Ermächtigungsgesetz (Österreich)

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Ein Ermächtigungsgesetz ist die normative Befugnis mit welcher die Gesetzgebungskompetenz generell für eine bestimmte Zeit oder dauerhaft an die Regierung oder das Staatsoberhaupt (Exekutivorgane) übertragen wird.[1] Durch ein Ermächtigungsgesetz kann unter Umständen von zwingenden Vorgaben der Verfassung (z. B. Gewaltenteilung) abgewichen werden.[2][3][4] Ist die Befugnis im Rahmen des Ermächtigungsgesetzes jedoch nicht von der bestehenden Rechtsordnung gedeckt, so handelt das Exekutivorgan rechtswidrig.

Zeitlich beschränkte umfassende Ermächtigungen und Sondervollmachten waren bereits im Römischen Reich bekannt, wenn z. B. dem Diktator in Notzeiten vom Senat auf Vorschlag der Konsuln für maximal sechs Monate die unbeschränkte Gesamtleitung des Staates übertragen wurde.

Ermächtigungsgesetze in Österreich

In Österreich galten seit Bestehen einer schriftlichen Verfassung (1849) mehrere Ermächtigungsgesetze mit teilweise sehr weitreichenden Befugnissen (Beispiele in zeitlicher Reihenfolge des Erlasses):

Kriegswirtschaftliches Ermächtigungsgesetz

Das Kriegswirtschaftliches Ermächtigungsgesetz (KwEG[6]) löste 1917 die Kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsverordnung (KwEV) des österreichischen Kaisers Franz Joseph ab (eine Notverordnung der kaiserlichen Regierung, die auf Grundlage des kaiserlichen Notverordnungsrechts erlassen wurde). Das Kriegswirtschaftliches Ermächtigungsgesetz wurde vom Reichsrat 1917 erlassen. Es galt auch nach dem Ende der Monarchie in Österreich (November 1917) weiter und diente den Regierungen in der Ersten Republik dazu, um weiterhin Notverordnungen (Regierungsverordnungen) zu erlassen. Dies geschah dadurch, dass das KwEG ausdrücklich in den Rechtsbestand der Republik als Verfassungsgesetz übernommen wurde.

Besonders intensiv und zur Errichtung der Dolfuß-Schuschnigg-Diktatur in Österreich wurde das KwEG ab 1933 wieder zum Beispiel zur Einführung des Standrechtes / der Todesstrafe, umfassender Pressezensur, Ausschaltung des Verfassungsgerichtshofes, Verbot politischer Parteien etc. verwendet, obwohl damit (nach dem Gesetzeswortlaut) nicht einmal ansatzweise irgendwelche kriegswirtschaftlichen Folgen abzuwehren gewesen wären.

Ermächtigungsgesetz der Dollfuß-Schuschnigg-Diktatur

Mit dem Erlass eines eigenen Ermächtigungsgesetzes der Dollfuß-Schuschnigg-Diktatur 1934, mit welchem die Regierung ermächtigt wurde, die Verfassung vom 1. Mai 1934 (Maiverfassung) nochmals zu erlassen[7] verlor das Kriegswirtschaftliche Ermächtigungsgesetz (KwEG) von 1917 an Bedeutung, blieb aber formal bis 1938 in Kraft. Es wurde erst 1946 in der Zweiten Republik ersatzlos aufgehoben.

Mit dem Ermächtigungsgesetzes der Dollfuß-Schuschnigg-Diktatur 1934 wurde die Regierung ermächtigt, bis zur vollständigen Umsetzung der Maiverfassung, weiterhin Gesetze zu erlassen (neben den vom Parlament erlassenen Gesetzen). Die Maiverfassung wurde bis zum Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland 1938 nicht vollständig umgesetzt, so dass die Regierung diese Sonderbestimmung weidlich zum Vorteil ihres Klientels ausnützen konnte.

Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933

Das Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich (Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933) galt in Österreich ab März 1938 nach dem Anschluss an Deutschland (in dem es bereits ab 1933 gegolten hatte). Dadurch, sowie durch den Artikel 48 der Weimarer Reichsverfassung (1919) und durch weitere Ermächtigungsgesetze wurde es der deutschen Reichsregierung und dem Reichskanzler ermöglicht die nationalsozialistische Diktatur auf- und auszubauen. Das Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933 wurde nach dem Weltkriegsende 1945 aufgehoben.

Historische Auswirkungen von Ermächtigungsgesetzen

Ermächtigungsgesetze ermöglichten in der Vergangenheit in Österreich der Regierung bzw. dem Staatsoberhaupt über Jahre hinweg mit Hoheitsgewalt auch gegen die Interessen der Bürger zu handeln. In jedem Fall führte dies dazu, dass diese Regierung in weiterer Folge selbst gewaltsam ersetzt wurde.

Unterscheidung

Das Ermächtigungsgesetz gibt der Regierung oder dem Staatsoberhaupt generell die gesetzgebende Befugnis und bedeutet eine anhaltende Durchbrechung der Gewaltenteilung. Das Notverordnungsrecht hingegen bedeutet in Ausnahmesituationen eine punktuelle Durchbrechung der Gewaltenteilung.

Einzelnachweise

  1. In einem Rechtsstaat mit Gewaltenteilung dürfen Gesetze nur durch den verfassungsrechtlich vorgesehenen Gesetzgeber (z. B. Nationalrat) beschlossen werden. Ebenso kann normalerweise daher nur das Parlament ein Gesetz abändern oder aufheben.
  2. Siehe z. B. das Gesetz zu Behebung der Not von Volk und Reich vom 24. März 1933, dRGBl I 141, mit welchem in Deutschland der Reichstag sich selbst entmachtet hat und der nationalsozialistischen Diktatur den Weg geebnet hat.
  3. Richard J. Evans: Das Dritte Reich. Band 1: Aufstieg. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2004, ISBN 3-421-05652-8.
  4. Ian Kershaw: Hitler. 1889–1936. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1998, ISBN 3-421-05131-3.
  5. BGBL I 1934/255.
  6. RGBl. 1917/307.
  7. Diese war bereits zuvor durch Notverordnung der Regierung auf Grundlage des Kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetzes erlassen worden (BGBl. I. 1934/239).