Kalenderstein Alt-Hadersdorf

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Abbildung 01: Der Kalenderstein von Alt-Hadersdorf mit seinem Entdecker, Johannes Hofer.
Abbildung 02: Der Kalenderstein von Alt-Hadersdorf, der Zentralstein mit dem Spalt dahinter. Die südliche Seite des Zentralsteins verläuft in Richtung des Sonnenuntergangs zur Wintersonenwende.

Der Kalenderstein von Alt-Hadersdorf (auch „Altarstein“ oder „Kultstein“) ist eine Steinformation bei Alt-Hadersdorf, Marktgemeinde Sankt Lorenzen im Mürztal im Bezirk Bruck-Mürzzuschlag in der Steiermark, welche als Kultstein angesehen werden kann[1].

Lage

Das Steinmonument befindet sich nördlich der Mürz in einem Waldstück über Alt-Hadersorf auf einer Höhe von 663 m ü. A.. Es ist über einen Wanderweg („Tour 5“, von Kindberg nach Mürzhofen, Startpunkt Turmwirt) zu erreichen und liegt oberhalb der Alten Poststraße, welche möglicherweise einem alten Verkehrsweg folgt, der bereits in der Römerzeit oder früher benutzt wurde, was römerzeitliche und prähistorische Funde im Bereich dieses Weges zeigen[2][3].

Beschreibung

Die Struktur ist in Trockensteinbauweise (ohne Mörtel) errichtet. Sie besteht aus sieben obertägigen Blöcken, die terrassenförmig ansteigen. Eine teilweise anthropogene Bearbeitung gilt als gesichert. Die Blöcke bestehen aus lokalem Gestein (Mürztaler Grobgneis). Die beiden südlichsten Steinplatten weisen markante Einkerbungen auf. Die breiteste Stufe weist eine Länge von 6,2 m auf. Auf der obersten Terrasse liegt zentral ein dreieckiger Deckstein mit einem Umfang von ca. 6,2 m und ca. 8 t Gewicht. Dieser Deckstein steht auf einem Block, der aus dem gewachsenen Felsen gehauen ist. Davor liegt frei auf einem Plateau (der obersten Treppe) ein „Zentralstein“ genannter Steinquader, welcher mit dem rückwärtigen Block aus anstehendem Gestein einen ca. 18 cm breiten, sehr geraden Spalt bildet. Dieser Zentralstein verfügt an seiner südlichen Seite über eine glatte, gerade, ziemlich senkrechte, durch scharfe Kanten begrenzte Fläche[1][4][5].

Entdeckungsgeschichte

Entdeckt wurde das Steinbauwerk im Jahr 1974 durch Hubert Stolla. Er hielt das Bauwerk zunächst für ein jungsteinzeitliches (neolithisches) Sonnwendheiligtum. Er meldete seine Entdeckung umgehend den zuständigen offiziellen Stellen, wie Bundesdenkmalamt, Landesmuseum Joanneum oder Univ.-Prof. Modrian vom Institut für Urgeschichtsforschung der Universität Graz), fand dafür aber kein nennenswertes Echo.

Anfangs wurde von Vertretern der Fachwelt die Steinformation als natürliches Gebilde angesehen. Erst als der Kindberger Dr. phil. Johannes Hofer, nach Rücksprache mit seinem Onkel Rafael Zöscher, eine Freilegung durchführte, wurde der symmetrische Stufenbau sichtbar, welcher den anthropogenen Ursprung der Steinformation belegt.

Von der Fachwelt wurde der Steinbau nun als Rest eines mittelalterlichen Steinbruchs bezeichnet. Eine Ansicht, gegen die sich Gabriele Koiner, eine Expertin für antike Steinbrüche von der Universität Graz, welche den Bau im Dezember 2002 besichtigte, explizit ausgesprochen hat.

