Autonome Straße
Autonome Straße war ein Oberbegriff in Österreich für Straßen mit öffentlichem Verkehr, die nicht Bundesstraßen (früher auch Reichsstraßen genannt[1]) waren. Teilweise wurde dafür auch der überschneidende Begriff: "nicht ärarische Straße" verwendet.
Geschichte
Das grundlegende Straßennetz auch in Österreich baut auf römischen Straßen auf, die vor allem aus militärstrategischen Gründen angelegt wurden, um rasch militärische Einheiten verlegen zu können (siehe auch: Römerstraße). In weitere Folge dienten diese auch der Transportwirtschaft. Im Mittelalter verfielen viele dieser für damalige Zeiten gut ausgebauten Straßen (siehe auch: Reichsstraßen im Mittelalter oder Johanniterhäuser in Vorarlberg oder Heinrich Findelkind oder Alpe Rauz etc.).[2]
1726 wurden durch kaiserliches Patent wichtige Durchgangsstraßen als Hauptkommerzialstraßen bestimmt, später als Reichsstraßen bezeichnet. Die Kosten für den Erhalt und Erweiterungen bzw. Neubau trug teilweise das Reich (siehe: Habsburgermonarchie[3]). Finanziert teilweise aus dem Staatshaushalt (Staats-Straßenfonds, daher auch ärarische Straßen) oder durch Mauteinnahmen (bzw. Straßenzoll genannt). Mauteinnahmen sind in Österreich bis heute, neben der allgemeinen Mautpflicht für Schnellstraßen und Autobahnen und für LKW, eine maßgebliche Einnahmequelle für ausgewählte Verkehrsverbindungen zu deren Finanzierung (z. B. Arlberg-Straßentunnel oder Tauerntunnel).
Mit dem Ende der Monarchie in Österreich 1918 war es eines der wichtigen Ziele der Republik, Österreich schnell zu modernisieren und eines der Mittel dazu war der Ausbau und die Verbesserung von regionalen und überregionalen Verkehrsstraßen und dazu dienende Bauwerke (z. B. Brücken, Stützmauern etc.). Hierzu wurden erhebliche Bundesmittel aufgewendet um die Bundesstraßen zu verbessern aber auch die autonomen Straßen.[4] Zu Beginn der 1930er-Jahre wurde dann für wenige Jahre ein Straßenfonds gegründet[5], aus dem Mittel für die Bundesstraßen und autonomen Straßen geschöpft werden konnten.[6][7][8][9]
Mit mehreren Bundesgesetzen (z. B. vom 5. Juli 1932 rund 580 Kilometer oder Bundesgesetz vom 9. Juni 1933) wurden weitere bisher autonome Straßen inkameriert und zu Bundesstraßen erklärt und somit vom Bund zukünftig der Ausbau und die Erhaltung getragen. Die Bundesländer waren an der Inkamerierung[10] von autonomen Straßen, für welche sie bisher die Erhaltungspflicht hatten, in der Zwischenkriegszeit zur eigenen finanziellen Entlastung sehr interessiert.[11]
Wesentlicher Grund für die Bautätigkeit und auch Übernahme von Straßen in die Bundesverwaltung war in den 1930er-Jahren auch die Weltwirtschaftskrise und die damit zusammenhängende große Arbeitslosigkeit in der Bevölkerung.[9][12]
Der Begriff „autonome Straßen“ war noch bis in die 1930er-Jahre in den Medien geläufig und verschwand dann immer mehr. In § 36 der Österreichischen Vorschriften für die Elektrotechnik (ÖVE-L1), 3. Teil (Entwurf 1949), wurde festgehalten, dass „autonome Straßen“ Landesstraßen seien.
Mit dem Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland wurden viele straßenpolizeiliche Regelungen aus Deutschland in Österreich in Kraft gesetzt und auch die Finanzierung des Straßenbaus und der Erhaltung für die bisherigen autonomen Straßen geändert und nach dem Zweiten Weltkrieg nicht wieder wie vor dem Anschluss hergestellt.
