Emil Storch

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Versandkatalog (1897)
Möbelhaus Emil Storch, Wien - Mariahilfer Straße

Emil Emanuel Storch (* 6. Jänner 1863 in Tobitschau, Markgrafschaft MährenKaisertum Österreich; † 7. Oktober 1924 in Wien) war der einst größte Versandhändler Österreich-Ungarns.

Leben

Emil Storch kam in der Regierungszeit von Kaiser Franz Joseph I. als jüngster Sohn der jüdischen Eltern Josef Storch und dessen Gattin Lotti geb. Brüll im Jänner 1863 im mährischen Tobitschau zur Welt[1].

Nach seiner Schulausbildung arbeitete er im Textilversandhaus seines Onkels Lazar Storch in Brünn, wurde dessen Leiter und übernahm am 1. Juli 1886 mit gerade einmal 23 Jahren den Betrieb, als dieser mit 60 Jahren in Pension ging[2] [3]. Der rührige junge Mann eröffnete schon im selben Jahr eine Niederlassung in der k. k. Residenzstadt Wien, Adlergasse Nr. 1[4] und übersiedelte seine Niederlassung ein Jahr später, im November 1887 in die Salztorgasse ins Wiener Judenviertel[5]. Im Juni 1890 kam eine weitere Filiale in Form eines Möbelhauses in der Wiener Mariahilfer Straße Nr. 22 dazu, für die Emil Storch einiges Personal per Inserat im Neuen Wiener Tagblatt suchte[6]. Wenige Monate später gesellte sich eine Filiale am Wiener Franz Josephs-Kai Nr. 13 dazu[7].

Zugleich startete Storch eine exzessive Werbekampagne, die ihm zuweilen Schwierigkeiten mit dem Presserichter einbrachten[8]. Sehr erfolgreich war er auch mit dem Versand seines Bestellkataloges mit dem Titel „Familien- und Unterhaltungsblatt – Der Storch“, welchen er anfänglich monatlich, später alle zwei Wochen, in einer Auflage von 100.000 Exemplaren bis in die entferntesten Ecken der Donaumonarchie ab 1887 verschickte. Breits im Jahre 1893 hatte Storch 140. 000 Kunden und im Jahre 1897 fanden 250.000 Bestellkataloge in deutscher und ungarischer Sprache ihren Weg zu seinen Kunden.

Mit seinem unbegrenzten Warensortiment war Storch seinen Konkurrenten weit voraus. Sein Versandhaus bot seinen Kunden sämtliche Waren, um „alle Bedürfnisse des täglichen Lebens“ abdecken zu können, sowohl in der Residenzstadt Wien sowie in der Provinz. Mit der Eröffnung des „Storchen-Bazars“ im Bauernfeld-Hofe in der Wiener Wollzeile am 20. Juni 1893 überraschte Emil Storch seinen Konkurrenten. Das Warenhaus, welches nach dem Muster des Pariser Warenhauses „Grande

Magazins“ angelegt war, bot von der berühmten Stecknadel bis zur Wohnungseinrichtung alles was das Herz begehrte und dass in reichhaltigster Auswahl. Seit 1912 beherbergt das Etablissement, in völlig veränderter Form, das später berühmte Kabarett Simpl.

Sein Einkaufszentrum war den luxuriösen Wiener Kaufhausbauten, wie Herzmannsky und Gerngroß auf der Mariahilfer Straße ebenbürtig, der Geschäftserfolg beruhte im Großen und Ganzen auf rasanter Expansion, geringen Handelsspannen und niedrigen Fixpreisen. 1894/96 übersiedelte er sein Etablissement von der Wollzeile in die Mariahilfer Straße Nr. 7 und war damit in unmittelbarer Nachbarschaft der beiden erwähnten Großkaufhäuser. Er erweiterte laufend sein Sortiment und kooperierte 1894 mit dem ersten Triestiner Versandhändler Giovanni Muzzati und erwieterte damit sein Sortiment mit Kolonialwaren. 1899 gründete er einen Ansichtskartenverlag, welcher unter anderem auch pornografische Postkarten druckte, die reißenden Absatz fanden. Diese pornografischen Machwerke wurden ihm aber behördlich untersagt und tausende Karten dieser Art wurden von der Behörde konfisziert und eingestampft.

Emil Storch war auch antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt und wurde 1897 bei einer Attacke sogar verletzt, was ihm bewog sich im Bürgermeisterwahlkampf mit fragwürdigen Mitteln gegen den antisemitischen Bürgermeister Lueger zu engagieren und sich für die "Liberale Partei" einzusetzen. Auch nahm Storchs Geschäftstätigkeit keine Rücksicht auf sein Personal, was die "Arbeiter-Zeitung" mehrfach scharf kritisierte.

