Editha Senekovitsch: Unterschied zwischen den Versionen

Zur Navigation springen Zur Suche springen
K
Wertebereich, Kleinkram
de>Helmuth Furch
de>Aka
K (Wertebereich, Kleinkram)
Zeile 1: Zeile 1:
'''Editha Senekovitsch''' war von 1924–1927 Lehrerin der zweiklassigen [[Volksschule]] [[Kaisersteinbruch]].
'''Editha Senekovitsch''' war von 1924 bis 1927 Lehrerin der zweiklassigen [[Volksschule]] [[Kaisersteinbruch]].


Die Geschichte des Steinmetzhandwerkes im kayserlichen Steinbruch am [[Leithagebirge|Leithaberg]], die [[Salva Guardia-Privilegium für Kaisersteinbruch|privilegierte Stellung]] des [[Kaiserstein (Gestein)|Steines]] und besonderer [[Hofhandwerker|Meister]], ihr Untergang bis zur Auflösung und Zerstörung des Ortes, bis zur "Auferstehung" des heutigen Kaisersteinbruch, wurde genau beobachtet und aufgeschrieben: vom Schulmeister und Notar Johann Wimmer<ref>URL: https://regiowiki.at/index.php?title=Johann_Wimmer&oldid=157778</ref> 1895, von der Lehrerin Editha Senekovitsch 1925, vom Bürgermeister Josef Wolf<ref>URL: https://regiowiki.at/index.php?title=Josef_Wolf&oldid=182194OSR</ref> 1966 und zuletzt vom (Wiener) Lehrer [[Helmuth Furch]].  
Die Geschichte des Steinmetzhandwerkes im kayserlichen Steinbruch am [[Leithagebirge|Leithaberg]], die [[Salva Guardia-Privilegium für Kaisersteinbruch|privilegierte Stellung]] des [[Kaiserstein (Gestein)|Steines]] und besonderer [[Hofhandwerker|Meister]], ihr Untergang bis zur Auflösung und Zerstörung des Ortes, bis zur "Auferstehung" des heutigen Kaisersteinbruch, wurde genau beobachtet und aufgeschrieben: vom Schulmeister und Notar Johann Wimmer<ref>URL: https://regiowiki.at/index.php?title=Johann_Wimmer&oldid=157778</ref> 1895, von der Lehrerin Editha Senekovitsch 1925, vom Bürgermeister Josef Wolf<ref>URL: https://regiowiki.at/index.php?title=Josef_Wolf&oldid=182194OSR</ref> 1966 und zuletzt vom (Wiener) Lehrer [[Helmuth Furch]].


== Werk ==
== Werk ==
* Ein Bündel an Schriftstücken aus dem Jahre 1925
* Ein Bündel an Schriftstücken aus dem Jahre 1925
:''Die Siedlungsverhältnisse meines Schulortes, ihre Auswertungsmöglichkeiten in meinem Unterricht''.  
:''Die Siedlungsverhältnisse meines Schulortes, ihre Auswertungsmöglichkeiten in meinem Unterricht''.
Ein maschinschriftliches Exemplar befindet sich im Archiv des [[Stift Heiligenkreuz|Stiftes Heiligenkreuz]].
Ein maschinschriftliches Exemplar befindet sich im Archiv des [[Stift Heiligenkreuz|Stiftes Heiligenkreuz]].