Am 1. April 2002 wurde durch das Bundesstraßen-Übertragungsgesetz alle Bundesstraßen B wieder an die Bundesländer übertragen. Diese wurden also wieder zu autonomen Straßen (Landesstraßen). Wie vor 1938 gelten daher als Bundesstraßen nur noch Autobahnen (Bundesstraße A) und Schnellstraßen (Bundesstraße S).
2010 wurde in Österreich erstmals wieder begonnen ein Teilstück einer ehemaligen Bundesstraße, die Horner Straße, mit privater Beteiligung (PPP) zu errichten, bzw. zu erneuern und erweitern[13], somit wurde auf das alte System der autonomen Straße als Konkurrenzstraße mit öffentlichem Verkehr zurückgegriffen.
Arten von autonomen Straßen
Autonome Straßen sind alle Straßen mit öffentlichem Verkehr[14][15], ausgenommen Autobahnen[16] und Bundesstraßen. Autonome Straßen sind insbesondere:
- Landesstraßen,
- Bezirksstraßen[17],
- Gemeindestraßen,
- Öffentliche Konkurrenzstraßen (auch Straßen von Beitragsgemeinschaften),[18]
- Interessentenstraßen mit öffentlichem Verkehr (z. B. Güterweg, Forststraßen),[19]
- Öffentliche Privatstraßen.[20]
1930 bestanden in Österreich rund 3880 Kilometer Bundesstraßen und 35.000 Kilometer autonome Straßen, wovon rund 2600 Kilometer Landesstraßen waren.[21] Die vielen unterschiedlichen Einrichtungen und deren Vermögenslage die es gab zum Bau und Erhalt der autonomen Straßen führte naturgemäß zu sehr unterschiedlichen Interessen.[22] Dies begann bereits bei der Trassierung, bei der den Interessen einflussreicher Bürger (z. B. Händler, Gastwirte, Bügermeister etc.) sehr entgegengekommen wurde und dazu führte, dass nicht immer der kürzeste oder die geologisch einfachste Strecke gewählt wurde. Auch beim Erhalt gab es große Unterschiede und die Straßen waren daher teilweise in einem mehr oder weniger guten Zustand. Ebenso war der Winterdienst entweder gar nicht vorhanden oder sehr eingeschränkt (z. B. wurde nur für Schlitten geräumt).[23] Um dem Abhilfen zu schaffen wurden z. B. für autonome Straßen auch Straßengemeinschaften gebildet. In Oberösterreich erfolgte dies ab 1. Jänner 1932 so, dass das Land die Fahrbahnerhaltung für bestimmte autonome Gemeindestraße übernahm und die Gemeinden eine festen Geld- oder Sachbeitrag zu leisten hatten (die Aufgabe der Fahrbahnerhaltung für diese damals rund 1914 Kilometer autonome Straßen hatten bis 31. Dezember 1931 vor allem die Gemeinden in Oberösterreich).[24][25][26]
Anwendbares Recht auf autonome Straßen
Auf autonome Straßen war grundsätzlich das Recht des Eigentümers bzw. des Straßenerhalters anzuwenden. In späterer Zeit erfolgte die Erlassung von Landesstraßengesetzen bzw. einschlägigen Polizeigesetzen für Straßen mit öffentlichem Verkehr.
