Brucker Zuckerfabrik: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 22. Juli 2020, 13:32 Uhr
Die Brucker Zuckerfabrik war eine Zuckerfabrik in Bruck an der Leitha, die von 1909 bis 1986 unter verschiedenen Besitzern in Betrieb war.
Planung
Die Zuckerfabrik wurde von mehreren Zuckerfabrikanten aus ganz Österreich-Ungarn, wie Conrad Patzenhofer, Paul Hellmann aus Mähren oder Belá Hatvany-Deutsch projektiert. Der ursprüngliche Plan mit Standort in Parndorf, das damals ungarisch (Transleithanien) war, scheiterte an großen Problemen bezüglich Wasserversorgung.
Für die schnelle Gründung in Bruck standen aber auch Vereinbarungen der österreichischen Zuckerfabriken im Weg. Im protokollarischen Übereinkommen von 1906 hatten sich sämtliche Zuckerfabriken, das waren Dürnkrut, Hohenau, Leopoldsdorf und Pottendorf-Landegg, zu einem Kartell zusammengeschlossen, um den Zuckermarkt mit ihren Lieferanten stabil zu halten. Dieses Kartell sah keinen Bedarf einer weiteren Produktionsstätte. Bedroht fühlte sich vor allem Patzendorfer mit seiner Fabrik in Pottendorf.
Um diese Schwierigkeiten zu überwinden, kamen auch Bruno Graetz und Bernhard Wetzler ins Gründungskonsortium. Wetzler war einerseits als Mitbegründer der Anglo-Österreichischen Bank, andererseits als Miteigentümer der K.u.k. Militär-Conservenfabrik rundum sehr be- und geachtet.
So zogen sich die Verhandlungen bis ins Jahr 1911 bis alles unter Dach und Fach war. Aussschlaggebend für eine Erlaubnis war auch die Übernahme der Zuckerfabrik in Pottendorf durch die neuzugründende Brucker Zuckerfabrik.
Am 21. Juli 1909 fand die erste Gründungsversammlung der Österreichischen Zuckerindustrie-Aktiengesellschaft statt. Wie alle Zuckerfabriken, hatte auch die ÖZI ihren Sitz in Wien. Sie befand sich in der Inneren Stadt in der Ferstelgasse 6.
Betrieb
Für das Jahr 1910 werden 800 Arbeiter und Produktionsanlagen mit 2.500 PS angegeben. Produziert wurde Roh-, Sand- und Pilézucker in einer Menge von 100.000 Zentner.
Der Bau, der durch den für Zuckerfabriken erfahrenen Ingenieur Julius Renger erfolgte, wurde rechtzeitig zur ersten Rübenkampagne 1910/1911 fertig. Der Verkauf besorgte für die ÖZI die Anglo-Österreichische Bank über Bernhard Wetzler als Kommissionsgeschäft. Durch die Nähe von Bruckneudorf konnte Wetzler die Melasse an seine eigene Firma, der Konservenfabrik, verkaufen. Die Exporte wurden auch über die von Daniel Christian Rothermann in Triest gegründete Exportfirma Rothenmann & Engelmann abgewickelt.
1911 wurde auch die ÖZI in ein neu gegründetes Zuckerkartell aufgenommen. Gleichzeitig trat die AG auch in den Centralverein für die Rübenzucker-Industrie Österreich-Ungarn ein.
Bereits in den ersten beiden Jahren konnten beträchtliche Gewinne eingefahren werden und eine Dividende ausgeschüttet werden. Wie auch die anderen Zuckerfabriken in der Monarchie war auch die ÖZI Mitglied des Assecuranz-Vereines, zu der auch eine Pensionskasse gehörte.
In durchaus üblicher Art und Weise fanden ständige Wechsel und Verflechtungen der Eigentümerfamilien und anderen Zuckerherstellern in den Gremien statt. Einzig die Zuckerfabrik Hohenau der Familie Strakosch war in diese Verflechtungen nicht involviert.
