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Die größten und bedeutendsten Schutzgebiete sind der [[Bisamberg (Berg)|Bisamberg]] und die [[Alte Schanzen (Stammersdorf)|Alten Schanzen]], der Nationalpark [[Donauauen]] sowie der Biosphärenpark [[Wienerwald]]. Daneben existieren eine größere Anzahl kleinerer Schutzgebiete und -objekte. | Die größten und bedeutendsten Schutzgebiete sind der [[Bisamberg (Berg)|Bisamberg]] und die [[Alte Schanzen (Stammersdorf)|Alten Schanzen]], der Nationalpark [[Donauauen]] sowie der Biosphärenpark [[Wienerwald]]. Daneben existieren eine größere Anzahl kleinerer Schutzgebiete und -objekte. | ||
== Geschichte == | |||
{{Hauptartikel|Geschichte Wiens}} | |||
Die Anfänge der städtischen Geschichtsschreibung gehen auf das 13. Jahrhundert mit der Stadtchronik von [[Jans der Enikel|Jans dem Enikel]] zurück. | |||
=== Urgeschichte, Römerzeit, Mittelalter === | |||
[[Datei:Vindobona Hoher Markt-12.JPG|mini|Römische Ausgrabungen am [[Hoher Markt|Hohen Markt]]]] | |||
Archäologische Funde zeigen, dass schon während der [[Altsteinzeit]] Menschen das Gebiet begangen haben und dass ab der [[Jungsteinzeit]] das [[Wiener Becken]] kontinuierlich besiedelt war. Von der [[bronzezeit]]lichen Urnenfelderkultur zeugen in Wien etliche Brandgräber aber auch Siedlungsspuren. Die ältere [[eisenzeit]]liche Hallstattkultur ist in Wien u. a. durch einen noch immer gut sichtbaren [[Grabhügel]] und Siedlungsreste vertreten. Aus [[Kelten|keltischer]] Zeit ist ein [[Oppidum (Kelten)|Oppidum]] auf dem [[Leopoldsberg]] und eine keltischen Siedlung mit dem Namen ''Vedunia'' („Waldbach“) bekannt. | |||
Im 1. Jahrhundert n. Chr. legten die [[Römisches Reich|Römer]] an der Stelle des heutigen Wiener Stadtzentrums nahe der Donau ein [[Römische Militärlager|Militärlager (castrum)]] mit der angeschlossenen Zivilstadt [[Vindobona]] (im heutigen 3. Gemeindebezirk) zur Grenzsicherung der Provinz [[Pannonien]] an. Noch heute kann man an den Straßenzügen des [[Innere Stadt (Wien)|1. Bezirks]] (Innere Stadt), den Mauerverlauf und die Straßen des Lagers erkennen. Die Römer blieben bis ins 5. Jahrhundert. Das römische Legionslager lag weit im Osten des weströmischen Reiches und fiel daher den Wirren der germanischen [[Völkerwanderung]] rasch zum Opfer. | |||
Zentrum des frühmittelalterlichen Wien war der [[Berghof (Wien)|Berghof]], ein Wirtschaftshof für den Weinbau. Die erste urkundliche Erwähnung im Mittelalter erfolgte 881 in den [[Salzburger Annalen]], wo ''apud Weniam'' eine Schlacht gegen die Magyaren stattfand, wobei unklar ist, ob es sich um die Stadt oder um den Wienfluss handelt. Mit dem Sieg des ostfränkischen Königs [[Otto I. (HRR)|Otto I.]] über die [[Magyaren]] im Jahr 955 in der [[Schlacht auf dem Lechfeld]] begann der Aufstieg Wiens wie auch Österreichs. | |||
Im Jahre 976 wurde unter den [[Babenberger]]n die [[Markgrafschaft]] [[Ostarrichi]] ([[Marcha orientalis]]) eingerichtet, auf deren Gebiet, an der Grenze zu [[Ungarn]], auch Wien lag. Bereits im 11. Jahrhundert war Wien ein wichtiger Handelsort, 1155 machte [[Heinrich II. (Österreich)|Heinrich Jasomirgott]] Wien zu seiner [[Hauptstadt]]. Nur ein Jahr später wurde Österreich mit dem [[Privilegium Minus]] zum Herzogtum erhoben und Wien damit [[Residenzstadt|Residenz]] des Herzogs. | |||
