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Im Jahr 1912 kam Schwester Anna<ref>Diözese Graz-Seckau – Taufbuch VI 1886 - 1935 – Wundschuh, S. </ref> zur Welt, die aber nach neun Tagen starb. Als Todesursache vermerkt das Sterbebuch „Fraisen“.<ref>Diözese Graz-Seckau – Sterbebuch IV 1912 - 1938 – Wundschuh, S. 5</ref> Der volksmedizinische Begriff umschrieb damals häufig auftretende Krämpfe und Zuckungen bei Säuglingen, denen sie bald erlagen. Die Ursache dafür war Kalk- und damit Vitamin-D-Mangel, der durch zu häufige Schwangerschaften in zu kurzer Folge entstand.<ref>Wolfgang Regal/Michael Nanut: Mit Magie gegen den Bockerlfraß, Ärzte Woche 22/2007</ref> | Im Jahr 1912 kam Schwester Anna<ref>Diözese Graz-Seckau – Taufbuch VI 1886 - 1935 – Wundschuh, S. </ref> zur Welt, die aber nach neun Tagen starb. Als Todesursache vermerkt das Sterbebuch „Fraisen“.<ref>Diözese Graz-Seckau – Sterbebuch IV 1912 - 1938 – Wundschuh, S. 5</ref> Der volksmedizinische Begriff umschrieb damals häufig auftretende Krämpfe und Zuckungen bei Säuglingen, denen sie bald erlagen. Die Ursache dafür war Kalk- und damit Vitamin-D-Mangel, der durch zu häufige Schwangerschaften in zu kurzer Folge entstand.<ref>Wolfgang Regal/Michael Nanut: Mit Magie gegen den Bockerlfraß, Ärzte Woche 22/2007</ref> | ||
Rosas Vater war Hilfsarbeiter in der [[w:Brauerei Puntigam|Brauerei Puntigam]].<ref>Diözese Graz-Seckau – Taufbuch VI 1901 - 1913 – Feldkirchen, S. 35, 48, 63, 91, 123</ref> Als sie vier Jahre alt war, kaufte der Vater im Jahr 1910 ein bäuerliches Anwesen in [[Großsulz]] südlich von Graz<ref>Diözese Graz-Seckau – Taufbuch VI 1886 - 1935 – Wundschuh, S. 240 </ref> ; im Taufregister ist der Vater 1910 als „Keuschler“ und 1912 als „Grundbesitzer“ ausgewiesen.<ref>Diözese Graz-Seckau – Taufbuch VI 1886 - 1935 – Wundschuh, S. 240, 261 </ref> | Rosas Vater war Hilfsarbeiter in der [[w:Brauerei Puntigam|Brauerei Puntigam]].<ref>Diözese Graz-Seckau – Taufbuch VI 1901 - 1913 – Feldkirchen, S. 35, 48, 63, 91, 123</ref> Als sie vier Jahre alt war, kaufte der Vater im Jahr 1910 ein bäuerliches Anwesen in [[w:Großsulz|Großsulz]] südlich von Graz<ref>Diözese Graz-Seckau – Taufbuch VI 1886 - 1935 – Wundschuh, S. 240 </ref> ; im Taufregister ist der Vater 1910 als „Keuschler“ und 1912 als „Grundbesitzer“ ausgewiesen.<ref>Diözese Graz-Seckau – Taufbuch VI 1886 - 1935 – Wundschuh, S. 240, 261 </ref> | ||
Zuvor hatte die Familie in der Mietwohnung eines Mehrfamilienhauses in [[ Rudersdorf (Graz)|Rudersdorf]] gelebt.<ref>Diözese Graz-Seckau – Taufbuch VI 1901 - 1913 – Feldkirchen, S. 91</ref> Die Familienerzählung besagt, dass es dort einen ganz ekelhaften Hausherrn gab, der immer gemeckert hat, wenn die Kinder im Hof etwas gemacht haben, wenn sie zum Beispiel irgendwo ein Loch gegraben haben. Das hat Rosas Vater immer geärgert, daher wollte er ein eigenes Haus mit Grund und Acker dabei. | Zuvor hatte die Familie in der Mietwohnung eines Mehrfamilienhauses in [[ Rudersdorf (Graz)|Rudersdorf]] gelebt.<ref>Diözese Graz-Seckau – Taufbuch VI 1901 - 1913 – Feldkirchen, S. 91</ref> Die Familienerzählung besagt, dass es dort einen ganz ekelhaften Hausherrn gab, der immer gemeckert hat, wenn die Kinder im Hof etwas gemacht haben, wenn sie zum Beispiel irgendwo ein Loch gegraben haben. Das hat Rosas Vater immer geärgert, daher wollte er ein eigenes Haus mit Grund und Acker dabei. | ||
