Wienerisch: Unterschied zwischen den Versionen

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Je nach Kenntnisstand werden oft die phonetisch kaum gefärbten Tonspuren der [[Sissi (Film)|Sissi-Filme]], die individuelle Aussprache [[Hans Moser]]s, das näselnde [[Schönbrunner Deutsch|Schönbrunnerdeutsch]] oder auch die Artikulation österreichischer Sportler (bei TV-Interviews) mit dem Wiener Dialekt assoziiert. All diese Varianten haben jedoch ebensowenig mit der tatsächlich gepflogenen Umgangssprache gemein wie die Diktion heimischer Kabarettisten (wenn sie im Ausland auftreten) oder das sogenannte [[Burgtheater#Das „Burgtheaterdeutsch“|Burgtheaterdeutsch]].
Je nach Kenntnisstand werden oft die phonetisch kaum gefärbten Tonspuren der [[Sissi (Film)|Sissi-Filme]], die individuelle Aussprache [[Hans Moser]]s, das näselnde [[Schönbrunner Deutsch|Schönbrunnerdeutsch]] oder auch die Artikulation österreichischer Sportler (bei TV-Interviews) mit dem Wiener Dialekt assoziiert. All diese Varianten haben jedoch ebensowenig mit der tatsächlich gepflogenen Umgangssprache gemein wie die Diktion heimischer Kabarettisten (wenn sie im Ausland auftreten) oder das sogenannte [[Burgtheater#Das „Burgtheaterdeutsch“|Burgtheaterdeutsch]].


Die früheren mikrogeographischen Unterschiede haben sich zwar mittlerweile weitgehend verschliffen; das [[Meidlinger L]] zum Beispiel ist längst allgemeingültig. Dennoch bestehen nach wie vor vielfältige Variationen, je nach sozialem Stand, Beruf oder gesellschaftlichem Anlaß: Gespräche am [[Wiener Opernball|Opernball]] werden anders intoniert als am Arbeitsplatz von Handwerkern; wobei ein erfahrener Wiener jederzeit zwischen den Versionen wechseln kann. Das legendäre [[Poldihuberisch|Poidihuabarisch]] wiederum – benannt nach der fiktiven Figur eines archetypischen „Leopold Huber“ – hört man heutzutage in den [[Massenmedien|Medien]] zumeist von Lokalpolitikern. (Es handelt sich dabei um eine Transferierung des Dialektes in vermeintliches Hochdeutsch.)
Die früheren mikrogeographischen Unterschiede haben sich zwar mittlerweile weitgehend verschliffen; das [[Meidlinger L]] zum Beispiel ist längst allgemeingültig. Dennoch bestehen nach wie vor vielfältige Variationen, je nach sozialem Stand, Beruf oder gesellschaftlichem Anlaß: Gespräche am [[Wiener Opernball|Opernball]] werden anders intoniert als am Arbeitsplatz von Handwerkern; wobei ein erfahrener Wiener jederzeit zwischen den Versionen wechseln kann. Das legendäre [[Poldihuberisch|Poidihuabarisch]] wiederum – benannt nach der fiktiven Figur eines archetypischen „Leopold Huber“ – hört man heutzutage in den Medien zumeist von Lokalpolitikern. (Es handelt sich dabei um eine Transferierung des Dialektes in vermeintliches Hochdeutsch.)


„Das Wienerische“ schlechthin ist also nicht exakt definierbar, da es sich aus einem breiten Spektrum örtlicher, chronologischer und situationsbedingter Varianten zusammensetzt. Es handelt sich im Wesentlichen um die [[Umgangssprache|Alltagssprache]] „echter Wiener“, wie sie nur vereinzelt in den Medien zu vernehmen ist – und mittlerweile auch immer seltener „auf der Straße“.
„Das Wienerische“ schlechthin ist also nicht exakt definierbar, da es sich aus einem breiten Spektrum örtlicher, chronologischer und situationsbedingter Varianten zusammensetzt. Es handelt sich im Wesentlichen um die Alltagssprache „echter Wiener“, wie sie nur vereinzelt in den Medien zu vernehmen ist – und mittlerweile auch immer seltener „auf der Straße“.