Eine von Johannes Hofer veranlasste Grabung bei der Steinformation, welche im Jahr 2004 von Christine Feichtenhofer durchgeführt wurde und mit dem Bundesdenkmalamt koordiniert war, brachte folgende Ergebnisse, dass in unmittelbarer Nähe des Steinbauwerkes zwei urgeschichtliche oder römerzeitliche Keramikfragmente gefunden wurden, deren Datierung leider nicht genau möglich war bzw. nicht genau durchgeführt wurde. Der Grabungsbericht liegt am Bundesdenkmalamt auf[5].

Klassifizierung

In der Zeit kurz nach seiner Entdeckung wurde das Steinmonument als mittelalterlicher Steinbruch angesehen. Das ist heute aber durch Aussagen von Gabriele Koiner und anderen Experten widerlegt. Einige der Flächen sind anthropogen überformt, womit die Struktur als Bauwerk angesehen werden kann. Schon Hubert Stolla vermutete eine astronomische Ausrichtung des Bauwerks. Diese Annahme konnte durch eine Beobachtung von Hofer aus dem Jahr 2019 gefestigt werden. Ein Denkmalschutz des Bauwerks wäre von großem Vorteil, um sicherzustellen, dass es nicht verändert oder Opfer von Vandalismus wird, was seine weitere Erforschung erschweren oder unmöglich machen würde.

Funde und Ausgrabung

Funde direkt am Stein

Die 2004 von Christine Feichtenhofer durchgeführte kleine Grabung erbrachte in den obersten Schichten teils mittelalterliche, teils frühneuzeitliche Tonscherben. Der Grabungsbericht liegt am Bundesdenkmalamt auf. Bei dieser Sondierungsgrabung wurden unterhalb und östlich des Steinmonuments auch noch zwei urgeschichtliche oder römische Tonscherben gefunden, einer in einer Tiefe von ca. einem halben Meter[4][5]. Nach Auskunft durch Grabungsleiterin Christine Feichtenhofer im Mai 2024 sind diese bedeutsamen Keramikfragmente inzwischen beim Bundesdenkmalamt, ebenso die damaligen Grabungspläne verlorengegangen.

Funde in der Nähe

Als bedeutendste Funde vom umgebenden Areal können zwei gut erhaltene Gefäße aus der (heidnischen) Römerzeit gelten, welche Johannes Hofer in einem kleinen versumpften Rinnsal ca. 150 Meter unterhalb des Steinbauwerkes fand. Bernhard Hebert vom Bundesdenkmalamt Graz, vermutete anlässlich eines Besuchs des Areals, dass sich dort, wo die krugähnlichen Gefäße gefunden wurden, ein heidnisches Quellheiligtum befand. Derartige Gefäße gelten als Grabbeigaben oder Opfergaben. Die Funde befinden sich in der Obhut des Finders.

Abbildung 03: Römerkrüglein, 1. Jahrh. n. Chr., gefunden bei einer Quelle unterhalb des Kalendersteins von Alt-Hadersdorf.
Abbildung 4: Scherben mit Barbotineverierung. Solche Keramik (Alter ca. 4000 Jahre) ließ sich in der Steiermark bisher mit Funden der spätkupfer- bzw. frühbronzezeitlichen Somogyvár-Vinkovci-Kultur in Verbindung bringen.

Da sich der Kalenderstein auf einer Bergkuppe befindet, der ein Erosionsgebiet darstellt, sind dort wenige Funde zu erwarten. Diese finden sich vermehrt östlich und westlich davon in Gräben nahe der Wasserläufe. Im westlichen Graben, ca. 70 m unterhalb des Steinbauwerks, fand Hofer im Jahr 2004 drei prähistorische Keramikfragmente, eines davon mit einer Barbotineverizerung. Solche Keramik (Alter ca. 4000 Jahre) ließ sich in der Steiermark bisher mit Funden der spätkupfer- bzw. frühbronzezeitlichen Somogyvár-Vinkovci Kultur in Verbindung bringen. Eine solche Zeitstellung kann auch nach einer Publikation des Bundesdenkmalamtes für dieses Stück angenommen werden[6].