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<ref>Kriegsarchiv Wien – Karteikarte aus der Totenkartei, Karton Nr. 149</ref> | <ref>Kriegsarchiv Wien – Karteikarte aus der Totenkartei, Karton Nr. 149</ref> | ||
Für den 21. Dezember 1915 meldete der österreich-ungarische Heeresbericht: „Russischer Kriegsschauplatz: Gegenüber Rafalowka am Styr wurde eine russische Aufklärungsabteilung zersprengt. Sonst stellenweise Geschützkampf.“<ref>Amtliche Kriegs-Depeschen, Band 3, Nationaler Verlag, Berlin 1916</ref> | Für den 21. Dezember 1915 meldete der österreich-ungarische Heeresbericht: „Russischer Kriegsschauplatz: Gegenüber Rafalowka am [[w:Styr|Styr]] wurde eine russische Aufklärungsabteilung zersprengt. Sonst stellenweise Geschützkampf.“<ref>Amtliche Kriegs-Depeschen, Band 3, Nationaler Verlag, Berlin 1916</ref> | ||
Dass die Nachricht vom Tod des Vaters kurze Zeit später in Großsulz eintraf, dafür gibt es keine offizielle Quelle, nur die Familienerzählung, die besagt, dass der Vater genau zu Weihnachten gefallen sei. Für die Witwe und die vier kleinen Kinder müssen es schreckliche Weihnachtstage gewesen sein. | Dass die Nachricht vom Tod des Vaters kurze Zeit später in Großsulz eintraf, dafür gibt es keine offizielle Quelle, nur die Familienerzählung, die besagt, dass der Vater genau zu Weihnachten gefallen sei. Für die Witwe und die vier kleinen Kinder müssen es schreckliche Weihnachtstage gewesen sein. | ||
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Am 30. April 1929 brachte Rosa eine Tochter auf die Welt, die sie auf den gleichen Namen – nämlich Rosa – taufen ließ.<ref>Diözese Graz-Sekau – Taufindex N - Z 1911 - 1938 - Graz Heiligster Erlöser </ref> Das Kind wurde im [[w:LKH-Universitätsklinikum Graz|Landeskrankenhaus Graz]], das zur ''Pfarre Heiligster Erlöser'' geboren und damit dort im Taufmatrikel geführt. | Am 30. April 1929 brachte Rosa eine Tochter auf die Welt, die sie auf den gleichen Namen – nämlich Rosa – taufen ließ.<ref>Diözese Graz-Sekau – Taufindex N - Z 1911 - 1938 - Graz Heiligster Erlöser </ref> Das Kind wurde im [[w:LKH-Universitätsklinikum Graz|Landeskrankenhaus Graz]], das zur ''Pfarre Heiligster Erlöser'' geboren und damit dort im Taufmatrikel geführt. | ||
Die Familie lebte damals schon in [[Enzelsdorf (Gemeinde Fernitz-Mellach)|Enzelsdorf]] bei Fernitz.<ref>Diözese Graz-Sekau – Taufbuch Graz Heiligster Erlöser – Band 46, S. 213 </ref> Der Status der Mutter wird im Taufbuch als „Besitzerstocher in Enzelsdorf, ledig“ beschrieben. Die Rubrik zum Vater des Kindes blieb im Taufbuch leer.<ref>Ebenda</ref> Aufgezogen wurde das gesund geborene Kind im Haushalt der Großmutter Rosalia; auch die Kindesmutter lebte dort weiterhin.<ref>Ebenda</ref> | Die Familie lebte damals schon in [[Enzelsdorf (Gemeinde Fernitz-Mellach)|Enzelsdorf]] bei [[Fernitz]].<ref>Diözese Graz-Sekau – Taufbuch Graz Heiligster Erlöser – Band 46, S. 213 </ref> Der Status der Mutter wird im Taufbuch als „Besitzerstocher in Enzelsdorf, ledig“ beschrieben. Die Rubrik zum Vater des Kindes blieb im Taufbuch leer.<ref>Ebenda</ref> Aufgezogen wurde das gesund geborene Kind im Haushalt der Großmutter Rosalia; auch die Kindesmutter lebte dort weiterhin.<ref>Ebenda</ref> | ||
