Martinigans: Unterschied zwischen den Versionen

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Ein historischer Erklärungsversuch für dieses Brauchtum geht davon aus, dass in Zeiten des [[w:Lehnswesen|Lehnswesens]] eine am Martinstag fällige [[w:Lehnspflicht|Lehnspflicht]], eine Abgabe namens ''Martinsschoß'', der Ursprung war.<ref>''Wigand’s Conversations-Lexikon für alle Stände.'' Otto Wigand, Leipzig 1849, {{OCLC|299984559}}, S.&nbsp;582.</ref> Da diese häufig aus einer Gans bestand, bildete sich die Bezeichnung Martinsgans heraus, und weil der Martinstag traditionell mit einer Kirmes oder einem Tanzmusikabend gefeiert wurde, bot es sich an, die Gans zum Festessen zu machen und an diesem Abend festlich zu verspeisen.<ref>Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde: ''Die aus der Sagenzeit der Deutschen stammenden Gebräuche, namentlich der Hessen.'' 1. Band. Kassel 1867, S.&nbsp;318.</ref>
Ein historischer Erklärungsversuch für dieses Brauchtum geht davon aus, dass in Zeiten des [[w:Lehnswesen|Lehnswesens]] eine am Martinstag fällige [[w:Lehnspflicht|Lehnspflicht]], eine Abgabe namens ''Martinsschoß'', der Ursprung war.<ref>''Wigand’s Conversations-Lexikon für alle Stände.'' Otto Wigand, Leipzig 1849, {{OCLC|299984559}}, S.&nbsp;582.</ref> Da diese häufig aus einer Gans bestand, bildete sich die Bezeichnung Martinsgans heraus, und weil der Martinstag traditionell mit einer Kirmes oder einem Tanzmusikabend gefeiert wurde, bot es sich an, die Gans zum Festessen zu machen und an diesem Abend festlich zu verspeisen.<ref>Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde: ''Die aus der Sagenzeit der Deutschen stammenden Gebräuche, namentlich der Hessen.'' 1. Band. Kassel 1867, S.&nbsp;318.</ref>


Als Erklärung werden aber auch zahlreiche Legenden bemüht. Gern wird in Legenden erzählt, dass die Martinsgans ihren Ursprung in Martins Leben habe: Entgegen seinem eigenen Willen und trotz Vorbehalts des Klerus drängte das Volk von [[w:Tours|Tours]] darauf, Martin zum Bischof zu weihen. [[w:Askese|Asketisch]] und bescheiden, wie er sein Leben führte, hielt er sich für unwürdig, das Bischofsamt zu bekleiden. Er soll sich deshalb in einem Gänsestall versteckt haben. Die Gänse jedoch sollen so aufgeregt geschnattert haben, dass Martin gefunden wurde und zum Bischof geweiht werden konnte. Nach einer anderen Erzählung griffen die Bürger von Tours zu einer List: Ein Bauer sei zu Martins Versteck gegangen und habe diesen gebeten, seine kranke Frau zu besuchen. Hilfsbereit, wie Martin nun einmal war, habe er seine Sachen genommen und den Bauern nach Hause begleitet. Wahrscheinlich sah er ziemlich schmutzig aus – als habe er eine Zeit lang in einem Gänsestall gelebt. Eine weitere Geschichte besagt, dass eine schnatternde Gänseschar in den Kirchraum gewatschelt sei und dabei Bischof Martin bei seiner Predigt unterbrochen habe. Daraufhin seien die Gänse gefangen und verzehrt worden.
Unabhängig von den Legenden hat der Brauch in der wirtschaftlichen Situation der Bauern und religiösen Gegebenheiten ihre Wurzeln. Die Gans war bei den Bauern ein reines Weidetier. Die wirtschaftliche Bedeutung lag bei der Gans hauptsächlich bei den Federn, wogegen das Fleisch weniger im Vordergrund stand. Im Herbst müssen die Tiere geschlachtet werden, da keine keine Stallungen für den Winter vorhanden waren. Davor wurden sie noch [[w:Nudeln (Mast)|gestopft]], was heute in Österreich seit einigen Jahren wegen Tierquälerei nicht mehr erlaubt ist.  
 