Nach Beendigung des [[Dritter Kreuzzug|Dritten Kreuzzuges]] wurde der englische König [[Richard Löwenherz]] bei seiner Rückreise nach England von Markgraf [[Leopold V. (Österreich)|Leopold V.]] dem Tugendreichen 1192 in Erdberg bei Wien (heute im 3. Bezirk) [[Richard I. (England)#Gefangennahme in Österreich|gefangen genommen]] und in Dürnstein gefangen gehalten. Mit dem üppigen Lösegeld wurde eine Münzprägestätte eingerichtet und die erste große Stadterweiterung finanziert. 1221 bekam Wien als zweite Stadt im Herzogtum Österreich nach [[Enns]] (1212) das [[Stadtrecht|Stadt-]] und [[Stapelrecht]] verliehen.<ref>[[Felix Czeike]]: ''Historisches Lexikon Wien''. Band 5, Verlag Kremayr & Scheriau, Wien 1997, ISBN 3-218-00547-7, S. 306f.</ref> Letzteres bedeutete, dass Kaufleute, die durch Wien zogen, in der Stadt ihre Waren zum Verkauf anbieten mussten. Dies ermöglichte den Wienern den [[Zwischenhandel]], sodass Wien bald weit reichende Handelsbeziehungen, insbesondere entlang der Donau und nach [[Wirtschaftsgeschichte der Republik Venedig|Venedig]] unterhielt und als eine der bedeutendsten Städte des Reichsgebiets galt. | |||
=== Habsburger === | |||
[[Datei:Rudolf IV.jpg|mini|hochkant|links|[[Rudolf IV. (Österreich)|Rudolf IV.]], der Stifter – Er prägte maßgeblich die Stadt.]] | |||
[[Datei:Nuremberg chronicles f 098v99r 1.png|mini|Wien in der [[Schedelsche Weltchronik|Schedelschen Weltchronik]], 1493]] | |||
Mit dem Sieg [[Rudolf I. (HRR)|Rudolfs I.]] 1278 über [[Ottokar II. Přemysl|Ottokar II.]] von [[Böhmen]] begann die Herrschaft der [[Habsburg]]er in Österreich. Unter den [[Haus Luxemburg|Luxemburgern]] wurde [[Prag]] zur kaiserlichen Residenzstadt, in deren Schatten Wien stand. Die frühen Habsburger versuchten, die Stadt auszubauen, um Schritt zu halten. | |||
Große Verdienste erwarb sich [[Rudolf IV. (Österreich)|Rudolf IV.]], der durch eine kluge Wirtschaftspolitik den Wohlstand hob. Zwei Entscheidungen haben ihm den Beinamen ''der Stifter'' eingetragen: die Gründung der [[Universität Wien]] 1365 (Vorbild war Prag) und der Bau des gotischen Langhauses von St. Stephan. Die folgende Zeit der Erbstreitigkeiten unter den Habsburgern brachte nicht nur viele Wirren, sondern auch einen wirtschaftlichen Niedergang. | |||
[[Datei:Josephinische Landaufnahme Vienna.jpg|mini|Wien, 1773–81]] | |||
1438 wurde Wien nach der Wahl Herzog [[Albrecht II. (HRR)|Albrechts V.]] zum [[Römisch-deutscher König|römisch-deutschen König]] (Albrecht II.) Residenzstadt des Heiligen Römischen Reiches; mit dem Namen Albrecht ist auch die [[Wiener Gesera]] verbunden, im Zuge derer in den Jahren 1421/22 die Wiener Juden vertrieben oder getötet wurden. 1469 wurde die aufstrebende Stadt zum [[Bischof]]ssitz und damit der [[Stephansdom (Wien)|St. Stephan]] zur [[Kathedrale]]. In der Ära des schwachen [[Friedrich III. (HRR)|Friedrich III.]] war Wien immer auf der Seite seiner Gegner, da er den Landfrieden gegen umherziehende Söldnerbanden nicht gewährleisten konnte. 1556 schließlich wurde Wien endgültig Sitz des [[Römisch-deutscher Kaiser|Kaisers]], nachdem [[Ungarn]] und [[Böhmen]] zum Herrschaftsbereich der Habsburger hinzugekommen waren. | |||
Ab 1551 begann die Zeit der Rekatholisierung der Stadt, die durch die Lehre des [[Martin Luther]] ziemlich rasch [[Protestanten|protestantisch]] geworden war. König [[Ferdinand I. (HRR)|Ferdinand I.]] holte die [[Jesuiten]] nach Wien, die daraufhin großen Einfluss im Volk erlangten. Die Jesuiten gründeten ein [[Jesuitenkolleg|Kollegium]], ihnen wurde die Universität Wien übertragen, sie übten die [[Zensur (Informationskontrolle)|Bücherzensur]] aus, womit die Stadt zum Ausgangspunkt der [[Gegenreformation]] im [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reich]] wurde. Deren wichtigster Repräsentant war [[Melchior Khlesl]], der Bischof von Wien um 1600. Der [[Glaubenskrieg]] führte zu brutaler [[Enteignung]] und [[Vertreibung]], sodass nach 1640 kaum noch Protestanten in Wien und Österreich lebten. | |||
=== „Türkenbelagerungen“ durch das Osmanische Reich === | |||