Der Grund für die Geburt im LKH Graz scheint nicht die geistige Einschränkung von Rosa gewesen zu sein, sondern der Umstand, dass sie nicht verheiratet war. In den 1920er und 1930er Jahren brachten tausende von unverehelichten Müttern aus Graz und Umgebung ihre Kinder im Gebärhaus des späteren LKH zur Welt.<ref>Auskunft von Dr. Matthias Perstling, Leiter des Diözesanarchivs Graz-Sekau vom 29. August 2017</ref> | Der Grund für die Geburt im LKH Graz scheint nicht die geistige Einschränkung von Rosa gewesen zu sein, sondern der Umstand, dass sie nicht verheiratet war. In den 1920er und 1930er Jahren brachten tausende von unverehelichten Müttern aus Graz und Umgebung ihre Kinder im Gebärhaus des späteren LKH zur Welt.<ref>Auskunft von Dr. Matthias Perstling, Leiter des Diözesanarchivs Graz-Sekau vom 29. August 2017</ref> | ||
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Im Oktober 1930 ging Rosas Schwester Theresia im Alter von 22 Jahren in den Freitod. Sie stürzte sich bei Enzelsdorf in den Mühlgang. Als Todesursache steht im Sterbematrikel „Selbstmord aus Liebeskummer“.<ref>Diözese Graz-Seckau – Sterbebuch XV 1927 - 1938 – Fernitz, S. 43</ref> | Im Oktober 1930 ging Rosas Schwester Theresia im Alter von 22 Jahren in den Freitod. Sie stürzte sich bei Enzelsdorf in den Mühlgang. Als Todesursache steht im Sterbematrikel „Selbstmord aus Liebeskummer“.<ref>Diözese Graz-Seckau – Sterbebuch XV 1927 - 1938 – Fernitz, S. 43</ref> | ||
Am 4. April 1938 wurde Rosa im Alter von 32 Jahren in der Heil-und Pflegeanstalt am Feldhof in Graz aufgenommen.<ref>Mitteilung der Dokumentationsstelle Hartheim des OÖLA vom 12. Oktober 2015</ref> Die Aufnahmediagnose ist nicht bekannt.<ref>Ebenda</ref> Rosa lebte dort knapp drei Jahre. Am 7. Februar 1941 verließ ein Transport mit ihr und 75 weiteren Patienten die Grazer Anstalt in Richtung Tötungsanstalt Hartheim.<ref>Ebenda</ref> Im gleichen Transport befand sich [[Elisabeth Bundschuh]]. | Am 4. April 1938 wurde Rosa im Alter von 32 Jahren in der [[w:Landesnervenklinik Sigmund Freud|Heil-und Pflegeanstalt am Feldhof]] in Graz aufgenommen.<ref>Mitteilung der Dokumentationsstelle Hartheim des OÖLA vom 12. Oktober 2015</ref> Die Aufnahmediagnose ist nicht bekannt.<ref>Ebenda</ref> Rosa lebte dort knapp drei Jahre. Am 7. Februar 1941 verließ ein Transport mit ihr und 75 weiteren Patienten die Grazer Anstalt in Richtung [[w:Tötungsanstalt Hartheim|Tötungsanstalt Hartheim]].<ref>Ebenda</ref> Im gleichen Transport befand sich [[Elisabeth Bundschuh]]. | ||
