Jan Mautner
Jan Mautner (19. November 1912 in Budapest – 2. September 1951 in Prag), genannt Jenda, war ein tschechischer Arzt. Er konnte den Holocaust überleben, starb jedoch an den Folgen der KZ-Haft.
Lebensweg
Über Jan Mautner sind nur Bruchstücke seines Lebensweges bekannt. Die ersten Hinweise stammen von der tschechischen Historikerin der Jüdischen Gemeinde in Brno, Alena Mikovcová, weiter geforscht hat die Historikerin Anna Hájková, die seit 2013 an der University of Warwick forscht und lehrt.
Er wuchs im mährischen Olmütz auf. Seine Eltern waren Max Mautner, geboren am 11. August 1879, und Jana geborene Kulka, geboren am 9. Februar 1880. Er ging nach Brünn, um dort Rechtswissenschaften und später Medizin zu studieren. In seiner Freizeit unterrichtete er im zionistischen Jugendverbands Makkabi Brünn. Dort lernte er Fredy Hirsch (1916–1944) kennen, der aus Aachen stammte und bei Makkabi als Gymnastiklehrer tätig war. Er wurde sein Lebenspartner. Die beiden publizierten in der Makkabi-Zeitung. Jan Mautner übersetzte die Texte seines Freundes ins Tschechische, denn Hirsch hatte Schwierigkeiten, sich in der schwierigen Sprache auszudrücken. Ruth Kopemková, eine Holocaust-Überlebende, geboren 1923 in Brünn, erzählte später, dass die beiden ein stadtbekanntes Paar waren. Gemeinsam organisierten sie Winterwanderungen für die Jugendlichen von Makkabi, die unterwegs von Jendas Mutter bekocht wurden. Im Frühjahr 1939 zog Fredy Hirsch nach Prag, wo er neuerlich für Makkabi arbeitete. Jan Mautner konnte sein Studium nicht fortsetzen, weil nach dem Überfall des NS-Regimes alle Universitäten geschlossen wurden. Er folgte im April 1940 seinem Freund nach Prag, wo beide als Sportlehrer tätig waren. Der Sportplatz Hagibor war die letzte Freizeitmöglichkeit für die jüdische Jugend der tschechischen Hauptstadt, die nach der Okkupation des Landes durch die Nationalsozialisten geblieben war.[1][2]
Im November 1941 wurden die Freunde getrennt. Fredy Hirsch wurde verhaftet und in das Ghetto Theresienstadt verschleppt. Gemeinsam mit Gonda Redlich, einer 25-jährigen Zionistin, kümmerte er sich dort um die Jugendlichen und deren körperliche Ertüchtigung. Am 28. Jänner 1942 wurden Max und Jana Mautner von Brünn nach Theresienstadt deportiert (Transport U), am 28. April 1942 weiter nach Zamość (Transport Ar). Vater, Mutter und Schwester wurden vom NS-Regime ermordet.[3][4] Auch Jan Mautner wurde nach Theresienstadt verschleppt, allerdings erst am 2. Juli 1942. Fredy Hirsch wurde im September 1943 in das KZ Auschwitz überstellt, Jan Mautner am 15. Dezember 1943. Fredy Hirsch wurde am 8. März 1944, ebenso wie alle anderen Juden seines Transports, die zu diesem Zeitpunkt noch am Leben waren, ermordet. Jan Mautner war noch im Juli 1944 in Auschwitz, wurde dann nach Schwarzheide, einem Außenlager des KZ Sachsenhausen, deportiert und musste dort für die Hydrierwerke der Brabag Zwangsarbeit verrichten. Etwa die Hälfte der Häftlinge dort kam bis zum April 1945 um. Die Überlebenden, darunter Jan Mautner, wurden auf einen Todesmarsch zurück nach Theresienstadt geschickt. Mautner war unter jenen, die das Ghetto lebend erreichten.[1] Er wurde am 5. Mai 1945 befreit, am 8. Mai 1945 langte die Rote Armee ein.
Somit waren die Lebenspartner zweimal monatelang im gleichen Konzentrationslager interniert – von Juli 1942 bis September 1943 in Theresienstadt und von Dezember 1943 bis März 1944 in Auschwitz. Es gibt keine Quellen, keine Zeitzeugenberichte, ob sie einander getroffen haben, ob sie miteinander gelebt haben. Anna Hájková, die 2018 in Theresienstadt recherchierte, stieß auf eine Mauer des Schweigens. Obwohl es zahlreiche Berichte über Fredy Hirsch und seine Vorbildwirkung für die Jugendlichen in Theresienstadt und Auschwitz gibt,[5][6] seine sexuelle Orientierung galt noch 2018 als ehrenrührig. Wohl auch deshalb gibt es keine Erinnerungen an Jan Mautner aus dieser Zeit.[1]
Er überlebte, aber nicht unversehrt. In KZ-Haft hatte er sich mit Tuberkulose angesteckt. Er kehrte nach Brünn zurück, schloss 1946 sein Medizin-Studium an der Masaryk-Universität ab, verließ die Jüdische Gemeinde und änderte seinen Nachnamen auf Martin ab. Vom obligatorischen Wehrdienst wurde er krankheitsbedingt befreit. Er praktizierte als Arzt und fand einen neuen Partner, den Apotheker Walter Hugo Löwy (1918–1996), den er in Schwarzheide kennen gelernt hatte. Die beiden lebten in einer Prager Wohnung neben dem Stromovka-Park. Schließlich zogen auch entfernte Verwandte, die den Holocaust in Palästina überlebt hatten, ein. Sechs Jahre nach der Befreiung starb Jan Martin an der nicht behandelten Tuberkulose.[1]
Weblinks
- Ein schwules Liebespaar: Fredy Hirsch und Jan Mautner, Stolpersteine Homosexuelle
- Stromovka park, Královská obora, Bubeneč, 170 00 Praha 7, Czechia (engl.)
- Absolventen der Masaryk-Universität
Einzelnachweise
- ↑ Hochspringen nach: 1,0 1,1 1,2 1,3 Anna Hájková: Die Geschichte von Jan Mautner und Fredy Hirsch: Jung, schwul – und von den Nazis ermordet, Tagesspiegel (Berlin), 31. August 2018
- ↑ Anna Hájková: Fredy Hirsch’s Lover, Tablet, 2. Mai 2019 (engl.)
- ↑ holocaust.cz: MAX MAUTNER, abgerufen am 4. März 2025
- ↑ holocaust.cz: JANA MAUTNEROVÁ, abgerufen am 4. März 2025
- ↑ Dirk Kämper: Fredy Hirsch und die Kinder des Holocaust. Orell Füssli, Zürich 2015, ISBN 978-3-280-05588-5
- ↑ Lucie Ondrichová: Fredy Hirsch. Von Aachen über Düsseldorf und Frankfurt am Main durch Theresienstadt nach Auschwitz-Birkenau. Eine jüdische Biographie 1916–1944. Aus dem Tschechischen von Astrid Prackatzsch. Hartung-Gorre, Konstanz 2000, ISBN 978-3-89649-593-8