Benutzer:Sonne7/ I /These zum Stromhandel nach dem Merit-Order-System: Konzeptproblem und Lösungsmöglichkeit
Der Stromhandel nach dem Merit-Order-System führt derzeit leider zu einer extremen Überhöhung vom Strompreis für die Endkunden. Die primäre Ursache davon ist bekannterweise ganz klar der extrem gestiegene Erdgaspreis, der sich über die entsprechenden Kraftwerke auswirkt.
Aber eine sekundäre Ursache stellt möglicherweise das hier thematisierte Konzeptproblem vom Merit-Order-System dar. Dieses tritt auch in dem Fall auf, in dem eigentlich schon ausreichend Erneuerbare Energie (EE) zur Verfügung stehen würde. Es wirkt sich sogar bereits dann aus, wenn dieses nur in irgendeinem der vielen Zeitslote eines Tages bzw. eines Wochenendes der Fall ist.
Das derzeitig genutzte Merit-Order-System wird an einem ganz konkreten Szenario mit sehr vereinfachtem Setting behandelt. Anhand von diesem wird das Konzeptproblem detailliert aufgezeigt und auch eine konkrete Lösungsmöglichkeit dazu vorgeführt. Hierfür wird hier nicht der Terminmarkt sondern nur der den jeweiligen Strommarktpreis bestimmende Spotmarkt behandelt. Außerdem wird vereinfachend davon ausgegangen, dass alle betrachteten Öko-Bieter, also die Bieter von EE, noch genug verfügbare Kapazität haben.
Problemhintergrund
Grundsätzliche Feststellungen zum Hintergrund des Konzeptproblems:
- Am Strommarkt sind alle Marktteilnehmer gewinnorientierte Unternehmen, die meisten sogar Aktiengesellschaften, die ihren Aktionären gegenüber den Gewinn maximieren müssen.
- Dieses gilt speziell auch für die Unternehmen der 'Erneuerbaren Energie' (EE) – die Öko-Bieter.
- Durch die reine Optimierung auf den Gewinn von allen Bietern am Strommarkt erfolgt mindestens teilweise der Letztgebotsverzicht, speziell von Öko-Bietern.
- Dieser Verzicht auf das Gebot für die letzte Bedarfsmenge durch die Öko-Bieter hebelt teilweise die korrekte Merit-Order aus.
- Hiermit wird vermutlich die derzeitige extreme Überhöhung vom Strompreis für die Endkunden verstärkt oder möglicherweise teilweise sogar bewirkt.
Szenario-Setting
Die Vereinfachungen hier in diesem Szenario betreffen:
- Es wird nur 1 Zeitslot behandelt – dieser steht stellvertretend für alle Zeitslote eines beliebigen Tages bzw. Wochenendes.
- Nur 3 Öko-Bieter werden betrachtet – jeweils einer mit Kraftwerk/en (KW) der Type PVA (solar), WKA (Wind) und WKW (Wasser).
- Zusätzlich wird hier auch alles nur auf eine fiktive Mengeneinheit der Energie 'ME' bezogen, um die Zahlen übersichtlich zu halten.
- Gleiches gilt auch für die Erzeugerpreise, die auch die Gebotspreise darstellen und hier in fiktiven 'c/ME' angeführt werden.
Letztlich kommen hier also nur fiktive Zahlen vor, deren Aussagekraft daher nur relativ zueinander betrachtet von Relevanz ist.
1. Tln. '1S' (solar) mit PVA | 2. Tln. '2L' (Wind=Luft) mit WKA | 3. Tln. '3W' (Wasser) mit WKW | 4. Tln. '4G' (Erdgas) mit GuD-KW |
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Erzeugerpreis: 200 c/ME | Erzeugerpreis: 400 c/ME | Erzeugerpreis: 300 c/ME | Erzeugerpreis: 900 c/ME |
Kat.: Öko-Bieter (EE) | Kat.: Öko-Bieter (EE) | Kat.: Öko-Bieter (EE) | Kat.: Nicht-Öko-Bieter (fossil) |
(Anmerkung: Alle Erzeugerpreise sind zur Vereinfachung der Berechnung in einer fiktiven Preiseinheit – Werte nur relativ zueinander relevant) |
Hinweis: | Der Erdgaspreis wird hier bewusst als nicht ganz so extrem, wie er derzeit aktuell auftritt, angeführt um klar zu zeigen, |
dass dieses Konzeptproblem auch bereits bei geringeren Differenzen der Erzeugerpreise auftreten kann. |
Szenario-Ausgangssituation
- Die Restmenge vom Energiebedarf aus dem Terminmarkt steht nun am Spotmarkt in Auktion.
- Im betrachteten Zeitslot bestehe ein noch offener Energiebedarf von 12 Mengeneinheiten (ME).