Einige Jahre später musste Emil Storch bei seinen Gläubigern um einen Ausgleich ansuchen. Die exorbitante Investition in der Höhe von 400.000 Kronen für das neue Kaufhaus auf der Mariahilfer Straße brachte dem erfolgsverwöhnten Kaufmann im Jahr 1900 in die Bredouille. Wegen der zu hohen Kosten für seinen mehrsprachigen Versandkatalog schränkte er den Versand ein und beschränkte sich weitgehend auf sein deutschsprachiges Klientel und wandte sich hauptsächlich dem Möbelhandel zu. Anno 1912 mietete er für sich ein kleines Geschäftslokal in der Capitranstraße Nr. 10 und begann aus wirtschaftlicher Not die alten Warenbestände abzuverkaufen währenddessen er sein Kaufhaus in der Mariahilfer Straße zur Vermietung anbot. Die galoppierende Inflation die während der Kriegs- und Nachkriegsjahre des Ersten Weltkrieges einsetzte sowie die Entwertung seiner großzügigst gezeichneter Kriegsanleihen brachten ihn in den Ruin.

Während Emil Storchs Ehegattin, der Zufall wollte es so, am 26. September 1924 im Sterben lag, ließ ein Gerichtsvollzieher, trotz Auforderung, die Amthandlung zu verschieben, es sich nicht nehmen, die Wohnungseinrichtung des Ehepaares zu pfänden. Am 7. Oktober 1924, elf Tage nach dem Tod seiner Frau, beging Emil Storch Suizid[9]. Sein Begräbnis fand in aller Stille im jüdischen Teil des Wiener Zentralfriedhofes am 9. Oktober 1924 statt [10].

Emil Strauch war mit Bertha geb. Stahl verheiratet gewesen. Die Hochzeit fand am 6. März 1892 im jüdischen Wiener Stadttempel statt[1]. Das Ehepaar hatte drei Töchter und einen Sohn.

Nachsatz

„Er war einer jener innovativen, zumeist jüdischen Kaufleute, die durch zukunftsweisende Geschäftsmodelle, Engagement und Risikobereitschaft die Wirtschaft Österreich-Ungarns mitprägten. Sein ambitioniertes Warenversandhausmodell ist am Wachstumszwang gescheitert. In einem multinationalen, vielsprachigen Staatsgebilde wie Österreich-Ungarn fehlten Storch breitenwirksame Kommunikationswege. Amazon hat das alte Versandhauskonzept mit modernsten Mitteln perfektioniert und E-Commerce ermöglicht, steht jedoch angesichts gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Veränderungsprozesse vor großen Herausforderungen. Umweltverträglich und nachhaltig, virtuell statt haptisch, lokal statt global - wird Jeff Bezos darauf adäquat reagieren?“

Wiener Zeitung vom 5. September 2020 - Emil Storch, der Vorläufer von Amazon von Elmar Samsinger

Literatur und Quellen

  • Samsinger-Mayer: Fast wie Geschichten aus 1001 Nacht. Die jüdischen Textilkaufleute Mayer zwischen Europa und dem Orient. Mandelbaum Verlag, 2015.
  • Whitaker/Fricke: Wunderwelt Warenhaus. Eine internationale Geschichte. Gerstenberg 2013.

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Eintrag auf MyHeritage
  2. Neuestes. In: Innsbrucker Nachrichten, 29. Juli 1886, S. 9 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/ibn
  3. Reklame. In: Neue Freie Presse, 10. August 1886, S. 13 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/nfp
  4. Inserat. In: Neuigkeits-Welt-Blatt, 4. Juli 1886, S. 11 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/nwb
  5. Inserat. In: Südsteirische Post, 12. November 1887, S. 8 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/spo
  6. Inserat. In: Neues Wiener Tagblatt. Demokratisches Organ / Neues Wiener Abendblatt. Abend-Ausgabe des („)Neuen Wiener Tagblatt(“) / Neues Wiener Tagblatt. Abend-Ausgabe des Neuen Wiener Tagblattes / Wiener Mittagsausgabe mit Sportblatt / 6-Uhr-Abendblatt / Neues Wiener Tagblatt. Neue Freie Presse – Neues Wiener Journal / Neues Wiener Tagblatt, 10. Juni 1890, S. 18 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/nwg
  7. Inserat. In: Die Presse, 16. August 1890, S. 8 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/apr
  8. Aus dem Gerichtssaale. In: Die Presse, 30. Juli 1890, S. 12 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/apr
  9. Tragisches Ende eines Großkaufmannspaares. In: Der Montag / Unparteiisches Montagfrühblatt / Mieter-Zeitung / Wiener Montag. Politisches Montagblatt / Der Montag. Unabhängiges, unparteiisches Montagblatt / Der Montag / Der Montag mit dem Sport-Montag, 20. Oktober 1924, S. 2 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/mon
  10. Traueranzeige. In: Neue Freie Presse, 11. Oktober 1924, S. 17 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/nfp

Weblinks

 Emil Storch – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien auf Wikimedia Commons