Anhand der fassbaren Fundlage kann geschlossen werden, dass es menschliche Aktivitäten bereits zu prähistorischen und römischen Zeiten im Bereich des Steinmonuments gab.

Der Kalenderstein befindet sich in einem archäologisch sensiblen Gebiet des mittleren Mürztals, zwischen den Ofenberger Höhlen bei St. Lorenzen im Mürztal und dem Areal der Georgibergkirche in Kindberg, wobei letztere nachweislich auf einem urgeschichtlichen Siedlungsplatz steht. Die ältesten Keramikfragmente, welche auf dem Georgiberg gefunden wurden, stammen aus der Lasinja-Kultur (Alter: rund 5000 Jahre).

Die in jüngerer Zeit von Johannes Hofer vorgenommenen Beobachtungen bzw. Untersuchungen legen zusätzlich eine astronomische Ausrichtung der Steinstruktur zur Wintersonnenwende nahe und bringen die ursprünglich von Hubert Stolla in den 1970ern geäußerte Einschätzung als Sonnwendheiligtum wieder ins Zentrum des Interesses [7].

Schon jetzt ist das Steinbauwerk bei Alt-Hadersdorf ein beliebtes Ausflugsziel für Menschen aus nah und fern. Am beeindruckensden ist der Kalenderstein in den Tagen der Wintersonnenwende, d.h. um den 21. Dezember. Bei Sonnenuntergang am natürlichen Horizont um 15:14 Uhr dokumentert eine lineare Schattenbildung die Ausrichtung des Steinbauwerks zur Wintersonnenwende.

Ausrichtung zur Wintersonnenwende

Experiment und Ergebnisse:

Als ein Windwurf eine freie Sicht Richtung Westen möglich machte, konnte am 21. Dezember 2019 der Sonnenuntergang zur Wintersonnenwende an der Steinformation exakt beobacht bzw. die Veränderung des Schattenwurfs vermessen werden. Johannes Hofer hat festgestellt, dass am Tag der Wintersonnenwende der sich mit dem Sonnenlauf bewegende Schatten des sehr geraden „Zentralsteins“ an dessen südwestlicher, langen Kante mit fortschreitender Tageszeit immer mehr verschmälerte, bis er gegen 15:14, beim Versinken der Sonne hinter dem sichtbaren Horizont, verschwindet (seine Breite 0 wird) und er eine exakt gerade Verlängerung an der südöstlich verlaufenden kurzen Seite bildet. Dieses Phänomen ist nur zur Wintersonnenwende zu beobachten.

Die Messungen des sich verändernden Schattenwurfs, die Johannes Hofer 2019 gemeinsam mit seiner Frau durchführte, ergab eine Schattenbreite an der Langseite (SW) des Zentralsteins (jeweils zum Untergang der Sonne hinter dem natürlichen Horizont vermessen) am:

  • 21. Dezember 2019 (15:14): 0 mm
  • 24. Dezember 2019 (15:16): 4 mm
  • 2. Jänner 2020 (15:18): 35 mm
  • 5. Jänner 2020 (15:30): 65-70 mm