== Maria Ludwig, geborene Ujvary, erzählt ==
== Maria Ludwig, geborene Ujvary, erzählt ==
Maria Ludwig (* 1918), ihre Eltern waren Anton Ujvary und Elisabeth Horváth. Sie war eine Alt-Kaisersteinbrucherin, wurde also 1938 zwangsweise abgesiedelt. 2003 schrieb sie ihre Erinnerungen für das Historische Lexikon Kaisersteinbruch auf – ''1924 kam ich in die Schule. Meine Lehrerin war Frau Editha Senekovitsch.'' Sie war so eine liebe Person. Alle Kinder hatten sie gerne. Auch ich hing besonders an ihr. Jeden Samstag fuhr sie mit dem Bus nach Wien und kam Sonntag wieder nach Kaisersteinbruch zurück. Da war sie immer sehr beladen und brachte verschiedene Dinge mit: [[Tafelkreide|Kreide]], [[Griffel]]n zum Schreiben und Bekleidung.... Einige Kinder erwarteten sie immer mit Freuden.  In guter Erinnerung ist mir noch die [[Erstkommunion]]. So wurden einige Kinder, welche nicht sehr begütert waren, von ihr komplett eingekleidet. Darunter auch mein Bruder Richard und ich. Ich bekam ein rosa Unterkleid, darüber ein Kleid mit weißen Spitzen, weiße Schuhe und Handschuhe. Sogar ein Taschentuch mit kleinem [[Pompadour (Handtasche)|Pompadour-Beutel]]. Nach vier Jahren kam ich in das große Klassenzimmer zu Herrn Ober-Lehrer Lambert Zanitzer und blieb dort bis zu meinem 12. Lebensjahr. (der ganze Artikel im Lexikon)
Maria Ludwig (* 1918), ihre Eltern waren Anton Ujvary und Elisabeth Horváth. Sie war eine Alt-Kaisersteinbrucherin, wurde also 1938 zwangsweise abgesiedelt. 2003 schrieb sie ihre Erinnerungen für das Historische Lexikon Kaisersteinbruch auf – ''1924 kam ich in die Schule. Meine Lehrerin war Frau Editha Senekovitsch.'' Sie war so eine liebe Person. Alle Kinder hatten sie gerne. Auch ich hing besonders an ihr. Jeden Samstag fuhr sie mit dem Bus nach Wien und kam Sonntag wieder nach Kaisersteinbruch zurück. Da war sie immer sehr beladen und brachte verschiedene Dinge mit: [[Tafelkreide|Kreide]], [[Griffel]]n zum Schreiben und Bekleidung.... Einige Kinder erwarteten sie immer mit Freuden.  In guter Erinnerung ist mir noch die [[Erstkommunion]]. So wurden einige Kinder, welche nicht sehr begütert waren, von ihr komplett eingekleidet. Darunter auch mein Bruder Richard und ich. Ich bekam ein rosa Unterkleid, darüber ein Kleid mit weißen Spitzen, weiße Schuhe und Handschuhe. Sogar ein Taschentuch mit kleinem [[Pompadour (Handtasche)|Pompadour-Beutel]]. Nach vier Jahren kam ich in das große Klassenzimmer zu Herrn Ober-Lehrer Lambert Zanitzer und blieb dort bis zu meinem 12. Lebensjahr. (der ganze Artikel im Lexikon)
:Anmerkung: die Brüder Richard und Josef Ujvary, als „[[Zigeuner]]“ wurden beide im [[KZ]] getötet, ebenso die Braut des Bruders Gregor.<ref>Die Braut ist am 31. Dezember 1943 in [[Auschwitz]] verstorben. Erkenntnis des [[Landesgericht Wien|Landesgerichtes Wien]] G.Z. 48/T1541/53-11, rechtskräftig seit 17. Dezember 1954. Eingetragen im Buch für Todeserklärungen Nr. 233/55 Standesamt Wien-Innere Stadt, Mariahilf. Kaisersteinbruch, 2. Feber 1955  Der Standesbeamte: Riepl.</ref>  
:Anmerkung: die Brüder Richard und Josef Ujvary, als „[[Zigeuner]]“ wurden beide im [[KZ]] getötet, ebenso die Braut des Bruders Gregor.<ref>Die Braut ist am 31. Dezember 1943 in [[Auschwitz]] verstorben. Erkenntnis des [[Landesgericht Wien|Landesgerichtes Wien]] G.Z. 48/T1541/53-11, rechtskräftig seit 17. Dezember 1954. Eingetragen im Buch für Todeserklärungen Nr. 233/55 Standesamt Wien-Innere Stadt, Mariahilf. Kaisersteinbruch, 2. Feber 1955  Der Standesbeamte: Riepl.</ref>


Sie erzählte den Kindern wundersame Geschichten, von der lebensgroßen Muttergottes-Statue, kunstvoll aus Eichenholz geschnitzt, im Flur eines Hauses. Die Mutter fragt kummervoll: ''„Wie lange wirst Du noch zusehen?“'', auch vom verschütteten Keller beim [[Römische Villa von Königshof-Ödes Kloster|Oden Kloster]]. Diese und mehr wurden in der 400–Jahr Chronik gesammelt.<ref>Helmuth Furch: ''Festschrift 400&nbsp;Jahre Kaisersteinbruch 1590–1990'', S. 33f und 55ff, Kaisersteinbruch 1990 ISBN 978-3-9504555-1-9.</ref>
Sie erzählte den Kindern wundersame Geschichten, von der lebensgroßen Muttergottes-Statue, kunstvoll aus Eichenholz geschnitzt, im Flur eines Hauses. Die Mutter fragt kummervoll: ''„Wie lange wirst Du noch zusehen?“'', auch vom verschütteten Keller beim [[Römische Villa von Königshof-Ödes Kloster|Oden Kloster]]. Diese und mehr wurden in der 400–Jahr Chronik gesammelt.<ref>Helmuth Furch: ''Festschrift 400&nbsp;Jahre Kaisersteinbruch 1590–1990'', S. 33f und 55ff, Kaisersteinbruch 1990 ISBN 978-3-9504555-1-9.</ref>