=== Aktuelle Tendenzen ===
=== Aktuelle Tendenzen ===
Der Wiener Dialekt ist im Schwinden begriffen. Ein Grund dafür ist die hohe [[Migrationsrate]]: Bereits 2009 bestand, nach offiziellen Zahlen –&nbsp;also ohne Berücksichtigung der [[Illegale Einwanderung|„Illegalen“]]&nbsp;–, fast die Hälfte der Stadtbevölkerung aus sog. Neubürgern (die bereits hier geborene „zweite Generation“ eingerechnet)<ref>[[Wirtschaftskammer Österreich|Wirtschaftskammer]] Wien (Hrsg.): ''Werbung in Wien – Handbuch für Mitglieder der Fachgruppe Werbung''; 2010, S.&nbsp;77</ref>, wobei der Prozentsatz unter Jüngeren noch höher liegt. Angesichts dieser fortschreitenden Entwicklung sind des örtlichen Idioms Mächtige in Wien mittlerweile de facto in der Minderheit. Andererseits gab es im Laufe der Geschichte immer wieder massive [[Einwanderung|Zuwanderungswellen]] –&nbsp;zuletzt Anfang des 20. Jahrhunderts durch [[Tschechen]]&nbsp;–, ohne daß die Wiener Mundart dadurch wesentlich beeinträchtigt worden wäre.
Der Wiener Dialekt ist im Schwinden begriffen. Ein Grund dafür ist die hohe Migrationsrate: Bereits 2009 bestand, nach offiziellen Zahlen –&nbsp;also ohne Berücksichtigung der „Illegalen“&nbsp;–, fast die Hälfte der Stadtbevölkerung aus sog. Neubürgern (die bereits hier geborene „zweite Generation“ eingerechnet)<ref>[[Wirtschaftskammer Österreich|Wirtschaftskammer]] Wien (Hrsg.): ''Werbung in Wien – Handbuch für Mitglieder der Fachgruppe Werbung''; 2010, S.&nbsp;77</ref>, wobei der Prozentsatz unter Jüngeren noch höher liegt. Angesichts dieser fortschreitenden Entwicklung sind des örtlichen Idioms Mächtige in Wien mittlerweile de facto in der Minderheit. Andererseits gab es im Laufe der Geschichte immer wieder massive Zuwanderungswellen –&nbsp;zuletzt Anfang des 20. Jahrhunderts durch Tschechen&nbsp;–, ohne daß die Wiener Mundart dadurch wesentlich beeinträchtigt worden wäre.


Die Hauptursache für das [[Archaismus#Ursachen für das Verschwinden von Wörtern|Veralten]] findet sich derzeit im Fortschritt globaler Informationstechnologie. Die aufgrund der weitaus höheren Einwohnerzahl von [[Deutschland|Deutschen]] dominierte Medienwelt des Sprachraumes ([[Werbung]], Literaturübersetzungen, [[Synchronisation (Film)|Filmsynchronisation]]) drängt ursprüngliche Ausdrucksformen in Österreich ebenso zurück wie etwa in der Schweiz. Jüngere Generationen werden heute zudem u.a. in ihren Sprachgewohnheiten weitgehend von [[Massenmedien]] sozialisiert. Diese Effekte betreffen neben dem Dialekt auch die österreichische Hochsprache, von der Artikelwahl bis hin zur [[Sprachmelodie]]. Dehnung und Artikulation werden sukzessive übernommen, ebenso wie [[Satzstellung]]en oder –&nbsp;in Deutschland übliche&nbsp;– [[Anglizismus|Anglizismen]]<ref>[http://www.evolver.at/editorial/Sprachpflege_International_Year_of_Languages_2008/ ''„Rez gscheid!“'']: [[Evolver|EVOLVER]] zum International Year of Languages 2008</ref>.
Die Hauptursache für das [[wp-de:Archaismus#Ursachen für das Verschwinden von Wörtern|Veralten]] findet sich derzeit im Fortschritt globaler Informationstechnologie. Die aufgrund der weitaus höheren Einwohnerzahl von Deutschen dominierte Medienwelt des Sprachraumes (Werbung, Literaturübersetzungen, Filmsynchronisation) drängt ursprüngliche Ausdrucksformen in Österreich ebenso zurück wie etwa in der Schweiz. Jüngere Generationen werden heute zudem u.a. in ihren Sprachgewohnheiten weitgehend von Massenmedien sozialisiert. Diese Effekte betreffen neben dem Dialekt auch die österreichische Hochsprache, von der Artikelwahl bis hin zur [[wp-de:Sprachmelodie]]. Dehnung und Artikulation werden sukzessive übernommen, ebenso wie Satzstellungen oder –&nbsp;in Deutschland übliche&nbsp;– [[wp-de:Anglizismus|Anglizismen]]<ref>[http://www.evolver.at/editorial/Sprachpflege_International_Year_of_Languages_2008/ ''„Rez gscheid!“'']: [[Evolver|EVOLVER]] zum International Year of Languages 2008</ref>.