Aus der Steiermark fielen circa 1.500 Menschen dem Euthanasie-Mordprogramm zum Opfer.<ref>Joachim Heinzl: Vergessene Opfer – gefeierte Täter: NS-Euthanasie in der Steiermark, Dezember 2000</ref> Vom Grazer Feldhof wurden zwischen Mai 1940 und Juni 1941 rund 1.200 Patienten nach Hartheim transportiert und dort vergast.<ref>Birgit Poier: NS-Euthanasie in der Steiermark, Österreichische Pflegezeitschrift, November 2003, S. 30</ref> Außerdem starben etwa 200 bis 300 Kinder durch bewusste Unterversorgung und gezielte Tötungen in den Jahren 1940 bis 1945 direkt im Grazer Feldhof.<ref>Ebenda, S. 31</ref> | Aus der Steiermark fielen circa 1.500 Menschen dem Euthanasie-Mordprogramm zum Opfer.<ref>Joachim Heinzl: Vergessene Opfer – gefeierte Täter: NS-Euthanasie in der Steiermark, Dezember 2000</ref> Vom Grazer Feldhof wurden zwischen Mai 1940 und Juni 1941 rund 1.200 Patienten nach Hartheim transportiert und dort vergast.<ref>Birgit Poier: NS-Euthanasie in der Steiermark, Österreichische Pflegezeitschrift, November 2003, S. 30</ref> Außerdem starben etwa 200 bis 300 Kinder durch bewusste Unterversorgung und gezielte Tötungen in den Jahren 1940 bis 1945 direkt im Grazer Feldhof.<ref>Ebenda, S. 31</ref> | ||
Offizielles Ziel des Transportes vom 7. Februar 1941 war die Gau-Heil und Pflegeanstalt Niedernhart in Linz. Niedernhart war die Zwischenanstalt für Hartheim und stand unter der Leitung von [[Rudolf Lonauer]], der zugleich der Tötungsanstalt vorstand.<ref>Mitteilung der Dokumentationsstelle Hartheim des OÖLA vom 12. Oktober 2015</ref> | Offizielles Ziel des Transportes vom 7. Februar 1941 war die Gau-Heil und Pflegeanstalt Niedernhart in Linz. Niedernhart war die Zwischenanstalt für Hartheim und stand unter der Leitung von [[w:Rudolf Lonauer|Rudolf Lonauer]], der zugleich der Tötungsanstalt vorstand.<ref>Mitteilung der Dokumentationsstelle Hartheim des OÖLA vom 12. Oktober 2015</ref> | ||
Ob der Transport von Rosa und den anderen Patienten direkt nach Hartheim ging oder tatsächlich über Niedernhart geführt wurde, ist nicht bekannt. In Hartheim angekommen wurden alle Personen, unter dem Vorwand duschen zu gehen, in der Gaskammer mit Kohlenmonoxid ermordet.<ref>Ebenda</ref> | Ob der Transport von Rosa und den anderen Patienten direkt nach Hartheim ging oder tatsächlich über Niedernhart geführt wurde, ist nicht bekannt. In Hartheim angekommen wurden alle Personen, unter dem Vorwand duschen zu gehen, in der Gaskammer mit Kohlenmonoxid ermordet.<ref>Ebenda</ref> | ||
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Aus Beschuldigtenvernehmungen in Nachkriegsprozessen ist bekannt, dass die Aufenthalte in Linz im Schnitt nur etwa frei bis fünf Tage dauerten. Aus diesem Grund kann die Dokumentationsstelle Hartheim kein exaktes Todesdatum nennen. Rosa wurde entweder am 7. Februar 1941 oder wenige Tage danach in Hartheim ermordet.<ref>Ebenda</ref> | Aus Beschuldigtenvernehmungen in Nachkriegsprozessen ist bekannt, dass die Aufenthalte in Linz im Schnitt nur etwa frei bis fünf Tage dauerten. Aus diesem Grund kann die Dokumentationsstelle Hartheim kein exaktes Todesdatum nennen. Rosa wurde entweder am 7. Februar 1941 oder wenige Tage danach in Hartheim ermordet.<ref>Ebenda</ref> | ||
In den Sterberegistern von Feldkirchen, Wundschuh und Fernitz gibt es keinen Hinweis über ihren Tod.<ref>Diözese Graz-Seckau – Sterberegister Feldkirchen, Wundschuh und Fernitz</ref> | In den Sterberegistern von [[w:Feldkirchen bei Graz|Feldkirchen]], [[Wundschuh]] und Fernitz gibt es keinen Hinweis über ihren Tod.<ref>Diözese Graz-Seckau – Sterberegister Feldkirchen, Wundschuh und Fernitz</ref> | ||
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