Solche Legenden sind allerdings erst seit dem 16.&nbsp;Jahrhundert bekannt. Sie gelten als „Sekundärlegenden“ ([[w:Ätiologie (Erzählung)|Ätiologien]]), die ein Brauchtum im Nachhinein zu erklären versuchen. Die Verbindung der Gänse mit dem Pachttermin des Martinstages wird in der Forschung nämlich als älter angesehen als die Legenden.<ref name="becker36" >Manfred Becker-Huberti: ''Feiern – Feste – Jahreszeiten. Lebendige Bräuche im ganzen Jahr.'' Sonderausgabe, Herder Verlag, Freiburg (Breisgau) 2001, ISBN 3-451-27702-6, S.&nbsp;36.</ref>
 
Unabhängig von den Legenden hat der Brauch auch in der wirtschaftlichen Situation der Bauern und religiösen Gegebenheiten ihre Wurzeln. Die Gans war bei den Bauern ein reines Weidetier. Die wirtschaftliche Bedeutung lag bei der Gans hauptsächlich bei den Federn, wogegen das Fleisch weniger im Vordergrund stand. Im Herbst müssen die Tiere geschlachtet werden, da keine keine Stallungen für den Winter vorhanden waren. Davor wurden sie noch [[w:Nudeln (Mast)|gestopft]], was heute in Österreich seit einigen Jahren wegen Tierquälerei nicht mehr erlaubt ist.  


Der Martinstag am Ende des bäuerlichen Wirtschaftsjahres, dass die Gänse beim Festessen, dass noch vor Beginn der [[w:Advent|Adventszeit]], die als Fastenzeit galt. serviert wurde.
Der Martinstag am Ende des bäuerlichen Wirtschaftsjahres, dass die Gänse beim Festessen, dass noch vor Beginn der [[w:Advent|Adventszeit]], die als Fastenzeit galt. serviert wurde.
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Neben dem Festessen der Gäste beobachtete abergläubische Bäuerinnen die Martinigans als eine Art [[w:Orakel|Orakel]], das ihr die Frage, wie der kommende Winter werden wird, beantwortet. So sagte - in ihrem Aberglauben - ein braunes Brustbein einen strengen Winter voraus, während ein weißes viel Schnee ankündigte.<ref name= nwb/>
Neben dem Festessen der Gäste beobachtete abergläubische Bäuerinnen die Martinigans als eine Art [[w:Orakel|Orakel]], das ihr die Frage, wie der kommende Winter werden wird, beantwortet. So sagte - in ihrem Aberglauben - ein braunes Brustbein einen strengen Winter voraus, während ein weißes viel Schnee ankündigte.<ref name= nwb/>
== Legenden ==
Als Erklärung werden aber auch zahlreiche Legenden bemüht. Gern wird in Legenden erzählt, dass die Martinsgans ihren Ursprung in Martins Leben habe: Entgegen seinem eigenen Willen und trotz Vorbehalts des Klerus drängte das Volk von [[w:Tours|Tours]] darauf, Martin zum Bischof zu weihen. [[w:Askese|Asketisch]] und bescheiden, wie er sein Leben führte, hielt er sich für unwürdig, das Bischofsamt zu bekleiden. Er soll sich deshalb in einem Gänsestall versteckt haben. Die Gänse jedoch sollen so aufgeregt geschnattert haben, dass Martin gefunden wurde und zum Bischof geweiht werden konnte. Nach einer anderen Erzählung griffen die Bürger von Tours zu einer List: Ein Bauer sei zu Martins Versteck gegangen und habe diesen gebeten, seine kranke Frau zu besuchen. Hilfsbereit, wie Martin nun einmal war, habe er seine Sachen genommen und den Bauern nach Hause begleitet. Wahrscheinlich sah er ziemlich schmutzig aus – als habe er eine Zeit lang in einem Gänsestall gelebt. Eine weitere Geschichte besagt, dass eine schnatternde Gänseschar in den Kirchraum gewatschelt sei und dabei Bischof Martin bei seiner Predigt unterbrochen habe. Daraufhin seien die Gänse gefangen und verzehrt worden.
Solche Legenden sind allerdings erst seit dem 16.&nbsp;Jahrhundert bekannt. Sie gelten als „Sekundärlegenden“ ([[w:Ätiologie (Erzählung)|Ätiologien]]), die ein Brauchtum im Nachhinein zu erklären versuchen. Die Verbindung der Gänse mit dem Pachttermin des Martinstages wird in der Forschung nämlich als älter angesehen als die Legenden.<ref name="becker36" >Manfred Becker-Huberti: ''Feiern – Feste – Jahreszeiten. Lebendige Bräuche im ganzen Jahr.'' Sonderausgabe, Herder Verlag, Freiburg (Breisgau) 2001, ISBN 3-451-27702-6, S.&nbsp;36.</ref>


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==

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