Durch Verordnung der Handelsministers vom 26. September 1930 galt vom 1. Oktober 1930 an, dass die Verkehrsvorschriften (Landesstraßenpolizeigesetze) für die autonomen Straßen im Burgenland, Kärnten, Niederösterreich, Salzburg, Tirol und Vorarlberg einheitlich auch auf die durch diese Bundesländer verlaufenden Bundesstraßen anzuwenden waren. Oberösterreich und Steiermark wurden etwas später einbezogen.[27] In der Praxis bedeutet dies z. B., dass die verschiedenen Regelungen über Rechts- oder Linksfahren, Tonnagebeschränkungen, Fahrverbote, Abmessungen von Fahrzeugen etc. in den Bundesländern auch auf den Bundesstraßen anzuwenden waren. Daher musste z. B. der Fahrzeuglenker somit auch auf Bundesstraßen von der Linksfahrordnung auf die im anderen Bundesland unter Umständen geltende Rechtsfahrordnung umstellen.[28]
Mit dem Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland wurden auch die meisten der dort geltenden straßenpolizeilichen Bestimmungen übernommen, wie z. B. die Einteilung in Landstraßen I. und II. Ordnung sowie andere straßenpolizeiliche Bestimmungen wie z. B. die Straßenverkehrsordnung[29] oder die Straßenverkehrs-Zulassungsordnung.[30] Die Einteilung in Landstraßen I. und II. Ordnung blieb auch nach dem Krieg in Österreich erhalten und die zuvor autonomen Landestraßen nicht wieder den bisherigen Interessenten bzw. Straßenerhaltern unterstellt.[31]
Einzelnachweise
- ↑ Die Bezeichnung Reichsstraße als Straßenbezeichnung findet sich noch heute in Gemeinden in Österreich.
- ↑ Siehe auch Julius Fritsch: Die Entwicklung des Straßenwesens in Vorarlberg, UT: von den Uranfängen bis zum Jahre 1937, Eigenverlag, Bregenz August 1937, S. 2 ff.
- ↑ Gemeinden und die Kronländer bzw. die Bewohner mussten jeweils bei der Errichtung und dem Erhalt solcher Reichsstraßen Frondienste leisten oder Naturalleistungen erbringen.
- ↑ Beispiel: Bundesgesetz vom 19. Juli 1923, betreffend die Gewährung von Beiträgen der Bundesstraßenverwaltung an Länder, Bezirke, Konkurrenzen und Gemeinden, zu nichtärarischen Straßen- und Brückenbauten, 404/1923.
- ↑ Verordnung der Bundesregierung vom 2. März 1933, betreffend einen österreichischen Straßenfonds (Straßenfondsverordnung), BGBL 44/1933.
- ↑ Die Benzinsteuer für die Straße in (Wiener) Sporttagblatt vom 25. November 1931, S. 6.
- ↑ Straßenfonds und Straßenbau im Jahre 1933 in Österreichische Touring-Zeitung Nr. 1, 1933, S. 6.
- ↑ Der österreichische Volkswirt, 8. Dezember 1934, S. 200 f.
- ↑ 9,0 9,1 Julius Fritsch: Die Entwicklung des Straßenwesens in Vorarlberg, UT: von den Uranfängen bis zum Jahre 1937, Eigenverlag, Bregenz August 1937, S. 7 und 16 ff.
- ↑ Später auch als "Verbundlichung" bezeichnet.
- ↑ Das Straßen- und Brückenbauwesen in Kärnten. In: Klagenfurter Zeitung, 27. Februar 1937, S. 1 (online bei ANNO).
- ↑ Heinrich Held: Wiederherstellung des politischen und wirtschaftlichen Gleichgewichts der Welt in Klagenfurter Zeitung vom 27. November 1931, S. 2.
- ↑ Niederösterreichische Nachrichten, Ausgabe 18/2010, Seite 28
- ↑ Straßen für den öffentlichen Verkehr sind in Österreich alle Straßen, die entweder bestimmungsgemäß dem öffentlichen Verkehr gewidmet worden sind oder die durch langjährige Übung allgemein, ohne Einschränkung und unabhängig vom Willen des Grundeigentümers und dritter Personen für ein dringendes Verkehrsbedürfnis benützt werden dürfen. Die bestimmungsgemäße Benützung einer Straße mit öffentlichem Verkehr ist jedermann gestattet und darf von niemandem eigenmächtig behindert werden.
- ↑ Siehe auch: Ostdeutsche Rundschau vom 17. März 1932, S. 9. Das Motorrad vom 1. November 1933, S. 20.
- ↑ Autobahnen sind deswegen ausgenommen, weil diese erst nach dem Begriff der autonomen Straßen „erfunden“ wurden (in Österreich 1937 als erste die West Autobahn) und zudem diese vom Bund bzw. einer Bundesgesellschaft (ASFINAG) erhalten werden.