Da auch der spezifische Wortschatz zunehmend in Vergessenheit gerät, kann man davon ausgehen, daß das genuin Wienerische im Laufe der kommenden Jahrzehnte von einer standardisierten deutschen Umgangssprache nach und nach assimiliert wird.
Da auch der spezifische Wortschatz zunehmend in Vergessenheit gerät, kann man davon ausgehen, daß das genuin Wienerische im Laufe der kommenden Jahrzehnte von einer standardisierten deutschen Umgangssprache nach und nach assimiliert wird.
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== Sprachliche Eigenheiten ==
== Sprachliche Eigenheiten ==
=== Wortschatz ===
=== Wortschatz ===
Das Wienerische bewahrt wie kaum ein anderer Dialekt [[Althochdeutsch|alt]]- und [[Mittelhochdeutsch|mittelhochdeutsche]] [[Wurzel (Linguistik)|Wurzeln]], weshalb es der ursprünglichen Sprache näher ist als das Hochdeutsche. Dies zeigt sich nicht nur an alten Wendungen, die der Hochsprache fremd geworden sind, sondern auch in der [[Phonetik]]: Trotz identischer Schreibweise werden [[Silbe]]n anders gefärbt, wenn sie unterschiedlicher [[Etymologie|etymologischer]] Herkunft sind (s.u.). Letzteres ist jedoch nur akustisch verifizierbar – da Wienerisch fast nur mündlich tradiert wird, existiert keinerlei verbindliche [[Orthographie]].
Das Wienerische bewahrt wie kaum ein anderer Dialekt [[wp-de:Althochdeutsch|alt]]- und [[wp-de:Mittelhochdeutsch|mittelhochdeutsche]] [[wp-de:Wurzel (Linguistik)|Wurzeln]], weshalb es der ursprünglichen Sprache näher ist als das Hochdeutsche. Dies zeigt sich nicht nur an alten Wendungen, die der Hochsprache fremd geworden sind, sondern auch in der [[wp-de:Phonetik|Phonetik]]: Trotz identischer Schreibweise werden Silben anders gefärbt, wenn sie unterschiedlicher [[wp-de:Etymologie|etymologischer]] Herkunft sind (s.u.). Letzteres ist jedoch nur akustisch verifizierbar – da Wienerisch fast nur mündlich tradiert wird, existiert keinerlei verbindliche [[wp-de:Orthographie|Orthographie]].


Neben Vokabeln aus den Sprachen der [[Kronland (Österreich)|Kronländer]] findet sich ebenso eine Vielzahl von Ausdrücken aus dem [[Jiddisch]]en, dem [[Französische Sprache|Französischen]], der [[Zigeunersprache]] und anderen mehr.
Neben Vokabeln aus den Sprachen der [[wp-de:Kronland (Österreich)|Kronländer]] findet sich ebenso eine Vielzahl von Ausdrücken aus dem [[wp-de:Jiddisch|Jiddischen]], dem Französischen, der [[wp-de:Zigeunersprache|Zigeunersprache]] und anderen mehr.


=== Aussprache ===
=== Aussprache ===
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