== Die Arbeitslosen von Kaisersteinbruch ==
== Die Arbeitslosen von Kaisersteinbruch ==
''„Aus einem reichen Steinmetz-Dorf ist mit einem Schlage eine Gemeinde Arbeits- und Besitzloser geworden. Die Erfindung des Kunststeines hat dem [[Handwerk der Steinmetzen und Maurer in Kaisersteinbruch|Steinmetzgewerbe]] ein jähes Ende bereitet“'', so schrieb 1925 die Lehrerin Editha Senekovitsch. „Dem Volk, das seiner Erwerbsquelle beraubt ist, Arbeitsmöglichkeit und damit Verdienst zu schaffen, ist eine dringende Notwendigkeit.“  
''„Aus einem reichen Steinmetz-Dorf ist mit einem Schlage eine Gemeinde Arbeits- und Besitzloser geworden. Die Erfindung des Kunststeines hat dem [[Handwerk der Steinmetzen und Maurer in Kaisersteinbruch|Steinmetzgewerbe]] ein jähes Ende bereitet“'', so schrieb 1925 die Lehrerin Editha Senekovitsch. „Dem Volk, das seiner Erwerbsquelle beraubt ist, Arbeitsmöglichkeit und damit Verdienst zu schaffen, ist eine dringende Notwendigkeit.“


Einige Jahre später hat sich [[Marie Jahoda]] mit den Folgen der [[Die Arbeitslosen von Marienthal|Arbeitslosigkeit in der Arbeitersiedlung Marienthal]] im nahegelegenen [[Gramatneusiedl]] intensiv beschäftigt, die zur passiven [[Resignation]] führen, wie es auch in Kaisersteinbruch nachzuweisen ist. Dieses "schwächste Glied in der Kette" wurde ja von den staatlichen Stellen für einen großen [[Truppenübungsplatz]], für das [[Anhaltelager Kaisersteinbruch]], und in der Folge das [[Kriegsgefangenenlager Kaisersteinbruch]] bestimmt.  
Einige Jahre später hat sich [[Marie Jahoda]] mit den Folgen der [[Die Arbeitslosen von Marienthal|Arbeitslosigkeit in der Arbeitersiedlung Marienthal]] im nahegelegenen [[Gramatneusiedl]] intensiv beschäftigt, die zur passiven [[Resignation]] führen, wie es auch in Kaisersteinbruch nachzuweisen ist. Dieses "schwächste Glied in der Kette" wurde ja von den staatlichen Stellen für einen großen [[Truppenübungsplatz]], für das [[Anhaltelager Kaisersteinbruch]], und in der Folge das [[Kriegsgefangenenlager Kaisersteinbruch]] bestimmt.


=== Erfindung des Kunststeines ===
=== Erfindung des Kunststeines ===
Lehrerin Editha Senekovitsch schreibt 1925: Früher schon hat die immer häufigere Verwendung von Ziegeln beim Häuserbau den Verkauf von Bausteinen beeinträchtigt, es war aber der einträgliche Handel mit Werksteinen und Erzeugnissen der [[Steinmetz]]erei, wie Stufen, Tür- und Fensterstöcken, Brunnentrögen, Steinplatten zum Pflastern von Gängen, Küchen und Kellern ungeschmälert geblieben. Jetzt erzeugt man überall aus Zement und Sand Stufen, Mauern und Fußböden, in welcher Form man sie immer benötigt.  
Lehrerin Editha Senekovitsch schreibt 1925: Früher schon hat die immer häufigere Verwendung von Ziegeln beim Häuserbau den Verkauf von Bausteinen beeinträchtigt, es war aber der einträgliche Handel mit Werksteinen und Erzeugnissen der [[Steinmetz]]erei, wie Stufen, Tür- und Fensterstöcken, Brunnentrögen, Steinplatten zum Pflastern von Gängen, Küchen und Kellern ungeschmälert geblieben. Jetzt erzeugt man überall aus Zement und Sand Stufen, Mauern und Fußböden, in welcher Form man sie immer benötigt.