Danach steigt die Breite des Schattenwurfs bis zur Sommersonnenwende immer weiter an, um anschließend bis zur folgenden Wintersonnenwende wieder auf 0 zu sinken. Aus dieser zyklischen Veränderung des Schattenwurfs und seinem Verschwinden exakt zu diesem Zeitpunkt kann abgelesen werden, dass der Zentralstein zum Punkt des Versinkens der Sonne hinter dem natürlichen Horizont zur Wintersonnenwende ausgerichtete ist. Die Messungen wurden 2024 nochmals überprüft (siehe Abbildungen 04-08, Uhrzeit 15:15). Dabei konnte verifiziert werden, dass der Azimut des Untergangspunktes der Sonne zur Wintersonnenwende bei rund 224,5° (siehe Abbildung 04 und 05) liegt, was mit der Messung der Ausrichtung der Steinkante mit 223° sehr gut korreliert. Weitere Messungen für noch präzisere Aussagen sind freilich noch notwendig. Es scheint aber bereits nach den jetzigen Erkenntnissen äußerst unwahrscheinlich, dass diese Exaktheit auf einem reinen Zufall beruht. Die Ausrichtung scheint intendiert. Um weitere Forschungen tätigen zu können und das Monument vor Vandalismus zu schützen wünschen sich die Forscher, es unter Denkmalschutz zu stellen.[7]

Literatur

  • Christine Feichtenhofer: Grabungsbericht, BDA Z1.43883/1/2005
  • Johannes Hofer: Kultur und Kreativität: Aufstieg und Fall der Hochkulturen. R. G. Fischer, 1988, ISBN=9783883237244
  • Johannes Hofer: Die Herausforderungen eines Entdeckers : Ein urgeschichtliches Kalenderbauwerk in Österreich und Betrachtungen zur menschlichen Kultur. Eigenverlag, ISBN: 9783200092754
  • Johannes Hofer, Irene Hager, Gabriele Lukacs, Stefan Borovits: Der "Steinaltar" von Alt-Hadersdorf - Mürzhofen (Steiermark). Blätter für Heimatkunde, Historischer Verein für Steiermark, Jahrg. 94, 2020, 101-107
  • Susanne Tiefengraber: Alte und neue Funde aus Mürzhofen / Alt-Hadersdorf und dem Mürztal - Überlegungen zur archäologisch-historischen Bedeutung eines „vergessenen" Tales. Zeitschrift des Historischen Vereines für Steiermark, Jahrg. 97, 2006, 327 -361

Weblinks

 Kalenderstein Alt-Hadersdorf – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien auf Wikimedia Commons

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1  Johannes Hofer, Irene Hager, Gabriele Lukacs, Stefan Borovits: Der "Steinaltar" von Alt-Hadersdorf - Mürzhofen (Steiermark). In: Blätter für Heimatkunde. 94, Nr. 3/4, Historischer Verein für Steiermark, 2020, S. 101-107.
  2. bergffex: Kultsteinweg in Kindberg – Mürzhofen. Abgerufen am 16. August 2025.
  3. Johannes Hofer; Hauser, Markus: Die Megalithbauwerke von Alt-Hadersdorf / Steiermark. Burgenkunde.at, abgerufen am 16. August 2025.
  4. 4,0 4,1  Susanne Tiefengraber: Alte und neue Funde aus Mürzhofen / Alt-Hadersdorf und dem Mürztal - Überlegungen zur archäologisch-historischen Bedeutung eines „vergessenen" Tales. In: Zeitschrift des Historischen Vereines für Steiermark. 97, Historischer Verein für Steiermark, 2006, S. 327-361.
  5. 5,0 5,1 5,2  Feichtenhofer, Christine: Grabungsbericht BDA Z1.43883/1/2005. Bundesdenkmalamt Wien, 2005.
  6.  Susanne Tiefengraber Titel=Alte und neue Funde aus Mürzhofen / Alt-Hadersdorf und dem Mürztal - Überlegungen zur archäologisch-historischen Bedeutung eines „vergessenen" Tales: In: Zeitschrift des Historischen Vereines für Steiermark. 97, Historischer Verein für Steiermark, 2006, S. 329.
  7. 7,0 7,1  Johannes Hofer: Die Herausforderungen eines Entdeckers : Ein urgeschichtliches Kalenderbauwerk in Österreich und Betrachtungen zur menschlichen Kultur. Eigenverlag, ISBN 9783200092754.

47.54555555555615.558055555556Koordinaten: 47° 32′ 44″ N, 15° 33′ 29″ O