Leopold I. (Steier)
Leopold (I.) oder Luitpold bzw. Liutpold von Steier (* im 12. Jahrhundert; † Oktober 1129)[A 1], genannt Leopold "der Starke" oder "der Tapfere, war Markgraf von Steier. Bekannt wurde er als Stifter des Zisterzienserstiftes Rein und des Benediktinerstiftes Gleink. Sein Herrschaftsantritt im Jahr 1122 wurde später zur "Geburtsstunde" der Steiermark erklärt.
Herkunft und Familie
Markgraf Leopold (I.) von Steier entstammte einer Familie, die gewöhnlich als die Familie der Otakare bezeichnet wird und als Familienzweig der Traungauer gilt. Er war der Sohn des steirischen Markgrafen Otakar (II.) aus dessen Ehe mit Elisabeth († 1226), einer Tochter des österreichischen Markgrafen Leopold (II.) "dem Schönen" aus dessen Ehe mit Itha.[1]
Nachdem er die Nachfolge seines Vaters angetreten hatte, heiratete er die Welfin Sophia († um 1145), die Witwe des Herzogs Berthold (III.) von Zähringen († um 1122) und eine der Töchter von Herzog Heinrich von Baiern[A 2] ("Heinrich dem Schwarzen"). Sie war somit eine Tante des späteren Kaisers Friedrich (I.) Barbarossa und von Herzog Heinrich "dem Löwen".[2] Die Heirat mit Sophia war die glanzvollste Verbindung, die in seiner Familie geschlossen wurde.[3] Aus der Ehe hatte er mindestens drei Kinder, über deren Alter sich keine Reihenfolge erstellen lässt.[4]:
- Elisabeth († 25. Dezember, Sterbejahr unbekannt[5]) ⚭ (1. Ehe) mit Rudolf (II.) von Stade, Markgraf der Nordmark († 1144); ⚭ (2. Ehe) mit Herzog Heinrich (V.) von Kärnten († 1161)[6] Kinder sind aus keiner der beiden Ehen belegt.[7]
- Margarethe, genannt 1138[8] Sie dürfte jung gestorben sein.[5] Wahrscheinlich war sie unverheiratet.[9]
- Markgraf Otakar (III.) von Steier († um 1164)[8]
Außerdem hatte er einen natürlichen Sohn: Leopold, der 1160 als landesfürstlicher Ministeriale genannt ist.[5]
Leben
Der steirische Markgraf Leopold ist bereits zu Lebzeiten seines Vaters als dessen Mitregent belegt. In Urkunden wird er daher mehrmals als der "jüngere Markgraf" ("marchio iunior") bezeichnet. Das Jahr 1122, in dem er seinem Vater nachfolgte, gilt als "Geburtsstunde" der Steiermark.[10] Nachdem bereits unter seinen Eltern die Grafschaft im Ennstal wesentlich ausgebaut werden konnte, gelang es ihm endgültig auch die Markgrafschaft an der Mur unter seine gänzliche Herrschaft zu bringen. Leopolds Familie war im Gefolge der Herzöge von Bayern positioniert, während die Markgrafschaft an der Mur mehr oder weniger dem Herzögen von Kärnten unterstellt war. Von diesen war gerade die Familie der Eppensteiner hier äußerst begütert gewesen. [11] Durch den Tod von Herzog Heinrich (III.) von Kärnten aus der Familie der Eppensteiner gelang es dem steirischen Markgrafen Leopold, seine Stellung als Markgraf der Mark an der Mur entscheidend zu verbessern und diese endgültig vom Herzogtum Kärnten zu lösen. Als naher Verwandter dieses Eppensteiners erbte der Markgraf außerdem Eigengüter, wodurch sich seine Besitzungen wesentlich vergrößerten. Durch die Eppensteiner Erbschaft wurden die Grafschaften im Ennstal und um Judenburg, die vorher ebenfalls Teil des Herzogtums Kärnten gewesen waren, Teile einer Markgrafschaft Steier, die nun mehr dem "Stammesherzogtum" Bayern unterstellt war. Durch die Einbeziehung der edelfreien Familien um die Stadt Leoben und im Mürztal in ihre Gefolgschaft konnten Leopold und seine Nachfolger ihre Herrschaft bis zum Semmering ausdehnen. Eine Folge dieser Entwicklung war, dass sich unter Leopold der Herrschaftsmittelpunkt seiner Markgrafschaft Steier aus dem heutigen Oberösterreich in die Steiermark verlagerte.[2]
Seine Machtbasis konnte der Markgraf auch dadurch ausbauen, dass er mit dem Erbe vom Herzog Heinrich (III.) auch Vogt des Stiftes St. Lambrecht wurde, das als "Hauskloster" der Familie der Eppensteiner besonders gut ausgestattet war. Als Vögte erhielten nun Leopold und nach ihm sein Sohn Otakar (III.) einen Zugriff auf die ausgedehnten Besitzungen und Immunitätsgebiete des Stiftes, so zum Beispiel auf die wichtige Pfarre von Piber (heute Teil der Gemeinde Köflach) und auf das Gebiet um Aflenz. Mit dem Gebiet von Aflenz konnten sie erstmals im Mürztal Fuß fassen.[12]
Wie bereits sein Vater gegen Kaiser Heinrich IV. unterstützte Markgraf Leopold (I.) die Erzbischöfe von Salzburg gegen dessen gleichnamigen Sohn, den späteren Kaiser Heinrich V.. Als er starb, war sein Sohn und Erbe Otakar (III.) noch minderjährig, weshalb seine Witwe Sophie für mehrere Jahre die Regentschaft übernahm.