Im Jahr 1914 zeichnete auch Ferdinand Bloch als Gesellschafter der ÖZI, der wertvolle Erfahrungen aus seinen Zuckerfabriken in Auschitz (heute Ortsteil der tschechischen Gemeinde Úžice u Kutné Hory) und aus Elbekosteletz mitbrachte. Auch in Göding in Mähren war er Vorstandsmitglied der dortigen Zuckerfabrik. So kam der in der Wiener Gesellschaft, ebenso wie seine Frau Adele, angesehene Industrielle in den Vorstand der ÖZI.
Erster Weltkrieg
Mit Beginn des Ersten Weltkrieges brach der Markt mangels Exportmärkten ein. Nur in die neutrale Schweiz konnte man verlässlich liefern. Da sich der ausländische Markt jedoch nicht mehr preisdrückend auswirkte, konnte man im Land selbst bessere Erträge erzielen.
Am 10. August 1916 brannten die Fabrikshallen nieder, sodass eine Kampagne in diesem Jahr unmöglich wurde.[1] Die frei gewordenen Rübenmengen konnten an andere Fabriken des Kartells verkauft werden. Die Hallen wurden jedoch unmittelbar danach wieder aufgebaut und im Zuge dessen auch modernisiert. Aber 1917 kam es durch Missernten und Transportproblemen neuerlich zu einem Betriebsstillstand. Die Verluste wurden wieder durch den Assecuranz-Verein und durch Verkauf von Realitäten in Pottendorf abgedeckt. 1918 und 1919 waren durch die unsicheren Märkte und dem Fehlen der männlichen Bevölkerung geprägt und machten einen kontinuierlichen Betrieb unmöglich.
Zwischenkriegszeit
Als Wetzler schwer erkrankte, wurde als zweites Geldinstitut die Allgemeine Bodencreditanstalt mit den Geldgeschäften betraut. Stefan von Auspitz-Artenegg, der bereits 1921 in den Vorstand einzog, und Julius Hartig wurden in den Vorstand kooptiert. Auspitz wird 1926 mit Abstand als größter Aktionär genannt.
Auf den Gründen der Fabrik wurden weitere Arbeiterwohnhäuser gebaut und die Kolonie erweitert.
Als Wetzler 1922 82-jährig starb, folgte Ferdinand Bloch-Bauer nach, der 1924 die Tochter Aktiengesellschaft für landwirtschaftliche Betriebe gründete. Auch die Rohatez-Bisenzer Zuckerfabriken Rudolf Auspitz und Co. in Mähren wird aufgekauft. Ab 1. März war wieder der freie Zuckerverkauf möglich. Durch den Zukauf der Rüben und der Tschechoslowakei und Ungarn, konnte die Produktionsmenge verdoppelt werden. Dadurch konnte eine Fertigungshalle für Würfelzucker errichtet werden, sowie die Maschinenwerkstätte um eine Gießerei erweitert werden.
In den Jahren 1928 und 1929 schlitterte der Zuckermarkt in eine weltweite Krise und die Preise erreichten einen Tiefststand. Im Oktober 1929 konnte dann zusätzlich die Bodencreditanstalt nur mehr durch eine Fusionierung mit der Creditanstalt aufgefangen werden. Diese musste aber 1931 selbst den Ausgleich anmelden. In den Sog dieses Bankzusammenbruchs gelangte schließlich auch das Bankhaus Auspitz, Lieben & Co. Durch diese beiden Ausgleiche verlor die ÖZI stark an Wert. Um das Bankhaus Auspitz, Lieben & Co zu retten, stellten Historiker später fest, das auch kriminelle Schritte als letztes Mittel gesetzt wurden. Eine Strafverfolgung wurde allerdings bis nach dem Anschluss im Jahr 1938 verschleppt, und sie sich durch die Flucht von Auspitz-Artenegg ins Ausland erübrigte.
Im Jahr 1931 schied Auspitz-Artenegg unehrenhaft sowie Ludwig Schüller aus dem Vorstand der ÖZI aus. Dafür kamen weitere Mitglieder der Familie Bloch-Bauer in den Verwaltungsrat.
Für das Jahr 1935 werden noch die Gründung einer Betriebsfeuerwehr unter dem Kommandanten Otto Stehle erwähnt. Sie bestand bis zur Schließung des Betriebes[2] Auch ein Musikzug wurde gegründet.