- Der fossile Bieter '4G' (Erdgas) mit seinem GuD-KW hat die gesamte Restbedarfsmenge geboten
- (z.B. mglw. auch wegen seiner Verpflichtung zur durchgehenden Bereitstellung von Fernwärme).
- Im Bieterverfahren für den Zeitslot wurden jedoch bereits fast alle ME an Öko-Bieter vergeben.
- Konkret ist der Betrachtungsbeginn bei 11 von 12 ME des Zeitslots von Öko-Bietern geboten.
- Der hier frei angenommene Zeitslot-Gebotsstand sei:
2 ME von '1S' (solar) 4 ME von '2L' (Wind) 5 ME von '3W' (Wasser) 1 ME von '4G' (Erdgas) = verblieben
- Somit ist bisher der teuerste Bieter der Tln. '4G' (Erdgas) mit GuD-KW.
Aktuelles Konzeptproblem
Der Verzicht durch Öko-Bieter auf das Letztgebot für die allerletzte noch fossile Restmenge wird hier konkret aufgezeigt.
Darstellung des Problems
Die Erklärung erfolgt anhand vom oben angeführten stark vereinfachten Szenario.
Szenario-Vorgang
- Letzte Gebotsrunde (nur mehr 1 Mengeneinheit noch Nicht-Öko) – beim derzeit (noch) gültigen aktuellen Regelwerk
- Entscheidung für den Rest – die 1 noch nicht durch Öko-Bieter belegte ME – von den einzelnen Öko-Bietern:
1. Tln. '1S' (solar) mit PVA 2. Tln. '2L' (Wind=Luft) mit WKA 3. Tln. '3W' (Wasser) mit WKW Umsatz ohne Rest-Gebot = 2 * 900 = 1800 Umsatz ohne Rest-Gebot = 4 * 900 = 3600 Umsatz ohne Rest-Gebot = 5 * 900 = 4500 Umsatz mit Rest-Gebot = 3 * 400 = 1200 Umsatz mit Rest-Gebot = 5 * 400 = 2000 Umsatz mit Rest-Gebot = 6 * 400 = 2400 Wirkung durch Rest-Gebot: ~33% Verlust Wirkung durch Rest-Gebot: ~44% Verlust Wirkung durch Rest-Gebot: ~47% Verlust Entscheidung daher nicht zu bieten! Entscheidung daher nicht zu bieten! Entscheidung daher nicht zu bieten!
- Gesamtergebnis: Kein Öko-Bieter stellt ein Gebot für den betrachteten Rest (1 ME).
- Somit ergibt sich der Konsumentenpreis aus dem Erzeugerpreis von einem Nicht-Öko-Bieter (!) – hier konkret aus dem fossilen Erdgas-Gebot.
Wirkung vom aktuellen Regelwerk
Es wird der wohl sicher absolut unerwünschte Effekt erreicht, dass ein teurer fossiler Bieter preisbestimmend wirkt, womit der darauf basierende Konsumentenpreis letztlich deutlich höher als nach der Merit-Order erforderlich ausfällt.
Zukünftige Lösungsmöglichkeit
Grundsätzlich handelt es sich bei dieser Lösungsmöglichkeit um die Verhinderung des Verzichts der Öko-Bieter auf das Letztgebot, indem die fossilen Bieter in ihrer Preiswirksamkeit eingeschränkt werden. Dazu wird konkret verhindert, dass der jeweils ermittelte Marktpreis von einem fossilen Nicht-Öko-Bieter bestimmt wird. Auch hierzu erfolgt die Erklärung anhand vom angeführten stark vereinfachten Szenario.
Die folgenden 2 Varianten dieser Lösungsmöglichkeit stehen zur Auswahl:
- 1. Variante: Rest-Gebot staatlich garantiert
- 2. Variante: Ausschluss von allen Nicht-Öko-Bietern vom Bieterverfahren
Beide Varianten werden hier nun konkret behandelt.
1. Variante: Rest-Gebot staatlich garantiert
Der Staat oder eine seiner ihn vertretenden Organisationen wie die e-Control übernimmt bei jedem Bieterverfahren immer die letzten noch nicht von Öko-Bietern belegten MEs zum Preis vom teuersten Öko-Bieter – idealerweise mit einem kleinen Aufschlag. Diese erwirbt er dann nachfolgend von einem anderen Bieterverfahren oder von einer vorgehaltenen Reserve. Das Verlustrisiko für diese meist kleine Energiemenge bleibt letztlich beim Staat, wird aber meistens sowieso nicht schlagend – wie sich aus dem folgenden Beispiel mit dem gleichen Setting wie beim vorigen Beispiel klar ergibt.
Hier wird mit einem Aufschlag von 10% gerechnet – konkret wegen dem teuersten Öko-Bieter '2L' mit 400 c/ME nun mit dem Wert 440 c/ME.