{{Hauptartikel|Erste Wiener Türkenbelagerung|Zweite Wiener Türkenbelagerung|Türkenkriege}} | |||
[[Datei:Vienna Battle 1683.jpg|mini|Die Entsatzschlacht am [[Kahlenberg]] 1683 während der zweiten Türkenbelagerung]] | |||
Im Jahre 1529 wurde Wien das erste Mal von den [[Osmanisches Reich|Türken]] [[Erste Wiener Türkenbelagerung|erfolglos belagert]]. Die Grenze zwischen dem habsburgischen und dem osmanischen Teil Ungarns verlief fast zweihundert Jahre lang nur etwa 150 Kilometer östlich der Stadt, was ihre Entwicklung ziemlich einschränkte. Immerhin erhielt Wien nunmehr moderne [[Festung|Befestigungsanlagen]]. | |||
Diese Befestigungsbauten, die bis ins 17. Jahrhundert hinein den Hauptteil der Bautätigkeit ausmachten, sollten sich 1683 bei der [[Zweite Wiener Türkenbelagerung|Zweiten Türkenbelagerung]] bewähren, denn sie schützten die Stadt zwei Monate lang, bis die türkische Armee wegen des Eintreffens des vom Polenkönig [[Johann III. Sobieski|Jan Sobieski]] angeführten Entsatzheeres die Belagerung Wiens beenden musste. Dies war der Beginn des endgültigen Zurückdrängens des Osmanischen Reiches aus Mitteleuropa. | |||
=== Glanzzeit von Barock und Klassizismus === | |||
[[Datei:Canaletto (I) 058.jpg|mini|Das barocke Wien: Blick vom [[Schloss Belvedere]] (Gemälde von [[Bernardo Bellotto|Canaletto]], 1758)]] | |||
In der Folge setzte rege Bautätigkeit ein, die Stadt blühte auf. Im Zuge des Wiederaufbaus wurde Wien weitgehend [[barock]]isiert ''(Vienna gloriosa)''. Zahlreiche Adelspalais wurden gebaut; dies ist vor allem mit den Namen der [[Architekt]]en [[Johann Bernhard Fischer von Erlach]] und [[Johann Lukas von Hildebrandt]] verbunden. Rege Bautätigkeit gab es aber auch außerhalb der Stadtmauern. Seit 1704 hatten die Vorstädte ihr eigenes, großzügig angelegtes Befestigungssystem, den [[Linienwall]], etwa im Verlauf der heutigen Gürtelstraße. | |||
Nach den Einschnitten durch die großen [[Pest]]epidemien von 1679 und 1713 wuchs die Bevölkerung ständig. Zu dieser Zeit wurden auch die ersten Manufakturen gegründet, die erste in der [[Leopoldstadt]]. Es entwickelten sich Kanalisation und Straßenreinigung, was die hygienischen Verhältnisse verbesserte. | |||
Mit dem Aufblühen der Stadt entwickelte sich Wien bald zu einem wichtigen europäischen Kulturzentrum, gipfelnd in der Musik der [[Wiener Klassik]] ([[Joseph Haydn|Haydn]], [[Wolfgang Amadeus Mozart|Mozart]], [[Ludwig van Beethoven|Beethoven]], [[Franz Schubert|Schubert]]). | |||
=== Die Kaiserstadt zwischen Konservativismus und Avantgarde === | |||
[[Datei:Franz joseph1.jpg|mini|links|hochkant|Unter der Herrschaft von Kaiser [[Franz Joseph I.]], selbst ein amusischer Mensch, erlebte Wien eine beispiellose Blütezeit der Kunst, Kultur und Architektur.]] | |||
[[Datei:Alsergrund um1900.jpg|mini|„[[Alt-Wien]]“ muss weichen. Historistische [[Zinshaus|Zinshäuser]] (hier im Hintergrund) ersetzen den Dorfcharakter der ehemaligen Vorstädte.]] | |||
[[Datei:Wien Parlament um 1900.jpg|mini|Ringstraße mit k.k. [[Reichsrat (Österreich)|Reichsratsgebäude]] (Parlament) um 1900]] | |||
[[Datei:Wilhelm Gause 004.jpg|mini|[[Ball der Stadt Wien]] mit Bürgermeister Karl Lueger als Gastgeber im Festsaal des Rathauses, 1904]] | |||
In den [[Koalitionskriege]]n wurde Wien zweimal – 1805 und 1809 – von [[Napoleon Bonaparte|Napoleons]] Truppen eingenommen. 1804 wurde es die [[Hauptstadt]] eines neuen Staates – des [[Kaisertum Österreich|Kaisertums Österreich]]. 1806 wurde in Wien das Erlöschen des [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reiches]] verkündet. Nach dem Sieg über Napoleon fand 1814/15 der [[Wiener Kongress]] statt, der die politischen Verhältnisse in Europa neu ordnete. | |||
