Die Sümpfe in Pinzgau
Das Gedicht "Die Sümpfe in Pinzgau" wurde vom Landschaftsphysiker Wolfgang Oberlechner 1803 verfasst und im "Salzburger Amts- und Intelligenzblatt" veröffentlicht.[1] Eine kurze Biographie Oberlechners wurde von Jakob Balde verfasst und sie enthält einen Überblick über die von Oberlechner verfassten Zeitungsartikel und Broschüren.[2]
Einleitung
1803 bittet (der 38-jährige!) Dr. Oberlechner entweder um die Anstellung in der Hauptstadt Salzburg oder um die gnädigste Pensions-Erteilung, da er immer wieder von Fiebern heimgesucht wurde, was auch Teil des Gedichtes ist. In seinem (wund)ärzlichen Gutachten vom 22. Oktober 1803 schreibt der Chürurgus iuratus Thomas Hanselmann "...da ich dem Herrn Doktor beygestanden bin, und Arzneyen gegeben habe, so kann ich mit Gründen behaupten, daß sich derselbe recht schwer erhollet, und sich nicht trösten darf in einer Gegend mehrere Jahre zu leben, wo das kalte Fieber wegen den Sümpfen endemisch herrscht."[3]
Das Gedicht "Die Sümpfe in Pinzgau"
Ja in der That, was Sie neulich sagten, ist reine Wahrheit: jedem Reisenden sind die Sümpfe im Pinzgau auffallend, und alle Menschen, welche für Landeskultur, und Vaterlandsliebe Gefühl haben; welche von dem schonen Grundsatze überzeugt sind, daß der wahre Reichthum eines Landes nur in dem besteht, was die Mutter Erde hervorbringt, äußerten von jeher den Wunsch: Möchte doch diese große Strecke Getreidboden seyn!! Auf mich machten die Lachen immer den unangenehmsten Eindruck; und erweckten in mir den Gedanken: wäre ich heut Klopfstock's Satan, beauftragt, den Judas Ischariot zu Zorne zu reizen; so wurde ich ihm keinen anderen Ort, als die abscheulichen Sümpfe im Pinzgau schildern, und ihm im Traume folgendes in das Ohr flüstern:
Siehst du den schrecklichen Sumpf dort! ganze sechs Stunden der Länge
Nach, von Pramberg bis Bruck hin, wo kein Landmann den Pflug treibt;
Jene Gegend des Fluches mit hohen Gebirgen umschlossen,
Wo die Verwesung thront, und scheußlich stinkende Lachen
Ewig vergiften die Luft; ach! da wächst nährendes Gras nicht,
Auch nicht falbes Getreid, kein Baum; die ätzende Iris
Nur steigt aus dem Schlamme herauf, und ſcirpus, arundo;
Kein Kraut lohnet der Arbeit, dem duldendem Viehe nicht einmahl
Dienen die Gräser zur Streue; wenn nicht die Hacke gebraucht wird,
Sie zu verbessern; man sieht die alten Furchen der Aecker,
Zwar noch an dem Gestade der um sich fressenden Sümpfe;
Doch sie erinnern nur an die goldenen Tage der Vorzeit,
Was war! nicht mehr ist! - und reißt zur schnellen Verzweiflung;
In den schwärzeren Lachen verweilt der genüßebare Frosch nicht;
Dort frohlockt nur des Lebens Feindinn, ein höllisches Wesen,
Das nichts kocht als Gift, die gräßlich coarende Kröte,
Die nie schläft, voll Haß und Neid mit ermüdender Stimme
Auch die Menschen zu ruhen verhindert, und ewiges Wachen
Grausam erregt, wenn nicht das Eis des Winters sich ausstreckt
Und so Schweigen gebeut. Oft schwimmen drohende Nattern
Auf den Wanderer zu, und halten ihn gräßlich umschlungen,
Ritzen tödtend mit giftiger Zunge am Fuße das Fleisch auf.
Findet man dort zum Wunder noch etwa Krebs se, so sind sie
Stinkend, und schwarz; sie vermag nicht das siedende Wasser zu röthen
Selbst die seltenen Fische, die freundlichsten Gäste der Pfützen,
Sind nur mager und krank, so, daß zwey Tausend den Hunger
Eines Menschen kaum stillen, und statt der Labung nur Seuchen
Wecken, wie septiches Gift. Wem ist es möglich zu sagen,
Wie der Ort der Verwüstung so traurig. In nächtlichen Stunden
Steigen vom faulenden Wasser die Nebeldünste des Todes.
Immer begleiten sie feurige, Grauen verbreitende Geister;
Stürzen vereint zur Rache dann über entlegene Dörfer
Hin, und dringen in Häuser, und in die Körper der Menschen.
Anfangs zittert der Mensch dem Laube der Birke vergleichbar;
Wenn der Sturmwind über den Wald im Grimme dahertobt;
Er erbebt, wie der Erdball bebt; wenn ihn strafende Allmacht
Faßt, und erschüttert; denn Kälte ergreift ihn, wie Kälte des Eismeers!
Aber bald folgt zehrende Hitze, unlöschbarer Durst plagt
Den vertrockneten Körper, Röthend wie glühende Kohle
Liegt der Kranke und stöhnt. Ihm ist nicht vergönnet, nur eine
Thräne zu weinen; nur quält der umfliessende, stinkende Schweiß ihn,
Blaß und kraflos athmet er schwer und ringt mit dem Tode! –
Dreymal geschwinder schlägt ihm das Herz! Es zittert! dann stirbt er –
Freund! die Lache, den Sumpf, der alles das Uebel hervorbringt,
Machst du mit deinen ersinnlichsten Kräften ewig nicht urbar,
Armer! glaub' es mir doch; es wird dir immer mißlingen,
Was den reichen, und weisen Wahlfürsten trotzte, und immer
Widerstand; ach! umsonst denkst du in Sorgen die Nacht durch
Lieber! Ich schwöre, umsonst, und verschmachtend zerbrichst du den Kopf dir - -
Höre! - (ich weiß es) höre! Der Ort ist verflucht, und verurtheilt
Zum Todtsein!!! Ha! denke das Alles ist dein! ist dein Erbtheil;
Aber das herrliche Hundsdorf links in der Ferne, wo Segen
Ruht; wo Früchte gedeihen, der Weitzen in Ueberfluß wallet,
Wo die geräumigen Ställe die Menge starkhufiger Pferde
Und der fettesten Rinder und Lämmer, und Bicke kaum fassen,
Wo die Traube erquickt, und edlere Menschen die Wollust
Edens geniessen; dort, wo der Sonne befohlen ward, länger,
Als der übrigen Erde zu leuchten: wird herrschen dein Gegner,
Er, dein Feind, der süße, vom Meister geliebtere Jünger! - -
Durch diese beynahe ganz getreue Schilderung hoffte ich wohl den Judas ein wenig böse zu machen; und trüge dieses nur mittelbar das Mindeste zum großen Endzwecke, zur Austrocknung der abscheulichen Sumpfe bey, o wie wäre ich so glücklich!
Oberlechner Physicus