Wenzel (HRR)

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Blatt aus der Wenzelsbibel
Die Burg Wildberg, Kupferstich nach Georg Matthäus Vischer (1628–1696) aus dem Jahr 1674

König Wenzel (IV.) von Böhmen ("Wenzel der Faule") (* 1361, in Nürnberg, damals eine Reichsstadt; † 1419, in Prag, damals Königreich Böhmen) aus dem Haus Luxemburg herrschte von 1363 beziehungsweise 1378[A 1] bis zu seinem Tod über das Königreich Böhmen. Von 1376 beziehungsweise 1378[A 2] bis 1400 beziehungsweise 1410[A 3] war er außerdem als römisch-deutscher König Herrscher über das Heilige Römische Reich. Er wurde zweimal im Herzogtum Österreich gefangen gehalten, was Eingang in die Welt der Wiener Sagen fand.

Herkunft und Familie

Wenzel war ein Sohn von Kaiser Karl IV. aus dessen dritter Ehe mit Anna von Schweidnitz. Er war ein Halbbruder des späteren Kaisers Sigismund und ein Cousin der Markgrafen Jobst von Mähren und Prokop von Mähren.

Wenzel war zweimal verheiratet,

∞ in 1. Ehe mit Johanna von Baiern-Holland[A 4] († 1386), deren jüngere Schwester Johanna Sophie später Herzog Albrecht IV. von Österreich ("Albrecht das Weltwunder") heiratete;
∞ in 2. Ehe mit Sophie von Baiern-München († 1428).

Kinder sind für keine der beiden Ehen überliefert.

Erinnerungsstätten an König Wenzel im EU-Land Österreich

Niederösterreich

Darstellung von König Wenzel auf einem Glasfenster in der Pfarrkirche Litschau
  • Litschau: Auf einem Glasfenster an der Nordseite der Pfarrkirche Litschau "zum Hl. Michael" wird die Belehnung der Herzöge Wilhelm und und Albrecht (IV.) von Österreich durch König Wenzel im Jahr 1398 gezeigt. Es handelt sich um eine Arbeit des Unternehmens Ostermann und Hartwein aus München, die 1911/12 geschaffen wurde.

Oberösterreich

Darstellung von König Wenzel in der Pfarrkirche Sandl
  • Sandl: Das Relief des Hochaltars in der Pfarrkirche Sandl stammt aus dem Jahr 1742 und zeigt die Verhaftung des Heiligen Johannes von Nepomuk bei seiner Rückkehr nach Prag, an der König Wenzel in dieser Darstellung selbst beteiligt ist. Es handelt sich dabei um eine weniger bekannte Szene aus der Heiligenlegende.

Wien

Wenzel in Legende und Sage

Wenzel wurde zweimal im Herzogtum Österreich gefangen gehalten.

  • 1394 wurde Wenzel von einer böhmischen Adelsopposition unter der Führung des Markgrafen Jobst von Mähren gefangen genommen und schließlich am 5. Juli 1394 ins Herzogtum Österreich gebracht, dessen Herrscher damals Herzog Albrecht (III.) von Österreich ("Albrecht mit dem Zopfe") war. Seit dem 19. Juli 1394 wurde Wenzel auf der Burg Wildberg nördlich von Linz festgehalten, die den Herren von Starhemberg gehörte, ehe er am 1. August 1394 wieder frei gelassen wurde.[1]
  • 1402 ließ Sigismund Wenzel am 6. März 1402 gefangen nehmen und Anfang Juni 1402 ins Herzogtum Österreich verbringen, wo dieser zunächst auf der Burg Schaunberg[A 5] und seit dem 9. August 1402 in Wien, zunächst in der Burg und dann im Praghaus in Haft gehalten wurde[2]. Von dort konnte er am 11. November 1403[3][A 6] mit Hilfe von Johann von Liechtenstein[A 7] fliehen.[4] Nach seiner Rückkehr nach Böhmen übernahm Wenzel dort wieder selbst die Herrschaft. Während seiner Gefangenschaft in Wien hatte Wenzel bei Wiener Kaufleuten wie Dietrich Prenner[A 8] († 1408) hohe Darlehen aufgenommen[5].