Die folgende Epoche des [[Vormärz]] ist durch rigide politische Repression, aber auch durch die aufblühende [[Biedermeier]]-Kultur charakterisiert. In dieser Epoche setzte zudem die [[Industrialisierung]] ein – 1837 wurde die erste (Lokomotiv-)[[Eisenbahn]]strecke Österreichs eröffnet, und zwar die erste Teilstrecke der [[Nordbahn (Österreich)|(Kaiser-Ferdinand-)Nordbahn]] von Floridsdorf nach [[Deutsch-Wagram]]. | |||
Die [[französische Februarrevolution]] 1848 wirkte sich auch in Wien aus. Am 13. März brach zunächst die [[Märzrevolution]] aus, die Staatskanzler [[Klemens Wenzel Lothar Nepomuk von Metternich|Metternich]] sehr bald zum Rücktritt zwang, am 6. Oktober dann die [[Wiener Oktoberaufstand 1848|Wiener Oktoberrevolution]]. Letztlich siegte kaiserliches Militär gegen die Demokraten: Der den Bürgern aus Frankfurt am Main zu Hilfe gekommene Demokrat [[Robert Blum]] wurde in der [[Brigittenau]] exekutiert. | |||
1850 begann die erste Phase der Stadterweiterung, indem die „Vorstädte“ innerhalb des Linienwalls und die auf Donauinseln gelegene [[Leopoldstadt]] eingemeindet wurden. Ab 1858 wurden die Stadtmauern um die Altstadt geschleift und an ihrer Stelle die [[Wiener Ringstraße|Ringstraße]] gebaut, die mit Monumentalbauten gesäumt wurde. Vom ''[[Ringstraßenstil]]'' ([[Historismus]]) ist Wien architektonisch entscheidend geprägt. Diese Zeit gipfelte in der [[Weltausstellung 1873]]; mit dem während der Ausstellung erfolgten großen Börsenkrach ging die [[Gründerzeit]] zu Ende. | |||
Nach der großen Überschwemmung von 1830 hatte es immer wieder Überlegungen zu einer [[Wiener Donauregulierung|Donauregulierung]] gegeben, diese wurde 1868 bis 1875 durchgeführt. Die vielen verästelten Seitenarme der [[Donau]] wurden abgegraben und ein schnurgerader Hauptstrom abseits der Stadt geschaffen. Der Arm, der zur Inneren Stadt führte, wurde in veränderter, regulierter Form belassen, er trägt den Namen ''[[Donaukanal]]''. | |||
Mit Beginn der [[Industrialisierung]] in Wien Mitte des 19. Jahrhunderts erlebte die Stadt einen enormen Bevölkerungszuwachs. Die Einwohnerzahl erreichte um 1870 eine Million und 1910 zwei Millionen. Die dörflich geprägte „[[Alt-Wien]]er“ Bauweise außerhalb des Rings wurde nach einem Stadtentwicklungsplan durch vier- bis sechsgeschoßige Wohn- und Geschäftshäuser ersetzt. Damit einher gingen große gesellschaftliche Umbrüche. Mit dem Entstehen einer großen [[Arbeiterklasse]] und Armut in weiten Teilen der Bevölkerung erstarkte die [[Sozialdemokratische Arbeiterpartei Österreichs|Sozialdemokratie]]. Die große Unterschicht teilte sich oft kleine Wohnungen untereinander und mit „[[Bettgeher]]n“ auf. Zuwanderer aus allen Teilen der k.u.k. Monarchie, insbesondere [[Tschechen in Wien|Tschechen]], verwandelten Wien in einen kulturellen [[Schmelztiegel]]. | |||
Bekanntester Bürgermeister der Kaiserzeit ist [[Karl Lueger]], ein charismatischer [[Christlichsoziale Partei (Österreich)|Christlichsozialer]], der 1897–1910 amtierte und sowohl durch umfassende kommunale Reformen als auch durch rabiaten [[Antisemitismus (bis 1945)|Antisemitismus]] bekannt wurde; dieser prägte das politische Leben jener Zeit und richtete sich sowohl gegen „[[Ostjuden]]“ aus Galizien als auch gegen das assimilierte und wirtschaftlich erfolgreiche jüdische Wiener Bürgertum. | |||
Zu dieser Zeit erlebte die Stadt in der ''[[Wiener Moderne]]'' ihren bisher letzten kulturellen Höhepunkt. Er ist nicht zuletzt mit der Künstlervereinigung ''[[Wiener Secession|Secession]]'' verbunden, die Wien zu einem Zentrum des ''[[Jugendstil]]s'' machte. In der Musik entstand die ''[[Wiener Schule (Moderne)|Zweite Wiener Schule]]'' um [[Arnold Schönberg]]. In der Literatur steht [[Jung-Wien (Literatur)|Jung-Wien]] für den Übergang zur Moderne, wobei das [[Wiener Kaffeehaus|Kaffeehaus]] ein Zentrum kulturellen Schaffens darstellte. Inmitten dieser fruchtbaren kulturellen Atmosphäre wurde von [[Sigmund Freud]] die [[Psychoanalyse]] begründet. | |||