Unter der Herrschaft des Markgrafen kam es aber auch zu mehrjährigen kriegerischen Auseinandersetzungen mit dem ungarischen Königreich, von denen besonders die Grafschaft Pitten betroffen war, die damals zur Markgrafschaft Steier gehörte. Nach der Lebensbeschreibung des Erzbischofs Konrad (II.) von Salzburg († 1138) von Heinrich von Gars konnten diese erst nach Verhandlungen, die der Erzbischof vor 1127 mit dem ungarischen König Stephan (II.) († 1131) führte, beigelegt werden, wobei der Eindruck entsteht, dass der Markgraf nicht genug für die Verteidigung seiner Markgrafschaft geleistet hatte. Nach Heinrich von Gars war es auch nur dem Wirken des Erzbischofes und nicht dem Markgrafen verdanken, dass die Markgrafschaft nach dem Ende der Kämpfe gegen die Ungarn einen Aufschwung erleben sollte.[13]
Orte mit Bezug zu Markgraf Leopold (I.) im heutigen Österreich
Oberösterreich
- Steyr: Markgraf Leopold (I.) von Steier gilt als Mitbegründers des um 1123 gegründeten Benediktiner Stift Gleink, das unter Kaiser Joseph II. aufgelassen wurde.
Steiermark
- Gratwein-Straßengel: Nachdem er die Besitzungen der Edlen von Rein geerbt hatte, stiftete Leopold 1128/29 das Zisterzienserstift Rein, in welchem er nach seinem Tod beigesetzt wurde. Um die Realisierung seiner Stiftung, deren Baubeginn er nicht mehr erlebte, kümmerte sich seine Witwe Sophie. Bei dem Stift, das bis heute besteht, handelt es sich um das älteste Zisterzienserkloster des Bundeslandes Steiermark und das älteste Zisterzienserkloster im heutigen Österreich.[2] Das Grab des Markgrafen wurde 2006 bei Sanierungsarbeiten im früheren Kapitelsaal des Stiftes, der heute als Marienkapelle Verwendung findet, wieder entdeckt.[14] Es spricht einiges dafür, dass Markgraf Leopold die Zisterze Rein als Hauskloster für seine Familie geplant hatte.[15]
- Graz: Die südlich von Graz gelegene Hengistburg, die vor Markgraf Leopold (I.) der Mittelpunkt der Mark gewesen war, überließ dieser einer steirischen Adelsfamilie, den Herren von Wildon, welche er auch mit der Sicherung beauftragte.[2]
- Hartberg: Hier errichtete Markgraf Leopold (I.) von Steier durch den Bau einer Pfalz sein neues Herrschaftszentrum.[2]
- Stainach-Pürgg: Hier erbaute Markgraf Leopold (I.) eine weitere Pfalz.
Literatur
- Heinz Dopsch; Otakare. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). 1999. Bd. 19, S. 639-640 digital
- Heinz Dopsch - Karl Brunner - Maximilian Weltin (Hrsg.): Österreichische Geschichte 1122–1278. Die Länder und das Reich. Der Ostalpenraum im Hochmittelalter. Verlag Ueberreuter, Wien, 1999. ISBN 3-8000-3525-1
- Klaus Lohrmann: "Die Babenberger und ihre Nachbarn". Böhlau Verlag, Wien / Köln / Weimar, 2020. ISBN 978-3-205-20636-1
- Silvia Renhart: Die Bestattungen in Stift Rein: Spiegel der Geschichte der Steiermark. Der Beitrag der Anthropologie zur Landesgeschichte. In: Reinhard Härtel - Bernhard Hebert - Manfred Lehner - Gernot Peter Obersteiner (Hrsg.): Markgraf Leopold, Stift Rein und die Steiermark Archäologisch-historische Aspekte. Beiträge einer interdisziplinären Tagung der Historischen Landeskommission für Steiermark in Stift Rein am 24. und 25. Oktober 2012 (= Forschungen zur geschichtlichen Landeskunde der Steiermark. Band 70). Selbstverlag der Historischen Landeskommission für Steiermark, Graz, 2015. S. 163–168 digital
Weblinks
Leopold I. (Steiermark) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien auf Wikimedia Commons
Einzelnachweise
- ↑ vgl. Susanna Neukam: Schweigen ist Silber, Herrschen ist Gold. Die Babenbergerinnen und ihre Zeit. Amalthea Signum Verlag, Wien, 2013. ISBN 978-3-85002-822-6, S. 95
- ↑ 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 vgl. Neue Deutsche Biographie, 1999, S. 630f.