Besonders um die zweite dieser beiden historisch belegten Gefangenschaft Wenzels entstanden einige Legenden, die ihren Ursprung in Chroniken aus den Mittelalter haben. In diesen sind Sigismund und Albrecht IV. gewöhnlich Verbündete, die entweder gemeinsame Sache gegen Wenzel machen oder Albrecht ist Sigismunds Komplize. Die Rolle von Albrechts Cousins variiert dagegen. In einigen Versionen übernimmt Albrechts Cousin Wilhelm von Österreich die Rolle des Fluchthelfers, der Wenzels Flucht zulässt oder sogar erst möglich macht.[6][7] Außer Johann von Liechtenstein, der mit seinem Gefolge zeitgerecht bereit steht, um Wenzel nach Böhmen zurückzugeleiten, gibt es auch weitere Helfer wie den Fischer, den böhmischen Kreuzherrn Bohus(s)[8] oder den namenlosen Seelsorger, die Wenzel bei seiner Flucht behilflich sind.

Die Flucht des Königs Wenzel

In dieser Sage gelingt es dem in einem Turm in Wien gefangen gehaltenen König Wenzel mit Hilfe des Fischers Hanns Gründel zu flüchten. Der Fischer, der in der Werd (heute Wien 2) wohnt und den König regelmäßig mit gesottenen Fischen versorgen darf, schmuggelt ein Seil in den Turm, mit dem es Wenzel gelingt, durch das Turmfenster zu flüchten. Da seine Flucht allerdings recht bald entdeckt wird und ihn der Fischer erst einige Tage später über die Donau nach Stadlau bringen kann, ist Wenzel jedoch gezwungen, sich zunächst unter einem Misthaufen zu verstecken. In Stadlau wird er dann von Johann von Liechtenstein mit 50 Schützen erwartet, die ihn über Nikolsburg und Kuttenberg nach Prag geleiten. Wenzel lässt seinen Retter mit dessen Familie dorthin nachkommen und macht ihn aus Dank zum Ritter Gründel von Wien.[9]

Schloss Wildberg

Einer Sage nach kann das Fenster des Turms im Schloss Wildberg, wo Wenzel gefangen saß, nicht vermauert werden. Die am Tage eingelegten Ziegel werden nachts wieder hinabgeschleudert.[10]

Darstellung in Literatur und Belletristik

  • Benedicte Naubert: Hermann von Unna. Eine Geschichte aus den Zeiten der Vehmgerichte, Roman, 2 Bände (publiziert 1788)
  • Anna Fuchs: Der blaue Liebesknoten. (Historische Romane im Gmeiner-Verlag). Gmeiner-Verlag, 2014, ISBN 978-3839215753[A 9]