=== Erster Weltkrieg === | |||
Der [[Erster Weltkrieg|Erste Weltkrieg]] führte zwar nicht zu unmittelbarer Bedrohung Wiens, jedoch mit zunehmender Kriegsdauer zu einer verheerenden Versorgungskrise. Das Ende des „großen Krieges“ war auch das Ende [[Österreich-Ungarn]]s. Am 30. Oktober 1918 entstand der neue Staat [[Deutschösterreich]] (ab Oktober 1919 Republik [[Österreich]] genannt). Am 11. November 1918 gab Kaiser [[Karl I. (Österreich-Ungarn)|Karl I.]] eine Verzichtserklärung ab und verließ am selben Tag [[Schloss Schönbrunn]] und damit Wien; am 12. November 1918 wurde von der [[Provisorische Nationalversammlung|Provisorischen Nationalversammlung]] im Parlament in Wien die Republik ausgerufen. | |||
=== Erste Republik und „Ständestaat“ === | |||
Wien trat nun in eine völlig neue, in seiner bisherigen Geschichte ungewohnte Rolle ein: überdimensionierte Hauptstadt eines Kleinstaates zu sein, in anderen Teilen des Landes als „Wasserkopf“ kritisiert; eines Staates, dessen Lebensfähigkeit von vielen bezweifelt wurde. Am 12. November 1918 wurde auch beschlossen, dass Deutschösterreich ein Teil der deutschen Republik ist; das Vorhaben erwies sich im Frühjahr 1919 als undurchführbar. | |||
Im am 10. November 1920 in Kraft getretenen [[Bundes-Verfassungsgesetz]], dem Kern des [[Bundesverfassung (Österreich)|österreichischen Verfassungsrechts]], wird Wien als eigenes Land definiert. Daher enthält die am gleichen Tag beschlossene und am 18. November 1920 in Kraft getretene Wiener Stadtverfassung einen Abschnitt über Wien als Land, und Bürgermeister (als Landeshauptmann) und Gemeinderat (als Landtag) nahmen in der Folge die Landeskompetenzen Wiens wahr. Das die letzten vermögensrechtlichen Regelungen der Trennung von [[Niederösterreich]] enthaltende [[Trennungsgesetz]] trat am 1. Jänner 1922 in Kraft. Deshalb wird meist dieses Datum als Gründungsdatum des Landes Wien genannt, obwohl es seit 10. November 1920 besteht. | |||
Wien bildet seither, ausgenommen die Zeit 1934–1945 (''bundesunmittelbare Stadt'' im [[Austrofaschismus]], ''[[Reichsgau]]'' unter [[Österreich in der Zeit des Nationalsozialismus|NS-Herrschaft]]), ein eigenes [[Land (Österreich)|Land]]. Einer der Gründe der Trennung vom Umland waren (neben der von bevölkerungsärmeren Bundesländern befürchteten Dominanz Niederösterreichs im neuen Kleinstaat) die Differenzen zwischen mehrheitlich sozialdemokratischer Stadt- und mehrheitlich christlichsozialer Landbevölkerung. Die Trennung war für die weitere Entwicklung Wiens sehr bedeutsam, da die Stadt nunmehr Steuerhoheit besaß. | |||
[[Datei:Karl Marx Hof 2004.jpg|mini|Der [[Karl-Marx-Hof]] ist ein Paradebeispiel des sozialen Wohnbaus des „Roten Wiens“ vor 1934.]] | |||
Die Politik der Stadtregierung dieser Zeit („[[Rotes Wien]]“) wurde international als Pionierleistung anerkannt. Es wurde ein dichtes Netz an Sozialeinrichtungen und den Arbeitern in „[[Gemeindebau]]ten“ (kommunalen Wohnbauten) Wohnraum in großem Stil geschaffen. | |||
Für die wirtschaftliche und politische Instabilität der Ersten Republik war Wien die „Bühne“. Hier wurden im Parlament, in den Medien, in den politischen Organisationen und auch bei vielen Demonstrationen die politischen Entscheidungen der konservativen Regierung angegriffen bzw. verteidigt. Der [[Wiener Justizpalastbrand|Brand des Justizpalastes]] am 15. Juli 1927, bei dem es zu schweren Zusammenstößen zwischen [[Bundessicherheitswachekorps|Polizei]] und Demonstranten mit insgesamt 94 Todesopfern kam, war ein Zeichen beginnender Radikalisierung. | |||
