Christina Kaneider

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Christina Kaneider (* 1982 in Innsbruck) ist eine österreichische Ärztin mit Spezialisierung in Palliativmedizin und Ausbildung in Medizinethik. Sie ist die erste, öffentlich bekannte Suizidhelferin in Österreich, die ihr berufliches Leben der Betreuung von Menschen mit Wunsch nach einem selbstbestimmten Lebensende widmet und in verschiedenen Medien über ihre Tätigkeit in der Begleitung von Sterbewilligen im Rahmen des sogenannten assistierten Suizids spricht.[1][2] Sie ist Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für ein Humanes Lebensende (ÖGHL), der laut österreichischer Tageszeitung Kurier "wichtigsten heimischen Interessensvertetung und Expertenorganisation"[3] im Bereich legaler Suizidhilfe.

Werdegang

Kaneider war zehn Jahre als Ärztin auf der Hospiz- und Palliativstation in Hall in Tirol tätig. Als in Österreich 2022 das Sterbeverfügungsgesetz (StVfG) in Kraft trat, entstanden bei der praktischen Umsetzung der neuen rechtlichen Situation zunehmende Spannungen mit ihrem damaligen Arbeitgeber, der eine grundsätzlich restriktive Haltung beim Thema Sterbehilfe vertrat. Im Rahmen von Supervisionen und Fortbildungen kommt sie mit psychodynamischen Ansätzen in Berührung, die ihre Arbeit mit Patientinnen und Patienten fortan wesentlich prägen. Dazu publiziert sie in der Folge auch wissenschaftlich.[4] An der Johannes Kepler Universität Linz absolvierte sie einen Professional Master of Ethics (Medical Ethic) und eine Ausbildung als ethische Beraterin im Gesundheitswesen. 2024 kündigte Kaneider ihre Stelle und spezialisierte sich im Rahmen wahlärztlicher Tätigkeit schwerpunktmäßig auf die Beratung, Aufklärung und Betreuung sterbewillger Personen. Ebenfalls 2024 trat sie der ÖGHL bei, deren Präsidentin sie 2025 wurde.

Beiträge zur Debatte um Suizidhilfe in Österreich

Kaneider hat mehrfach fehlende Informationen und Probleme bei der Umsetzung des StVfG kritisiert.[5] Im September 2024 spricht sie sich gemeinsam mit Anwalt Wolfram Proksch bei der Verhandlung über das Sterbeverfügunggesetz vor dem Richtersenat des Österreichischen Verfassunggerichtshofs für einen weiteren Abbau von unfairen Barrieren für Sterbewillige aus.[6] Als Ergebnis der Verhandlung hebt der VfGH das rigide Werbeverbot im StVfG teilweise auf.[7] Öffentliche Aufmerksamkeit erregt sie auch, als sie in Tirol einen schwerkranken katholischen Priester auf dessen Wunsch hin beim Suizid begleitet.[8]

Einer breiteren Öffentlichkeit wird Kaneider bekannt, als sie dem österreichischen Autor und Kolumnisten Niki Glattauer auf dessen ausdrücklichen Wunsch hin Suizidhilfe leistete.[9] Im Anschluss an den assistierten Suizid Glattauers am 4. September 2025, den er Tage zuvor in einem Interview mit der Wochenzeitung Falter angekündigt hatte, folgte in Österreich eine erstmals in dieser breite geführte Kontroverse über Sterbehilfe und ihre Präsenz in öffentlichen Medien.[10][11] Im Zuge der Debatte verteidigt Kaneider bei mehreren öffentlichen Auftritten das Grundrecht auf Selbstbestimmung am Lebensende und fordert als Präsidentin der ÖGHL eine Entabuisierung und Professionalisierung der Suizidhilfe.[12] Am 31.10.2025 veröffentlicht die ÖGHL ein von Kaneider unterfertigtes Positionspapier zur Novellierung des Sterbeverfügungsgesetzes, das der Bundesregierung und allen Parlamentsfraktionen übermittelt wird. Unter anderem wird erstmals in Österreich die gesetzliche Verankerung von Sterbehilfevereinen als konkrete Forderung an die Politik formuliert.[13] Zeitgleich hat die Österreichische Palliativgesellschaft (OPG) ein Positionspapier veröffentlicht. Beide Organisationen kritisieren fehlende Anlaufstellen, mangelhafte Information und eine nicht geklärte Zuständigkeit für den assistierten Suizid in Österreich.[14]

Publikationen (Auswahl)

  • Kaneider, C. & Crepaldi, G. (2024): Psychodynamisches Verstehen assistierter Suizidwünsche im palliativen Setting. Zeitschrift für Palliativmedizin, 25(3), 127–133. doi:10.1055/a-2232-4586

Weblinks

Einzelnachweise