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Am 22. Dezember 1777 schickte Leopold Mozart an seine Frau und seinen Sohn, die gerade in Mannheim waren, einen Brief, in dem von Adlgassers Schlaganfall an der Hoforgel zu lesen ist: | Am 22. Dezember 1777 schickte Leopold Mozart an seine Frau und seinen Sohn, die gerade in Mannheim waren, einen Brief, in dem von Adlgassers Schlaganfall an der Hoforgel zu lesen ist: | ||
[…] ''Nun kommt eine sehr traurige und ohnvermuthete Begebenheit. Ich gieng in die vesper, weil wir heut montags das Thomasfest in der Kirche halten. h:'' (= Herr) ''Adlgasser spielte die Orgel. Das Dixit gieng gut. als er nach dem ersten Psalmen abschlueg, so grief'' (= griff) ''er ganz abscheulich herum und konnte zu keinem Ende kommen. nach dem zweyten Psalmen giengs noch schlechter, so daß er das Pedal am Ende um einen Thon dieffer aushielt, mit der rechten und lincken hand so darein grieff als wenn ein Hund über die Orgl lief, alles glaubte er wäre besoffen. beÿm dritten Psalmen konnte er gar mit den fingern der linken hand nicht mehr spielen, sondern legte immer die zusammgebogne faust auf die Claves'' (= Tasten)'', ich konnte ihn lange nicht bereden von der Orgel zu gehen, und den [[Franz Anton Spitzeder|h: Spizeder]] spielen zu lassen, da ich ihm unterdessen die linke hand herabnahm und h: Spizeder, so gut er konnte, zu dem, was der Adlgasser mit der rechten hand noch spielte, den Bass machte. Endlich brachten wir ihn, ja wir trugen ihn fast weg und setzten ihn auf die banck, wo die Posonisten blasen. Seine Frau war in den stühlen bey der Sacristey, sie kam hinauf, wie auch der Bader Braun, der unten war, ein [[Ministrant]] mit wasser, der Seelos vom Chor herauf. Er verdrähte die Augen wie ein besoffner Mensch, sprach man sollte ihn nur sitzen lassen, wurde erstaunlich blaß, und endlich erbrach er sich erstaunlich, aber nichts als wasser oder Wein, und NB gar keine trebern. da der bader ihm eben den Puls gegriffen hatte und nun das Erbrechen sahe, so gieng er davon und hielt es für einen starken Rausch, folglich wir alle auch, indem er sonst ganz deutlich reden konnte und beÿ dem Erbrechen schwitzte, wie es beÿ solchen übligkeiten vom Magen geschieht. Nun machten wir das Magnificat und blieben beÿm Rosenkranz, da wir nicht vorbeÿ konnten ohne durch das Gespeibe zu tretten, und alles um ihn herum war. unter dem Rosenkranz wurde er in die grosse Sacrÿsteÿ hinunter gebracht, und um ein tragsessl geschickt, der noch unter dem Rosenkranz ankam, und vor der Benediction ward er noch fortgetragen. Er war also schon weggebracht, wie ich und h: Spizeder vom Chor herunter kamen. ihr könnt euch das Specktacl leicht vorstellen, da beÿm Stundgebett die ganze Kirche voll der Leute war: da wir aus der Kirche giengen, kam fr: Hagenauerin und andere zu uns, alles sprach von dieser Historie, dann iedermann sahe aufs Chor hinauf, was davorgieng, man sahe den sessl in die Sacristeÿ kommen und wegtragen: und alles glaubte der Adlg: hätte sich im drunck übernohmen.'' […] ''Ich war nun im Nachhausgehen begriffen, als mir beÿm Markbrunnen die Adlg: Victorl<ref>= ''Maria Victoria Caecilia'' (1753–1821) aus der ersten Ehe.</ref> weinend begegnete und in die Apotecke lief um Hirschhorrgeist zu hohlen, sagte mir, daß ihr Vatter die Augen nicht aufmacht und nur schnarchend daliegt. Nun war ich überzeugt, daß ihn der Schlag getroffen. Der Dr: Barisani kam um dreyviertl auf 5 uhr, dann vorher schlief er noch seinen Nachmittagschlaf. Man gebrauchte alle Mittl, frotieren, Zwicken, Reiben, Aderlassen, fisicatorien<ref>''Physicatorien'' = "die üblichen Mittel".</ref> etc: er öffnete kein Aug mehr, rodelte immer fort, und starb um 3 Viertl auf 7 uhr. Heut war ich dort: du kannst dir die Lamentation und das weinen nicht vorstellen. die Adlgasserin ruft die ganze Welt um hilfe, sie ist mir schier um den hals gefahlen: Es war ganz erschrecklich. Morgen nachts den 23 wird er begraben, den 24 ten ist beÿ St: Sebastian der Gottesdienst. Nun was haben wir für Organisten? – – wer instruiert im Capellhaus?'' [...]