Der Kampf der beiden großen politischen Lager kulminierte vom 12. bis 15. Februar 1934 im „Februaraufstand“ der Sozialdemokraten (so die Regierungsversion) bzw. im „[[Österreichischer Bürgerkrieg|Bürgerkrieg]], bei dem die Regierung das [[Bundesheer (1. Republik)|Militär]] gegen das Volk einsetzte“ (sozialdemokratische Lesart). Es folgte für vier Jahre die klerikale, [[Austrofaschismus|austrofaschistische]] Diktatur des [[Ständestaat (Österreich)|Ständestaates]], die Wien zur „bundesunmittelbaren Stadt“ erklärte und seine demokratische Stadtverwaltung am 12. Februar 1934 des Amtes enthob. Der im gleichen Jahr folgende [[Juliputsch]] österreichischer Nationalsozialisten scheiterte, kostete aber Diktaturkanzler [[Engelbert Dollfuß]] das Leben. | |||
Am 12. März 1938 ließ [[Adolf Hitler]], 1933 zum Reichskanzler bestellt, die deutsche [[Wehrmacht]] in Österreich einmarschieren, um hier mit tätiger Mithilfe der österreichischen Nationalsozialisten, die am 11. März mit der „Machtübernahme“ begonnen hatten, die [[Austrofaschismus|austrofaschistische]] Diktatur durch die NS-Herrschaft zu ersetzen (siehe [[Anschluss Österreichs]]). | |||
=== Wien zur Zeit des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkrieges === | |||
[[Datei:Wien Shoa-Mahnmal Whiteread.jpg|mini|[[Mahnmal für die österreichischen jüdischen Opfer der Schoah]] auf dem [[Judenplatz]] im 1. Wiener Gemeindebezirk]] | |||
Unmittelbar nach dem deutschen Einmarsch (1938) begannen „arische“ Wiener, jüdische Wiener zu bedrohen, zu quälen, zu berauben, und die [[Schutzstaffel]] (SS) begann, sie aus ihren Wohnungen zu werfen. | |||
Von den knapp 200.000 jüdischen Wienern wurden rund 120.000 beraubt und in die Emigration getrieben (bekanntester Flüchtling war [[Sigmund Freud]]), etwa 60.000 wurden ermordet. | |||
Die Wiener Stadtverwaltung wurde nach [[Nationalsozialismus|nationalsozialistischem]] Muster neu geordnet, durch Eingemeindungen entstand ''[[Groß-Wien]]'' mit dem Dreifachen der heutigen Stadtfläche als eigener ''Reichsgau''; eine „[[Entprovinzialisierung der Provinz]]“ wurde angestrebt. 1941 feierte die NS-Stadtverwaltung im Rahmen der „Mozartwoche des Deutschen Reiches“ ein ''Mozart-Jahr'' zum 150. Todestag des ''deutschen Komponisten''. | |||
Ab dem 17. März 1944 erfolgten [[Luftkrieg|Luftangriffe]] auf Wien. Dabei wurde rund ein Fünftel der Stadt zerstört. Nicht durch Kampfhandlungen, aber infolge einer Plünderung geriet auch der Stephansdom in Brand, der zuvor den Luftkrieg ohne Bombentreffer überstanden hatte. Im April 1945 kam es zur achttägigen [[Wiener Operation|Schlacht um Wien]], die mit der Niederlage der NS-Truppen und der Besetzung durch die aus Ungarn vorgerückte [[Rote Armee]] endete. | |||
=== Folgen der NS-Zeit === | |||
Der bis 1938 wirksame Nachhall der Hauptstadtfunktion Wiens in der Monarchie war mit dem Beginn der NS-Zeit zu Ende. Das geistige und künstlerische Leben Wiens erlitt vor allem durch die Judenverfolgung einen enormen, nicht wieder zu kompensierenden Aderlass. Das Entstehen des [[Ostblock]]s machte Wien zu einem Treffpunkt der Spione aus Ost und West, bremste aber den wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Wiederaufbau Wiens stark. | |||
Mehr als 20 Prozent des Hausbestandes waren ganz oder teilweise zerstört, beinahe 87.000 Wohnungen unbewohnbar. Im Stadtgebiet wurden mehr als 3000 Bombentrichter gezählt, zahlreiche Brücken lagen in Trümmern, Kanäle, Gas- und Wasserleitungen hatten schwere Schäden erlitten. Zunächst ging es somit um die Lösung elementarster Probleme, die Stadt musste erst wieder funktionsfähig gemacht werden.<ref>Andreas Rohatsch: ''Werksteinbeschaffung für die Baudenkmalpflege während der Zeit des Wiederaufbaus nach dem 2. Weltkrieg''. In: Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege LVIII, 2004, Heft 3/4, S. 472ff.</ref> | |||