Wenn man in Erwägung zieht, dass dabei die Arbeitslöhne für Brechen und Bearbeiten der Steine und nicht zuletzt die Spesen ihres teuren [[Steintransport|Transportes]] entfallen, wird jedermann den Verzicht auf den, freilich bedeutend schöneren [[Naturstein]] einsehen. Noch dazu ist der [[Kunststein]] infolge seiner chemischen Zusammensetzung ebenso dauerhaft, als der [[Kalkstein]]. So ist es ihm leicht gelungen, diesem den Rang abzulaufen. So ist es gekommen, dass die vielen Brüche, in welchen tagaus, tagein, lustig die Steinhämmer erklangen und ein Sprengschuss dem anderen folgte, von emsiger Arbeit zeugend, öde liegen. Die Werkstätten stehen zerfallen da, halbfertige Pfeiler u. Tröge liegen zwischen noch unbehauenen Steinen und stimmen das wehmütige Bild noch düsterer. Viele der Arbeiter, die so geschickt Meißel und Hammer zu führen verstanden, verbringen müßig und in Sorgen ihre Tage, nehmen jeweils als Taglöhner die Holzaxt und Säge oder Schaufel und Jäthaue zur Hand, um kümmerlich sich und ihre Familie zu nähren. Andere scheuen nicht die beschwerliche Fahrt nach [[Schwechat]]  oder [[Himberg]], um als [[Fabriksarbeiter]] tätig zu sein.
Wenn man in Erwägung zieht, dass dabei die Arbeitslöhne für Brechen und Bearbeiten der Steine und nicht zuletzt die Spesen ihres teuren [[Steintransport|Transportes]] entfallen, wird jedermann den Verzicht auf den, freilich bedeutend schöneren [[Naturstein]] einsehen. Noch dazu ist der [[Kunststein]] infolge seiner chemischen Zusammensetzung ebenso dauerhaft, als der [[Kalkstein]]. So ist es ihm leicht gelungen, diesem den Rang abzulaufen. So ist es gekommen, dass die vielen Brüche, in welchen tagaus, tagein, lustig die Steinhämmer erklangen und ein Sprengschuss dem anderen folgte, von emsiger Arbeit zeugend, öde liegen. Die Werkstätten stehen zerfallen da, halbfertige Pfeiler u. Tröge liegen zwischen noch unbehauenen Steinen und stimmen das wehmütige Bild noch düsterer. Viele der Arbeiter, die so geschickt Meißel und Hammer zu führen verstanden, verbringen müßig und in Sorgen ihre Tage, nehmen jeweils als Taglöhner die Holzaxt und Säge oder Schaufel und Jäthaue zur Hand, um kümmerlich sich und ihre Familie zu nähren. Andere scheuen nicht die beschwerliche Fahrt nach [[Schwechat]]  oder [[Himberg]], um als [[Fabriksarbeiter]] tätig zu sein.
 
'''Wo ist der Reichtum der Steinmetze?''' Kapital ist durch die [[Geldentwertung]] verloren gegangen, Felder und Wiesen besaßen die Steinmetze wenig, da sie zu ihrer Bearbeitung ja keine Zeit hatten; ja selbst die Steinbrüche hatten sie nur in Pacht und viele auch das Stückchen Grund, auf dem ihr Haus stand. Die Häuser freilich, die sind geblieben, samt ihrer steinernen Protzigkeit. Aber Wind und Wetter haben vielen schon arg mitgespielt, da die Leute, die aus Schilf oder Schindel bestehenden Dächer wegen Geldmangels nicht ausbessern können. So hat sich Kaisersteinbruchs sonnige Vergangenheit in eine traurige Gegenwart gewandelt '''und die Zukunft – wie wird sie sich gestalten?'''
'''Wo ist der Reichtum der Steinmetze?''' Kapital ist durch die [[Geldentwertung]] verloren gegangen, Felder und Wiesen besaßen die Steinmetze wenig, da sie zu ihrer Bearbeitung ja keine Zeit hatten; ja selbst die Steinbrüche hatten sie nur in Pacht und viele auch das Stückchen Grund, auf dem ihr Haus stand. Die Häuser freilich, die sind geblieben, samt ihrer steinernen Protzigkeit. Aber Wind und Wetter haben vielen schon arg mitgespielt, da die Leute, die aus Schilf oder Schindel bestehenden Dächer wegen Geldmangels nicht ausbessern können. So hat sich Kaisersteinbruchs sonnige Vergangenheit in eine traurige Gegenwart gewandelt '''und die Zukunft – wie wird sie sich gestalten?'''


Anonymer Benutzer

Navigationsmenü