Mit der reichlichen Rübenernte 1935/1936 von knapp 1.200.000 Doppelzentner wurden die schon vorhandenen Zuckerlager weiter aufgefüllt, was weiterhin eine hohe Zinsbelastung ergab.
Einerseits war der Zuckermarkt übersättigt, andererseits wurde im Jahr 1937 die bereits 1934 von den Bauern geforderte achte Zuckerfabrik mit der Zuckerfabrik Tulln gegründet.
Politisch liegen Schuldeingeständnisse von Ferdinand Bloch-Bauer und seinem Direktor Viktor Pfeifer vor, dass die ÖZI an die 1930 von Kurt Schuschnigg Ostmärkische Sturmscharen, sowie an etliche Funtionäre der Heimwehr Bestechungs- und Schweigegelder für Bilanzfäschungen etc. bezahlt hat.[3] Diese so erschlichenen Gelder zog Bloch-Bauer aus dem Unternehmen und verschob sie in die Schweiz. Die Nationalsozialisten, die zwar davon auch Kenntnis erlangten, spielten ihr Wissen erst nach dem Anschluss aus.
Brucker Zuckerfabrik Clemens Auer
Nach der Flucht der jüdischen Firmenleitung in die Schweiz oder nach Großbritannien wurden in einer vorbereitenden Aktion die Positionen durch Nationalsozialisten ersetzt. In der Ostmark fand gemäß dem Münchner Abkommen kein Zusammenschluss der Zuckerfabriken statt. Nach dem Druck auf die jüdischen Mitbesitzer verkauften diese ihre Aktien, die dann an 1939 an den reichsdeutschen Mühlenbesitze Clemens Auer weiterverkauft wurden. Nachdem der Name ÖZI aus dem Handelsregister gelöscht wurde, hieß das Unternehmen Brucker Zuckerfabrik Clemens Auer. 1939 wurde der Firmensitz in Wien geschlossen und nach Bruck verlegt. Direktor blieb Viktor Pfeifer, wobei das Verhältnis zu Auer schlecht war, da ja die früheren Betrügereien bekannt waren. Auer wandelte die Aktiengesellschaft in eine Personengesellschaft um, wodurch das gesamte Firmenvermögen in seine Hände gelangte.
1942 wurde der Firmensitz wieder nach Wien verlegt. Gesamtprokuristen waren neben Viktor Pfeifer Karl Rigal und Mario Bizarro, beide aus Wien. Rigal hatte Vorkenntnisse aus der Zuckerfabrik Hirm. Er wurde persönlich haftender Gesellschafter der Kommanditgesellschaft. Über die Betriebsstätte während des Krieges ist kaum etwas bekannt, da noch vieles in den Archiven unter Verschluss liegt.
Kriegsende
Die Kriegsschäden waren an den Produktionsanlagen verhältnismäßig gering. Betroffen waren die Direktionsvilla und die Schlammtrocknung, sowie fünf Zuckermagazine, die Bränden zum Opfer fielen. Das größte Problem war im ersten Jahr nach dem Weltkrieg die fehlende Rübenernte, sowie auch der Ausfall eines Rübenanbaues.
Als ehemaliges deutsches Eigentum kam sie durch ihre Lage in der sowjetischen Besatzungszone zunächst unter USIA-Verwaltung. Eine Eintragung der USIA als Eigentümer konnte aber die Republik erfolgreich abwehren. Daher fehlten aber notwendige Investitionen. Der produzierte Zucker wurden in den USIA-Läden in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland unter dem Preis des übrigen Österreichs verkauft. Als Direktor wurde der kommunistische ehemalige Schlosser der Zuckerfabrik Anton Krischan eingesetzt. Er war schon während der austrofaschistischen Zeit in die Sowjetunion geflüchtet und kam mit der Rotenm Armee wieder nach Österreich. Der Bestellung ging allerdings ein Rechtsstreit voran, da der Firmensitz in Wien in der britischen Zone lag und diese Besatzungsmacht Mario Bizzaro im Handelsregister eintragen ließ. Proteste an die Sowjets waren allerdings erfolglos, sodass Krischan Direktor blieb. Die Streitbeilegung erfolgte durch Schließung des Wiener Büros, wodurch die Kompetenz wieder in sojetische Hände gelangte.