=== Besatzung, Zweite Republik, Wiederaufbau === | |||
[[Datei:Wien Besatzungszonen.png|mini|hochkant=1.5|Von 1. September 1945 bis 27. Juli 1955 war Wien in seinen Grenzen vor 1938 in vier [[Sektor (Geographie)|Sektoren]] geteilt. Die aufgehellten Gebiete wurden 1938 [[Groß-Wien]] eingemeindet und zählten zur sowjetischen Besatzungszone Niederösterreich.]] | |||
Wenige Tage nach dem Ende der Kämpfe des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkriegs]] im Raum Wien sorgte die Sowjetarmee für den Aufbau einer neuen Stadtverwaltung. Auch politische Parteien formierten sich wieder. Erst im Herbst 1945 ließen die Sowjets auch Militärkontingente der anderen drei [[Alliierte]]n, Vereinigte Staaten, Großbritannien und Frankreich, nach Wien; es blieb dann bis 1955 [[Viersektorenstadt]]. Im 1. Bezirk, der keiner der vier Besatzungsmächte fix zugeteilt war, wechselte die Besatzung jeden Monat. | |||
Auf dem [[Schwarzenbergplatz]], dessen südlicher Teil 1946–1956 ''Stalinplatz'' hieß, errichtete die Rote Armee 1945 das als Befreiungsdenkmal, Heldendenkmal oder [[Heldendenkmal der Roten Armee|Denkmal der Roten Armee]] bezeichnete Monument. Es wurde am 19. August 1945 enthüllt und wird seither von der Stadtverwaltung instand gehalten. Seine Bestandsgarantie ist im [[Österreichischer Staatsvertrag|Staatsvertrag]] vereinbart. | |||
Nach dem Krieg erfolgte in Wien, wie überall im Land und in West[[europa]], ein beispielloser Wirtschaftsaufschwung, an dem der [[Marshall-Plan]] ganz wesentlichen Anteil hatte. Mit dem 4. Lohn-Preis-Abkommen der Sozialpartner unzufriedene, kommunistisch dominierte Arbeiter führten 1950 den ''[[Oktoberstreiks 1950|Oktoberstreik]]'' durch. Sie blieben durch das Eingreifen der sozialdemokratisch dominierten Bauarbeitergewerkschaft erfolglos. | |||
1954 konnte, nachdem die Sowjetunion ihr Veto aufgegeben hatte, die 1946 beschlossene Reduktion Groß-Wiens auf das heutige Stadtgebiet in Kraft treten. 80 frühere Ortsgemeinden kehrten zu Niederösterreich zurück, 17 blieben bei Wien. | |||
Am 15. Mai 1955 erlangte das Land mit dem ''[[Österreichischer Staatsvertrag|Österreichischen Staatsvertrag]]'' die volle Freiheit zurück. Der Vertrag trat am 27. Juli 1955 in Kraft, worauf die Besatzungstruppen binnen drei Monaten abzuziehen hatten.<br style="clear: left;" /> | |||
=== Vom Ungarnaufstand zur Gegenwart === | |||
[[Datei:Zweite reichsbruecke fahrbahn.jpg|mini|Die zweite [[Reichsbrücke]] im Jahr 1975 (1976 eingestürzt); links im Hintergrund das gerade in Bau befindliche [[Vienna International Centre]]]] | |||
[[Datei:Donau-Wien-UNOcity.jpg|mini|Das moderne Wien: Blick auf das [[Vienna International Centre]] an der Donau, dritter Sitz der [[Vereinte Nationen|Vereinten Nationen]], die [[Donau City]] und den [[Donauturm]]]] | |||
Im Herbst 1956 nahm Wien viele Ungarn auf, die nach dem gescheiterten Aufstand gegen das kommunistische Regime nach Westen geflohen waren. Ebenso wurden 1968 viele Tschechen und Slowaken aufgenommen, die nach dem gewaltsamen Ende des [[Prager Frühling]]s die [[Tschechoslowakei]] verlassen hatten. Erst vom November 1989 an wurde Wien wieder selbstverständliches Reiseziel für die Bürger dieser Länder. | |||
