Sempach gefallen war, übernahm Albrecht III. als "Senior familiae" mit Zustimmung seiner Neffen Wilhelm und Leopold IV.) wieder die alleinige Herrschaft über alle Territorien der Familie und setzte damit den "Neuberger Vertrag" außer Kraft. Erst nach seinem Tod wurden die Territorien erneut zwischen seinem Sohn [[w:Albrecht IV. (Österreich)|Albrecht IV.) und Leopolds Söhnen in den Verträgen von Hollenburg (1495) und Wien (1496) erneut geteilt, wobei der "Neuburger Vertrag" die Grundlage bildete.[6]
Auswirkungen des "Neuburger Vertrages"
Die als "Neuburger Vertrag" in die Geschichtsschreibung eingegangene Übereinkunft der Herzöge Albrecht III. und Leopold III. hatten weitreichende Folgen. Obwohl der Vertrag nach Leopolds Tod von Albrecht bis zu dessen Tod wieder außer Kraft gesetzt wurde, begründete er die Spaltung der Dynastie in zwei Linien: die "Albertinische" (oder "Albrechtinische") Linie und die "Leopoldinische Linie". im 15. Jahrhundert teilte sich die "Leopoldinische Linie" in zwei weitere Linie: die "steirische" Linie und die "Tiroler" Linie. Erst Ende des 15. Jahrhunderts wurden die Territorien unter Kaiser Maximilian I. wieder vereinigt.<ref">vgl. Alois Niederstätter: Österreichische Geschichte 1278–1411, 2001, S. 180f.</ref>
Literatur
- Alois Niederstätter: Österreichische Geschichte 1278–1411. Die Herrschaft Österreich. Fürst und Land im Spätmittelalter. (= Österreichische Geschichte. Band 6). Ueberreuter Verlag, Wien 2001, ISBN 3-8000-3974-5, S. 178-181
Weblinks
- Neuberger Teilungsvertrag, Österreichischen Staatsarchiv
Einzelnachweise
- ↑ vgl. Alois Niederstätter: Österreichische Geschichte 1278–1411, 2001, S. 172
- ↑ Referenzfehler: Es ist ein ungültiger
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wurde kein Text angegeben. - ↑ 3,0 3,1 3,2 vgl. Alois Niederstätter: Österreichische Geschichte 1278–1411, 2001, S. 179
- ↑ vgl. Alois Niederstätter: Österreichische Geschichte 1278–1411, 2001, S. 179f.
- ↑ 5,0 5,1 vgl. Alois Niederstätter: Österreichische Geschichte 1278–1411, 2001, S. 180
- ↑ vgl. Alois Niederstätter: Österreichische Geschichte 1278–1411, 2001, S. 188
Anmerkungen
- ↑ Während von den Söhnen König Rudolfs I. nur der spätere König Albrecht I. (als Herzog von Österreich ebenfalls Albrecht I.) seinen Vater überlebte und so die alleinige Herrschaft antreten konnte, gelang Albrechts vielen Söhnen trotz politischer Schwierigkeiten (und vermutlich auch persönlicher Differenzen) die Aufrechthaltung einer Samtherrschaft.
- ↑ Das Stift war ein Kloster der Familie, das Albrechts und Leopolds Onkel Otto von Österreich in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts gegründet hatte.
- ↑ Die Behauptung, dass die Nachfahren Albrechts (die "Albrechtiner") die Hauptlinie und die Nachfahren Leopolds (die "Leopoldiner") nur eine jüngere Nebenlinie der Herzöge von Österreich (Habsburger) waren, was auch in der seriösen Literatur immer wieder als Fakt dargestellt ist, ist somit unrichtig. Diese Fehlannahme, auf der leider auch eine ganze Reihe von bekannten, wenngleich unrichtigen Theorien, basieren, dürfte ihre Ursache in den späteren Teilungen innerhalb der Dynastie seit Karl V. und Ferdinand I. haben. Ferdinands Nachkommen spalteten sich in der Folge in eine Hauptlinie und Nebenlinien auf, wobei der Habsburger mit der Kaiserwürde, dessen Hauptsitz als Folge des Dreißigjährigen Krieges endgültig die Stadt Wien stets das Oberhaupt der Familie war. Offensichtlich wurde dies im 18. und 19. Jahrhundert, und ohne kritische (Über-)Prüfung, auch auf die Teilungen nach dem Vertrag von Neuberg übertragen.
Überregionale Aspekte dieses Themas werden auch in der Wikipedia unter dem Titel Vertrag von Neuberg an der Mürz behandelt. Hier im ÖsterreichWiki befinden sich Informationen sowie Ergänzungen, die zusätzlich von regionaler Bedeutung sind (siehe Mitarbeit). |