<ref>[https://dme.mozarteum.at/DME/briefe/letter.php?mid=959&cat=2 Leopold Mozart an Maria Anna und Wolfgang Amadé Mozart in Mannheim, Salzburg, 21. und 22. Dezember 1777, mit Nachschrift von Maria Anna (Nannerl) Mozart].</ref> | […] ''Nun kommt eine sehr traurige und ohnvermuthete Begebenheit. Ich gieng in die vesper, weil wir heut montags das Thomasfest in der Kirche halten. h:'' (= Herr) ''Adlgasser spielte die Orgel. Das Dixit gieng gut. als er nach dem ersten Psalmen abschlueg, so grief'' (= griff) ''er ganz abscheulich herum und konnte zu keinem Ende kommen. nach dem zweyten Psalmen giengs noch schlechter, so daß er das Pedal am Ende um einen Thon dieffer aushielt, mit der rechten und lincken hand so darein grieff als wenn ein Hund über die Orgl lief, alles glaubte er wäre besoffen. beÿm dritten Psalmen konnte er gar mit den fingern der linken hand nicht mehr spielen, sondern legte immer die zusammgebogne faust auf die Claves'' (= Tasten)'', ich konnte ihn lange nicht bereden von der Orgel zu gehen, und den [[Franz Anton Spitzeder|h: Spizeder]] spielen zu lassen, da ich ihm unterdessen die linke hand herabnahm und h: Spizeder, so gut er konnte, zu dem, was der Adlgasser mit der rechten hand noch spielte, den Bass machte. Endlich brachten wir ihn, ja wir trugen ihn fast weg und setzten ihn auf die banck, wo die Posonisten blasen. Seine Frau war in den stühlen bey der Sacristey, sie kam hinauf, wie auch der Bader Braun, der unten war, ein [[w:Ministrant|Ministrant]] mit wasser, der Seelos vom Chor herauf. Er verdrähte die Augen wie ein besoffner Mensch, sprach man sollte ihn nur sitzen lassen, wurde erstaunlich blaß, und endlich erbrach er sich erstaunlich, aber nichts als wasser oder Wein, und NB gar keine trebern. da der bader ihm eben den Puls gegriffen hatte und nun das Erbrechen sahe, so gieng er davon und hielt es für einen starken Rausch, folglich wir alle auch, indem er sonst ganz deutlich reden konnte und beÿ dem Erbrechen schwitzte, wie es beÿ solchen übligkeiten vom Magen geschieht. Nun machten wir das Magnificat und blieben beÿm Rosenkranz, da wir nicht vorbeÿ konnten ohne durch das Gespeibe zu tretten, und alles um ihn herum war. unter dem Rosenkranz wurde er in die grosse Sacrÿsteÿ hinunter gebracht, und um ein tragsessl geschickt, der noch unter dem Rosenkranz ankam, und vor der Benediction ward er noch fortgetragen. Er war also schon weggebracht, wie ich und h: Spizeder vom Chor herunter kamen. ihr könnt euch das Specktacl leicht vorstellen, da beÿm Stundgebett die ganze Kirche voll der Leute war: da wir aus der Kirche giengen, kam fr: Hagenauerin und andere zu uns, alles sprach von dieser Historie, dann iedermann sahe aufs Chor hinauf, was davorgieng, man sahe den sessl in die Sacristeÿ kommen und wegtragen: und alles glaubte der Adlg: hätte sich im drunck übernohmen.'' […] ''Ich war nun im Nachhausgehen begriffen, als mir beÿm Markbrunnen die Adlg: Victorl<ref>= ''Maria Victoria Caecilia'' (1753–1821) aus der ersten Ehe.</ref> weinend begegnete und in die Apotecke lief um Hirschhorrgeist zu hohlen, sagte mir, daß ihr Vatter die Augen nicht aufmacht und nur schnarchend daliegt. Nun war ich überzeugt, daß ihn der Schlag getroffen. Der Dr: Barisani kam um dreyviertl auf 5 uhr, dann vorher schlief er noch seinen Nachmittagschlaf. Man gebrauchte alle Mittl, frotieren, Zwicken, Reiben, Aderlassen, fisicatorien<ref>''Physicatorien'' = "die üblichen Mittel".</ref> etc: er öffnete kein Aug mehr, rodelte immer fort, und starb um 3 Viertl auf 7 uhr. Heut war ich dort: du kannst dir die Lamentation und das weinen nicht vorstellen. die Adlgasserin ruft die ganze Welt um hilfe, sie ist mir schier um den hals gefahlen: Es war ganz erschrecklich. Morgen nachts den 23 wird er begraben, den 24 ten ist beÿ St: Sebastian der Gottesdienst. Nun was haben wir für Organisten? – – wer instruiert im Capellhaus?'' [...]<ref>[https://dme.mozarteum.at/DME/briefe/letter.php?mid=959&cat=2 Leopold Mozart an Maria Anna und Wolfgang Amadé Mozart in Mannheim, Salzburg, 21. und 22. Dezember 1777, mit Nachschrift von Maria Anna (Nannerl) Mozart].</ref> | ||
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