Hugo Kraus: Unterschied zwischen den Versionen
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Die [[Säuglingssterblichkeit]] lag in den Heimen in etwa gleichauf mit der im „[[Altreich (Deutschland)|Altreich]]“, also bei rund 6 %. Die Totgeburten scheinen aber ebenfalls nur bedingt in den Geburtenbüchern auf. Was mit diesen Totgeburten und verstorbenen [[Säugling]]en geschah, liegt daher weitgehend im Dunklen. Im Falle des Heimes Wienerwald handelt es sich immerhin um rund 100 Babys. Der vormalige Hausmeister des Heimes, Herr Josef P., gab am 30. Dezember 1994 in einem Interview zu, im Auftrage des Verwalters Decker zumindest eines davon „beim Heim“ verscharrt zu haben.<ref name="Knotzninger_S55">''Das SS-Heim Wienerwald'', 2001, S. 55.</ref> | Die [[Säuglingssterblichkeit]] lag in den Heimen in etwa gleichauf mit der im „[[Altreich (Deutschland)|Altreich]]“, also bei rund 6 %. Die Totgeburten scheinen aber ebenfalls nur bedingt in den Geburtenbüchern auf. Was mit diesen Totgeburten und verstorbenen [[Säugling]]en geschah, liegt daher weitgehend im Dunklen. Im Falle des Heimes Wienerwald handelt es sich immerhin um rund 100 Babys. Der vormalige Hausmeister des Heimes, Herr Josef P., gab am 30. Dezember 1994 in einem Interview zu, im Auftrage des Verwalters Decker zumindest eines davon „beim Heim“ verscharrt zu haben.<ref name="Knotzninger_S55">''Das SS-Heim Wienerwald'', 2001, S. 55.</ref> | ||
In das Heim kamen Frauen aus ganz Deutschland zur Entbindung: Wenn die Rassenmerkmale | In das Heim kamen Frauen aus ganz Deutschland zur Entbindung: Wenn die Rassenmerkmale „passten”, bezahlte der Verein die Fahrt- und Unterbringungskosten; die Mütter blieben meist noch einige Wochen nach der Geburt im Heim. Wegen der guten medizinischen Betreuung kamen nicht nur ledige Schwangere, sondern auch Ehefrauen von SS-Mitgliedern. Im Heim wurde über jede Frau Buch geführt (Alter, Körperbau, Charakter usw.), wobei sogar das Verhalten während der Geburt notiert wurde (Schreien wurde als „undeutsch“ stigmatisiert). Mit dem Näherrücken der Ostfront kamen weniger Schwangere aus dem „Altreich“, dafür aber mehr Wöchnerinnen aus der Umgebung.<ref>Quelle: „Herrenmenschen“ und arische Frauen. Barbara Schleicher über das SS-Lebensbornheim Wienerwald: Die kurios-skandalöse Geschichte eines Hauses, in: morgen, März 2003, S. 28–30, hier S. 28–29. Die Zeitschrift [http://www.noel.gv.at/noe/Kunst-Kultur/Kulturzeitschrift_morgen.htm "morgen"]{{Toter Link|url=http://www.noel.gv.at/noe/Kunst-Kultur/Kulturzeitschrift_morgen.htm |date=2023-01 |archivebot=2023-01-06 00:13:42 InternetArchiveBot }} wird vom Land Niederösterreich herausgegeben; ältere Ausgaben sind leider nicht online verfügbar.</ref> | ||
Zwar kam der „Lebensborn“ im erklärten Lieblingsheim des Reichsführers (er scheint auch immer wieder als Pate in den Namensgebungsurkunden des Heimes auf) [[Schutzstaffel|SS]] [[Heinrich Himmler]] (RFSS), auch unehelichen Müttern in Not zugute, aber es diente den SS- und NS-Parteiführern doch eher dazu, ihre schwangeren Geliebten dorthin abzuschieben, ohne dass die Ehefrau (die unter Umständen später ebenfalls dort entband) etwas davon mitbekam. Schwangerschaft und Geburt wurden geheim gehalten und in eigenen „Lebensborn“-[[Standesamt|Standesämtern]] (in diesem Fall: Pernitz 2) attestiert. Das Heim Wienerwald war das einzige reine Mütterheim im System des Lebensborn. In allen anderen Heimen wurde der „Lebensborn“ auch für die Verschleppung und „Eindeutschung“ mittel- und osteuropäischer Kinder missbraucht. | Zwar kam der „Lebensborn“ im erklärten Lieblingsheim des Reichsführers (er scheint auch immer wieder als Pate in den Namensgebungsurkunden des Heimes auf) [[Schutzstaffel|SS]] [[Heinrich Himmler]] (RFSS), auch