Szenario-Vorgang
- Letzte Gebotsrunde (nur mehr 1 Mengeneinheit noch Nicht-Öko) – beim Regelwerk nach Variante 1 der Lösungsmöglichkeit
- Entscheidung für den Rest – die 1 noch nicht durch Öko-Bieter belegte ME – von den einzelnen Öko-Bietern:
1. Tln. '1S' (solar) mit PVA 2. Tln. '2L' (Wind=Luft) mit WKA 3. Tln. '3W' (Wasser) mit WKW Umsatz ohne Rest-Gebot = 2 * 440 = 880 Umsatz ohne Rest-Gebot = 4 * 440 = 1760 Umsatz ohne Rest-Gebot = 5 * 440 = 2200 Umsatz mit Rest-Gebot = 3 * 400 = 1200 Umsatz mit Rest-Gebot = 5 * 400 = 2000 Umsatz mit Rest-Gebot = 6 * 400 = 2400 Wirkung durch Rest-Gebot: ~36% Gewinn Wirkung durch Rest-Gebot: ~14% Gewinn Wirkung durch Rest-Gebot: ~9% Gewinn Entscheidung daher zu bieten! Entscheidung daher zu bieten! Entscheidung daher zu bieten!
- Gesamtergebnis: Alle Öko-Bieter stellen ein Gebot für den betrachteten Rest (1 ME).
- Somit ergibt sich der Konsumentenpreis aus dem Erzeugerpreis vom teuersten Öko-Bieter (!) – hier konkret dem Wind-Gebot.
2. Variante: Ausschluss von allen Nicht-Öko-Bietern vom Bieterverfahren
Ein Gesetz stellt das prinzipielle Verbot der Teilnahme von Nicht-Öko-Bietern am Merit-Order-System sicher. Dadurch ist kein anderer Eingriff in den Ablauf erforderlich.
Szenario-Vorgang
- Letzte Gebotsrunde (nur mehr 1 Mengeneinheit noch nicht vergeben) – beim Regelwerk nach Variante 2 der Lösungsmöglichkeit
- Entscheidung für den Rest – die 1 noch nicht durch Bieter belegte ME – von den einzelnen Öko-Bietern:
1. Tln. '1S' (solar) mit PVA 2. Tln. '2L' (Wind=Luft) mit WKA 3. Tln. '3W' (Wasser) mit WKW Umsatz ohne Rest-Gebot = 2 * 400 = 800 Umsatz ohne Rest-Gebot = 4 * 400 = 1600 Umsatz ohne Rest-Gebot = 5 * 400 = 2000 Umsatz mit Rest-Gebot = 3 * 400 = 1200 Umsatz mit Rest-Gebot = 5 * 400 = 2000 Umsatz mit Rest-Gebot = 6 * 400 = 2400 Wirkung durch Rest-Gebot: 50% Gewinn Wirkung durch Rest-Gebot: 25% Gewinn Wirkung durch Rest-Gebot: 20% Gewinn Entscheidung daher zu bieten! Entscheidung daher zu bieten! Entscheidung daher zu bieten!
- Gesamtergebnis: Alle Öko-Bieter stellen ein Gebot für den betrachteten Rest (1 ME).
- Somit ergibt sich der Konsumentenpreis aus dem Erzeugerpreis vom teuersten Öko-Bieter (!) – hier konkret dem Wind-Gebot.
Erfolg beider Varianten der Lösungsmöglichkeit
Es führen hier also beide Möglichkeiten zum selben Ergebnis und damit zum sicher erwünschten Ziel, konkret dem, dass ein Öko-Bieter preisbestimmend wirkt und somit der darauf basierende Konsumentenpreis deutlich niedriger ausfällt.
Appell an die Regierung
Sofern diese These nicht auf einer prinzipiellen Fehleinschätzung oder einer fehlerhaften Berechnung beruht, ist eine Lösung im Sinne einer der beiden Varianten der hier genannten Lösungsmöglichkeit dringend erforderlich, um den Strompreis wieder aus den Extrembereich hin zu einem für die Konsumenten gewöhnlich leistbaren Bereich zu bringen.
Offen bleibt allerdings noch die Verhinderung der Auswirkungen durch die grenzüberschreitende Koordinierung, die andernfalls einen Teil der aktuellen Verteuerung vom Ausland via automatischem Stromexport übernehmen würde.
Es ist jedenfalls ziemlich sicher eine politische Lösung erforderlich, idealerweise gleich von der EU, aber wohl deutlich schneller zunächst nur lokal für Österreich realisierbar.
Deshalb der Appell an die Politiker rasch eine wirksame Lösung dieses Problems umzusetzen!
Originalautor: | DI Reinhard Häusler | Version/Datum: | V 1.0 / 6.3.2023 |
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