Literatur

  • Ivan Hlavácek: Wenzel IV., sein Hof und seine Königsherrschaft vornehmlich über Böhmen. In: Ivan Hlaváček et al. (Hrsg.): Höfe – Residenzen – Itinerare. Verlag Karolinum, Prag, 2011. ISBN 978-80-246-1942-2. S. 57 – 84
  • Ivan Hlavácek: Wenzel (IV.) und Giangaleazzo Visconti. In: Paul-Joachim Heinig – Sigrid Jahns et al. (Hrsg.): Reich, Regionen und Europa in Mittelalter und Neuzeit. Festschrift für Peter Moraw. Duncker & Humblot, Berlin, 2000. ISBN 978-3428100286. S. 203-226[A 10]
  • Klara Hübner: Mord und Rufmord. Politische Propaganda und die Anfänge der Schwarzen Legende König Wenzels IV. In: Andreas BihrerDietmar Schiersner (Hrsg.): Reformverlierer 1000-1800. Zum Umgang mit Niederlagen in der europäischen Vormoderne (= Zeitschrift für Historische Forschung. Vierteljahreszeitschrift zur Erforschung des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit. Beiheft 53). Duncker & Humblot, Berlin, 2016. ISBN 978-3-428-14936-0. S. 57-95
  • Martin Kintzinger: Wenzel (1376-1400, †1419). In: Bernd Schneidmüller - Stefan Weinfurter (Hrsg.): Die deutschen Herrscher des Mittelalters. Historische Portraits von Heinrich I. bis Maximilian I. (919–1519). Verlag C. H. Beck, München 2003, ISBN 3-406-50958-4, S. 433-445[A 11]
  • Alois Niederstätter: Österreichische Geschichte 1278–1411. Die Herrschaft Österreich. Fürst und Land im Spätmittelalter. Verlag Ueberreuter, Wien 2001. ISBN 3-8000-3526-X, S. 192 und S. 196
  • Franz Theuer: Der Raub der Stephanskrone. Der Kampf der Luxemburger, Habsburger, Jagiellonen und Hunyaden im pannonischen Raum, Edition Roetzer, Eisenstadt 1994, S. 27f., 29, S. 30f.[A 12]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. vgl. Alois Niederstätter: Österreichische Geschichte 1278–1411, 2001, S. 192; ergänzt nach Rudolf Lehr: LandesChronik Oberösterreich. 3000 Jahre in Daten, Dokumenten und Bildern. Wien: Christian Brandstätter Verlag 2012, ISBN 978-3-850-62-1, S. 85
  2. vgl. Ferdinand Opll: Nachrichten aus dem mittelalterlichen Wien: Zeitgenossen berichten. Böhlau Verlag, Wien / Köln / Weimar, 1995, ISBN 978-3-205-98372-9, S. 107
  3. vgl. Franz Theuer: Der Raub der Stephanskrone, 1994, S. 30
  4. vgl. Alois Niederstätter: Österreichische Geschichte 1278–1411, 2001, S. 196
  5. vgl. Praghaus, eingesehen am 7. Mai 2020
  6. Hinweise dazu, vgl. Hubert Hinterschweiger: Wien im Mittelalter. Alltag und Mythen. Konflikte und Katastrophen. Wien / Graz / Klagenfurt: Pichler Verlag 2010, Abschnitt Wenzel der Faule
  7. vgl. Franz Theuer: Der Raub der Stephanskrone, 1994, S. 30f.
  8. vgl. Ferdinand Opll: Nachrichten aus dem mittelalterlichen Wien: Zeitgenossen berichten. Böhlau Verlag, Wien / Köln / Weimar, 1995, ISBN 978-3-205-98372-9, S. 108
  9. vgl. Die Flucht des Königs Wenzel. In: Wolfgang Morscher - Berit Mrugalska: Die schönsten Sagen aus Wien (= Haimon TB 35). Haymon Verlag, Innsbruck / Wien, 2010, ISBN 978-3-85218-835-5, S. 147f.
  10. vgl. Sage vom wilden Jäger, Sagen.at, eingesehen am 25. November 2017