unehelichen Müttern in Not zugute, aber es diente den SS- und NS-Parteiführern doch eher dazu, ihre schwangeren Geliebten dorthin abzuschieben, ohne dass die Ehefrau (die unter Umständen später ebenfalls dort entband) etwas davon mitbekam. Schwangerschaft und Geburt wurden geheim gehalten und in eigenen „Lebensborn“-[[Standesamt|Standesämtern]] (in diesem Fall: Pernitz 2) attestiert. Das Heim Wienerwald war das einzige reine Mütterheim im System des Lebensborn. In allen anderen Heimen wurde der „Lebensborn“ auch für die Verschleppung und „Eindeutschung“ mittel- und osteuropäischer Kinder missbraucht. | ||
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Von 1945 bis Ende 1948 führte vorerst das Wiener Jugendhilfswerk ein Kindererholungsheim für unterernährte Kinder aus Wien in den Räumlichkeiten des Sanatoriums. Dadurch blieb das Gebäude vor dem Zugriff der russischen Besatzung verschont. In dieser Zeit wurden insgesamt über 4100 (!) Kinder in Feichtenbach aufgepäppelt. Der Plan eines Umbaus in eine Lungenheilstätte der Stadt [[Wien]] zerschlug sich bereits Mitte 1948, ein [[Restitution (Österreich)|Restitutionsverfahren]] wurde eingeleitet. | Von 1945 bis Ende 1948 führte vorerst das Wiener Jugendhilfswerk ein Kindererholungsheim für unterernährte Kinder aus Wien in den Räumlichkeiten des Sanatoriums. Dadurch blieb das Gebäude vor dem Zugriff der russischen Besatzung verschont. In dieser Zeit wurden insgesamt über 4100 (!) Kinder in Feichtenbach aufgepäppelt. Der Plan eines Umbaus in eine Lungenheilstätte der Stadt [[Wien]] zerschlug sich bereits Mitte 1948, ein [[Restitution (Österreich)|Restitutionsverfahren]] wurde eingeleitet. | ||
1950 mussten die Besitzer die schwer in Mitleidenschaft gezogene Anlage verkaufen,<ref>In einem Beitrag über das Haus schreibt Barbara Schleicher in der niederösterreichischen Kulturzeitschrift "morgen", dass von den Nachkommen horrende Steuerlasten für das heruntergekommene Gebäude und das 34 Hektar große Areal verlangt wurden, so dass den Erben nichts anderes übrig blieb, als die Immobilie zu verkaufen. Quelle: | 1950 mussten die Besitzer die schwer in Mitleidenschaft gezogene Anlage verkaufen,<ref>In einem Beitrag über das Haus schreibt Barbara Schleicher in der niederösterreichischen Kulturzeitschrift "morgen", dass von den Nachkommen horrende Steuerlasten für das heruntergekommene Gebäude und das 34 Hektar große Areal verlangt wurden, so dass den Erben nichts anderes übrig blieb, als die Immobilie zu verkaufen. Quelle: „Herrenmenschen“ und arische Frauen. Barbara Schleicher über das NS-Lebensbornheim Wienerwald: Die kurios-skandalöse Geschichte eines Hauses, in: morgen, März 2003, S. 28–30, hier S. 29f.</ref> und der [[Österreichischer Gewerkschaftsbund|Österreichische Gewerkschaftsbund]] (ÖGB) begann 1951 nach Plänen des Architekten [[Franz Mörth]] einen großangelegten Umbau, der dem Haus nun ein völlig neues Aussehen verlieh. Freitragende [[Stahlbeton]]balkone und ein flaches [[Satteldach]] bestimmten nun die Wirkung des neuen „Urlauberheimes [[Karl Maisel]] der Metall- und Bergarbeiter“ des ÖGB in Feichtenbach.<ref name="AZ_19520402">[http://www.arbeiter-zeitung.at/cgi-bin/archiv/flash.pl?seite=19520402_A06;html=1 E. Th.: ''Neues Leben in Feuchtenbach. Ein Urlaubsheim der Metall- und Bergarbeiter'']. In: ''[[Arbeiter-Zeitung]]'', 2. April 1952, S. 6.</ref> | ||