1957 nahm – als erste internationale Organisation nach 1945 – die [[Internationale Atomenergie-Organisation]] (IAEO) ihren Sitz in der Stadt. Seit 1965 ist Wien zudem der Sitz der [[Organisation erdölexportierender Länder]] (OPEC). 1961 fand in Wien ein [[Gipfeltreffen Kennedy-Chruschtschow|Gipfeltreffen zwischen dem US-Präsidenten John F. Kennedy und dem sowjetischen Parteichef Nikita Chruschtschow]] statt. 1979 wurde das [[Vienna International Centre]] (der dritte Amtssitz der [[Vereinte Nationen|Vereinten Nationen]]), das gemeinsam mit dem später erbauten [[Austria Center Vienna]] die [[UNO-City]] bildet, eröffnet. All dies trug zur Positionierung Wiens als Stadt der Kongresse und der Vermittlung in Konfliktsituationen bei. Seit 2003 gehört Wien zur [[Europaregion]] [[Centrope]] und bildet gemeinsam mit dem benachbarten [[Bratislava]] eine „[[Twin City]]“ („Zwillingsstadt“), die heute eine Bevölkerung von rund 3 Millionen Menschen umfasst. | |||
1964 fand auf dem Gelände eines früheren Mistplatzes am linken Donauufer die ''WIG 64,'' die ''Wiener Internationale Gartenschau 1964,'' statt – mit dem [[Donauturm]] als neuem Wahrzeichen. 1986 wurde die an Stelle des alten Überschwemmungsgebiets neben dem [[Donau]]strom gegrabene [[Neue Donau]] fertiggestellt, ebenso die zwischen den beiden Gewässern entstandene [[Donauinsel]], die sich zu einem beliebten Erholungsgebiet entwickelte. Gegen Ende des 20. Jahrhunderts wurde beiderseits der Donau eine neue Skyline mit einem Hochhausviertel geschaffen. | |||
Ein wesentlicher Impuls für die Infrastruktur der Stadt war der Bau einer modernen [[U-Bahn Wien|U-Bahn]], die die aus der Zeit um 1900 stammende (und von Anfang an ungenügende) Stadtbahn ersetzen und neue Stadtviertel erschließen sollte. 1978 wurde die erste Neubau-Teilstrecke der [[U-Bahnlinie 1 (Wien)|Linie U1]] eröffnet. | |||
2001 wurde auf dem Gelände der früheren kaiserlichen Hofstallungen das [[MuseumsQuartier]], eines der größten Kulturareale Europas, eröffnet. | |||
Heute wird Wien in internationalen Bewertungen zu den Städten mit der besten Lebensqualität gezählt, zuletzt (2011) erreichte es Rang 1 weltweit vor [[Zürich]] und [[Auckland]] an zweiter und dritter sowie [[München]] und [[Vancouver]] an vierter bzw. fünfter Stelle.<ref name="Mercer">[http://www.mercer.com/qualityofliving ''Mercer 2010 Quality of Living survey highlights – Global''], Mercer LLC, 16. März 2011</ref> Dazu tragen der hohe Grünanteil am Stadtgebiet (ca. 50 Prozent), die vergleichsweise sehr gute ökologische Qualität der Stadt (mit Ausnahme der Luftqualität und des Verkehrs),<ref>[http://derstandard.at/1271377555342/Analyse-Mercer-Studie---Wien-stinkt-bei-Luftqualitaet-ab ''Mercer-Studie – Wien stinkt bei Luftqualität ab''], Der Standard, 26. Mai 2010</ref> die hohe soziale und polizeiliche Sicherheit, das erstklassige Gesundheitswesen, das hoch entwickelte Bildungswesen, die Dichte an kulturellen Einrichtungen, die effiziente öffentliche Verwaltung, die Freizeitqualität Wiens und das dichte Netz öffentlicher Verkehrsmittel wesentlich bei. | |||
Am 9. Dezember 2012 hat Wien zum ersten Mal in seiner Geschichte einen Hauptbahnhof erhalten. An diesem Tag wurde der beim [[Südtiroler Platz]] neu gebaute [[Wien Hauptbahnhof|Wiener Hauptbahnhof]] teilweise in Betrieb genommen. Die vollständige Inbetriebnahme soll bis 2014 erfolgen. Es handelt sich nicht, wie bei den traditionellen großen Wiener Bahnhöfen, um einen [[Kopfbahnhof]], sondern um einen [[Durchgangsbahnhof]], der [[Südbahn (Österreich)|Südbahn]] und [[Ostbahn (Österreich)|Ostbahn]] verknüpft, aber auch Züge von Nord- und Westbahn einbinden kann. | |||
Ein architektonischer Markstein wurde 2013 mit der Eröffnung des [[Campus WU|WU-Campus]] gesetzt. Dessen Herzstück, das ''Library and Learning Center'' stammt von [[Zaha Hadid]]. | |||
== Einzelnachweise == | == Einzelnachweise == | ||
<references /> | <references /> |
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