- ↑ vgl. Tobias Weller (Historiker): Die Heiratspolitik des deutschen Hochadels im 12. Jahrhundert (= Rheinisches Archiv. Veröffentlichungen des Instituts für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande der Universität Köln. Bd. 149). Böhlau, Köln / Weimar / Wien, 2004. ISBN 3-412-11104-X, S. 780
- ↑ Bettina Elpers: Regieren, Erziehen, Bewahren. Mütterliche Regentschaften im Hochmittelalter (= Studien zur Europäischen Rechtsgeschichte. Veröffentlichungen des Marx-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte Frankfurt am Main. Bd. 166). Verlag Vittorio Klostermann, Frankfurt am Main, 2003. ISBN 3-465-03274-8. S. 69
- ↑ 5,0 5,1 5,2 vgl. Heinz Dopsch: Die steirischen Otakare. In: Gerhard Pferschy (Hrsg.): Das Werden der Steiermark. Die Zeit der Traungauer. Festschrift zur 800. Wiederkehr der Erhebung zum Herzogtum. (= Veröffentlichungen des Steiermärkischen Landesarchives. Bd. 10). Verlag Styria, Graz / Wien / Köln, 1980. ISBN 3-222-11281-9. S. 118
- ↑ vgl. Heinz Dopsch - Karl Brunner - Maximilian Weltin (Hrsg.): Österreichische Geschichte 1122–1278, 1999, S. 272 und S. 311 (Stammtafeln der Otakare und der Spanheimer)
- ↑ vgl. Tobias Weller (Historiker): Die Heiratspolitik des deutschen Hochadels im 12. Jahrhundert (= Rheinisches Archiv. Veröffentlichungen des Instituts für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande der Universität Köln. Bd. 149). Böhlau, Köln / Weimar / Wien, 2004. ISBN 3-412-11104-X, S. 784
- ↑ 8,0 8,1 vgl. Heinz Dopsch - Karl Brunner - Maximilian Weltin (Hrsg.): Österreichische Geschichte 1122–1278, 1999, S. 272 (Stammtafel)
- ↑ vgl. Tobias Weller (Historiker): Die Heiratspolitik des deutschen Hochadels im 12. Jahrhundert (= Rheinisches Archiv. Veröffentlichungen des Instituts für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande der Universität Köln. Bd. 149). Böhlau, Köln / Weimar / Wien, 2004. ISBN 3-412-11104-X, S. 782f., Fußnote 27
- ↑ vgl. Heinz Dopsch - Karl Brunner - Maximilian Weltin (Hrsg.): Österreichische Geschichte 1122–1278, 1999, S. 277
- ↑ vgl. Heinz Dopsch - Karl Brunner - Maximilian Weltin (Hrsg.): Österreichische Geschichte 1122–1278, 1999, S. 274f.
- ↑ vgl. Heinz Dopsch - Karl Brunner - Maximilian Weltin (Hrsg.): Österreichische Geschichte 1122–1278, 1999, S. 278
- ↑ vgl. Klaus Lohrmann: Die Babenberger und ihre Nachbarn, 2020, S. 250
- ↑ vgl. Der Standard online, 16. Oktober 2014
- ↑ vgl. Helmut Mezler-Andelberg: Kirchenreform und Fürstenglaube. In: Gerhard Pferschy (Hrsg.): Das Werden der Steiermark. Die Zeit der Traungauer. Festschrift zur 800. Wiederkehr der Erhebung zum Herzogtum. (= Veröffentlichungen des Steiermärkischen Landesarchives. Bd. 10). Verlag Styria, Graz / Wien / Köln, 1980. ISBN 3-222-11281-9. S. 149
Anmerkungen
- ↑ Auf der Wikipedia ist als Sterbetag der 26. Oktober angeführt, nach Manfred.Hiebl.DE, abgerufen am 7. April 2022 starb er bereits am 24. Oktober.
- ↑ Die Schreibweise des Landes Bayern mit y wurde erst einige Jahre nach dem Wiener Kongress im 19. Jahrhundert durch einen gesetzlichen Beschluss des damaligen Königs eingeführt. Da es um die Wittelsbacher bzw. um das Mittelalter geht, wird in diesem Artikel die Schreibung mit i verwendet.
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