Die Folge der Besetzung mit einem Kommunisten war, dass auch die Belegschaft verstärkt auf KPÖ-Sympathisanten getauscht wurde und so war es ein Leichtes die Streikbewegungen bei den Oktoberstreiks m Jahr 1950 zu unterstützen. Allerdings wurden sie von den Bürgern Brucks schnell wieder vertrieben, sowie blockierte Gleise der Ostbahn freigelegt.
Nach dem Tod Krischans Ende 1950 wurde Josef Rosner, der 1920 als Laufbursche im werk begann, der neue Direktor und konnte diese Funktion wegen seiner Kenntnisse bis zur Werksübergabe gegen Ende der Besatzungszeit behalten.
Staatsvertrag
Nach dem Staatsvertrag wurde das Werk, da die Rückgabeverhandlungen noch nicht abgeschlossen waren, an die Republik in der Rechtsform einer GesmbH zurückgegeben. In den folgenden Jahren wurde investiert und modernisiert.
Im Jahr 1956 wurde von Bruno Graetz die Wiedererrichtung der Österreichischen Zuckerindustrie AG eingereicht, was bereits 1957 genehmigt wurde. Hauptaktionäre waren die Leipnik-Lundenburger-Zuckerfabrik AG, die Hohenauer Zuckerfabrik, die Ennser und Siegendorfer Zuckerfabrik, sowie Ing. H. Patzenhofer.
Nachdem die neuen Besitzer die desolate Lage des Unternehmen ausnutzten und die Mitarbeiter Anfang 1958 kündigen wollten, um sie im folgenden Jahr wieder mit geringeren Rechten einzustellen, kam es zu solidarischen gewerkschaftlichen Aktionen aller Zuckerfabriken, sodass diese Pläne fallengelassen wurden. Bis zum Jahr 1960 zogen sich die Restitutionsstreitigkeiten mit Clemens Auer, bis schließlich die Brucker Zuckerfabrik Clemens Auer behördlich in die Insolvenz geschickt wurde und die ÖZI AG der Rechtsnachfolger wurde.
In den Jahren bis 1981 wurde laufend investiert, bis die Firma unangekündigt geschlossen werden sollte. Das rief allerdings große Proteste der Rübenbauern hervor, die noch knapp bevor beworben wurden um Anteile in Siegendorf und Bruck zu kaufen. Der Widerstand zeigt vordererst Erfolg und die Schließung wurde abgeblasen.
In den folgenden Jahren kam es zu zahlreichen Fusionen und Kapitalverschiebungen in der Zuckerindustrie. Auch die damalige Sugana Zucker GembH wurde gegründet.
Einen weiteren Schlag versetzte der Weinskandal dem Absatz, da plötzlich Zucker nach den neuen Bestimmung nicht mehr zur Aufbesserung von Weinen verwendet werden durfte.
Nach der letzten Kampagne 1985/1986 wurde das Werk am 31. März 1986 geschlossen. Betroffen waren etwa 180 Mitarbeiter, die zum Schluss beschäftigt waren.
Literatur
- Werner Kohl: Die Österreichische Zuckerindustrie-Aktiengesellschaft-Zuckerfabrik Bruck/Leitha in Die österreichische Zuckerindustrie und ihre Geschichte(n) 1750–2013, 2014, Böhlau Verlag S.297-322 ISBN 9783205794981
- Gerhard A.Stadler: Das industrielle Erbe Niederösterreichs: Geschichte-Technik-Architektur, 2006, Verlag Böhlau ISBN 3-20577460-4, S.115f. (Online)
Einzelnachweise
- ↑ Bruck a.d.Leitha (Fabriksbrand).: Mitteilungen des niederösterreichischen Landes-Feuerwehr-Verbandes, Jahrgang 1916, S. 103 (online bei ANNO).
- ↑ Rössl, Joachim, Günter Schneider, Hans Schneider: Das große Niederösterreichische Feuerwehrbuch-Ausgabe Süd, 1986, Seite: 298 ISBN 3-85447-179-3
- ↑ Berthold Unfried, Ulrike Felber u.a.: Ökonomie der Arisierung, Teil 2: Fallbeispiele, S.816-839