Anmerkungen

  1. Wenzel wurde bereits 1363 zum böhmischen König gekrönt. Die tatsächliche Herrschaft trat er allerdings erst nach dem Tod seines Vaters (1378) an, vgl. Martin Kintzinger: Wenzel (1376-1400, †1419), 2003, S. 433
  2. Wenzel wurde bereits 1376 zum römisch-deutschen König gewählt und in Frankfurt am Main gekrönt. Auch hier trat er die tatsächliche Herrschaft allerdings erst nach dem Tod seines Vaters (1378) an, vgl. Martin Kintzinger: Wenzel (1376-1400, †1419), 2003, S. 433f.
  3. Wenzel wurde um 1400 von den "rheinischen" Kurfürsten abgesetzt. Diese Absetzung konnte er nicht verhindern, weigerte sich jedoch sie zur Kenntnis zu nehmen. Am 26. Mai 1400 wurde Kurfürst Ruprecht III. von der Pfalz zum neuen römisch-deutschen König gewählt. Er konnte sich jedoch nur in Teilen des Heiligen Römischen Reiches durchsetzen, sein Versuch eines Rom-Zugs mit dem Ziel, sich zum Kaiser krönen zu lassen, scheiterte; vgl. Martin Kintzinger: Wenzel (1376-1400, † 1419), 2003, S. 444f. Erst nach Ruprechts Tod akzeptierte Wenzel 1410 seine Abdankung.
  4. Die Schreibweise mit ai statt ay findet sich in historischen Quellen und ist auch in der älteren Sekundärliteratur üblich. Für das Land Bayern wurde die Schreibweise mit y erst im 19. Jahrhundert durch einen gesetzlichen Beschluss des damaligen Königs eingeführt. Da es in diesem Artikel um das Mittelalter, wird für die Dynastie der Wittelsbacher hier die Schreibweise Baiern verwendet.
  5. Anna, die Ehefrau von Sigismunds Verbündeten und zukünftigen Schwiegervater Graf Hermann von Cilli, war eine Angehörige der Grafenfamilie von Schaunberg, vermutlich eine Tochter des Grafen Heinrich (VII.) von Schaunberg.
  6. 11. November 1402 lt. Praghaus, WienWiki.at, eingesehen am 25. November 2017
  7. Bei diesem Johann von Liechtenstein dürfte es sich um Johann I. von Liechtenstein, Herr zu Nikolsburg und Feldsberg († 1397) handeln, der viele Jahre der Hofmeister von Herzog Albrecht III. gewesen war, ehe es 1394 zu seinem Sturz kam, dessen tatsächlichen Hintergründe bis heute nicht geklärt sind. Dass Johann, der sowohl Besitzungen in der Markgrafschaft Mähren als auch im Herzogtum Österreich hatte, bei dem Konflikt zwischen Albrecht III. mit Wenzel zwischen die Fronten geraten ist, wäre zumindest vorstellbar, vgl. Alois Niederstätter: Österreichische Geschichte 1278–1411, 2001, S. 192. Zwar war dieser Johann 1402/03 nicht mehr am Leben, doch könnte die Sage beide Gefangenschaften Wenzels hier durcheinander gebracht haben.
  8. Dietrich Prenner könnte ein Verwandter von Kristan Prenner, dem späteren Bürgermeister von Wien gewesen sein. Urkundliche Belege dafür wurden aber bisher nicht gefunden.
  9. Das Buch vermittelt auf eine unterhaltsame Weise Informationen, die aus historischen Fachbüchern stammen. Wenzel ist hier eine Figur im Hintergrund des geschichtlichen Panoramas, welches gezeigt wird. Auffällig ist die sehr subtile Annäherung an ihn, in der die unterschiedlichen Darstellungen in der Geschichtsforschung reflektiert werden.
  10. Der Aufsatz enthält einige interessante Informationen zu Wenzels zweiter Gefangenschaft in Wien.
  11. Der Aufsatz beschränkt sich auf Wenzel als römisch-deutschen König. Er gibt eine Überblicksdarstellung, die jedoch in einigen Details ungenau ist. Wenzel kommt in dieser Darstellung als Herrscher des Heiligen Römischen Reichs sehr schlecht weg, seine Rolle als böhmischer König ist ausgeblendet, wird jedoch in Andeutungen ebenfalls negativ beurteilt. In Bezug auf Beurteilungen empfiehlt es sich daher auf ergänzende Lektüre und weitere wissenschaftlichen Arbeiten zurückzugreifen.
  12. Hier findet sich eine Beschreibung der Flucht Wenzels, die in Bezug auf die Details relativ ungenau wirkt.
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