- ↑ In Vorarlberg gabe es bis zum Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland keine autonomen Landes- oder Bezirksstraßen, sondern nur Gemeide-, Konkurrenz-, Interessenten- und Privatstraßen. Siehe Julius Fritsch: Die Entwicklung des Straßenwesens in Vorarlberg, UT: von den Uranfängen bis zum Jahre 1937, Eigenverlag, Bregenz August 1937, S. 8 und 11.
- ↑ Öffentliche Konkurrenzstraßen sind solche, die vom Bundesland (früher z. B. auch Kronland) auf Grund von Vereinbarungen unter (Teil-)Finanzierung des Bundes (früher des österreichischen Kaiserreiches) oder einer oder mehrerer Gemeinden oder Interessenten neu angelegt, instandgesetzt oder erhalten werden.
- ↑ Öffentliche Interessentenwege sind solche für den öffentlichen Verkehr von örtlicher Bedeutung, die aber überwiegend nur den Eigentümern, Besitzern und Bewohnern einer beschränkten Anzahl an Liegenschaften dienen und als solche erklärt wurden.
- ↑ Privatstraßen können auf Antrag einer oder mehrerer Gemeinden oder einer Landesregierung von der Bezirksverwaltungsbehörde als öffentliche Straßen erklärt werden, wenn ein dringendes Verkehrsbedürfnis nicht in anderer Weise ohne unverhältnismäßige Kosten befriedigt werden kann. Oder diese können durch langjährige Nutzung durch die Öffentlichkeit zur "öffentlichen Straße" werden.
- ↑ Die Angabe der Straßenlänge ist in verschiedenen Medien unterschiedlich. Beispiel für die hier angeführten Angaben: Der freie Burgenländer vom 30. März 1930, S. 2. und Innsbrucker Nachrichten vom 22. März 1930, S. 4. Arbeiter Zeitung vom 26. April 1930, S. 8.
- ↑ Verkehrszeitung vom 28. Januar 1877, S. 1 f. Reichspost vom 7. Oktober 1928, S. 24.
- ↑ Siehe auch: Kaiserliche Verordnung, über die Schneeschauflung auf Reichsstraßen (RGBl. 16/1851). Verordnung der Ministerien des Innern und der Finanzen, zur Ausführung des Gesetzes vom 2. Jänner 1877 (RGBl. Nr. 33) über die Schneeabräumung auf Reichsstraßen. Verordnung des Ministeriums des Innern im Einvernehmen mit dem Handelsministerium, betreffend die Umwandlung der in der kaiserlichen Verordnung vom 3. Jänner 1851 (RGBl. Nr. 16) über die Schneeschauflung auf Reichsstraßen enthaltenen alten Maßbestimmung (RGBl. 100/1876).
- ↑ Linzer Volksblatt vom 31. Dezember 1931, . 2.
- ↑ Siehe auch für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg Felix Kern: Das Straßen und Brückenwesen Oberösterreichs in Innviertler Volkszeitung vom 13. Januar 1949, S. 2.
- ↑ Julius Fritsch: Die Entwicklung des Straßenwesens in Vorarlberg, UT: von den Uranfängen bis zum Jahre 1937, Eigenverlag, Bregenz August 1937, S. 5.
- ↑ Siehe z. B.: Bludenzer Anzeiger vom 4. Oktober 1930, S. 4. Salzburger Wacht vom 30. September 1930, S. 4. Vorarlberger Volksblatt vom 30. September 1930, S. 1. Die Neue Zeitung vom 1. Oktober 1930, S. 3. Wiener Zeitung vom 2. Oktober 1930, S. 2.
- ↑ Unterschiedliche Regelungen für Rechts- und Linksverkehr galten in Österreich bis zum 18. September 1938, dann wurde einheitlich auf Rechtsfahrordnung umgestellt.
- ↑ dRGBl. !, S. 1179.
- ↑ dRGBL. I, S. 1215.
- ↑ Für Vorarlberg siehe Doris Klump: Die Strassen im Bregenzerwald, Wirtschafts- und sozialwirtschaftlicher Arbeitskreis, 1967, S. 19.
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