1952 entstanden nach den Plänen Mörths ein Freibad und eine [[Jugendherberge]] auf dem Gelände der 1920 abgebrannten Kriegerheilstätte, 1962 wurde ein Restaurationspavillon südostseitig angefügt. Weitere Umbauten im Jahr 1967 (sie betrafen vorwiegend die Aufstockung des Mörthschen Restaurationspavillons, den Angestelltenspeisesaal sowie den Ausbau der Wäscherei zum Angestelltenwohnhaus), nun durch Viktor Adler, sowie die Errichtung einer Miniaturgolfanlage, auf der 1984 die österreichische Staatsmeisterschaft im [[Bahnengolf]] ausgetragen wurde, folgten. | 1952 entstanden nach den Plänen Mörths ein Freibad und eine [[Jugendherberge]] auf dem Gelände der 1920 abgebrannten Kriegerheilstätte, 1962 wurde ein Restaurationspavillon südostseitig angefügt. Weitere Umbauten im Jahr 1967 (sie betrafen vorwiegend die Aufstockung des Mörthschen Restaurationspavillons, den Angestelltenspeisesaal sowie den Ausbau der Wäscherei zum Angestelltenwohnhaus), nun durch Viktor Adler, sowie die Errichtung einer Miniaturgolfanlage, auf der 1984 die österreichische Staatsmeisterschaft im [[Bahnengolf]] ausgetragen wurde, folgten. | ||
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== Literatur == | == Literatur == | ||
* Leopold von Schrötter: ''Uber den Stand der Bestrebungen zur Bekämpfung der Tuberkulose in Oesterreich'', o. O., o. J.<ref>[http://katzoom.onb.ac.at/DB1/nka/m001/z090/h020/a0891904.gif Katalogzettel ''Österreichische Nationalbibliothek'']</ref> | * Leopold von Schrötter: ''Uber den Stand der Bestrebungen zur Bekämpfung der Tuberkulose in Oesterreich'', o. O., o. J.<ref>[http://katzoom.onb.ac.at/DB1/nka/m001/z090/h020/a0891904.gif Katalogzettel ''Österreichische Nationalbibliothek'']</ref> | ||
* Arthur Baer, Hugo Kraus: ''30 Jahre Sanatorium Wienerwald – aus Anlass des dreissigjährigen Bestehens des Sanatorium Wienerwald, Heilanstalt für Lungenkranke, Pernitz, Nieder-Österreich'', Chwala, Wien [1934]<ref>[http://permalink.obvsg.at/AC06368700 Permalink ''Österreichischer Bibliothekenverbund'']</ref> | * Arthur Baer, Hugo Kraus: ''30 Jahre Sanatorium Wienerwald – aus Anlass des dreissigjährigen Bestehens des Sanatorium Wienerwald, Heilanstalt für Lungenkranke, Pernitz, Nieder-Österreich'', Chwala, Wien [1934].<ref>[http://permalink.obvsg.at/AC06368700 Permalink ''Österreichischer Bibliothekenverbund'']</ref> | ||
* Renate Wechdorn: ''Sanatorium Wienerwald'', Wien, Techn. Univ., Dipl.-Arb., 1983<ref>[http://permalink.obvsg.at/AC00313269 Permalink ''Österreichischer Bibliothekenverbund'']</ref> | * Renate Wechdorn: ''Sanatorium Wienerwald'', Wien, Techn. Univ., Dipl.-Arb., 1983<ref>[http://permalink.obvsg.at/AC00313269 Permalink ''Österreichischer Bibliothekenverbund'']</ref> | ||
* Rotraut Hackermüller: ''Das Leben, das mich stört. Eine Dokumentation zu Kafkas letzten Jahren, 1917 bis 1924'', Medusa Verlag, Wien [u. a.] 1984, ISBN 3-85446-094-5 | * Rotraut Hackermüller: ''Das Leben, das mich stört. Eine Dokumentation zu Kafkas letzten Jahren, 1917 bis 1924'', Medusa Verlag, Wien [u. a.] 1984, ISBN 3-85446-094-5. | ||
* [[Hiltraud Ast]]: ''Feichtenbach, eine Tallandschaft im Niederösterreichischen Schneeberggebiet.'' Marktgemeinde Gutenstein (Hrsg.), Hollinek, Wien 1994, ISBN 3-85119-257-5 | * [[Hiltraud Ast]]: ''Feichtenbach, eine Tallandschaft im Niederösterreichischen Schneeberggebiet.'' Marktgemeinde Gutenstein (Hrsg.), Hollinek, Wien 1994, ISBN 3-85119-257-5. | ||
*Elisabeth Märker: '' | * Elisabeth Märker: ''„Rassisch Wertvoll“. Die positive Eugenik: Ihre Handhabung am Beispiel des Lebensbornvereins im „Heim Alpenland“ und „Heim Wienerwald“'', Dissertation Innsbruck 1999 | ||
* Günther Knotzinger: ''Das SS-Heim Wienerwald''. Eigenverlag, Feichtenbach 2001. | * Günther Knotzinger: ''Das SS-Heim Wienerwald''. Eigenverlag, Feichtenbach 2001. | ||
* Eleonore Rodler: ''Feichtenbach – eine Faction'', Edition Va Bene, Wien, Klosterneuburg 2009, ISBN 3851672240, ISBN 978-3-85167-224-4 | * Eleonore Rodler: ''Feichtenbach – eine Faction'', Edition Va Bene, Wien, Klosterneuburg 2009, ISBN 3851672240, ISBN 978-3-85167-224-4. | ||
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